Mystische Physik

Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2011.

Einer Physikergruppe um Anton Zeilinger in Wien gelang es vor fünf Jahren, den Schwingungszustand eines Photons über eine Entferung von 600 Metern auf ein anderes Photon zu übertragen, ohne dass die beiden Lichtteilchen sich dabei berührten. Die Quantenzustände von Atomen vermochte man bisher nur über Distanzen im mikroskopischen Bereich zu teleportieren. Einem Physikerteam an der Universität von Maryland in College Park ist es jetzt gelungen, den Quantenzustand eines Atoms über einen Meter auf ein anderes Atom zu übertragen. Nachzulesen in der Zeitschrift »Science«, Bd. 323, S. 486.

Die amerikanischen Physiker hielten zwei geladene Ytterbiumatome in zwei elektromagnetischen Ionenfallen fest, die sich in zwei Vakuumkammern befanden. In jedem Atom regten sie mit Hilfe von Laserstrahlen zwei »Hyperfeinzustände« an. Diese entstehen gemäß der Theorie aus der Wechselwirkung der Atomkerne und ihrer Elektronenhülle. Wie die Forscher feststellten, befanden sich die beiden angeregten Atome jedoch nicht in einem der beiden Hyperfeinzustände, sondern jeweils in beiden gleichzeitig. Was die klassische Physik für unmöglich hält, ist für die Quantenphysik kein Problem. Die Physiker übertrugen daraufhin eine Information in das erste Atom, indem sie dessen Überlagerungszustand mit Mikrowellen leicht veränderten.

Für die Teleportation verwendeten die Physiker ein Verfahren, das in der Quantenphysik als Verschränkung bezeichnet wird. Zwei Teilchen zeigen in diesem Zustand ein vollkommen synchrones Verhalten, gleichgültig wie weit sie voneinander entfernt sind. Ändert sich die Eigenschaft eines Teilchens, ändert sich auch die des anderen und umgekehrt. Die Atome konnten allerdings nicht direkt verschränkt werden, sondern nur mit Hilfe von Photonen, die von den Atomen selbst stammten. Die Ionen mussten zu diesem Zweck mit kurzen Laserpulsen bestrahlt werden, die daraufhin jeweils ein Photon emittierten. Jedes Photon war nun mit »seinem« Atom verschränkt. Die Energie der Lichtquanten besaß – dem Hyperfeinniveau entsprechend, dem sie entstammte – zwei Werte. Die beiden Photonen wurden nun durch Glasfasern aus den Vakuumkammern geleitet, zusammengeführt und an einem Strahlteiler zur Überlagerung gebracht. Die Photonenzustände wurden auf diese Weise miteinander vermischt. Dadurch ging die Verschränkung von den Atom-Photon-Paaren auf die Atome selbst über, die nun ein synchrones Verhalten an den Tag legten.

Danach machten sich die Physiker an die Aufgabe der Teleportation. Sie maßen den Zustand des ersten Atoms, indem sie es mit Laserlicht bestrahlten. Leuchtete es auf, befand es sich in einem der beiden Hyperfeinzustände, blieb es dunkel, befand es sich in dem anderen. Die Messung zerstörte zwar den Quantenzustand des ersten Atoms, dieser übertrug sich jedoch auf wundersame Weise auf das zweite Atom. Das Ergebnis war allerdings nicht auf Anhieb zu erkennen, wie die Physiker gestehen. Sie mussten erst das zweite Atom einem Mikrowellenpuls aussetzen, der sich nach dem Resultat richtete, das die Zustandsmessung am ersten Atom ergeben hatte (»hell« oder »dunkel«). Auf diese Weise ließ sich am zweiten Atom der teleportierte Zustand erkennen.

Die Teleportation ist in etwa 90 Prozent der Fälle gelungen. Das Verfahren benötigt allerdings vergleichweise viel Zeit. Die Atome strahlten zwar pro Sekunde 75.000 Photonen ab, aber nur alle 12 Minuten kam es zu einer Verschränkung der beiden Übeltäter.

Eine mögliche Anwendung der Teleportation könnten Quantencomputer sein, die nicht mehr mit klassischen Bits (Nullen und Einsen) arbeiten, sondern mit Quantenbits, deren Werte den teleportierten Hyperfeinzuständen der Ytterbiumatome entsprächen.

Haben Sie auch nur ein Wort dieses luziden Berichts verstanden? Macht nichts. Die Mystik ist ebensowenig verständlich und nicht weniger wissenschaftlich.

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