Der Leib der Auferstehung in der schiitischen Theosophie

Zuletzt aktualisiert am 1. September 2015.

Al-Khadhimiya Moschee, Bagdad

Foto: Al-Khadimiya Moschee in Bagdad. Die Moschee enthält die Grabmäler des siebten und achten Imam und ist eines der bedeutendsten Heiligtümer der Schia. Jafaralshama, GNU License @ English Wikipedia.

Der iranische Schaichismus oder die Schule der Schaichs geht auf den Visionär und Mystiker Ahmad al-Ahsa’i (1753-1826) zurück. In Bahrain geboren, verbrachte er über 15 Jahre seines Lebens im Iran, wo er die freundliche Förderung des Shahs und seines Sohnes genoss. Später siedelte er in den Irak über. 132 von ihm verfasste Bücher existieren noch heute, viele weitere sind verloren gegangen. Obwohl sich Ahmad al-Ahsa’i nie als Begründer einer besonderen Schule betrachtete, sondern lediglich die theosophischen Lehren der Imāme des Zwölfer-Schiismus mit neuem Leben erfüllen wollte, entfaltete er dennoch eine große Wirkung, die von seiner esoterischen Deutung der schiitischen Traditionen und seinem spirituellen Vorbild ausging. Die von al-Ahsa’i ausgegangene Schule existiert noch heute im Iran, im Irak und am persischen Golf.

In einem Werk Ahmad al-Ahsa’is (»Kitāb Sharh al-Ziyāra«, 1859) finden sich einige Ausführungen über den »Leib der Auferstehung«, die von Henry Corbin in seinem Buch »Geistleib und himmlische Erde« im Auszug abgedruckt wurden. Diese werden hier erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht.

»In den Traditionen, die von den heiligen Imāmen handeln, und in Anrufungen, die an sie gerichtet sind, wird manchmal vom dschasad (ihrem fleischlichen Körper) manchmal von ihrem dschism (ihrem nicht näher definierten Körper) gesprochen. Beide Ausdrücke werden häufig verwendet und manchmal wird der zweite anstelle des ersten gebraucht. Die Imāme selbst wurden in ihren Unterhaltungen mit ihren Schülern sicherlich von Überlegungen geleitet, die sie allein überblickten. Jedenfalls ist das Ergebnis für diejenigen offensichtlich, die mit der Redeweise der heiligen Imāme einigermaßen vertraut sind, nämlich, dass sie das Wort adschsād (Mehrzahl von dschasad, materieller, fleischlicher Körper) als Gegensatz zu Geist benutzten, während das Wort dschism (Körper ohne nähere Bestimmung, Plural adschsām) bei ihnen eine viel allgemeinere Bedeutung hatte. Manchmal verwenden sie sogar die Ausdrücke ›Gestalten‹, ›reale Erscheinungen‹, ›Erscheinungsformen‹ (aschbāh) als Äquivalent für ›materieller Körper‹ und den Ausdruck ›Geister‹ als Äquivalent für ›Körper‹ in unbestimmtem Sinn (adschsām).

Nun müssen wir uns darüber klar sein, dass der Mensch zwei dschasad und zwei dschism besitzt. Der erste dschasad (der irdische Körper aus Fleisch) besteht aus Elementen, die der Herrschaft der Zeit unterliegen. Dieser Körper aus Fleisch ist wie ein Kleid, das ein Mensch anzieht und später wieder auszieht; dieser Körper kann weder leiden noch genießen; er unterliegt weder dem Glauben noch der Rebellion.

Seht ihr nicht, dass es dem Zayd geschehen kann, dass er von einer Krankheit verzehrt wird; er schwindet dahin, bis zu dem Punkt, dass kein Gramm Fleisch mehr an ihm zu sein scheint. Aber er ist sicher immer noch Zayd; er behält seine Identität. Unmittelbar und ohne Zweifel erkennt ihr in ihm immer noch Zayd, den Rebellen; kein Teilchen seiner rebellischen Natur ist verschwunden. Wäre das, was verschwunden ist, imstande, seine rebellische Natur zum Verschwinden zu bringen, dann wäre die letztere fast vollständig verschwunden, weil sie dann sowohl ihre Stütze als auch ihre Quelle verloren hätte. Dasselbe könnte man von Zayd, dem Gläubigen sagen. Kein Teilchen seines Glaubens wird verschwinden, weil sein Glaube keinerlei Beziehung zu jenen Teilen hat, die verschwunden sind, ebensowenig, wie er zu diesen im Verhältnis einer Wirkung zu ihrer Ursache steht, oder im Verhältnis eines Flusses zu seiner Quelle – zwischen diesen beiden Aspekten seines Wesens gibt es keinerlei Abhängigkeit. Wenn das, was die Krankheit zum Verschwinden gebracht hat, wirklich ein Teil von Zayd gewesen wäre, wäre mit ihm auch das Gute oder Böse verschwunden, das zu seiner Person gehört. Umgekehrt gilt: Wenn er an Gewicht zunimmt, bleibt er doch derselbe Zayd; ebenso, wie es zuvor keine Abnahme gab, gibt es hier keine Zunahme, soweit es sein Wesen und dessen Eigenschaften betrifft, also auch keine Zunahme an Glauben oder Rebellion.

Kurz, dieser dschasad, dieser Körper aus Fleisch, der aus den irdischen Elementen besteht, ist nicht ein Teil Zayds. Er entspricht der Undurchsichtigkeit von Quarzsand und Pottasche. Wenn diese beiden miteinander vermischt und verflüssigt werden, entsteht Glas. Das Glas ist sicher derselbe Quarzsand und dieselbe Pottasche, die vollkommen dicht und undurchsichtig waren. Aber nach der Vermischung ist die Undurchsichtigkeit verschwunden. Das bedeutet, dass die Undurchsichtigkeit keine Eigenschaft der Erde selbst ist. Diese ist vielmehr geistig und durchsichtig; die Undurchsichtigkeit wird durch den Kampf der Elemente hervorgerufen. Wenn Wasser ruhig und rein ist, siehst du alles in seinen Tiefen. Aber wenn du es aufwühlst, dann kannst du darin nichts mehr unterscheiden, solange es sich in Bewegung befindet, wegen des Zusammenpralls seiner Teile und der Verdünnung des Elementes Luft. Was geschieht erst, wenn die vier Elemente miteinander zusammenprallen!

Dieser dschasad, dieser Körper aus Fleisch, ist mit dem vergleichbar, was Quarzsand und Pottasche undurchsichtig macht, auch wenn es sich nicht um einen Teil ihres Wesens, ihrer Identität handelt.

Ein anderer Vergleich: Ein Gewand ist eine Ansammlung verwobener Fäden. Die Farben sind unwesentlich und gehören nicht zum Kleid; man kann es unterschiedlich färben, oder wieder entfärben; es bleibt doch dasselbe Kleid. Daran dachte wahrscheinlich der erste Imām ʿAlī, als er einem Araber, der ihn zu der empfindungsfähigen Tierseele befragte, antwortete: ›Wenn sie getrennt ist, kehrt sie dorthin zurück, wo sie herkam, so wie eine Mischung, die aufgelöst wird, und nicht etwa so, wie selbstständige Elemente, die einander gleichgeordnet sind. Die Form des Gemischten wird zerstört; dessen Sein und Tun werden aufgehoben, so dass das, was aus der Mischung entstand, vernichtet wird, denn es ist offensichtlich, dass das Aufhören der Form und des Seins das Verschwinden des Gemischten nach sich zieht.‹

Der zweite dschasad nun (das spirituelle Fleisch aus den Elementen der geistigen Welt) überlebt ›im Grab‹, wenn die Erde den elementarischen irdischen Körper aus Fleisch verschlungen und sich jeder Teil des letzteren in seine Quelle zurückbegeben hat; der ›Körper aus himmlischem Fleisch‹ existiert fort und behält seine vollkommene ›Form‹, wie der Imām Dschaʿfar Sādiq sagt.

Schaich Ahmad Ahsai

Schaich Ahmad Ahsai

Die Antwort, die der erste Imām dem Araber gab, bezieht sich auf den ersten dschasad, auf den vergänglichen Körper aus Fleisch, der aus den irdischen Elementen besteht. Aber der Körper aus spirituellem Fleisch ist jener, auf den Imām Dschaʿfar sich bezieht, wenn er sagt, dass der ›Lehm‹ aus dem er gemacht ist, ›im Grab‹ überlebt und seine Form behält. Dieser letztere Ausdruck bedeutet: das behalten, was seiner jeweiligen Bildung entspricht, das heißt, dass die Elemente des Kopfes, des Nackens, der Brust und so weiter jeweils an ihrem richtigen Platz verbleiben. Das ist die esoterische (symbolische) Erklärung des Verses: ›Und da ist keiner unter uns, der nicht seinen zugewiesenen Platz hätte‹. (37:164)

Dieser Körper ist das reale Wesen des Menschen, das ohne Abnahme oder Zunahme ›im Grab‹ nach dem Tod des Fleisches aus irdischen Elementen überlebt, das heißt, nachdem die Undurchsichtigkeit und die übrigen zufälligen Eigenschaften von ihm abgefallen sind. Wenn diese zufälligen Beigaben, deren Gesamtheit als ›elementarischer Körper des Fleisches‹ bezeichnet wird, vom realen Wesen des Menschen abgelöst worden sind, sehen die fleischlichen Augen, die Organe der sinnlichen Wahrnehmung, dieses Wesen nicht mehr. Wenn es so aufgelöst und zerstört ist, gibt es schließlich nichts mehr, was von ihm übrig bleibt, so dass manche Leute behaupten, der Mensch selbst höre auf, zu existieren. Mitnichten!

Aber auch wenn wir sagen, es gebe einen ›Körper‹, der ›im Grab‹ überlebe, so ist dieser Körper trotz allem unsichtbar für irdische Wesen, für die Bewohner dieser Welt, und zwar wegen der Stoffe, die ihre fleischlichen Augen verdunkeln und sie daran hindern, das zu sehen, was nicht wie sie selbst ist. Aus diesem Grund vergleicht Imām Dschaʿfar diesen unsichtbaren Körper mit dem Goldstaub im Tiegel des Goldschmieds. Diesen sehen die Augen ebensowenig. Aber wenn der Goldschmied das Material mit Wasser gesäubert und die Erde ausgesondert hat, mit der er vermischt war, dann wird der Goldstaub sichtbar.

Dasselbe gilt für den Körper aus spirituellem Fleisch, der ›im Grab‹ überlebt. Wenn Gott seine Geschöpfe zurück ins Leben rufen will, dann lässt er einen Regen auf die Erde fallen, der aus dem Ozean herunterfließt, der sich unter seinem Thron befindet, einen Regen, der kälter ist als Schnee … Darauf spielt ein Vers des Koran an (›und sein Thron ruhte auf dem Wasser‹, 11:9) Dann wird die Oberfläche der Erde zu einem einzigen Ozean. Die Wellen prallen unter der Gewalt des Windes aufeinander. Ein universeller Prozess der Vergeistigung findet statt. Die Glieder des spirituellen Körpers jedes einzelnen Menschen fügen sich erneut zusammen, um einen Organismus in ›vollkommener‹ Form zu bilden, das heißt in jener Form, die er in dieser Welt besaß; die Elemente des Nackens fügen sich an die Elemente des Hauptes, dann an jene der Brust und so weiter. Elemente dieser anderen Erde (der himmlischen Erde) vermischen sich mit ihm. Und auf diese Art wird der spirituelle Körper ›im Grab‹ geboren, wie der Pilz in seinem Humus. Wenn der Atem des Seraphiel die Trompete zum Klingen bringt, dann erheben sich die Geister zu ihrem Flug. Jeder Geist fliegt geschwind zu seinem spirituellen Fleisch; das Grab zerbirst, ebenso wie das Humusbett, wenn der Pilz aus dem Boden emporschießt. ›Und siehe da! sie stehen auf und schauen zu‹. (39:69) Dieser spirituelle Körper, der ins Leben zurückkehrt, ist der Körper, der zur Erde von Hūrqaliyā gehört. Dies ist der Körper, in dem die Menschen auferstehen und mit dem sie in den Himmel oder in die Hölle eintreten.

Jemand wird vielleicht einwenden: ›Die offensichtliche Bedeutung deiner Worte ist in jedem Fall, dass dieser heutige Körper aus Fleisch nicht auferstehen wird. Nun, eine solche Ansicht widerspricht den Lehren, denen jene folgen, die sich zum Islam bekennen, und die mit dem Vers des Buches übereinstimmen: ‚Gott wird alle erwecken, die in den Gräbern ruhen’. (22:7).

Darauf erwidere ich: Was ich behaupte, ist genau dasselbe, was auch die Muslime behaupten. Denn sagen sie nicht, dass ihre ›Körper‹ in denen sie auferstehen werden, tatsächlich dieselben sind, die im heutigen irdischen Leben existieren, mit dem Unterschied jedoch, dass sie vollkommen von allen zufälligen Beimengungen und Verschmutzungen gereinigt sind? Stimmen die Muslime nicht alle darin überein, dass diese Körper nicht in ihrer Undurchsichtigkeit und Dichtigkeit auferstehen werden, dass sie eine Reinigung erfahren müssen und erst wiederbelebt werden, wenn sie vollkommen rein sind, auch wenn sie ihre Identität beibehalten? Genau dies behaupte ich auch. Denn die Undurchsichtigkeit des gegenwärtigen Körpers wird beseitigt, was bedeutet, dass er zu seiner Quelle zurückkehrt; als solches hat dieses elementarische Fleisch keinerlei Beziehung zum Geist, zum Glauben oder Unglauben, zu Freude oder Leid; durch sich selbst vermag er nicht einmal etwas zu empfinden. Tatsächlich ist er im Hinblick auf das eigentliche Menschenwesen nicht mehr als ein Kleid, das ihm übergeworfen wird. Die Undurchsichtigkeit ist genau dieser fleischliche Körper aus irdischen Elementen, der unwiderruflich zerstört wird.

Mohammad Karim Khan Kirmani

Mohammad Karim Khan Kirmani

Verstehe also, was ich sagen will, denn so müssen die Traditionen verstanden werden, die besagen, dass die Körper der Heiligen Imāme ›in den Himmel entrückt‹ worden sind. Gewiss: hätte man den Körper Imām Husayns kurz nach dessen Begräbnis exhumiert, dann wäre er immer noch sichtbar gewesen; aber heute würde ihn kein menschliches Auge mehr sehen können. Er ›wartet nun auf dem Thron, schaut auf seine Pilger herab‹ usw. Diese Traditionen sollten so verstanden werden, dass sie sich auf die endgültige Trennung von den irdischen elementarischen Körpern beziehen, die den fleischlichen Zustand ausmachen, einen Zustand, der nur vorübergehend mit den archetypischen spirituellen Körpern verbunden ist. Sobald sich die letzteren von diesem fleischlichen Kleid trennen, werden sie für die Augen gewöhnlicher Menschen unsichtbar.

Was nun die beiden dschism anbetrifft (den Astralleib und den überhimmlischen, archetypischen Leib), so ist ersterer der Leib, in dem der Geist sich von seinem Körper aus irdischem Fleisch hinweg begibt. Der Astralleib bleibt mit dem Geist verbunden, während der Geist von seinem spirituellen, überhimmlischen Leib in dem Augenblick getrennt wird, in dem der Tod zwischen sie tritt. Der Geist befindet sich mit seinem Astralleib im irdischen Paradies (Jannat al-dunyā), das im Westen liegt; mit diesem astralischen Leib betritt er das Haus des Friedens (Dar al-Salām), besucht seine Wohnstätte und seine Heimat. Der Geist des Ungläubigen wird ebenfalls von seinem Astralleib begleitet, wenn er die irdische Hölle beim Sonnenaufgang betritt (Nār al-dunyā), während er bei Sonnenuntergang mit seinem Körper Zuflucht im Tal Barhūt sucht, und in der Nacht im Tal des Schwefels umherirrt.

In diesem Zustand verbleiben die beiden Gruppen bis zum ersten Trompetenstoß. Dann werden die Geister in der Zwischenzeit zwischen den ›beiden Trompetenstößen‹ vernichtet. Die Bewegung der himmlischen Sphären und alles dessen, was Geist oder Seele besitzt, kommt zum Stillstand. Diese kosmische Ruhepause dauert ›vierhundert Jahre‹. Danach werden die Geister wieder zum Leben erweckt, ein jeder in seinem zweiten dschism (d.h., im überhimmlischen, archetypischen Körper). Das ist deswegen möglich, weil diese Körper vollkommen gereinigt und von ihrer Undurchsichtigkeit befreit worden sind, von jener Undurchsichtigkeit, die sie ihrem ersten dschism (dem Astralleib) verdankten.

Die Geister werden also wieder zum Leben erweckt, ein jeder in seinem zweiten dschism (dem archetypischen Körper). Dieser himmlische Körper ist in der Tat jener, der auch im früheren irdischen Leben existierte – kein anderer; verhielte es sich anders, würden Belohnung und Bestrafung der Geister mit dem ersten Leib hinfällig. Wie auch immer, der dschism, der während des Lebens auf der Erde existiert, und der zugleich der Körper ist, den wir sehen, enthält dichte und sublime, ätherische Elemente. Das Dichte, das ihn undurchsichtig gemacht hat, wird entfernt und zerstört werden. Dieses Dichte bezeichnen wir als ersten dschasad (den elementarischen Körper aus vergänglichem Fleisch). Das sublime Element hingegen überlebt ›im Grab‹; und dies bezeichnen wir als zweiten dschasad (den Körper aus spirituellem Fleisch).

Im Gewand seines Astralleibes erscheint der Geist in der Zwischenwelt (barzakh). Dieser Astralleib ist das Fahrzeug (markab, ochema) und die Behausung des Geistes bis zum ›ersten Stoß‹ der Trompete. In diesem Augenblick empfängt er seine letzte Reinigung, und das Dichte, das wir ›Astralleib‹ nennen, löst sich ebenfalls von ihm ab. Allein das sublime Element dieses Körpers bleibt in der Welt der geistigen Keimformen in Gestalt dreier ›Schätze‹ zurück, während das Dichte aus drei weiteren ›Schätzen‹ verschwindet. Diese sechs Schätze werden im Schatzhaus der Fingerlöcher (der kosmischen Trompete Seraphiels) angeordnet. Wenn der Erzengel Seraphiel die ›Trompete der Auferstehung‹ ertönen lässt, steigt der Geist zum Grab herab. All seine Schätze fügen sich zusammen, er dringt in den sublimen Leib (das spirituelle Fleisch) ein, sie werden ›neu verbunden‹, d.h. wieder zum Leben erweckt.

Wenn du imstande wärest, diesen geistigen Leib im Laufe seines irdischen Lebens zu wiegen, und er danach vollständig von den Elementen des vergänglichen Fleisches gereinigt würde, so dass nichts übrig bliebe, außer dieser unvergängliche spirituelle Leib, der zur Welt von Hūrqaliyā gehört; und wenn du imstande wärest, ihn nach seiner Reinigung erneut zu wiegen, dann würdest du feststellen, dass er weniger an Gewicht verloren hat, als ein Sesamsamen wiegt. Denn das Dichte, das den elementarischen fleischlichen Körper bildete, ist unwesentlich. Und das Unwesentliche verändert nicht das Gewicht dessen, worauf es ankommt; es vermehrt das Gewicht nicht, wenn es hinzutritt und vermindert es nicht, wenn es wieder verschwindet. So gesehen, wäre es ein Fehler, sich den Leib der Auferstehung, das Organ der Seligkeit oder Verdammnis, als etwas anderes vorzustellen, denn als den Körper, der auch im gegenwärtigen Leben existiert, abgesehen davon, dass ein Wandel und eine vollständige Reinigung stattgefunden hat. Zutreffender wäre es, zu sagen, dass er tatsächlich dieser Körper ist, zugleich aber etwas anderes, weil er gereinigt, zerbrochen und neu gestaltet wurde.«

Sarkar Agha

Sarkar Agha

In seinem Kommentar zur »Theosophie des Thrones« (Kitāb al-hikmat al’arshīya) von Mullā Sadrā (gest. 1640) fügt Ahmad al-Ahsa’i einige ergänzende Gesichtspunkte zu seinen vorangehenden Betrachtungen hinzu.

»Mullā Sadrā Shīrazī schreibt: Ebenso, wie ein wirkendes Subjekt unterschiedlichen Stoffen ausgedehnte Formen, plastische Gestalten und Figuren einprägen kann, und diese Einprägung von der Formbarkeit des Stoffes und seiner Aufnahmebereitschaft abhängt, ebenso kann ein aktives Subjekt Formen erzeugen, die allein von seiner Aktivität bestimmt sind, ohne dass sie eines empfangsbereiten Stoffes bedürften, der sie aufnimmt.

Dies gilt von den Himmelssphären und ihren Konstellationen, da ihre Existenz allein von der tätigen Schau der Erzengel und ihren Bildvorstellungen abhängt; sie gehen aus ihren aktiven ›Dimensionen‹ hervor, d.h. aus einer göttlichen Erkenntnis von denkbar größter Vollkommenheit, ohne dass die Empfänglichkeit oder Aufnahmebereitschaft irgendeines Stoffes vorausgesetzt würde. Dasselbe gilt auch für die Hervorbringung selbstständiger imaginativer Bilder, die ohne einen zugrundeliegenden Stoff einzig aus dem Willen des imaginierenden Bewusstseins hervorgehen. Das letztere ist, wie wir wissen, von dieser Welt und den materiellen Formen, die die Sinne wahrnehmen, unabhängig. Sie existieren weder durch das Gehirn, noch in der astralen Substanz der Sphären, wie manche Leute glauben, noch in einer Welt archetypischer Bilder, die unabhängig von der Aktivität der Seele ist.

Dazu sage ich, Schaich Ahmad Ahsa’i: Wenn Mullā Sadrā so über die imaginativen Bilder spricht, möchte er darauf hinweisen, dass sie zu jenen Formen gehören, die ihre Existenz ausschließlich der Aktivität ihres Erzeugers verdanken, und dass ein wie auch immer gearteter Stoff auf ihre Gestaltung keinen Einfluss hat. Sie werden allein durch den Willen, die Absichten und Neigungen des imaginativen Bewusstseins bestimmt. Sie benötigen keinen zugrundeliegenden Stoff, damit sie existieren können. Sie werden weder durch materielle Ursachen beeinflusst, noch sind sie von der Aufnahmefähigkeit irgendeines Gefäßes abhängig. In Wahrheit existieren die imaginativen Bilder durch das Licht der Imaginationskraft, denn da die aktive Imagination eine seelisch-geistige Kraft ist, die der Seelenwelt (Malakūt) angehört, sind alle Bilder, die aus ihr hervorgehen, so beschaffen, wie sie selbst; sie sind unabhängig von äußeren sinnlichen Wahrnehmungen.

Die Imaginationskraft ist wie ein Spiegel. Ein Gegenstand muss sich nur vor ihm befinden, damit der Spiegel die Form dieses Gegenstandes zur Erscheinung bringt. Wenn ein Gegenstand der Seelenwelt angehört, dann offenbart er sich unmittelbar in dieser; wenn er der sichtbaren, materiellen Welt angehört, dann müssen die Sinne erst ein Bild erzeugen und es der Einbildungskraft einprägen, die es an die Imagination übergibt. Jeder übersetzt, was ihm übermittelt wird, in seine eigene Sprache, d.h. er gleicht es seiner eigenen Natur und Wesenheit an. Wenn es sich nun um einen ›Gegenstand‹ handelt, der jenseits der Sinneswahrnehmung liegt, dann entnimmt die Imagination aus diesem Gegenstand die ätherische, himmlische Form; mag sie nun durch ein Wort, das sie gehört hat, oder durch ein früher angeeignetes Wissen oder durch etwas anderes dazu veranlasst werden.

Ich persönlich meine, dass die imaginativen Bilder nicht bloß Erzeugnisse der Imagination sind, sondern Erzeugnisse des Erzeugers der Imagination, der das, was er erzeugt, in das ihm entsprechende Substrat versetzt. Handelt es sich um Licht, dann versetzt er es in etwas, das bis zu einem gewissen Grad undurchsichtig ist, denn Licht kann in absolut reiner, durchsichtiger Luft nicht zur Erscheinung kommen. Handelt es sich um ein Bild, dann versetzt er es in ein glattes, blankes Gefäß wie zum Beispiel einen Spiegel oder eine Wasseroberfläche. Die imaginativen Bilder gehören nicht der Welt des Sichtbaren an; er lässt sie daher in einem Spiegel erscheinen, der von derselben Beschaffenheit ist, wie die Welt, der sie angehören. In seinem Buch sagt Gott: ›Und ob ihr euer Wort verbergt oder es offen verkündet, er kennt die innersten Gedanken der Herzen. Kennt er den denn nicht, den er erschaffen hat?‹ (67:13-14)

Die imaginativen Bilder gehören nun genau zu jenen Dingen, die im Innersten des Herzens verborgen sind, von denen Gott uns sagt, er kenne sie, weil er sie erschaffen habe. Noch einmal: ›Und es gibt nichts, von dem wir keine Schätze hätten; aber wir senden es nur in bestimmtem Maß hinab.‹ (15:21) Die imaginativen Bilder gehören zu den Dingen, die er in einem bestimmten Maß aus seinem Schatzhaus herabsendet, um sie einem Behältnis einzuprägen, das ihnen entspricht. Sicher, Mullā Sadrā betont, sie befänden sich nicht in einem Substrat – gemeint ist aber lediglich ein körperliches Substrat. Dies betont er deswegen, weil er annimmt, dass alle, die von einem Substrat der Formen sprechen, der Auffassung seien, das Imaginative existiere nur im und durch das Gehirn. Wie auch immer, nicht alle sind der Auffassung, die seelisch-geistigen Fähigkeiten seien vom Körper abhängig; manche vertreten nämlich die Auffassung, sie seien mit ihm verbunden, um ihn zu beherrschen.

Hāddsch Abdolreza Khān Ibrāhīmī, gen. Sarkar Agha

Hāddsch Abdolreza Khān Ibrāhīmī, gen. Sarkar Agha

Es ist nun offensichtlich, dass die imaginativen Bilder zur Seelenwelt gehören, ebenso wie die Kraft der Imagination selbst. Sie existieren aufgrund des Spiegels, den das imaginative Bewusstsein darstellt. Ihr ›Stoff‹ ist die Erleuchtung (ischrāq), die das Bild des imaginierten Gegenstandes erzeugt. Ihre ›Form‹ ist die Gestalt, die der Spiegel des imaginativen Bewusstseins annimmt. Der Spiegel besitzt die Eigenschaften der Größe, Reinheit und Weißheit oder ihr Gegenteil. Wir haben schon früher erwähnt, dass im zweiten Himmel, dem Himmel des Merkur, drei Engeln – Maymūn, Shamūn und Zaytūn – die Aufgabe zukommt, die Epiphanie der imaginativen Bilder zur Erscheinung zu bringen; jedem dieser Engel steht eine Heerschaar weiterer Engel zu Diensten, deren Zahl, wie Praktiker der Theurgie versichern, Gott allein kennt. Man darf davon ausgehen, dass der Schöpfer und Gestalter der imaginativen Bilder Gott selbst ist; wie auch immer, er wirkt durch Hilfsursachen und hat der Imaginationskraft die Gestalt eines Spiegels gegeben, der die Bilder zur Erscheinung bringt, sobald er eine Art Einprägung von ihnen erhält …

Mullā Sadrā Shīrazī schreibt: Die Imaginationskraft im Menschen – ich meine die imaginative Stufe oder Ebene seines Ichwesens – ist eine Substanz, die ihrem Wesen und ihrer Tätigkeit nach unabhängig vom physischen Körper ist, der durch äußere Sinne wahrgenommen werden kann. Wie bereits gesagt, lebt sie weiter, wenn der Körper stirbt, dessen Auslöschung und Auflösung sie nicht betreffen; im Augenblick des Todes kann sie gleichwohl von Bestürzung und Bitternis ergriffen werden, weil sie mit dem physischen Leib verbunden ist, aber nach dem Tod nimmt sie sich weiterhin als menschliches Wesen in einer Gestalt wahr, die jener entspricht, die sie vor dem Tode besaß, ebenso, wie sie auch ihren unbeweglichen begrabenen Leichnam vorzustellen vermag.

Dazu sage ich, Schaich Ahmad Ahsa’i: Die Kraft der Imagination ist ohne Zweifel ein Wesensbestandteil der Seele, ein Organ, das in dieser Hinsicht der Hand vergleichbar ist. Die Seele nimmt sinnliche Gegenstände allein durch ihr seelisches Organ wahr, da sie ja der Seelenwelt angehört. Tatsächlich verhält sich die Imagination zur Seele wie die Seele der Venussphäre zur Seele des Fixsternhimmels. ›Sie ist unabhängig vom physischen Körper‹, schreibt Mullā Sadrā. Nun möchte ich kurz alle Konsequenzen dieser Behauptung wiederholen. Wir haben gesagt, das Zayd zwei dschasad und zwei dschism besitzt. Dies möchte ich ergänzen und die folgenden Erläuterungen hinzufügen.

Der erste dschasad: Dabei handelt es sich um den sichtbaren Körper, stofflichen, fleischlichen Körper, der aus den vier Elementen der sublunaren Welt zusammengesetzt ist; auch die Pflanzen besitzen einen solchen Körper. Nach dem Tod löst sich dieser Körper allmählich im Grab auf; jedes seiner Elemente kehrt zu seinem Ausgangspunkt zurück, in dem es sich auflöst; die erdigen Anteile gehen ins Erdige, die flüssigen, luftigen und feurigen Anteile gehen in ihr entsprechendes Element über.

Der zweite dschasad ist im ersten verborgen. Auch er besteht aus Elementen, aber nicht aus den Elementen der sublunaren Welt, sondern aus den Elementen von Hūrqaliyā, aus dem er auch heruntergestiegen ist. Seine einzelnen Teile und die Verbindungen zwischen ihnen dauern ›im Grab‹ fort, weil er seine Form im Gegensatz zum ersten behält. Dieser Leib, der ›im Grab‹ seine vollkommene Form behält, ist der unvergängliche ›Lehm‹, an den Imām Dschaʿfar Sādiq dachte, als er sagte: ›Der Lehm, aus dem er gebildet wurde, existiert im Grab in seiner vollkommenen Form fort.‹ Die fortdauernde Vollkommenheit seiner ›Form‹ besteht darin, dass die Teile, die das Haupt bilden, und dem ›Grabstein‹ entsprechen, weiterhin mit den Elementen des Nackens, des Brustkorbs, des Bauches und den Beinen verbunden sind – selbst wenn irgendein Meeresungeheuer oder ein wildes Tier den Körper aus materiellem Fleisch verschlungen hat oder wenn dieser verstümmelt wurde und seine Einzelteile an unterschiedlichen Orten verstreut sind oder falsch zusammengefügt wurden.

Wenn die Elemente dieses unsichtbaren Leibes vom materiellen Körper befreit worden sind, bleibt ihre gesamte Struktur im Grab‹ unverändert erhalten. Auch wenn der materielle Körper nicht im Grab liegt, behalten sie ihre Struktur. Denn wenn wir über diesen anderen Leib sprechen, sollte uns klar sein, dass der Ausdruck ›Grab‹ (nicht der Friedhof) den ursprünglichen Ort bezeichnet, den Schoß, aus dem der ›Lehm‹ vom Engel entnommen und mit den zwei Flüssigkeiten vermischt wurde, die von Vater und Mutter stammen. Dieser unzerstörbare ›Lehm‹ wird das Wasser aus dem Ozean Sad (der unter dem Thron liegt) verdichten, wenn die Zeit des großen Erwachens beim zweiten Trompetenstoß gekommen ist. Es ist dieser Leib, dieses spirituelle Fleisch, das der Geist am Tage der großen Auferstehung anziehen wird.

Vielleicht wird man einwenden, die Absicht meiner Erklärung sei, die Unmöglichkeit der Wiederkehr des fleischlichen Körpers, also der körperlichen Auferstehung, zu beweisen. Darauf erwidere ich, dass der zweite Leib, der Leib der Auferstehung, auch der sichtbare und tastbare Körper hienieden ist. Aber damit er zum ›Auferstehungsleib‹ werden kann, muss er zerbrochen, pulverisiert und in eine neue Form gebracht werden, die jeden Zerfall und jede Hinfälligkeit ausschließt, weshalb die gegenwärtige irdische Form für immer aufgelöst wird. Auf diese äußere, aus den sublunaren Elementen zusammengesetzte Form, die für immer dahinschwindet, spielte der Amīr der Gläubigen (der erste Imām) in dem hadīth an, der sich auf die Seelen bezieht, in dem er hinsichtlich der vegetabilen Seele des Menschen erklärt: ›Wenn sie getrennt ist, kehrt sie zu ihrem Ursprung zurück, um sich in diesem aufzulösen und zu verschwinden.‹ Kurz, unter dem ersten elementarischen Körper verstehen wir das irdisch Zufällige, das zum Wesen äußerlich hinzutritt. Denn als der zweite dschasad, das spirituelle Fleisch, das aus den Elementen von Hūrqaliyā besteht, in diese Welt herabstieg, gliederten sich ihm zufällige Eigenschaften aus der Welt der sublunaren Elemente an, so wie du eine Zeitlang ein Gewand trägst, dem daraufhin der Schmutz anhaftet, der aber nicht notwendig zum Kleid dazugehört. Du musst es nur waschen, dann werden diese zufälligen Beimischungen verschwinden und das Gewand wird nichts von dem verlieren, was sein Wesen ausmacht. Daher musst du die Lehren deiner Imāme und spirituellen Führer wohl erwägen und zu verstehen suchen.

Der erste dschism nun, der Astralleib, der aus den Himmeln Hūrqaliyās entstanden ist, ist das Gefährt des Ichwesens, wenn dieses den elementarischen, fleischlichen Körper verlässt, der vom Engel des Todes in Besitz genommen wird. Der urbildliche Leib lebt zusammen mit diesem aktuellen Astralleib weiter, der seine Kräfte aus der Zwischenwelt (barzakh) empfängt. Wenn der Atem Seraphiels die Trompete das erste Mal erzittern lässt, wirft der Geist diesen Astralleib ab und verschwindet. Tatsächlich ist dieser Astralleib ebenfalls etwas Zufälliges, so wie der fleischliche Körper, aber etwas, das dem Menschen aus der Zwischenwelt zufällt; seine Form vergleicht Imām Dschaʿfar, wie bereits bemerkt, mit einem zerbrochenen Ziegelstein; wenn er zu Staub zerfällt, ist seine Form für immer vergangen; wenn er aber in seiner Prägeform neu erzeugt wird, kehrt er in einer Hinsicht als derselbe wieder, auch wenn er in anderer Hinsicht ein anderer ist. Wie Gott in seinem Buch sagt: ›Jedesmal, wenn ihre Haut verzehrt ist, werden wir sie durch eine andere ersetzen, auf dass sie die Strafe auskosten.‹ Um der Gerechtigkeit willen kann ihnen nicht die Haut eines anderen zuteil werden: das würde Bestrafung für nicht begangene Fehler bedeuten oder das Erleiden von Bestrafung für die Fehler eines anderen. Nein, es ist wirklich die erste Haut. Aber da sie verzehrt ist, ist ihre erste Form, die ein Zufälliges war, für immer verschwunden. Es ist daher wahr, zu sagen, sie sei eine andere, wenn sie wiederkehrt, und zwar, wenn man auf den Wandel, den Austausch und die Erneuerung der Form hinblickt, wenn man aber auf den Stoff hinblickt, handelt es sich um ein und dieselbe Haut.

Fassen wir also zusammen: der erste Körper, der elementarische Leib, ist die Form, die aus den niederen Elementen stammt. Der erste dschism, der Astralleib, gehört der Zwischenwelt, dem barzakh, an; der letztere ist das Vorbild des ersteren. Wenn du dein Siegel zerbrichst und ein neues anfertigst, das dem ersten gleich ist, und aus demselben Stoff besteht, dann hat die Seele nichts Essentielles verloren, da sie mit Sicherheit dieselbe ist; aber sie hat das eine Zufällige abgelegt und ein anderes Zufälliges angezogen. Das erste Zufällige entspricht hier dem elementarischen Leib des gegenwärtigen Lebens, während das zweite Zufällige dem Astralleib der Zwischenwelt entspricht. Das Ichwesen unterscheidet sich vom elementarischen Körper, der sich nach dem Tode auflöst; es unterscheidet sich vom unvergänglichen Elementarleib, dem spirituellen Fleisch, das aus den Elementen Hūrqaliyās gebildet wird und es unterscheidet sich schließlich auch vom Astralleib, der nach der Wiederkehr des spirituellen Leibes bei der großen Auferstehung nicht mehr wieder erscheint. Was den archetypischen Leib des Menschen anbetrifft, so ist dieser auf immer sich selber gleich. Dies genauer zu erklären würde viel Zeit beanspruchen; ein wesentlicher Gesichtspunkt soll jedoch in Erinnerung gerufen werden, aus dem man vieles andere verstehen kann.

So dürfen wir noch das Folgende hinzufügen: Wenn das Ichwesen, das der Engel des Todes aufsammelt und mit sich fortträgt, am Ende seinen Astralleib abgestreift hat, wird es ebenfalls verschwinden, aber nur in der Zwischenzeit, der kosmischen Ruhepause zwischen den beiden Trompetenstößen. Wenn wir von seinem Verschwinden sprechen, meinen wir in Wahrheit, dass der Engel des Todes dieses Ichwesen von seinem materiellen Körper befreit, dass es sich ›entfernt‹, aber seine ursprüngliche vorirdische Struktur (den archetypischen Leib) behält, und in der Zwischenwelt im Wachzustand und mit vollem Bewusstsein weiterlebt.

Genau dies sagte der Imām Dschaʿfar, als er den folgenden Vers kommentierte: ›Sie wird nur einmal ertönen, da alle sich im Wachzustand befinden.‹ (79:13)

Dieser erste Stoß aus Seraphiels Trompete wird als ›feuriger Stoß‹ bezeichnet; es ist ein gewaltiges Atemholen, das die Geister einsaugt, um sie in Seraphiels Trompete aufzunehmen. Jedes Ichwesen kehrt in seinen eigenen Gebärschoß zurück, der symbolisch durch die Fingerlöcher in der Trompete dargestellt wird; dies ist der Ort, aus dem es ursprünglich hervorgegangen ist, der Ort, von dem es kam, um zu den Leibern seiner vorherigen Existenz abzusteigen. Der Gebärschoß selbst umfasst sechs Behausungen oder Wohnungen: in die erste wird das Urbild oder die archetypische Form des Ichwesens eingeatmet, sein geistiger, ihm zuerschaffener Stoff in die zweite, seine leuchtende Natur, die dem feurigen Element entspricht, in die dritte, seine Seele, die dem flüssigen Element entspricht, in die vierte, sein Pneuma oder Lebensgeist, der dem luftigen Element entspricht, in die fünfte, und in die sechste sein denkender Geist. Wenn wir vom Verschwinden des Ichwesens sprechen, dann beziehen wir uns auf diese Trennung und Aufgliederung der sechs konstitutiven Prinzipien seines archetypischen Leibes. Das Ichwesen besitzt dann kein Bewusstsein oder Gefühl mehr. In dieser Ruhepause werden seine sechs konstitutiven Prinzipien nicht in einer Mischung aufgelöst, weil jedes einzelne seine spezifische Realität behält; sie bleiben in ihrer jeweiligen Selbstständigkeit nebeneinander bestehen.

Wenn der göttliche Wille beabsichtigt, die Schöpfung zu erneuern, und die Samen der früheren Existenz zum Keimen zu bringen, wird Seraphiel angewiesen, den Hauch der großen Erweckung in seine Trompete zu blasen. Im Gegensatz zum ›feurigen Stoß‹ ist dies ein ausatmender Strom. Indem er in die sechste Behausung eindringt, treibt er den denkenden Geist zum Pneuma in der fünften Behausung, danach beide zusammen zur Seele in der vierten Behausung, dann alle drei zur leuchtenden Natur in der dritten Behausung, dann alle vier zum zuerschaffenen Stoff in der zweiten Behausung, schließlich alle fünf zum Urbild oder der archetypischen Form in der ersten Behausung. Danach findet das Ichwesen das Gefüge und den Bau seiner Leiber wieder und erlangt das Bewusstsein und die Fähigkeit der Empfindung zurück.

Vor dem Erzittern des Atems der großen Erweckung fließt das Wasser des Meeres Sad, das sich unter dem Thron befindet herab und regnet auf die Oberfläche der Erde. Wenn dies geschieht, dient der spirituelle Leib aus den Elementen Hūrqaliyās als Gefährt für die neue Form, das zweite Hinzufallende, von dem oben gesprochen wurde. Nachdem der Bau des Ichwesens vervollständigt ist, tritt es in dieses Gefährt ein. Das ist mit dem ›Zerspringen des Grabsteins‹ symbolisch angedeutet. Denn dann erhebt sich das Ichwesen in seiner unvergänglichen Form und schüttelt den Staub der Erde von seinem Haupt. ›So wie ihr zu Beginn geschaffen wurdet, sollt ihr wieder werden‹ (7:28), heißt es. Damit sind alle Punkte kurz angesprochen, die wir in unseren Ausführungen über den viergliedrigen menschlichen Organismus berühren wollten: den zweifachen dschasad oder elementarischen Leib, von denen der eine zufällig ist (der elementarische Leib aus vergänglichem Fleisch), der andere wesentlich (der spirituelle Leib aus den Elementen Hūrqaliyās) und den zweifachen dschism, von denen der eine zufällig ist (der Astralleib), der andere wesentlich (der archetypische Leib, der vom Ichwesen nicht getrennt werden kann).«

Siehe auch:

Hūrqaliyā, die Erde der geistigen Schau

Hūrqaliyā, die Erde der Auferstehung

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