Mircea Eliade und der Traditionalismus

Zuletzt aktualisiert am 8. März 2014.

Mircea Eliade Anfang der 1930er Jahre

Mircea Eliade Anfang der 1930er Jahre

Der rumänische Traditionalismus entwickelte sich in den 1920er Jahren. Seine Wurzeln lagen weder in Paris noch in Kairo, sondern in Rom. Der früheste identifizierbare rumänische Traditionalist, Mircea Eliade, war 1927 Sympathisant der UR-Gruppe Evolas und Reghinis und wurde von letzterem (so wie Evola), in das Werk Guénons eingeführt. Es ist unklar, wie Eliade mit der UR-Gruppe in Kontakt kam, vermutlich ebnete sein Interesse am Okkultismus den Weg: schon mit 16 las er theosophische Werke und Louis-Claude de Saint-Martin.

Nachdem er die theosophische Literatur kennengelernt hatte, wollte er Sanskrit lernen, um die Originale zu studieren, so wie sich Aguéli 1895 entschlossen hatte, Sanskrit zu lernen. Für dieses Studium gab es in Rumänien jedoch kaum Voraussetzungen. Daher begann Eliade 1925 an der Universität von Bukarest auch Philosophie bei Nae Ionescu zu studieren, der sich unter anderem auch mit Religion beschäftigte. 1928 konnte Eliade dank einer Stiftung des Maharajas von Kassimbazar nach Kalkutta reisen, um Sanskrit und den Hinduismus zu studieren. In diesen Jahren hielt er engen Kontakt zu Evola, wie aus einem Tagebucheintrag hervorgeht, den er 1974 schrieb: »Heute erfahre ich vom Tod Evolas …, Erinnerungen an meine Jahre an der Universität tauchen auf, an die Bücher, die wir zusammen entdeckten, die Briefe, die ich von ihm in Kalkutta erhielt.«

1931 kehrte Eliade nach Rumänien zurück und absolvierte 1933 seine Doktorprüfung. Er begann an der Universität Bukarest zu lehren und machte sich in seinem kleinen Land schnell als Intellektueller, Gelehrter, Kulturkritiker, Journalist und Romanautor einen Namen.

Um 1933 entstand eine Gemeinde rumänischer Traditionalisten. Sie wurde nicht von Eliade geleitet, sondern vom engagierteren Vasile Lovinescu, der den Traditionalismus möglicherweise durch Eliade kennengelernt hatte. Lovinescu ist jedenfalls die zentrale Gestalt des Traditionalismus in Rumänien. In Bukarest gab es rund ein Dutzend Traditionalisten, was sie zur größten Gruppe außerhalb Frankreichs und der Schweiz machte. Einer von ihnen, Michel Vâlsan, war Student bei Eliade und sollte später eine wichtige Rolle in der Geschichte des Traditionalismus spielen.

Die Aktivitäten der Gruppe richteten sich an Evola und Guénon aus. Evolas Vorbild ist im Engagement Eliades und Lovinescus für die Legion des Erzengels Michael erkennbar, Guénon in der Suche nach einer gültigen Initiation, die Lovinescu und Vâlsan betrieben, nicht jedoch Eliade, was darauf hindeutet, dass er sich damals eher an Evola als Guénon orientierte. Einige Mitglieder der Gruppe beteiligten sich auch am Forschungsprojekt der »Études traditionelles«. Lovinescu schrieb eine Serie von Beiträgen über das »hyperboräische Dakien«, die zwischen 1936 und 1937 in den »Studien zum Traditionalismus« erschienen. Er behauptete, die römische Provinz Dakien, aus der Rumänien hervorgegangen war, sei ein hohes spirituelles Zentrum gewesen und das Land deswegen eine Schatzkammer der primordialen Tradition. Diese Idee hatte bereits Vasile Parvan, ein nichttraditionalistischer Neuheide popularisiert. 1934 gründeten die Bukarester Traditionalisten eine eigene Zeitschrift, »Studii des traditie ezoterica« (»Studien zur esoterischen Tradition«). Herausgeber war Marcel Avramescu, ein Jude, der zum orthodoxen Christentum übergetreten war.

Eliade schrieb nicht nur für die »Studien zum Traditionalismus«, sondern auch für Mainstream-Zeitungen, insbesondere die Tageszeitung »Vremea«. Daneben veröffentlichte er wissenschaftliche Bücher und literarische Bestseller. Dass er das allgemeine Publikum ansprach, hatte einige wichtige Konsequenzen für sein Werk. Eine war, dass er selten traditionalistische Autoren zitierte – wenigstens nachdem seine ersten Werke erschienen waren –, selbst wenn sie hätten zitiert werden müssen. Zwei Kapitel seines »Mythos der Reintegration« (1942) stammen nahezu wörtlich aus einem Artikel Coomaraswamys von 1935 mit dem Titel »Engel und Titan«. 1951, nachdem er eine Neuauflage von Eliades Abhandlung über die »Geschichte der Religionen« (1948) gelesen hatte, schrieb Evola an Eliade, er verstehe gut, dass Eliade sich auf die »offizielle akademische Literatur« habe stützen müssen, bemängelte aber, dass man »weder ein Wort über Guénon finde, noch über alle anderen Autoren, deren Denken und Werke es ihnen ermöglichen, ihr Material so gewandt zu handhaben.«

Eliades Antwort ist verloren gegangen, aber in seinem Tagebuch notierte er: »Eines Tages erhielt ich einen Brief von [Evola], in dem er mich tadelte, das ich ihn nie zitierte, ebensowenig wie Guénon. Ich antwortete ihm, so gut ich konnte, und ich muss eines Tages die Gründe angeben, nach denen diese Frage verlangt. Mein Argument wäre nicht einfach gewesen. Meine Bücher schreibe ich für das Publikum von heute und nicht für Initiaten. Anders als Guénon und seine Nachahmer glaube ich nicht, dass ich etwas schreiben könnte, was ausschließlich für diese bestimmt wäre.«

Eliade schien zu meinen, er schreibe für das allgemeine Publikum und nicht für die »Études traditionelles« und ein offener Traditionalismus würde ihn Leser kosten. Guénon war bereits unabhängig von ihm zu diesem Schluss gekommen.

Wenn dies Eliades Ansicht war, dann lag er damit richtig. Laut Sedgwick gilt die allgemeine Regel, dass ein sanfter, gemäßigter Traditionalismus erfolgreich sein kann, während ein strenger Traditionalismus nie über eine kleine Leserschaft hinausgelangt. Danach wäre Eliade ein gemäßigter Traditionalist gewesen, in dem Sinn, dass er sich in seinen Werken nicht offen zum Traditionalismus bekannte. Er war aber auch in dem Sinn ein sanfter Traditionalist, dass er ihm nicht so verbunden war, wie Lovinescu oder Vâlsan. Für sie war Guénon der »wichtigste Autor des Zeitalters« und der Traditionalismus vermochte alles zu erklären, was wirklich wichtig war. Für Eliade waren – noch mehr als für Evola – auch andere Quellen wichtig und Eliade war glücklich, wenn er gelegentlich nicht mit der traditionalistischen Sichtweise übereinstimmte.

Er hatte aber noch andere Gründe, warum er die Traditionalisten in seinen Werken nicht erwähnte. 1943 jedenfalls war ihm klar, dass Akademiker ihnen manchmal vorwarfen, die Geschichte und die Tatsachen der Forschung zu ignorieren. Das Zugeständnis der Abhängigkeit von Autoren, die nach akademischen Begriffen unseriös waren, hätte seine akademische Laufbahn erschwert, wenn nicht gar verhindert. Coomaraswamy war in dieser Hinsicht offener, aber als er 1933 sein erstes traditionalistisches Buch veröffentlichte, war er bereits 56 Jahre alt und befand sich in einer etablierten, unangreifbaren Position. Wissenschaftler in seiner Stellung kommen mit Schlimmerem davon. Eliade musste als junger Wissenschaftler vorsichtiger vorgehen.

Den Traditionalismus im Werk eines sanften Traditionalisten zu erkennen, ist schwieriger, als wenn man es mit einem harten Traditionalisten wie Guénon zu tun hat, und bei einem Autor, der so viel und manchmal so anspruchsvoll schrieb wie Eliade, ist es erst recht schwierig. Eliades Traditionalismus lässt sich weniger in den Details finden, als in seinen Gegenständen und in seiner Methode.

Sein Ziel war nicht, die primordiale Wahrheit aus ihren Überresten zu rekonstruieren, um einer Elite bei der Implosion des Westens oder dessen Assimilation durch den Osten beizustehen, sondern er versuchte ein allgemeines Modell der menschlichen Religiosität zu entwickeln, die in weit verbreiteten Mythen und Symbolen zum Ausdruck kommt. Dieses Modell verstand er als die Grundlage des Seins und Bewusstseins und meinte, es werde dem Menschen bei seiner Selbsterkenntnis helfen und etwas zur kulturellen Erneuerung beitragen, die er für umso notwendiger hielt, als das Zeitalter, in das der Westen eintrat, seiner Ansicht nach eines war, in dem wir »nicht nur von Nichtokzidentalen umgeben, sondern auch von ihnen beherrscht sein werden«. Diese Auffassung steht jener Guénons nahe. 1937 verknüpfte Eliade das Studium der Symbolik mit dem traditionalistischen Projekt, als er die Werke der führenden Traditionalisten in wissenschaftlichen Begriffen umschrieb. Er sagte von ihnen, sie versuchten, die Einheit der Traditionen und Symbole zu untermauern, die der alten orientalischen, der amerindischen und der westlichen Kultur ebenso wie den »ethnographischen« Kulturen zugrunde liege.

Eliades Modell der menschlichen Religiosität ist die philosophia perennis in einem säkularen Gewand. Seine Hoffnung auf kulturelle Erneuerung durch das Verständnis religiöser Mythen und Symbole war in den 1960er Jahren vollkommen akzeptabel, mehr als eine Erneuerung durch das Verständnis esoterischer Spiritualität und auf alle Fälle akzeptabler als eine religiöse Erneuerung. Wäre es einmal vollendet, würde sich dieses allgemeine Modell wenig von der philosophia perennis unterscheiden.

Während seiner ganzen Laufbahn verfolgte Eliade jedoch das traditionalistische Projekt der »Sammlung von Überresten« unter anderen Namen und durch wissenschaftliche Methoden. Das Material war dasselbe, das man auch in den »Studien zum Traditionalismus« fand, aber statt von »Tradition« sprach er von »archaischer Religion«. Ein regulärer Traditionalist hätte verschiedene Traditionen studiert, weil er glaubte, alle seien Ausdruck der philosophia perennis; Eliade studierte die archaischen Religionen, als ob er an sie glaubte, und interpretierte sie »auf ihrer eigenen Sinnebene«. In welchem Ausmaß Eliade der Auffassung war, diese archaischen Religionen seien tatsächlich Aspekte der philosophia perennis, kann man unmöglich sagen, aber soweit er dieser Auffassung war, erleichterte sie ihm die Einnahme des Standpunktes eines Gläubigen der jeweiligen Religion, mit der er sich gerade beschäftigte.

Eliade fand eine Rechtfertigung für seine nahezu ausschließliche Beschäftigung mit archaischen Religionen in einer etwas zweifelhaften Theorie des Zeiterlebens: das moderne Erlebnis der Zeit sei linear und atypisch, im Vergleich mit der viel universelleren, zyklischen Zeiterfahrung und daher sei eine nichtarchaische Religion ebenso atypisch. Dieser Gedanke befreite ihn von jeder Bezugnahme auf das Kali Yuga, worin ihn auch die Entdeckung unterstützte, dass es sich dabei um eine sehr späte Erweiterung des Hinduismus handelte. Seine Theorie der Zeit erlaubte ihm jedoch, die Moderne ebenso entschieden zu verwerfen wie Guénon, aber nur in ihren religiösen Aspekten. Kurz vor 1978 bemerkte Eliade, an Guénons Werk habe ihn die »exzessive Polemik« irritiert und seine »brutale Zurückweisung der gesamten westlichen Kultur«, so als genüge es, an der Sorbonne zu unterrichten, um den Verstand zu verlieren.

Dass der traditionalistische Perennialismus aber auch dem späteren Werk Eliades zugrunde lag, zeigt die Erfahrung eines früheren Studenten, der versuchte, eine eigene akademische Identität aufzubauen. Der Student, inzwischen selbst ein Professor für Religionswissenschaft, las die Druckfahnen eines Buches, das er über den frühen Taoismus geschrieben hatte: »In jedem zweiten Absatz kam das Wort ›primordial‹ oder eine typische Eliadsche Formel vor. Ich ging die Druckfahnen wie berauscht durch, um mich ein für alle mal von der Kontamination der Primordialität zu befreien.« (N. J. Girardot)

Die Legion des Erzengels Michael

Corneliu Zelea Codreanu, Anführer der Legion des Erzengels Michael

Corneliu Zelea Codreanu, Anführer der Legion des Erzengels Michael

Es ist nicht klar, ob Lovinescu und Eliade Mitglieder der Legion des Erzengels Michael waren, aber beide unterstützten sie und standen mit ihrem Anführer, Corneliu Zelea Codreanu, in Kontakt. Die Liga (auch als »Eiserne Garde« bekannt) war 1927 von Codreanu, einem früheren Anhänger Alexandru C. Cuzas begründet worden. Cuza war ein politischer Ökonom an der Universität Bukarest, der 1923 eine »Liga für nationale christliche Verteidigung« begründet hatte. Cuzas Liga war radikal – ein späterer Historiker meinte – »monoman« antisemitisch, und wegen der Frage des Antisemitismus kam es zwischen Codreanu und Cuza zum Bruch. Aber nicht, weil Codreanu kein Antisemit gewesen wäre – auch er war es, »wenn auch nicht mehr als die rumänische Gesellschaft im allgemeinen« – , sondern weil er meinte, es reiche nicht, den Juden an allem die Schuld zu geben. Das Ziel seiner Liga war nicht nur, das rumänische Leben von jedem jüdischen Einfluss zu reinigen, vielmehr wollte er Rumänien auf einer christlichen und nationalen Grundlage »moralisch verjüngen«, wozu für ihn auch die Abschaffung der alles durchdringenden Korruption gehörte.

Die Legion des Erzengels Michael unterschied sich von jener für nationale Verteidigung, besonders seit 1932, dem Jahr, in dem Cuza Beziehungen zur aufsteigenden Nazipartei aufnahm und erklärte, die Rumänen seien arischen Ursprungs. In diesem Jahr erhob er auch das Swastika zum Symbol der Liga. Cuzas Liga besaß einen bewaffneten Arm, der mit der frühen SA vergleichbar war. Die Grünhemden Codreanus waren schuld an zahlreichen Exzessen, aber im Vergleich mit Cuzas Lanzenträgern schienen sie geradezu ein Vorbild guten Benehmens.

1933 trat der frühere Lehrer und jetzige Vorgesetzte Eliades, Nae Ionescu, der Legion bei. Viele Studenten folgten ihm, einschließlich – so scheint es – Eliade. Es gibt keine Mitgliedskarte Eliades, aber er unterstützte die Legion, indem er eine nicht allzu subtile Propaganda für sie betrieb. So schrieb er 1937 in der »Vremea« einen »Kommentar zu einem Eid«, in dem er über den Eid der Legionäre sagte: »Dieser Eid hat eine überwältigende Bedeutung. Das Ausmaß, in dem er erfüllt und fruchtbar gemacht wird, entscheidet über Rumäniens Fähigkeit zur geistigen Erneuerung … Die Bedeutung der Revolution, die Codreanu anstrebt, ist so tief mystisch, dass ihr Erfolg einmal mehr den Sieg des christlichen Geistes in Europa bedeuten wird.«

Im selben Jahr schrieb er an anderer Stelle, er glaube an den Sieg der Bewegung, weil sie Teil der göttlichen und historischen Mission des rumänischen Volkes sei und nicht nur Rumänien retten, sondern auch »einen neuen Typus Mensch« hervorbringen werde. Die Bewegung der Legionäre unterschied sich nach Eliade von allen anderen, da sie weniger politisch als spirituell sei. Während der Kommunismus im Namen der Ökonomie handle, der Faschismus im Namen des Staates und der Nazismus im Namen der Rasse, handle die Bewegung der Legionäre im Namen des Christentums. Nicht dass Eliade das Thema der Rasse ausgeklammert hätte – wenigstens bei zwei Gelegenheiten schrieb er in der »Vremea« über die Notwendigkeit, die »rumänische Rasse« von jüdischen und ungarischen Einflüssen zu reinigen. In den betreffenden Artikeln lässt sich der Einfluss von Evolas Konzept der »uranischen Aktion« ebenso erkennen, wie in Eliades Engagement für die Legion.

Auch wenn es keine Belege dafür gibt, scheint es möglich, dass Eliade versuchte, die Legion von innen her zu beeinflussen, wie Evola in Italien und Deutschland dies mit den entsprechenden Gruppierungen versuchte. Als Evola 1937 Rumänien besuchte, stellten Eliade und Lovinescu ihn Codreanu vor. Evola sah in Codreanu eine der »wertvollsten und spirituell am besten orientierten Gestalten in den nationalen Bewegungen«, »die er jemals getroffen« habe. Evola und Eliade aßen anschließend bei Nae Ionescu zu Abend.

Aber in Bukarest gab es nicht nur Anhänger Evolas, sondern auch solche Guénons. 1935 weilte Lovinescu auf der Suche nach Initiation im berühmten Athos-Kloster. Von seinen Erfahrungen berichtete er Guénon, der aus dem Bericht schloss, es habe dort niemals etwas von Bedeutung gegeben oder wenn, dann es sei inzwischen verloren gegangen. Er empfahl Lovinescu an Schuon weiter, der daraufhin 1936 nach Basel reiste und nach einer Vorbereitung durch Burckhardt nach Amiens ging, wo er Schuons Alawiyya beitrat.

Eliades ehemaliger Student Vâlsan unternahm dieselbe Reise mit demselben Ergebnis. 1935 hatte Vâlsan zu den Tausenden von Rumänen gehört, die nach Maglavit pilgerten, um Petrache Lupu aufzusuchen, dessen Visionen und wundersamen Heilungen eine Welle religiöser Verzückung auslösten, die das ganze Land überschwemmte, und der von Cuzas Liga aufgenommen wurde, nachdem er einen mit Cuza verbundenen Journalisten von einem »unkontrollierbaren Blinzeln« geheilt hatte. So wie Lovinescu Guénon vom Berg Athos berichtet hatte, berichtete Vâlsan ihm von Lupu, bis Guénon zum Schluss kam, dieser habe nichts Interessantes zu bieten und ihn an zur Alawiyya schickte. Lupus Wirkung auf Vâlsan war jener auf den Journalisten entgegengesetzt: Vâlsan fühlte sich von Lupu verfolgt, und Reyor – der Vâlsan in Paris auf seinem Weg zu Schuon traf – beschrieb ihn als einen Mann, der »sichtbar von Angst erfüllt« sei. Um sein Gleichgewicht wiederherzustellen, warf Vâlsan eine Uhr in die Seine, die Lupu gesegnet hatte, und wandte sich der Alawiyya zu – aber auch später sollte er sich mit Grauen an Lupu erinnern.

Mit Vâlsans Hilfe gründete Lovinescu einen Zweig der Alawiyya in Bukarest, über den jedoch nichts weiter bekannt ist. Es gibt keinen Hinweis, dass Eliade ihm angehört hätte, auch nicht dafür, dass er jemals nach einer Initiation gesucht hätte. Viele Jahre später meinte Eliade, die Wiederentdeckung eines »heiligen Textes« durch einen »kundigen Leser« könne eine Initiation ersetzen. Dies scheint die Initiation gewesen zu sein, die Eliade für sich selbst in Anspruch nahm.

Nach 1938 verschwand der Großteil des rumänischen Traditionalismus unter dem Druck des Sturms der sich über Europa zusammenbraute. König Carol II. von Rumänien, der bei seiner Thronbesteigung 1930 eine persönliche Herrschaft errichtet hatte, übernahm 1938 die Kontrolle über die Legion zu übernehmen. Er setzte Codreanu und viele andere Legionäre gefangen, unter anderen Eliade und Nae Ionescu. Codreanu und zwölf seiner wichtigsten Unterstützer wurden im Gefängnis erhängt, die restlichen wieder freigelassen. Die Leitung der Legion ging auf Horia Sima über, der Cuzas Naziorientierung teilte und die Legion in die »Eiserne Garde« umwandelte, in der die Alliierten des II. Weltkriegs die rumänische Entsprechung der Nazipartei sahen. Vâlsan war inzwischen rumänischer Botschafter in Paris und 1939 erhielt Eliade eine entsprechende Aufgabe in London.

1940 zwang Deutschland Rumänien, große Gebiete an seinen Verbündeten Ungarn abzutreten und König Carol II. trat zurück. Michael, der neue König, ernannte eine Regierung, die den Deutschen genehm war, der Marschall Ion Antonescu vorstand und der neben dem Führer der Eisernen Garde auch Eliades Freund Nae Ionescu angehörte. Aber Ionescu starb noch im selben Jahr eines natürlichen Todes. 1941 schloss sich Rumänien den Achsenmächten an und Eliade wurde aus dem verfeindeten London ins neutrale Portugal geschickt. Vâlsan und er behielten ihre diplomatischen Posten bis zum Ende des Krieges. Lovinescu blieb in Rumänien, wo er kurze Zeit Bürgermeister seiner Geburtsstadt war. Rumänien wurde in Jalta der Sowjetunion zugesprochen und obgleich es nicht vor 1947 eine Volksrepublik wurde, war bereits 1945 klar, aus welcher Richtung der Wind wehte. Daher beschlossen Vâlsan und Eliade im Ausland zu bleiben.

Vâlsan blieb in Frankreich, nachdem er 1945 kurz nach Rumänien zurückgekehrt war, Eliade zog von Portugal nach Frankreich und später nach Amerika weiter.

Eliade wurde später wegen seiner Beziehungen zum rumänischen Faschismus angegriffen. Der Philosoph Kelley Ross behauptete, Eliades Theorie, die archaische und »moralisch indifferente« Religionen bevorzuge, führe logisch und auf direktem Weg zum neuheidnischen Amoralismus der Nazis; außerdem habe Eliade dergleichen vor oder während dem II. Weltkrieg befürwortet.

Verschiedene Variationen dieses Vorwurfs standen hinter der noch hitzigeren Kritik, die Ende des 20. Jahrhunderts gegen Eliade vorgebracht wurde. Sedgwick meint zu diesem Vorwurf, wenn man die Existenz des Arationalen und Amoralischen anerkenne und es untersuche, bedeute dies noch nicht, dass man solche Aktivitäten gutheiße (man könne sogar das Gegenteil tun). Außerdem bestehe Eliade den »Test zur Erkennung des Bösen«, den Ross vorgeschlagen habe: »Man kann Eliade mit Recht politische Naivität vorwerfen. Wäre es bloß Naivität gewesen, wäre das eine Art von Verteidigung, die oft zugunsten Heideggers und Heisenbergs vorgebracht wird. Die Frage ist, ob verrückte oder dumme Ansichten moralisch böse sind oder bloß gut gemeint, aber schlecht informiert. Eine mögliche Prüfung besteht darin, ob die betreffenden Ansichten angesichts eines Aufweises des Bösen einen Desillusionierungsprozess durchlaufen. Wenn es unter diesen Umständen zu keiner Desillusionierung kommt, muss man fragen, ob solche Übel wirklich aus den betreffenden Ansichten folgen und sie damit wirklich naiv oder ob sie bewusst, aus freiem Willen und damit absichtlich böse sind.«

Laut Sedgwick war Eliade desillusioniert, als er Rumänien Richtung London verließ. Im Gegensatz zu ihm hätten weder von Sebottendorff noch Evola das Böse erkannt. Für Sebottendorff könne man das Argument der Naivität und der Zeit ins Feld führen, für Evola jedoch nicht.

Der rumänische Traditionalismus überlebte die Volksrepublik, hatte aber kaum Kontakt zum Traditionalismus in anderen Ländern. Lovinescus Alawiyya bestand bis in die 1970er Jahre mit sieben oder acht Mitgliedern. 1958 rief Lovinescu einen traditionalistischen Studienkreis ins Leben, die »Bruderschaft des Hyperion«, die aus etwa zehn Mitgliedern bestand, die sich wöchentlich trafen und zu einem orthodoxen initiatischen Orden in Beziehung gestanden haben sollen. Er begann 1964 zu schreiben und veröffentlichte 1981 sein erstes Buch, »Die vierte Pilgerfahrt«.

Nach dem Fall Ceausescus 1989 gewann der Traditionalismus in Rumänien eine neue Popularität. Die »Bruderschaft des Hyperion« trat an die Öffentlichkeit, begann Lovinescus Werke herauszugeben und andere Traditionalisten zu übersetzen, die in einem bekannten Verlagshaus erschienen – ja der Traditionalismus wurde sogar Thema einer wöchentlichen Radiosendung. Die Ansammlung von Traditionalisten im rumänischen Außenministerium, die es in den 1930er Jahren schon einmal gegeben hatte, kehrte in den 1990er Jahren wieder. Ein Außenminister, ein Botschafter in Paris und einer in Tunesien waren Traditionalisten. Der Botschafterposten in Tunesien wurde einem Mann als Ehrenstelle übergeben, der kurze Zeit Vizepräsident des Ministerrates war, nachdem er im Tribunal mitgewirkt hatte, das Ceausescu zum Tode verurteilte.

Fortsetzung

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