Der Pfad der Schülerschaft – I – Erste Schritte – Reinigung

Zuletzt aktualisiert am 16. Mai 2018.

Annie Besant 1897

Annie Besant 1897

Im Dezember 1895 hielt Annie Besant, die spätere Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, die damals bereits deren  Esoterische Schule leitete, anlässlich des 20. Geburtstags dieser Gesellschaft in Madras vier Vorträge zum Thema »Der Pfad der Schülerschaft«. Manche Autoren vertreten die Auffassung, diese vier Vorträge über den esoterischen Pfad, die 1896 erstmals in deutscher Übersetzung erschienen, seien die unmittelbare Quelle für den anthroposophischen Schulungsweg, den Steiner ab 1904 in der Zeitschrift Luzifer-Gnosis unter dem Titel »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« darzustellen begann. Manche behaupten sogar, er habe seine eigenen Ansichten direkt aus diesen Ausführungen Besants geschöpft und der von ihm entwickelte Schulungsweg sei wenig originell. Jeder, der sich für die gewiss nicht unbedeutende Frage interessiert, wo die Wurzeln oder Quellen des anthroposophischen Schulungsweges liegen, wird sich daher darüber freuen, wenn hier diese schwer erreichbaren Vorträge Annie Besants in einer neuen deutschen Übersetzung zugänglich gemacht werden.

Man muss sich in die historische Konstellation dieser Vorträge versetzen: eine Abgesandte der britischen Kolonialmacht trat vor einem indischen Publikum auf und erinnerte dieses Publikum, das seit Jahrhunderten unter der Fremdherrschaft litt, an die erhabenen Lehren, deren Erbe unter all den Wunden vergraben lag, die seine ruhmreiche Vergangenheit bedeckten. Wie eine Jeanne d’Arc der nationalen spirituellen Erhebung steht Besant in ihren weißen Gewändern da, und versuchte, auf ihre Zuhörer den Funken der Begeisterung zu übertragen, der gewiss in ihr lebendig war.

Leset und urteilet selbst!

1. Vortrag, 27. Dezember 1895.

Erste Schritte

KARMA-YOGA. Reinigung

Brüder, – als ich das erste Mal vor zwei Jahren in dieser Halle sprach, richtete ich euren Blick auf die Entstehung des Kosmos als Ganzes, auf die Stufen seiner Evolution, die Formen der großen Aufeinanderfolge der Erscheinungen. Letztes Jahr sprach ich über die Entwicklung des Selbstes, mehr über das Selbst des Menschen, als das Selbst im Kosmos, und versuchte zu zeigen, wie das Selbst durch all seine Hüllen Erfahrungen sammelte und die Herrschaft über seine niederen Werkzeuge erlangte – stets ging es um den Menschen und das Universum, das Individuum und den Kosmos, die nach einer Vereinigung mit dem Selbst suchten, mit dem, woraus sie stammten. Aber manchmal sagten Zuhörer zu mir, als sie über diese erhabenen Themen sprachen: »Was haben sie für eine Bedeutung für das Leben des Menschen auf der Erde, wo wir von den Notwendigkeiten der sinnlichen Welt umgeben sind, und ständig vom Gedanken an das eine Selbst abgelenkt werden, ständig von unserem Karma gezwungen werden, uns an den vielfältigen Geschehnissen zu beteiligen?

Was für eine Bedeutung haben da die höheren Lehren über die Leben des Menschen und wie können sich die Menschen erheben, damit das höhere Leben auch für sie möglich wird?«

Diese Frage werde ich versuchen, dieses Jahr zu beantworten. Ich werde versuchen, zu zeigen, wie ein Mensch in der sinnlichen Welt, der in seine Familienangelegenheiten verstrickt ist, dem soziale Verpflichtungen auferlegt sind, und all die vielen Aktivitäten im weltlichen Leben, sich trotzdem auf die Vereinigung vorbereiten und die ersten Schritte auf dem Pfad gehen kann, der ihn zu dem Einen führt. Ich werde versuchen, für euch die ersten Stufen des Pfades zu beschreiben, so dass ihr, wenn ihr in dem Leben, das ein jeder führen mag, und an dem Punkt beginnt, an dem die meisten von euch im Augenblick stehen, ein Ziel erkennen könnt, das erreichbar ist, einen Pfad, der beschritten werden kann – den Pfad, der hier im Leben der Familie, der Gemeinschaft, des Staates beginnt, aber jenseits alles Denkens endet und den Pilger in jene Heimat führt, die auf ewig die seinige ist.

Dies ist das Thema dieser vier Vorträge, dies die Schritte, von denen ich hoffe, dass ihr sie mit mir zusammen gehen werdet; und damit wir unser Thema richtig verstehen, lasst uns für einen Augenblick den Gang der Evolution, ihre Bedeutung und ihr Ziel betrachten, so dass uns die Vogelperspektive auf das Ganze instand setzt, dieses Ganze richtig einzuschätzen und die Folgerichtigkeit der einzelnen Schritte zu verstehen, die wir nacheinander gehen müssen.

Wir wissen, dass das Eine zum Vielen geworden ist. Wenn wir in die uranfängliche Dunkelheit zurückblicken, die alles verhüllt, können wir aus dieser Dunkelheit ein Flüstern hören – ein Flüstern: »Ich will mich vervielfältigen«. Durch diese Vervielfältigung nimmt das Universum Gestalt an und die Individuen, die in ihm leben. In diesem Willen zur Vervielfältigung, in diesem Willen des »Einen, das kein Zweites neben sich hat« zur Vervielfältigung erkennen wir den ursprünglichen Keim des Kosmos. Und wenn wir diesen Ursprung des Kosmos und dessen Komplexität erkennen, die Mannigfaltigkeit, die aus der ursprünglichen Einfachheit hervorgeht, dann erkennen wir auch, dass in all diesen Erscheinungen etwas Unvollkommenes sein muss, und dass genau die Begrenzung, die eine Erscheinung möglich macht, auch davon zeugt, dass es weniger als das Eine ist und daher seinem Wesen nach unvollkommen. Daraus verstehen wir, dass es Unterschiede geben muss, eine unüberschaubare Mannigfaltigkeit unterschiedener Lebewesen. Und wir beginnen zu begreifen, dass die Vollkommenheit des sichtbaren Universums gerade in dieser Verschiedenheit besteht; dass es eine unendliche Mannigfaltigkeit geben muss, wenn es mehr als das Eine geben soll, damit dieses Eine, das wie eine mächtige Sonne ist, die ihre Strahlen in alle Richtungen sendet, diese Strahlen überallhin senden kann und in der Totalität dieser Strahlen die vollkommene Erleuchtung der Welt liegt. Je zahlreicher, je erstaunlicher, je vielfältiger die Gegenstände, um so treuer, wenn auch immer noch unvollkommen, wird das Universum seinen Ursprung abbilden.

Der erste Schritt in der Evolution des Lebens wird also darin bestehen, Vielheit zu erzeugen, voneinander gesonderte Existenzen hervorzubringen – scheinbar abgesonderte Existenzen – so dass diese von außen betrachtet als viele erscheinen, auch wenn wir, wenn wir ihr Wesen erfassen, erkennen, dass das Selbst in allen Eines ist.

Wenn wir dies erkennen, dann verstehen wir, dass beim Prozess der Vervielfältigung und Individualisierung das einzelne Individuum zu einem schwachen und begrenzten Spiegelbild des Selbstes wird. Und wir beginnen auch zu verstehen, worauf dieses Universum hinzielt, warum diese vielen Individuen sich entwickeln mussten, warum diese Absonderung ein notwendiger Teil in der Evolution des Ganzen sein musste.

Denn wir beginnen zu erkennen, dass das Ziel des Universums die Entwicklung des Logos eines anderen Universums ist, der mächtigen Devas, die die Führer aller kosmischen Kräfte dieses künftigen Universums sein werden und der göttlichen Lehrer, deren Aufgabe darin bestehen wird, die kindliche Menschheit eines weiteren Kosmos zu erziehen.

In all diesen Welten individueller Existenzen vollzieht sich heute ein ständiger Entwicklungsprozess, durch den ein Universum für ein künftiges seinen Logos, seine Devas, seine ersten Manus und all jene großen Einen schafft, die für den Aufbau, die Erziehung, Leitung und Belehrung dieses noch ungeborenen Universums erforderlich sind. So sind die Universen miteinander verbunden, so folgt Manvantara auf Manvantara, so sind die Früchte des einen Universums die Keime des folgenden. Inmitten all dieser Mannigfaltigkeit entwickelt sich eine viel umfassendere Einheit, die der Umriss des ungeborenen Kosmos, die Macht sein wird, die diesen künftigen Kosmos lenken und leiten wird.

Und da erhebt sich die Frage – und ich weiß, dass sie sich vielen stellt, denn sie wurde mir sowohl im Osten als auch im Westen immer wieder gestellt – warum so viel Schwierigkeiten in der Entwicklung, warum so viel offensichtliche Fehlschläge, warum müssen die Menschen so oft in die Irre gehen, bevor sie den richtigen Weg finden, warum müssen sie dem Bösen nachlaufen, das sie herabzieht, anstatt dem Guten zu folgen, das sie erhebt? War es dem Logos unseres Universums, den Devas, die seine Helfer sind, den großen Manus, die kamen, um die kindliche Menschheit zu leiten, denn nicht möglich, so zu planen, dass es bei der Ausführung nicht solche offensichtlichen Fehler geben würde? War es ihnen nicht möglich, so zu lenken, dass die Straße gerade und direkt sein würde, statt so umständlich, so verworren?

Und hier kommt der Punkt, der die Evolution der Menschheit so schwer begreiflich macht, wenn man nicht deren Ziel im Auge hat. Es wäre in Wahrheit leicht gewesen, eine vollkommene Menschheit zu erschaffen, diese mit ihren aufdämmernden Kräften so zu leiten, dass diese Kräfte sich kontinuierlich auf das ausgerichtet hätten, was wir das Gute nennen und sich nie dem zugewendet hätten, was wir das Böse nennen.

Was aber wäre die Bedingung eines so einfachen Weges gewesen? Der Mensch hätte ein Automat sein müssen, der von einer überwältigenden Kraft bewegt wird, die ihm ein unausweichliches Gesetz auferlegt, dem er nicht zu entweichen vermocht hätte. Die mineralische Welt unterliegt einem solchen Gesetz. Die Anziehungskräfte, die Atom an Atom binden, gehorchen einer solchen überwältigenden Notwendigkeit. Aber wenn wir höher steigen, sehen wir, wie die Freiheit stufenweise zunimmt, bis wir im Menschen eine spontane Kraft, eine Freiheit der Wahl sehen, bei der es sich wirklich um die aufdämmernde Erscheinung Gottes, des Selbstes handelt, die sich selbst durch den Menschen zu offenbaren beginnt.

Und das Ziel, das angestrebt wurde, bestand nicht darin, Automaten zu schaffen, die blindlings einem abgesteckten Weg folgen, sondern ein Spiegelbild des Logos selbst zu schaffen, eine mächtige Ansammlung weiser und vollkommener Menschen, die das Beste wählen, weil sie es erkennen und verstehen, die das Schlechte verwerfen, weil sie aus Erfahrung gelernt haben dass es ihnen nicht angemessen ist und zu welchen Sorgen es führt.

So dass im künftigen Universum – so wie unter all den großen Einen, die das heutige Universum leiten –, eine Einheit sein sollte, die aus der Übereinstimmung Einzelner hervorgeht, die aufgrund ihrer Erkenntnis und Wahl wieder eins geworden sind, die sich auf ein gemeinsames Ziel hinrichten, weil sie das Ganze kennen, die mit dem Gesetz übereinstimmen, weil sie gelernt haben, dass das Gesetz gut ist, die sich entscheiden, mit dem Gesetz übereinzustimmen, nicht aufgrund eines äußeren Zwangs, sondern aufgrund einer inneren Zustimmung.

Und so wird in diesem künftigen Universum ein Gesetz existieren, wie auch in unserem gegenwärtigen, das herrschen wird aufgrund der Möglichkeiten Derer, die das Gesetz sind, aufgrund der Einheit Ihrer Absichten, der Übereinstimmung Ihrer Erkenntnis, der Einheit ihrer Macht – nicht ein blindes und unbewusstes Gesetz, sondern eine Gemeinschaft von Lebewesen, die das Gesetz sind, da sie göttlich geworden sind. Es gibt keinen anderen Weg, um dieses Ziel zu erreichen, durch den sich der freie Wille der Vielen sich wieder in der einen großen Natur und dem einen großen Gesetz vereinigen kann, außer jenen, in dem aus Erfahrung gelernt wird, in dem sowohl Gut als auch Böse erlebt wird, Fehlschlag sowohl als auch Triumph. Auf diese Weise werden die Menschen zu Göttern, und aufgrund der Erfahrung, die hinter ihnen liegt, wollen, denken, fühlen sie dasselbe.

Nun haben die göttlichen Lehrer und Führer dieser Menschheit, um dieses Ziel zu erreichen, viele Kulturen ersonnen, die alle auf das eine Ziel ausgerichtet sind, das sie vor Augen hatten.

Ich habe keine Zeit, zur großen Zivilisation der vierten Rasse zurückzukehren, die der Geburt der mächtigen arischen Rasse vorausging. Ich kann beiläufig erwähnen, dass es eine große Zivilisation gab, die geprüft wurde, die eine Zeit lang unter ihren göttlichen Herrschern blühte; dann zogen diese göttlichen Herrscher ihren unmittelbaren Einfluss zurück – so wie eine Mutter ihr kleines Kind loslässt, das gerade laufen lernt, um zu sehen, ob es ohne ihre Unterstützung selber aufrecht gehen, seine eigenen Glieder benutzen kann – ebenso haben sich die göttlichen Führer und Herrscher in die Dunkelheit zurückgezogen, um zu sehen, ob die kindliche Menschheit, die ihre ersten Schritte machte, gehen oder stolpern würde.

Und diese kindliche Menschheit stolperte und fiel, und die große Zivilisation – so mächtig sie auch in ihrer vollkommenen sozialen Ordnung war, so ruhmreich sie in ihrer Stärke und der Weisheit war, mit der sie geformt wurde – zerfiel in Stücke wegen der Selbstsucht der Menschen, zerfiel in Stücke wegen der noch nicht gezügelten, niederen Instinkte der Menschheit.

Ein weiterer Versuch musste folgen und die große arische Rasse wurde ins Dasein gerufen – erneut mit göttlichen Herrschern, mit göttlichen Führern, mit einem Manu, der ihr das Gesetz gab, ihre Kultur schuf, ihre Politik umriss, mit den Rischis, die sich um ihn sammelten, die seine Gesetze umsetzten und die kindliche Kultur leiteten; so wurde der Menschheit erneut eine Form gegeben, erneut wurde der Menschheit ein Vorbild gegeben, auf das hin sie sich entwickeln sollte.

Und einmal mehr zogen die großen Lehrer sich für eine Weile zurück, um die Menschheit ihre eigene Stärke erproben zu lassen, um zu überprüfen, ob sie alleine gehen konnte, selbstverantwortlich, vom Selbst im eigenen Inneren geleitet, statt von äußeren Offenbarungen. Und erneut war das Experiment, wie wir wissen, weitgehend ein Fehlschlag. Erneut, wie wir erkennen, wenn wir zurückblicken, sehen wir diese ursprünglich göttliche Zivilisation schrittweise in die Degeneration verfallen wegen der immer noch nicht bezwungenen niederen Natur des Menschen, erneut für eine Weile herabsinken unter den unbezwungenen Leidenschaften der Menschheit.

Wenn wir in das vergangene Indien zurückblicken, sehen wir seine vollkommene Verfassung, seine wunderbare Spiritualität, und wir können sein Herabsinken Jahrtausend für Jahrtausend verfolgen, während die führenden Hände sich aus der sichtbaren Welt zurückziehen, und einmal mehr schwankt und fällt die Menschheit beim Versuch zu gehen.

Wir erkennen, wie in jedem dieser Fälle bei der Verwirklichung des göttlichen Ideals versagt wurde. Wir betrachten unsere heutige Welt und wir sehen, wie die niedere Natur des Menschen über das göttliche Ideal triumphiert hat, das zu Beginn der arischen Rasse entworfen wurde. Wir sehen, wie es in jener Zeit das Ideal das Brahmanen gab, das man als das Ideal einer Seele umschreiben könnte, die sich der Befreiung annähert, die nicht mehr nach den Früchten der Erde verlangt, die nicht mehr nach den Freuden des Fleisches begehrt, die sich nicht mehr nach Reichtum, Macht, Einfluss oder irdischen Vergnügungen sehnt, als das Ideal eines armen, aber weisen Menschen; während wir heute oft genug Menschen finden, die den Namen eines Brahmanen tragen, aber nicht arm und weise, sondern reich und unwissend sind. An dieser Kaste könnt ihr eines der Zeichen des Niedergangs erkennen, durch welchen die alte Verfassung zerfiel; und ähnliches sieht man auch an den vier anderen Kasten.

Lasst uns nun betrachten, wie die großen Lehrer sich vorstellten, dass der Mensch durch Erfahrung lernen sollte, sich durch seinen eigenen freien Willen für das Ideal zu entscheiden, das ihm vorgesetzt wurde und von dem er sich abwandte, wie die großen Lehrer versuchten, die unvollkommene Menschheit zu dem vollkommenen Ideal emporzuführen, das zu Beginn der Menschheitsgeschichte offenbart wurde, und aufgrund der Schwäche und Kindlichkeit der Menschen im Verlauf der Evolution nicht verwirklicht wurde.

Damit dieses Ziel im Laufe der Zeitalter erreicht werden konnte, erhielten die Menschen Unterricht in dem, was man als Karma-Yoga bezeichnet – Yoga, oder Vereinigung, durch Handeln. Das ist die Art des Yoga, die auf den weltlichen Menschen zugeschnitten ist, der involviert ist in die Aktivitäten des Alltags. Genau durch diese Aktivitäten, durch die Übung, die sie ihm abverlangen, sollen die ersten Schritte zu Vereinigung unternommen werden. Und so wurde für die Schulung des Menschen dieser Karma-Yoga geschaffen.

Achtet auf die Verbindung der Worte Handeln und Vereinigung. Handeln so ausgeführt, dass Vereinigung daraus entspringen kann. Man muss sich daran erinnern, dass unsere Handlungen uns trennen, voneinander absondern, dass wir durch all diese sich verändernden und vielfältigen Aktivitäten auseinander getrieben und in unserer Absonderung gehalten werden. Es scheint also geradezu ein Paradox, wenn von einer Vereinigung durch Handeln gesprochen wird, einer Vereinigung durch das, was stets die Trennung herbeigeführt hat. Aber die Weisheit der göttlichen Lehrer entsprach der Aufgabe der Versöhnung, der Erklärung des scheinbaren Paradoxons. Verfolgen wir die einzelnen Schritte der Erklärung und sehen wir, worum es sich handelt.

Der Mensch hastet hektisch, hastet in jede Richtung unter dem Einfluss der drei Energien der Natur, der drei Gunas. Wer den Körper bewohnt, gerät unter ihre Herrschaft. Sie wirken! Sie sind aktiv, sie schaffen das sichtbare Universum und er identifiziert sich mit diesen Aktivitäten. Er glaubt zu handeln, während in Wahrheit sie handeln. Er glaubt aktiv zu sein, während sie in Wahrheit die Ereignisse bewirken. Indem er in ihnen lebt, durch sie blind wird, durch die Illusionen, die sie erzeugen, vergisst er sich selbst, und wird da und dorthin gezogen, da und dorthin getrieben, durch die Ströme hinweggetragen, und so ist die Aktivität der Gunas alles, was er sieht; offensichtlich ist er unter diesen Umständen nicht geeignet für die höheren Formen des Yoga. Offensichtlich liegen die höheren Stufen des Pfades jenseits seiner Möglichkeiten, solange diese Illusionen nicht wenigstens teilweise überwunden sind.

Man muss also damit beginnen, diese Gunas zu verstehen, sich von den Geschehnissen der sichtbaren Welt zu unterscheiden. Und die große Schrift des Yoga, wie sie genannt werden kann, die Schrift dieses Karma-Yoga, wurde durch Shri Krishna auf dem Kurushektra-Feld erneut verkündet, als er diese Form des Yoga Arjuna unterrichtete, dem Krieger, der in der Welt leben, in ihr kämpfen, den Staat lenken, und an all diesen äußeren Aktivitäten Anteil nehmen sollte; hier finden wir die ewig gültige Lektion für Menschen, die in dieser Welt leben, wie sie sich schrittweise über die Gunas erheben und auf diesem Weg sich mit dem Höchsten vereinigen können.

Wir können also sagen, dass in der Übung und Regelung der Aktivitäten dieser Gunas der erste Schritt des Karma-Yoga besteht.

Wie ihr wisst, gibt es drei Gunas, Sattva, Rajas und Tamas, die drei Gunas, aus denen alles, was uns umgibt, besteht und auf vielfältigste Weise zusammengefügt ist. Hier bewegt sich alles in den unterschiedlichsten Richtungen. Sie müssen ins Gleichgewicht gebracht werden; sie müssen unterworfen werden. Der Bewohner des Körpers, der Herr des Körpers, muss zum beherrschenden Meister werden und sich selbst von den Gunas unterscheiden. Das muss zuerst erreicht werden; ihre Funktionen müssen durchschaut werden, ihre Aktivitäten kontrolliert und gerichtet werden. Man kann sich nicht so ohne weiteres über sie erheben – eben so wenig, wie ein Kind die Tätigkeiten eines Erwachsenen ausüben kann. Kann die Menschheit in ihrem unausgereiften und unvollkommenen Zustand den vollkommenen Yoga erreichen? Nein, es ist nicht einmal weise, es zu versuchen; denn wenn das Kind versucht, die Tätigkeiten des Erwachsenen auszuüben, wird es dabei nicht nur versagen, es wird bei seinen Bemühungen auch seine Kräfte überfordern, und das Resultat wird nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft ein Misserfolg sein. Denn die Aufgabe, die seine Kräfte übersteigt, wird diese Kräfte vermindern und zerstreuen. Sie müssen ausgebildet werden, bevor sie eingesetzt werden können und das Kind muss zum Mann werden, bevor es die Taten eines Mannes vollbringen kann.

Betrachten wir für einen Augenblick die Funktion von Tamas – also von Dunkelheit, Trägheit, Nachlässigkeit usw. Was für eine Funktion könnte all dies haben, wenn es der menschlichen Entwicklung dienen soll? Welche Bedeutung kommt diesem speziellen Guna beim Wachstum des Menschen, bei der Befreiung seiner Seele zu? Der besondere Nutzen dieses Gunas, der Nutzen, dem es im Karma-Yoga dient, besteht darin, dass es als Kraft wirkt, gegen die gekämpft werden muss, die überwunden werden muss, so dass in diesem Kampf Stärke entwickelt wird, Willenskraft durch die Anstrengung, Selbstkontrolle und Selbstdisziplin in der Auseinandersetzung mit ihm. Es kann in der Entwicklung des Menschen denselben Zweck haben, wie der Schlagstock oder die Hantel beim Athleten. Er kann an ihnen seine Muskeln ausbilden, bis er etwas findet, an denen er ihre Stärke zur Anwendung bringen kann. Der Athlet kann seine Muskeln nicht stärken, wenn es keine Gewichte gibt, die er heben kann, um an ihnen seine Stärke auszubilden. Nicht das Gewicht an sich hat einen Wert, sondern der Zweck, dem es dient, und wenn jemand seine physischen Muskeln, die Armmuskeln stärken will, dann kann er das am besten, wenn er einen Schlagstock oder eine Hantel benutzt und täglich seine Muskeln an der ihm Widerstand leistenden Kraft übt. Auf eben diese Art spielt Tamas, Nachlässigkeit oder Dunkelheit, bei der Entwicklung des Menschen eine Rolle; er muss sie überwinden, er entwickelt im Kampf seine Stärke; die Muskeln der Seele werden stark, wenn er seine Nachlässigkeit überwindet, die Trägheit, die Indifferenz, die tamasische Eigenschaft seiner Natur.

Und so werdet ihr finden, dass für die Überwindung dieses Gunas die Riten und Zeremonien der Religion eingerichtet wurden, die zum Teil dem Zweck dienen, dem Menschen bei der Überwindung der Trägheit und Faulheit und Arbeitsscheu seiner niederen Natur zu helfen, indem sie ihm auferlegen, zu bestimmten Zeiten bestimmte Pflichten zu erfüllen – ob er nun zu diesen Zeiten dazu geneigt ist oder nicht, ob er sich nun aktiv oder müde fühlt – indem sie ihm bestimmte Pflichten zu bestimmten Zeiten auferlegen, wird er gezwungen, die Faulheit und Achtlosigkeit und Verbohrtheit seiner niederen Natur zu überwinden und sie dazu zu bringen, dem Pfad zu folgen, den der Wille ihr vorschreibt.

Ebenso, wenn wir Rajas betrachten: wir werden finden, dass die Aktivitäten des Menschen im Karma-Yoga auf bestimmte Wege geleitet werden, denen zu folgen ich nun vorschlage, so dass ihr sehen könnt, wie diese Art von Aktivität, die in unserer heutigen Welt so sehr wirksam ist, die sich in jeder denkbaren Richtung manifestiert, die zu Hast, Betriebsamkeit und unablässigen Anstrengungen führt, Dinge des niederen Lebens, materielle Erscheinungen, materielle Ergebnisse zu erreichen, – wie diese Aktivität schrittweise gelenkt, geübt und gereinigt werden kann, bis sie die wahre Manifestation des Selbstes nicht länger verhindern kann.

Das Ziel des Karma-Yoga besteht darin, an die Stelle der Selbstbefriedung die Pflicht zu setzen; der Mensch handelt, um seine niedere Natur zu befriedigen; er handelt, weil er etwas haben will; er handelt, um der Früchte willen; er handelt aufgrund von Wünschen, um der Belohnung willen. Er arbeitet, weil er Geld will, damit er genießen kann. Er arbeitet, um Macht zu erlangen, damit er das niedere Selbst befriedigen kann. All diese Aktivitäten, diese Rajas-Qualitäten, dienen seiner niederen Natur.

Um diese Aktivitäten zu üben und zu regeln, damit sie den Zielen des höheren Selbstes dienen, wird der Mensch aufgefordert, die Pflicht an die Stelle der Selbstbefriedigung zu setzen, die Arbeit zu vollbringen, weil er sie als seine Pflicht betrachtet, das Rad des Lebens zu drehen, weil es seine Aufgabe ist, dies zu tun, so wie Shri Krishna es getan hat. Er handelt nicht, weil er etwas in dieser Welt oder in irgendeiner anderen gewinnen könnte, sondern er handelt, weil ohne sein Handeln die Welt aufhören würde zu existieren, er handelt, weil ohne sein Handeln das Rad sich nicht länger drehen würde.

Und jene, die den Yoga vollenden, müssen in seinem Geist handeln, für das Ganze und nicht für den Teil, um den göttlichen Willen im Kosmos zu verwirklichen und nicht um des Vergnügens der Sonderexistenz willen, die sich einbildet, unabhängig zu sein, wenn sie in Wahrheit ein Mitarbeiter Seines Willens sein sollte.

Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die Sphäre dieser Aktivitäten schrittweise verändert wird. An die Stelle der Selbstbefriedigung soll die Pflicht treten, und religiöse Riten und Zeremonien haben die Aufgabe, den Menschen schrittweise zu jenem wahren Leben zu führen, um das es geht. Jede religiöse Zeremonie ist nichts als ein Weg, um den Menschen zum wahren, höheren Leben zu führen. Jemand meditiert bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, aber am Ende wird sein ganzes Leben zu einer einzigen Meditation. Er meditiert eine Stunde, um sich selbst auf die ständige Meditation vorzubereiten. Alle schöpferischen Tätigkeiten sind das Ergebnis von Meditation und ihr werdet euch erinnern, dass alle Welten durch Tapas geschaffen werden. Damit also der Mensch diese mächtige und schöpferische Kraft der Meditation erreichen kann, damit auch er diese göttliche Macht ausüben kann, muss er durch religiöse Zeremonien zu ihr hinerzogen werden, durch Phasen der Meditation, indem er Tapas ergreift und wieder loslässt. Zeitlich begrenzte Meditation ist ein Schritt zur Erlangung der andauernden Meditation; man benötigt einen Teil des täglichen Lebens, um das ganze Leben zu durchdringen, und der Mensch soll sie täglich praktizieren, damit er allmählich sein gesamtes Leben mit ihr zu durchdringen vermag.

Die Zeit wird kommen, in der es für den Yogi keine festgesetzte Stunde der Meditation mehr gibt, weil sein gesamtes Leben eine einzige Meditation ist. Welchen äußeren Aktivitäten er auch nachgehen mag, er meditiert; und er sitzt immer zu Füßen seines Herrn, mögen auch sein Geist und sein Körper in der Welt der Menschen aktiv sein. Und so verhält es sich mit allen anderen Aktivitäten; zuerst lernt der Mensch, sie als ein Opfer der Pflicht zu erbringen, als Abzahlung einer Schuld der Welt gegenüber, in der er lebt – als Rückzahlung dessen, an all die unterschiedlichen Teile der Natur, was er aus ihnen genommen hat. Und später wird das Opfer mehr als die Rückzahlung einer Schuld; es wird zu einer freudigen Gabe all dessen, was der Mensch geben kann. Das teilweise Opfer ist die Schuld, die bezahlt wird, das vollkommene Opfer ist die Gabe des Ganzen. Ein Mensch gibt sich selbst, mit all seinen Aktivitäten, mit all seinen Kräften, indem er nicht länger einen Teil seiner Besitztümer als Abzahlung gibt, sondern alles, was er ist, als freiwillige Gabe. Und wenn diese Stufe erreicht ist, dann ist der Yoga vollendet und die Lektion des Karma-Yoga verstanden.

Betrachtet als eine Stufe zu diesem Ziel die fünf täglichen Opfer, die wenigstens dem Namen nach euch allen vertraut sind, und versteht, was der Anordnung dieser Opfer zugrunde liegt. Ein jedes ist die Rückzahlung einer Schuld, die Anerkennung einer Schuld, in der der Mensch als abgesondertes Individuum gegenüber seiner gesamten Umgebung steht. Und wenn ihr sie für den Augenblick eine nach der andern betrachtet, wie oberflächlich auch immer, so werdet ihr erkennen, in welch tiefem Sinn ein jedes die Abzahlung einer solchen Schuld ist.

(1) Nehmt das erste: das Opfer an die Devas. Warum wird dieses Opfer von uns verlangt? Weil der Mensch lernen muss, dass sein Körper der Erde und den Intelligenzen, die das Naturgeschehen lenken, durch das die Erde ihre Früchte hervorbringt, durch die sie die Nahrung des Menschen erzeugt, etwas schuldig ist; wenn er seinen Körper ernährt, schuldet sein Körper etwas, als Rückzahlung der Schuld, einen Ausgleich für das, was ihm von jenen kosmischen Intelligenzen, den Göttern, gegeben wurde, die die Kräfte der niederen Welt lenken. Und so wurde dem Menschen beigebracht, sein Opfer ins Feuer zu gießen. Warum? Der Satz, der als Erklärung gegeben wurde, lautet: »Agni ist der Mund der Götter«, und die Menschen wiederholen diesen Satz und versuchen nie, seine Bedeutung zu verstehen, oder hinter die Oberfläche des exoterischen Namens der Gottheit auf ihre Aufgabe in der Welt zu blicken. Die wirkliche Bedeutung, die dem Satz zugrunde liegt, ist natürlich, dass überall um uns herum unzählige Wesen bewusst und unbewusst an der Natur arbeiten, eine Hierarchie unzähliger Wesen, einer Armee mit vielen Divisionen gleich, deren Haupt eine große kosmische Gottheit bildet; so dass unter der Gottheit als Herrscher des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde eine große Zahl niedrigerer Götter steht, die die unterschiedlichen Arbeiten der Naturkräfte in der Welt vollbringen – des Regens, der schöpferischen Kräfte der Erde, der fruchttreibenden Wirkkräfte unterschiedlichster Art. Und dieses erste Opfer nährt die untergeordneten Kräfte, gibt ihnen Nahrung durch Feuer; und das Feuer wird Mund der Götter genannt, weil es auflöst, weil es das Feste und Flüssige umwandelt, es in Dampf verwandelt, in feinere Stoffe, und auf diese Weise in die ätherische Substanz überführt, die zur Nahrung der niederen Reiche der Elementarwesen wird, die die Befehle der kosmischen Götter ausführen. Und auf diese Weise bezahlt der Mensch seine Schulden an sie, und als Antwort darauf, fällt in den niederen Regionen der Atmosphäre der Regen und die Erde wird fruchtbar und erzeugt Nahrung für den Menschen. Ebendies meinte Krishna, als er den Menschen bat, »die Götter zu nähren, auf dass die Götter den Menschen nährten«. Diesen niederen Nahrungszyklus muss der Mensch verstehen lernen. Zuerst empfing er es als religiöse Lehre; danach kam die Zeit, als er diese als Aberglauben betrachtete, den inneren Zusammenhang nicht verstand und nur die äußeren Erscheinungen sah; dann aber folgt das tiefere Verständnis, wenn die Wissenschaft, die zunächst zum Materialismus tendiert, durch umfassendere Untersuchung zur Anerkennung der spirituellen Welt gelangt. Die wissenschaftliche Erkenntnis beginnt in wissenschaftlichen Begriffen zu sagen, was die Rischis in spirituellen Begriffen ausdrückten, dass der Mensch die niederen Kräfte der Natur durch seine eigenen Handlungen beherrschen und dirigieren soll, und auf diese Weise rechtfertigt das wachsende Wissen die alten Lehren, rechtfertigt vor dem Intellekt, was der spirituelle Mensch durch unmittelbare Intuition, durch das Auge des Geistes, erkennt.

(2) An zweiter Stelle steht das Opfer an die Ahnen. Die Anerkennung dessen, was der Mensch jenen verdankt, die vor ihm in diese Welt kamen, die Abzahlung einer Schuld, die er jenen schuldet, die vor ihm in dieser Welt gearbeitet haben, die Dankbarkeit und Verehrung, die wir jenen schulden, die teilweise diese Welt für uns vorbereiteten, und Verbesserungen schufen, deren Erbe wir antreten. Dieses Opfer ist eine Dankesschuld, die wir jenen erbringen müssen, die uns in der Evolution unmittelbar vorangegangen sind, die ihren Teil während ihres Lebens auf der Erde auf sich genommen haben und uns die Ergebnisse ihrer Arbeit hinterlassen haben. Weil wir die Früchte ihrer Arbeit pflücken, zahlen wir die Schuld unseres Dankes zurück. Und daher ist dies eines der täglichen Opfer, die Anerkennung der Dankesschuld jenen gegenüber, die uns vorausgegangen sind.

(3) Darauf folgt, natürlich, das Opfer der Erkenntnis, des Studiums, damit wir durch das Studium der heiligen Worte befähigt werden, jenen zu helfen, die weniger wissen, als wir selbst und in ihnen jenes Wissen entwickeln, das notwendig ist, damit auch in ihnen sich das Selbst manifestieren kann.

(4) Viertens, das Opfer an den Menschen, die Abzahlung der Schuld gegenüber der ganzen Menschheit an bestimmte stellvertretende Menschen, die Gaben an bestimmte einzelne Menschen, als Anerkennung der Tatsache, dass die Menschen sich alle gegenseitig in der physischen Welt liebevolle Taten schulden, all die Unterstützung, die Brüder einander zuteil werden lassen können. Das Opfer an den Menschen ist die formelle Anerkennung dieser Pflicht, und indem wir jene nähren, die hungern, und jenen Gastfreundschaft entgegenbringen, die ihrer bedürfen, während wir konkret einen Menschen nähren, nähren wir ideell und der Intention nach die gesamte Menschheit; wenn wir dem einen Menschen, der an unsere Tür klopft, Gastfreundschaft erweisen, öffnen wir die Tür unseres Herzens für die Menschheit als Ganzes und indem wir einen nähren und schützen, helfen und schützen wir der Menschheit als Ganzes.

(5) Und ebenso mit dem letzten Opfer, jenem an die Tiere. Der Hausvorstand soll Futter für vorbeikommende Tiere auf den Boden legen. Mit diesem Opfer anerkennt ihr eure Schuld gegenüber der niederen Welt, eure Pflicht, zu helfen, zu nähren und zu erziehen. Das Opfer an die Tiere soll uns deutlich machen, dass wir als Erzieher, als Lenker, als Helfer der niederen Kreaturen hier sind, die auf der Leiter der Evolution unter uns stehen. Jedesmal, wenn wir uns durch Grausamkeit, durch Rauigkeit, durch Brutalität jeder Art gegen sie versündigen, versündigen wir uns gegen Ihn, der in ihnen wohnt und deren niedrigere Manifestationen auch sie sind. Und damit wir das Gute im Tier erkennen, damit wir verstehen, dass Shri Krishna auch im niedrigeren Tier ist, wenn auch verhüllter als im Menschen, wurden wir gebeten, auch den Tieren Opfer zu bringen, nicht ihrer äußeren Form, sondern dem ihnen einwohnenden Gott. Die einzige Möglichkeit, ihnen zu opfern, besteht darin, dass wir ihnen Liebe, Mitleid, Freundlichkeit entgegenbringen, indem wir sie erziehen, um sie in ihrer Entwicklung voranzubringen, und nicht indem wir sie durch jene Brutalität und Grausamkeit zurückstoßen, die wir überall um uns herum erleben.

So wurden dem Menschen durch diese äußeren Riten und Zeremonien die inneren spirituellen Wahrheiten beigebracht, die sein Leben durchdringen sollten. Und wenn die fünf Opfer vorbei waren, sollte er in die Welt gehen und weiter auf andere Art Opfer bringen, indem er seine alltäglichen Pflichten erfüllte. Und sein tägliches Leben, das mit diesen fünf Opfern begann, setzte sich gesegnet in das äußere Leben fort. Je mehr die Sorglosigkeit gegenüber den fünf Opfern zunahm, um so mehr nahm auch die Sorglosigkeit gegenüber der Pflicht in diesem äußeren Leben zu. Nicht als ob diese Opfer auf alle Zeiten notwendig wären, denn es kommt die Zeit, in der der Mensch über sie hinauswächst. Aber denkt daran: er wächst nur über sie hinaus, wenn sein ganzes Leben zu einem einzigen lebendigen Opfer wird! Und bis er soweit ist, sind diese formalen Anerkennungen der Pflicht um des Heiles alles Lebens willen notwendig.

Bedauerlicherweise werden diese Pflichten im heutigen Indien weitgehend missachtet, nicht, weil die Menschen über sie hinausgewachsen wären, oder weil sie bereits ein so reines, vergeistigtes und erhabenes Leben führen würden, dass sie dieser niederen Übungen und ihrer ständigen Ermahnung nicht mehr bedürften; sondern weil sie sorglos und materialistisch geworden und so sehr vom Ideal ihres Manu abgefallen sind. Sie verweigern die Mächten, die über ihnen stehen, jede pflichtgemäße Anerkennung, und deshalb vernachlässigen sie auch ihre Pflichten den Menschen gegenüber.

Betrachten wir als nächstes das tägliche Leben – die Pflichten des Individuums in der Welt. Wo auch immer: wir werden in eine bestimmte Familie geboren, aus der sich unsere Familienpflichten ableiten. Wir werden in eine Gemeinschaft geboren, aus der sich unsere Gemeinschaftsverpflichtungen ableiten. Wir werden in ein Volk geboren, aus dem sich unsere Verpflichtungen gegenüber diesem Volk ableiten. Jedem Menschen werden durch die Umstände seiner Geburt gewisse Pflichten auferlegt, die, unter dem guten Gesetz, unter karmischer Leitung, jedem die Stelle zuweisen, an der er arbeiten, den Schauplatz, an dem er lernen kann. Daher heißt es, jeder Mensch solle seine eigenen Pflichten erfüllen, sein eigenes Dharma. Besser du erfüllst deine eigene Pflichten, so unvollkommen auch immer, als du versuchst das höhere Dharma eines anderen zu erfüllen. Denn das, worin du geboren bist, ist das, was du brauchst; das, worin du geboren bist, ist deine weisheitsvollste Übung. Erfülle deine Pflichten, ohne auf das Ergebnis zu schielen, dann wirst du die Lektion des Lebens lernen, und du wirst den Pfad des Yoga beschreiten. Zuerst wird man natürlich wegen der Früchte handeln; wir handeln, weil wir einen Wunsch nach der Belohnung verspüren. Und auch hier verstehen wir die frühe Unterweisung, als die Menschen gelehrt wurden, um der Ergebnisse in der Welt von Svarga [einer paradiesähnlichen Zwischenwelt zwischen den Reinkarnationen] willen zu handeln. Der kindliche Mensch wird durch die Belohnung angetrieben; Svarga wird ihm vorgehalten als etwas, das er durch seine Arbeit erreichen kann; wenn er seine religiösen Riten und Pflichten erfüllt, stellt er den mit ihnen verbundenen svargischen Ausgleich sicher. Und auf diese Weise wird er dazu verführt, Moralität zu praktizieren, ebenso wie ihr ein Kind dazu verführt, seine Lektionen zu lernen, indem ihr es belohnt oder es für seinen Fleiß lobt. Wenn aber das Handeln im Sinne des Yoga ausgeübt wird, und nicht um eine Belohnung zu erlangen, weder in dieser, noch in einer anderen Welt, dann muss es aus reinem Pflichtbewusstsein geschehen.

Betrachten wir einen Augenblick die vier großen Kasten und was für einen Zweck sie eigentlich erfüllen sollten.

(1) Der Brahmane sollte lehren, damit es eine Aufeinanderfolge weiser Lehrer gab, die die Evolution der Menschheit leiten konnten. Er sollte nicht für Geld lehren, nicht für Macht, nicht für irgendetwas, das er um seiner selbst willen erhielt; er sollte lehren, um sein Dharma zu erfüllen, und er sollte sich Wissen aneignen, um es an andere weiter zu geben. So würde es in einer gut organisierten Gesellschaft stets Lehrer geben, die unterrichten konnten, die fähig wären, selbstlos und ohne selbstsüchtige Absichten zu leiten und zu raten; so würde er nichts für sich selbst gewinnen, aber er würde alles für die Menschen gewinnen. Auf diese Weise würde sein Dharma erfüllt und seine Seele befreit.

(2) Darauf folgte der Yoga, der zu den in der Welt aktiven Menschen passte, die regierten und richteten, die Übung der herrschenden Klasse, der Kshatriyas. Da gab es den Menschen, der herrschen sollte. Warum? Nicht, um sich selbst durch die Macht zu befriedigen, sondern um der Gerechtigkeit willen, um dem armen Mann das Gefühl der Sicherheit zu geben, und um den reichen Mann daran zu hindern, andere zu tyrannisieren, damit Fairness und unparteiisches Urteil in der Welt der ringenden Menschen herrschten. Denn inmitten dieser Welt des Kampfes, dieser Welt des Ärgers und Streits, in der die Menschen versuchen, die Selbstsucht statt des Gemeinwohls zu belohnen, müssen sie darüber belehrt werden, dass Gerechtigkeit walten muss, dass, wenn der starke Mann seine Stärke missbraucht, der gerechte Herrscher diese ungerechte Anwendung der Stärke ahnden wird, dass auf dem Schwächeren nicht herumgetrampelt wird, dass der Schwächere nicht unterdrückt wird. Und die Pflicht des Königs war es, Gerechtigkeit unter den Menschen herzustellen, damit alle Menschen zum Thron als der Quelle der göttlichen Gerechtigkeit blicken konnten. Das ist das Ideal des göttlichen Königtums, das Ideal des göttlichen Herrschers. Rama kam, um es zu lehren, Shri Krishna kam, um es zu lehren; aber die Menschen waren so beschränkt, dass sie die Lektion nicht lernten. Der Kshatriya nutzte seine Stärke, um sich selbst zu belohnen und andere zu unterdrücken, eignete sich ihren Reichtum an und nutzte ihre Arbeit für seinen persönlichen Vorteil. Er verlor das Ideal des göttlichen Herrschers, der die Gerechtigkeit verkörperte in der ringenden Welt der Menschen. Aber er hätte dieses Ideal zum Ziel seines Lebens machen sollen, und seine Pflicht sollte es sein, das Land zu verwalten, es um des Wohles des ganzen Volkes willen zu verwalten und nicht zu seinem eigenen Vorteil. Ebenso, wenn seine Pflicht die des Soldaten war. Das Volk sollte seine Aufgaben in Frieden erfüllen. Arme und harmlose Menschen sollten sicher und zufrieden in ihren Häusern leben und die Früchte ihrer Arbeit genießen. Der Händler sollte seinen Aufgaben in Frieden nachgehen. All die unterschiedlichen Berufungen sollten ohne Furcht ausgelebt werden, sicher vor Aggressionen. Und so wurde dem Kshatriya gelehrt, wenn er kämpfen müsse, dann solle er ein Verteidiger der Hilflosen sein und sein Leben hinopfern, damit sie ihr Leben in Frieden leben könnten. Er sollte nicht kämpfen, um etwas dadurch zu gewinnen. Er sollte nicht um Landbesitz kämpfen. Er sollte nicht um Macht oder Herrschaft kämpfen. Er sollte als eiserner Wall um das Volk stehen, so dass sich jeder Angriff an seinem Körper brechen würde, und innerhalb der von ihm gesicherten Grenzen sollten alle Menschen in Frieden, in Sicherheit und in Glück leben. Wenn er dem Yoga innerhalb der Pflichten des Kshatriya folgen wollte, sollte er sich selbst als Diener des göttlichen Willens betrachten, und daher lehrte Shri Krishna, Er habe alles vollbracht, und Arjuna habe lediglich seine Taten in der Welt der Menschen wiederholt. Und wenn der göttliche Akteur in jeder einzelnen Handlung des Menschen erkannt wird, kann er sein Handeln als Pflicht ohne Verlangen vollbringen, und es verliert seine die Seele bindende Macht.

(3) Ebenso der Vaishya, dessen Aufgabe es war, Reichtum zu erwerben. Er sollte dies nicht um seiner selbst willen tun, sondern um das Volk zu unterstützen. Er sollte reich sein, damit jede Aktivität, die des Reichtums bedurfte, diesen Reichtum vorfand und durch ihn ermöglicht werden konnte. Sodass es überall Häuser für die Armen geben würde, überall Gasthäuser für die Reisenden, überall Krankenhäuser für Menschen und Tiere, überall Tempel für den Dienst an den Göttern, und überall den Reichtum, der erforderlich war, um diese Aktivitäten eines vollkommenen nationalen Lebens zu unterstützen. Und so bestand sein Dharma in der Ansammlung des Reichtums um des allgemeinen Wohls willen und nicht um der Selbstbefriedigung willen. Auf diese Weise konnte auch er dem Yoga folgen, und sich durch den Karma-Yoga auf ein höheres Leben vorbereiten.

(4) So auch der Shudra, der sein Dharma um dieses allgemeinen Wohl willen zu erfüllen hatte. Seine Aufgabe bestand darin, die große Hand des Volkes zu sein, die ihr das zur Verfügung stellte, wessen sie bedurfte und die all die dienenden äußeren Aktivitäten vollbrachte. Die Erfüllung seines Yoga bestand darin, seinen Pflichten freudig nachzugehen, sie auszuüben um ihrer selbst willen, und nicht um der Belohnung willen, die er vielleicht erhielt.

Als erstes handeln die Menschen um des Eigennutzes willen, und machen damit ihre Erfahrungen; danach lernen sie aus Pflicht zu handeln, und so beginnen sie in ihrem täglichen Leben den Yoga zu praktizieren; zuletzt handeln sie, um ein freudvolles Opfer zu bringen, für das sie keine Belohnung verlangen, sondern in dem sie alles, was sie besitzen, um ihrer Aufgaben willen einsetzen. Und auf diese Weise wird die Vereinigung erreicht.

Wir verstehen, was mit Reinigung gemeint ist, wenn wir diese Stufen des Eigennutzes, des Handelns aus Pflicht und der freiwilligen Hingabe als Opfer betrachten. Es sind die Stufen des Pfades der Reinigung.

Wie aber soll eine solche Reinigung zu den höheren Stufen führen, zum Anfang der Schülerschaft, auf die alle Aktivitäten am Ende vorbereiten sollen? Alles am Menschen muss gereinigt werden, der Körper ebenso wie der Geist. Über die Reinigung des Körper habe ich keine Zeit zu sprechen, aber ich darf daran erinnern, dass nach den Lehren der Bhagavad Gita diese Reinigung durch Mäßigung erreicht wird und nicht durch selbstquälerische Askese, nicht durch Marterung des Körpers und Dessen, der in ihm wohnt, wie Shri Krishna sagt.

Yoga wird erreicht durch gemäßigte Selbstkontrolle, durch freiwillige Erziehung der niederen Natur, durch schlichte Wahl des reinen Pfades in der Ernährung, durch Pflege und Mäßigung aller physischen Aktivitäten, was zu einer schrittweisen Erziehung und Regelung und Mäßigung führt, bis der ganze Körper unter die Kontrolle des Willens und des Selbstes gebracht ist. Dafür wurde das Leben im ehelichen Hausstand angeordnet; denn die Menschen sind für das harte zölibatäre Leben nicht geeignet, von einigen wenigen vielleicht abgesehen. Nicht jeder ist ein Brahmacharya. Durch das Leben in der Ehe wurden die Menschen dazu erzogen, ihre sexuellen Leidenschaften zu kontrollieren und zu mäßigen, nicht sie auszuradieren – was für die vielen unmöglich ist, und wenn es mit unweiser Energie versucht wird, oft zu einer Gegenreaktion führt, die eine solche Person in die schlimmste Lasterhaftigkeit führt – nicht durch eine einzige Anstrengung, die zu töten und auszumerzen versucht, sondern durch eine schrittweise Erziehung in Maßen, und durch die Entsagung in der Ehe, durch welche die niedere Natur langsam zur Mäßigung gebracht und an die Kontrolle durch die höhere gewöhnt wird, aus ihrer Überaktivität herauserzogen und dem Einen unterworfen wird. Hier kommt dieses Karma-Yoga ins Spiel. In der Ehe muss man schrittweise Selbstkontrolle lernen, man muss sich mäßigen, die niedere Natur der höheren unterwerfen, sie Tag für Tag erziehen, bis sie dem Willen vollkommen unterworfen ist. Auf diese Weise reinigt man den Körper und macht sich für die höheren Pfade des Yoga geeignet.

Dann müssen auch die Leidenschaften der niederen Natur allesamt gereinigt werden. Nehmen wir als Beispiel – ich möchte drei Beispiele geben, so dass ihr es auf euer eigenes Leben übertragen könnt – die Leidenschaft des Zorns (Wut, Ärger) und sehen wir, wie sie im Karma-Yoga bearbeitet werden kann, damit aus ihr eine positive Eigenschaft wird. Zorn ist eine Energie, eine Energie die aus dem Menschen strömt und ihre Objekte sucht. Man sieht diese Energie in unentwickelten und unerzogenen Menschen als Leidenschaft, die sich in vielen brutalen Formen zeigt, die Opposition niederwirft, sich nicht um die angewandten Methoden kümmert, wenn sie alles aus dem Weg räumt, was der angestrebten Belohnung des eigenen Willens im Weg steht. Es handelt sich um eine ungezügelte und destruktive Energie der Natur, die derjenige, der Karma-Yoga betreibt, mit Sicherheit überwinden muss.

Wie aber soll er diese Leidenschaft des Zorns unterwerfen und erziehen? Er befreit sich für den Anfang von dem persönlichen Element. Wenn ihm ein persönliches Unrecht widerfährt, übt er sich darin, es nicht nachzutragen. Dies ist eine Pflicht, die vielen von euch auferlegt ist. Jemand behandelt euch schlecht; jemand tut euch Unrecht. Was sollt ihr tun? Ihr könnt eurem Ärger freien Lauf lassen und ihn schlagen. Er hat euch betrogen: ihr versucht ihn ebenfalls zu übervorteilen. Er hat euch verletzt: ihr versucht ihn ebenfalls zu verletzen. Er hat euch hintergangen: ihr versucht ihn ebenfalls zu hintergehen und ihm Unrecht zu tun. Und so wächst die Leidenschaft des Zorns und man sieht Zerstörung überall, wo eigentlich Gemeinschaft zwischen Menschen sein sollte.

Wie soll man diese Leidenschaft reinigen? Jeder der großen Lehrer des Karma-Yoga kann auf diese Frage Antwort geben, der lehrte, wie Handeln in der Welt der Menschen im Interesse des Selbst benutzt werden kann.

Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass zu dem zehnfältigen System der Pflichten, das Manu begründet hat, auch die Vergebung von Unrecht gehört. Ihr erinnert euch vielleicht an die Lehren des Buddha, der sagte: »Hass hört niemals durch Hass auf, sondern nur durch Liebe.« Ihr erinnert euch vielleicht, dass der christliche Lehrer dieselbe Ansicht vertrat, als er sagte: »Lasst euch nicht vom Bösen überwältigen, sondern überwindet das Böse durch Gutes.« Das ist Karma-Yoga.

Vergebt das Unrecht; beantwortet Hass mit Liebe; überwindet das Böse durch Gutes. Auf diese Weise löscht ihr das persönliche Element aus; ihr werdet nicht länger zornig sein, weil euch Unrecht widerfahren ist; ihr werdet das persönliche Element weggeläutert haben, und der Zorn in euch wird nicht mehr von dieser niedrigen Art sein. Aber immer noch kann eine höhere Art des Zorns zurückbleiben. Ihr seht, wie einem Schwachen Unrecht widerfährt: ihr empfindet Zorn gegen den Täter; ihr seht, wie ein Tier misshandelt wird, ihr seid zornig gegen die Person, die grausam ist; ihr seht, wie ein armer Mann unterdrückt wird: ihr empfindet Zorn gegen den Unterdrücker.

Unpersönlicher Zorn – viel edler als der andere, und eine notwendige Stufe in der Entwicklung des Menschen; es ist viel besser und edler gegen einen Übeltäter Zorn zu empfinden, als mit unbewegtem Gleichmut vorüberzugehen, weil ihr kein Mitleid mit dem Leidenden empfindet, der betroffen ist. Dieser höhere, unpersönliche Zorn ist edler als Indifferenz, aber er ist nicht das Höchste. Auch er muss verwandelt werden, und er muss in die Eigenschaft verwandelt werden, dem Starken und dem Schwachen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; mit Einfühlung sowohl dem Übeltäter als auch dem Misshandelten gegenüber; einer Einfühlung, die erkennt, dass er sich selbst mehr verletzt, als die Person, der er Unrecht tut; die Mitleid mit ihm empfindet, ebenso wie mit der misshandelten Person; die alle einschließt, den Übeltäter und den Misshandelten, in eine einzige Empfindung von Liebe und Gerechtigkeit. Wer auf diese Weise die Leidenschaft des Zornes gereinigt hat, beendet das Unrecht, weil es seine Pflicht ist, dies zu tun, und ist freundlich gegenüber dem Übeltäter, weil auch ihm geholfen werden muss, weil auch er erzogen werden muss; auf diese Weise wird der Ärger, der wegen eines persönlichen Unrechts zurückschlug, zur Gerechtigkeit, die alles Übel beendet und den Starken wie den Schwachen in gleichem Maß sichert und beschützt. Das ist die Reinigung in der Welt der Handlungen, dies die Richtung der täglichen Bemühungen, durch die die niedere Natur gereinigt wird, damit die Vereinigung erreicht werden kann.

Betrachten wir die Liebe. Sie kann in ihrer niedrigen Form auftreten – als animalische Leidenschaft zwischen den Geschlechtern in ihrer niedrigsten und ärmlichsten Form, die sich überhaupt nicht um die Charaktereigenschaften desjenigen kümmert, von dem sie sich angezogen fühlt, die sich nicht für die Schönheit der geistigen und moralischen Natur interessiert; die sich allein für die physische Schönheit interessiert, die physische Anziehung und den physischen Genuss. Das ist Leidenschaft in ihrer niedrigsten Form. Einzig und allein das Selbst wird gesucht.

Diese wird gereinigt durch den Menschen, der dem Karma-Yoga in eine Form der Liebe folgt, die sich selbst für den Geliebten opfert; er erfüllt die Familienpflichten, er kümmert sich um seine Frau und seine Kinder und tut sein Bestes bei Aufopferung seiner eigenen Neigungen, seiner eigenen Muße und seiner eigenen Belohnung; er arbeitet, damit es der Familie besser geht, er arbeitet, damit die Bedürfnisse der Familie gestillt werden können; in ihm sucht die Liebe nicht mehr nur ihr eigenes Vergnügen, sondern sie sucht den Geliebten zu helfen, und das Übel das den Geliebten droht, auf sich zu nehmen, damit sie beschützt und bewahrt und behütet sind; indem er dem Karma-Yoga folgt, reinigt er seine Liebe von den selbstsüchtigen Elementen, und die animalische Leidenschaft für das andere Geschlecht wird zur Liebe für den Ehegatten, zum Vater, zum älteren Bruder, zum Verwandten, die ihre Pflicht erfüllt, sich um das Wohl der Geliebten kümmert, damit ihr Leben besser und glücklicher wird.

Und dann kommt die letzte Stufe, wenn die Liebe, die vom Selbst gereinigt ist, sich auf alle bezieht. Sie richtet sich nicht nur auf den engen Kreis der Familie, sondern sieht in jedem, dem sie begegnet, eine Person, die der Hilfe bedarf, in jedem Hungernden einen Bruder, der genährt werden muss, in jeder Frau, die allein gelassen wurde, eine Schwester die beschützt werden muss. Wenn er jemandem begegnet, der einsam ist, wird ein so gereinigter Mann zum Vater und Bruder und Helfer dieses Menschen, nicht weil er ihn persönlich liebt, sondern weil er ihn ideell liebt, und weil er versucht, um der Liebe willen zu geben und nicht einmal, weil er wiedergeliebt werden will. Die höchste Liebe, die Liebe, die aus dem Karma-Yoga erwächst, verlangt nichts zurück für das, was sie gibt; sie sucht keine Belohnung; sie verlangt keine Anerkennung; sie wirkt auch im Verborgenen; ja, sie freut sich mehr, wenn sie im Verborgenen und unerkannt wirken kann, als wenn sie anerkannt und gerühmt wird. Und die höchste Reinigung der Liebe besteht darin, wenn sie absolut göttlich wird, wenn sie gibt, weil es zu ihrem Wesen gehört, Freude zu verbreiten, wenn sie nichts für sich verlangt, sondern nur andere zu erfreuen versucht.

Ebenso verhält es sich mit der Habgier. Die Menschen suchen nach Gewinn, um des Genusses willen; sie verlangen nach Gewinn, um durch ihn Macht zu erlangen; sie streben nach Gewinn, um durch ihn erhöht zu werden. Sie reinigen diese erste Form der Habgier; und sie beginnen nach Gewinn zu streben, der der Familie zugute kommt, der die Lage der Familie verbessert, der sie vor Leiden, Entbehrung und Hunger schützt; auf diese Weise verlieren sie etwas von ihrer Selbstsucht. Dann gehen sie weiter. Sie verlangen nach Macht, damit sie diese um des allgemeinen Wohls willen einsetzen können, sie versuchen, sie zu erweitern, damit sie noch mehr Menschen Gutes tun können, als nur der Familie, dass sie einer größeren Gemeinschaft dienen können; und zuletzt, wie bei der Liebe, lernen sie, zu geben, ohne belohnt zu werden. Sie lernen, nach Wissen und Macht zu verlangen, nicht um sie für sich zu behalten, sondern um sie weiterzugeben, nicht um sie zu genießen, sondern nur, um sie zu verschenken. Und auf diese Weise wird die Selbstsucht im Feuer verzehrt.

Habt ihr euch jemals gefragt, warum der, dessen Name Mahadeva ist, in einer Feuergrube haust? Eine merkwürdige Behausung für den Allmächtigen, mögen Menschen gedacht haben. Eine befremdliche Umgebung für Ihn, der die Reinheit selbst ist. Was sich unter dem Symbol der Feuergrube verbirgt, ist das menschliche Leben; und in dieser Feuergrube, in der Shiva wohnt, werden alle niedrigen Dinge des Menschenlebens vom Feuer verzehrt. Wenn Er nicht darin wohnt, dann bleiben diese irdischen Dinge zurück, um zu verfaulen, um zu zerfallen, um zu einer Quelle der Gefahr zu werden, um Krankheiten und Verfall überall zu verbreiten. Aber in der Feuergrube, in der er wohnt, die sein Feuer nach allen Seiten erfüllt, wird alles Selbstsüchtige, alles Persönliche verbrannt, alles, was der niederen Natur angehört; aus diesen verjüngenden Flammen erhebt sich der triumphierende Yogi, der alle persönlichen Eigenschaften abgeworfen hat; denn das Feuer des Herrn hat all seine niederen Leidenschaften verbrannt, und nichts bleibt zurück, das zerstören oder Krankheit verbreiten könnte. Deshalb wird Er auch der Zerstörer genannt – der Zerstörer des Niedrigen, damit die Verjüngung geschehen kann; denn aus Seinem Feuer wurde die Seele ursprünglich geboren und aus dieser Feuergrube aufersteht das gereinigte Selbst.

So führen diese ersten Stufen hinauf zur wahren Schülerschaft, dazu, dass wir den Guru finden, ins Innerste des Tempels, in das Allerheiligste, wo der Guru der Menschheit seinen Sitz hat. Dies sind die ersten Schritte, die ihr tun könnt, dies ist der Weg, auf dem ihr euch voran bewegen könnt. Menschen seid ihr, die in der Welt leben und die durch weltliche Bande gebunden sind, Menschen die am sozialen und politischen Leben Anteil haben; und doch verlangt ihr in der Tiefe eures Herzens nach dem wahren Yoga und der Erkenntnis des ewigen, nicht nur des vergänglichen Lebens. Denn im Herzen eines jeden, wenn ihr nur bis auf dessen Grund geht, findet ihr diese Sehnsucht nach tieferer Erkenntnis, nach einem edleren Leben als jenem, das ihr heute führt.

Ihr mögt so erscheinen, als liebtet ihr die Dinge der äußeren Welt, und ihr liebt sie mit eurer niederen Natur; aber im Herzen eines jeden wahren Hindu, der nicht vollkommen von seinem Glauben und seinem Land abgefallen ist, lebt immer noch diese innere Sehnsucht nach etwas mehr als den Dingen dieser Erde, ein zartes Verlangen, vielleicht nur aufgrund der alten Traditionen, dass Indien edler sein sollte als es heute ist, und sein Volk seiner Vergangenheit würdiger. Hier ist der Weg, den ihr beschreiten müsst: keine große Nation, solange die Individuen nicht groß sind; kein mächtiges Volk, wenn die Individuen elend und arm und selbstsüchtig sind. Ihr müsst da anfangen, wo ihr heute steht, im Leben, das ihr führt und wenn ihr diesen Leitlinien folgt, die ich in groben Zügen skizziert habe, dann werdet ihr die ersten Schritte in Richtung des Pfades machen.

Lasst mich damit schließen, dass ich daran erinnere, wohin dieser Pfad führt, auch wenn ich euch mit ihm in den folgenden Stunden noch näher bekannt machen muss.

Das Ziel des Pfades ist die Vereinigung – der Karma-Yoga, den wir betrachtet haben, ist Vereinigung durch Handeln. Es gibt weitere Schritte, die wir gehen müssen, aber was heißt »Vereinigung«? Ihr erinnert euch an die Merkmale, die Shri Krishna genannt hat, die einen Mann auszeichnen, der sich von den Gunas befreit hat, die Merkmale des Mannes der sie hinter sich gelassen hat, und der sich bereit gemacht hat, den Nektar der Unsterblichkeit zu trinken, den Mann der bereit ist, das Höchste zu erkennen, sich mit dem Erhabensten zu vereinigen. Er nimmt nichts wirkendes wahr, als die Gunas. Er weiß, was hinter ihm liegt. Er sieht, wie die Gunas wirken; er sehnt sich nicht nach ihnen, wenn sie nicht da sind, er stößt sie nicht zurück, wenn sie da sind. Er ist inmitten von Freunden und Feinden ausgeglichen, ausgeglichen inmitten von Lob und Tadel, selbstverantwortlich, betrachtet alle Dinge mit neutralem Auge, den Klumpen Erde, das Stück Gold, Freund und Feind. Er ist gleich zu allen, denn er hat die Gunas hinter sich gelassen, und wird von ihrem Spiel nicht mehr verführt. Das ist das Ziel, dem wir zustreben. Das sind die ersten Schritte auf dem Pfad, der hinüberführt. Bevor diese Schritte nicht gemacht sind, kann kein weiterer erfolgen; aber wenn diese nach und nach ausgeführt werden, kann man den Anfang des wahren Pfades sehen.

Übersetzung: Lorenzo Ravagli

Fortsetzung: Der Pfad der Schülerschaft II

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