Der Pfad der Schülerschaft III – Der Prüfungspfad. Die vier Initiationen

Zuletzt aktualisiert am 16. Mai 2018.

Vorbemerkung:

Olcott, Besant, Leadbeater, Adyar 1905

Olcott, Besant, Leadbeater, Adyar 1905

Besant greift in diesem Vortrag den Weg des Jnana-Yoga, des Yogas der Erkenntnis, mit seinen vier »Sadhana Chatushtayas« – den »vier Mitteln der Erlösung« auf, nachdem sie im vorhergehenden Vortrag den Karma-Yoga der Vorbereitungsstufe zugeordnet hat. Diese Mittel der Erlösung sind die folgenden:

  1. Viveka, die Unterscheidung zwischen Realem und Unrealem;
  2. Vairagya, Gleichgültigkeit gegenüber den irdischen und himmlischen Freuden;
  3. Shad-Sampat, die sechsfältige Tugend: Sama, Dama, Uparati, Titiksha, Sraddha und Samadhana; die Bedeutung dieser sechs Tugenden:
    1. Sama ist der Gleichmut oder die Ruhe des Geistes, die durch die Auslöschung der Wünsche entsteht.
    2. Dama ist die Kontrolle der Sinne durch den Geist.
    3. Uparati ist die Sättigung; sie lässt den Geist gegenüber sinnlichen Genüssen gelichgültig werden. Dieser Geisteszustand stellt sich ein, wenn Viveka, Vairagya, Sama und Dama praktiziert wird.
    4. Titiksha ist die Beständigkeit. Der Schüler muss die Gegensätze von Hitze und Kälte, Schmerz und Lust usw. klaglos ertragen.
    5. Sraddha ist der intensive Glaube an das Wort des Gurus, an die Schriften des Veda und an das eigene höhere Selbst. Es handelt sich nicht um einen blinden Glauben, sondern um einen auf Einsicht, Beweis und Erfahrung gestützten Glauben, also wohl besser Vertrauen. Diese Art des Glaubens ist dauerhaft, vollkommen und unerschütterlich. Er vermag alles zu erreichen (der Glaube versetzt Berge).
    6. Samadhana ist die Sammlung des Geistes auf Brahma, und die Vermeidung aller Abschweifung in der Sammlung. Der eist ist inmitten von Schmerzen und Mühsal frei von Angst. Er bleibt unbeugsam, gelassen und gleichmütig, inmitten von Freude und Leid. Der Schüler kennt keine Zuneigung oder Abneigung mehr. Er hat die größte innere Stärke erreicht und genießt den ungetrübten Frieden des Geistes, aufgrund der Übung von Sama, Dama, Uparati, Titiksha und Sraddha.
  4. Mumukshutva, der intensive Wunsch nach Befreiung oder Erlösung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod mit den sie begleitenden Übeln des Alters, der Krankheit, der Enttäuschung und der Sorge.

Der vorliegende Vortrag zeigt deutlich die Ausrichtung der Esoterik der Adyar-Theosophie auf die indischen Traditionen.

Diese Ausrichtung war es, die Steiner im Mai 1905 in seiner Rezension der deutschen Übersetzung zu folgenden Bemerkungen veranlasste: »Annie Besants Vorträge sind für das indische Volk gesprochen. Sie geben den Pfad der Jüngerschaft für dieses Volk an. Nun ist zwar die Wahrheit eine Einige, und der höchste Gipfel der Erkenntnis und des Lebens ist auch für alle Zeiten und alle Völker ein Einiger. Dennoch darf man nicht glauben, dass der Pfad der Jüngerschaft seiner Form nach ganz derselbe sein kann für den Menschen des gegenwärtigen Europa wie für den Inder. Das Wesen bleibt dasselbe; die Formen ändern sich auch auf diesem Gebiete. Deshalb muss es nur naturgemäß gefunden werden, dass in den Artikeln dieser Zeitschrift ›Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?‹ manches anders gesagt ist, als man es in den für das indische Volk gehaltenen Vorträgen Annie Besants angegeben findet. Der Weg, der in dieser Zeitschrift geschildert wird, ist derjenige, welcher in Anpassung an das Leben im Abendlande, an die Entwickelungsstufe des europäischen Menschen, als der richtige sich herausgebildet hat in den Geheimschulen Europas seit dem vierzehnten Jahrhunderte [Steiner deutet hier auf die Rosenkreuzerschule]. Und der Europäer kann nur Erfolg haben, wenn er diesen ihm durch seine eigenen Geheimlehrer vorgezeichneten Weg wandelt. Er kann den Weg des Indiertums gar nicht kopieren. Denn die Indier sind die Nachkommen eines ganz anderen Volksstammes als die europäischen Menschen. Ihre körperliche und seelische Eigentümlichkeit ist eine andere. In der Welt ist eben alles in der Entwickelung. Und es muss auch die Geheimschulung diesen Weg der Entwickelung gehen. Nur das Zerrbild eines Schülers könnte es geben, wenn eine europäische Seele dieselben Yogawege wandeln wollte, die einstmals das von den heiligen Rischis geleitete indische Volk wandelte. Dieses selbst aber muss sich auf seine eigenen Wege wieder besinnen, wenn es vorwärts kommen will. – Das eben will ja gerade die theosophische Weltbewegung erreichen, dass ein jegliches Volk, ein jeglicher Teil der Menschheit die Wahrheit suche auf seinen Wegen. Wir wären recht schlechte Theosophen, wenn wir die indischen Lehren so ohne weiteres der ganz anders gearteten europäischen Menschheit aufpfropfen wollten. Das darf nicht in bezug auf die äußeren Lehren und auch nicht in bezug auf die Geheimschulung zur Jüngerschaft geschehen.

Damit ist nicht gesagt, dass es unnütz für die Europäer wäre, dasjenige kennenzulernen, was für Indien das Angemessene ist. Die Stufe, auf welcher der Europäer steht, ist gerade diejenige, die ihm notwendig macht, alles verstandesmäßig kennenzulernen. Der Verstand muss, um vorwärts zu kommen, vergleichen und das Eigene an dem Fernerliegenden messen. Er muss hinhorchen auf das, was den Menschenbrüdern im fernen Osten zu ihrem Heile gesagt wird. Deshalb, nicht weil in Europa dasselbe gemacht werden könnte, hat man solche Bücher wie das vorliegende mit Befriedigung zu begrüßen. – Aber es ist auch notwendig zu wissen, dass in Europa Wissende und Geheimforscher seit Jahrhunderten bemüht sind, denjenigen die rechten Wege zur heutigen Jüngerschaft zu weisen, die hinhören können und vor allem hinhören wollen auf sie. – Die Zeichen der Zeit sprechen es deutlich aus, dass auch in Europa die Zahl derjenigen immer größer werden wird, welche sich ›im Herzen sehnen nach wahrem Yoga‹. Denn auch für die europäischen Völker gilt, was Annie Besant so treffend gegen den Schluss des ersten Vortrags ausspricht: ›Es gibt keine große Nation ohne große Individualitäten, kein mächtiges Volk, wenn die einzelnen niedrig, arm und selbstsüchtig in ihrem Leben sind.‹« (GA 34)

***

Annie Besant. 3. Vortrag, 29. Dezember 1895.

Das Leben des Schülers

Der Prüfungspfad. Die vier Initiationen

Es ist eine schwierige Aufgabe, meine Brüder, die heute morgen vor uns liegt. In den beiden vorausgehenden Vorträgen habe ich mich mit dem Leben des Menschen in der Welt befasst, und gezeigt, wie er in diesem gewöhnlichen Leben sich schrittweise auf die höheren Stufen der Entwicklung vorbereiten kann; wie er sich selbst zu einem schnelleren Fortschritt, einem schnelleren Fortkommen heranerziehen kann.

Heute aber müssen wir das gewöhnliche Leben des Menschen hinter uns lassen – nicht so sehr im Hinblick auf die äußeren Gegebenheiten, dafür um so mehr hinsichtlich des inneren Lebens.

Denn die Stufen des menschlichen Fortschritts, mit denen wir uns jetzt beschäftigen müssen, die ihn aus dem Leben dieser Welt in höhere Regionen führen, sind klar und deutlich unterschieden; es sind jene Stufen, die ihn von der gewöhnlichen Menschheit zur göttlichen Menschheit führen. Und insofern, als sie uns von der gewöhnlichen Erfahrung entfernt, insofern ist unsere Aufgabe schwieriger, sowohl für euch als Zuhörer, als auch für mich als Vortragende. Denn in diesen höheren Dingen kommen auch höhere Fähigkeiten ins Spiel; und jene werden diesen erhabenen Lehren am besten folgen können, die wenigstens bis zu einem gewissen Grad sich um die Reinigung des Lebens und die Ausbildung des Charakters bemüht haben, mit denen wir uns die beiden vergangenen Vormittage gedanklich beschäftigt haben.

Ich führte euch gestern bis zu dem Punkt, an dem ein Mensch, der sich um die Erhebung seines Lebens, die Kontrolle der Gedanken bemüht und auf die Schülerschaft vorbereitet hat, die Aufmerksamkeit eines großen Lehrers, eines Gurus auf sich zieht, so dass er nun die ersten Schritte der Schülerschaft in Angriff nehmen kann. Und es sind diese ersten Schritte, die wir uns diesen Morgen anschauen wollen. Wie umfassend das Thema auch sein mag, ich muss versuchen, das gesamte Leben des Schülers, des Chelas, diesen Morgen zu beschreiben.

[a – Prüfungspfad]

Die ersten Stufen bilden das, was man den »Prüfungspfad« genannt hat, das heißt, die Stufe der Prüfung, im Unterschied zu der Stufe der anerkannten Schülerschaft. Auf dem Prüfungspfad können wir zwar gewisse Stufen und die Aneignung gewisser Eigenschaften unterscheiden, sie sind aber nicht so deutlich voneinander abgegrenzt, wie die Stufen des eigentlichen Pfades – also der Schülerschaft im eigentlichen und wahren Sinn des Wortes.

[b – der Pfad der wahren Schülerschaft]

Auf dem wirklichen Pfad, auf dem der Schüler nicht nur von seinem Meister als solcher anerkannt wird, sondern auch seinen Meister erkennt und anerkennt, auf diesem Pfad lassen sich deutlich vier Stufen unterscheiden, die auch unterschiedliche Namen haben und durch unterschiedliche Initiationen voneinander abgegrenzt sind.

[ zu a.]

Auf dem Prüfungspfad sind die Stufen wohl erkennbar, sie sind aber nicht so klar voneinander abgegrenzt. Sie laufen eher nebeneinander her, als dass sie aufeinander folgen. Vom Schüler auf dem Prüfstand, wie wir jemanden nennen können, der am Anfang des Pfades steht, wird nicht erwartet, dass er alles, was er übt, bereits vollkommen beherrscht. Es wird erwartet, dass er sich bemüht, aber vollkommene Beherrschung wird nicht von ihm verlangt. Es genügt, wenn er sich ernsthaft bemüht, wenn er wirkliche Anstrengungen unternimmt, wenn er standhaft bleibt und sein Ziel nicht aus den Augen verliert. Viel Nachsicht – wie wir in menschlichen Angelegenheiten sagen – wird geübt, wegen der menschlichen Fehlbarkeit, Schwäche und dem Mangel an Einsicht, die seine Fortschritte noch immer behindern. Die Prüfungen denen er begegnet, die er überstehen muss, sind drei Prüfungen, denen man im gewöhnlichen Leben begegnet, Erschwernisse jeder denkbaren Art, über die ich gleich einiges sagen werde, aber es handelt sich nicht um die Prüfungen des eigentlichen Pfades.

Die Stufen des Prüfungspfades sind, wenn ich mich richtig erinnere, vor einigen Jahren durch einen Brahmanen, der damals in England weilte und Mitglied der Theosophischen Gesellschaft ist, durch Mohini Mohun Chatterji aus Kalkutta aus den bekannten Hindutraditionen heraus dargestellt worden; er erzählte von diesen vorbereitenden Stufen, die der Mensch durchlaufen und bestehen muss, bei denen ihm sein Lehrer bis zu einem gewissen Grad beisteht, größtenteils, ohne dass ihm das bewusst ist – d.h., so weit es sein Wachbewusstsein betrifft; dem Chela scheint es, als würde er sich alleine auf dem Pfad bewegen und nur auf seine eigene Kraft und Ausdauer angewiesen sein. Ich muss nicht betonen, das es sich dabei um eine Illusion handelt, die auf seiner eigenen Blindheit und seiner Unwissenheit beruht, denn die Augen seines Lehrers ruhen auf ihm, auch wenn er in seinem Wachbewusstsein davon nichts weiß, und ihm kommt jederzeit Hilfe aus den höheren Welten zu, Hilfe, die sich in seinem Leben zeigt, auch wenn dies für sein Wachbewusstsein nicht deutlich sein mag.

Und nun werden wir sehen, wie die Eigenschaften, mit denen wir uns bereits beschäftigt haben, und die wir bisher der Vorbereitung zugeordnet haben, auf dem Prüfungspfad eine deutlichere Form annehmen.

[I. – Viveka, Unterscheidung]

Die erste Eigenschaft ist das Ergebnis der Erfahrungen, durch die er hindurchgegangen ist; sie erwecken und bilden in ihm aus, was man VIVEKA, die Unterscheidung nennt.

Die Unterscheidung zwischen dem Realen und dem Unrealen, zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen.

Bevor diese Fähigkeit erscheint, ist er durch seine Unwissenheit an die Erde gebunden, und weltliche Dinge üben auf ihn ihre ganze verführerische Wirkung aus. Seine Augen müssen geöffnet werden, er muss den Schleier der Maya durchstoßen, zumindest so weit, um die irdischen Dinge nach ihrem wahren Wert bemessen zu können, denn aus Viveka wird die zweite Eigenschaft geboren –

[II. –Vairagya – Gleichgültigkeit]

VAIRAGYA. Ich habe bereits angedeutet, dass der Mensch sich darin üben muss, bei seinen Handlungen nicht auf die Früchte zu sehen. Er muss lernen, sein Handeln als Pflicht zu sehen, ohne fortwährend auf irgendeinen persönlichen Vorteil zu hoffen. Es dürfte nötig sein, diese Haltung durch mehrere Leben hindurch zu üben, bevor die nächste Forderung an den Menschen herantritt, die er zu einem beträchtlichen Ausmaß erfüllen muss, bevor die Initiation möglich ist, die Forderung nämlich, dass er gegenüber irdischen Dingen entschieden gleichgültig wird.

Diese Gleichgültigkeit gegenüber irdischen und weltlichen Dingen, Vairagya, ist die zweite der Eigenschaften, die sich der Schüler auf dem Prüfungspfad aneignen muss.

Er hat Viveka entwickelt, und, wie wir gesehen haben, bedeutet dies die Unterscheidung zwischen dem Realen und dem Unrealen, zwischen dem Vergänglichen und dem Dauernden. Und je mehr sich die Realität und die Dauerhaftigkeit sich seinem Geist fühlbar machen, um so unausweichlicher ist es, dass die weltlichen Dinge ihre Anziehungskraft verlieren und dass er ihnen gegenüber gleichgültig wird. Wenn man die Wirklichkeit sieht, wird das Unwirkliche so unbefriedigend; wenn das Dauernde erkannt wird – und sei es nur für einen Augenblick – scheint das Vergängliche so wenig erstrebenswert; auf dem Prüfungspfad verlieren alle Gegenstände um uns herum ihre Anziehungskraft, und der Mensch muss sich nicht mehr anstrengen, um sich von ihnen abzuwenden; er bedarf keiner besonderen Willensanstrengung mehr, um nicht nach den Früchten seiner Arbeit zu begehren. Die Gegenstände besitzen für ihn keine Anziehungskraft mehr; die Wurzel der Wünsche verkümmert stufenweise und diese Gegenstände, wie es in der Bhagavad Gita heißt, wenden sich vom enthaltsamen Bewohner des Körpers ab. Es ist nicht so, dass er sich willentlich von ihnen abwendet, vielmehr verlieren sie die Macht, ihn noch irgendwie zu befriedigen. Die Gegenstände der Sinne ziehen sich von ihm zurück, und zwar wegen der Anstrengungen, von denen wir bereits gesprochen haben, die er bereits auf sich genommen hat.

Wenn er so die Vergänglichkeit der Gegenstände durchschaut, ist es nur natürlich, dass aus der Gleichgültigkeit gegenüber den Gegenständen ebenso selbstverständlich erwächst, wonach er so lange gestrebt hat, die Gleichgültigkeit gegenüber den Früchten nämlich; denn die Früchte sind ja nichts anderes als weitere Gegenstände. Die Früchte haben Teil an der Vergänglichkeit und Unwirklichkeit, die er erkennt, wenn er das Reale und Dauernde gesehen hat.

[III. – Shatsampatti – die sechs geistigen Eigenschaften]

Dann muss die dritte Eigenschaft auf dem Prüfungspfad erworben werden; SHATSAMPATTI, die sechsfache Gruppe der geistigen Eigenschaften oder Fähigkeiten, die sich im Leben des Schüler-Kandidaten zeigen, wenn wir dieses Wort gebrauchen dürfen.

Er hat sich lange darum bemüht, seine Gedanken in der Art zu beherrschen, die uns vertraut ist. Er hat all die Methoden praktiziert, von denen wir gestern gesprochen haben, er hat sich um Selbstkontrolle bemüht, um eine meditative Bewusstseinsverfassung und um die Bildung seines Charakters.

[a – Shama – Kontrolle des Geistes]

Diese Methoden haben ihn darauf vorbereitet, dass sich nun im wirklichen Menschen – denn wir reden über den wirklichen Menschen, und nicht über die illusionäre Erscheinung – Shama [Shad-Sampat 1], die Kontrolle des Geistes zeigt, diese entschiedene Beherrschung der Gedanken, dieses entschiedene Verständnis der Wirkungen des Denkens und seiner Beziehung zur umgebenden Welt, die er durch sein eigenes Denken im Guten und Bösen beeinflusst. Durch die Erkenntnis dieser Macht seiner Gedanken, durch die er das Leben der anderen Menschen und die Entwicklung der Menschheit fördern oder beeinträchtigen kann, wird er innerhalb der Welt, der er selbst angehört zu einem aktiven Mitwirkenden am menschlichen Fortschritt und am Fortschritt aller Wesen, die sich entwickeln. Und diese Beherrschung des Denkens – die nun eine ausgeprägte Eigenschaft seines Geistes ist – bereitet ihn, wie wir sehen werden, auf die vollständige und wahrhafte Schülerschaft vor, in der jeder seiner Gedanken zu einem Werkzeug seines Meisters werden soll, wo vergleichsweise ohne Anstrengung der Geist sich jenen Spuren entlang bewegt, die der Wille ihnen vorgezeichnet hat.

[b – Dama – Kontrolle der Sinne und des Körpers]

Aus dieser Beherrschung der Gedanken, die nun weitgehend erreicht ist, folgt unausweichlich Dama [Shad-Sampat 2], die Kontrolle der Sinne und des Körpers, die wir auch als Beherrschung des Verhaltens bezeichnen können. Habt ihr bemerkt, dass die Dinge, wenn wir sie vom okkulten Standpunkt aus betrachten, sich spiegelbildlich gegenüber dem Standpunkt der Erde darstellen? Weltliche Menschen denken mehr an das Verhalten als an ihr Denken. Der Okkultist denkt mehr an sein Denken als an sein Verhalten. Wenn das Denken richtig ist, wird das Verhalten unweigerlich rein sein; wenn das Denken beherrscht wird, wird das Verhalten unweigerlich kontrolliert und beherrscht sein. Die äußere Erscheinung oder Handlung ist nur die Übersetzung des inneren Gedankens, der in der Welt der Formen die Gestalt annimmt, die wir als Handeln bezeichnen; aber die Erscheinungsform hängt vom inneren Leben ab, die Form hängt von der inneren Kraft ab, die sie formt. Die Welt des Arupa [des Formlosen] ist die Welt der Ursachen, die Welt der Formen [Rupa] ist nur die Welt der Wirkungen; und daher wird, wenn wir den Gedanken beherrschen, das Verhalten ebenfalls unter unserer Herrschaft stehen, da es der natürliche und unausweichliche Ausdruck unserer Gedanken ist.

[c – Uparati – Toleranz]

Die dritte geistige Eigenschaft, die den inneren Menschen auszeichnet, ist Uparati |Shad-Sampat 3], was man vielleicht am besten mit einer großherzigen, edlen und nachhaltigen Toleranz übersetzt – ich verwende dieses Wort im weitesten Sinn, den man ihm geben kann – Toleranz allem gegenüber, was uns umgibt, ist eine Form erhabener Geduld, die zu warten versteht, die zu verstehen vermag und daher von niemandem mehr verlangt, als er zu geben vermag.

Auch dies ist wiederum die Vorbereitung auf eine klar unterschiedene Stufe der eigentlichen Schülerschaft. Diese Haltung des Menschen, diese tolerante Haltung, vermag gegen jeden und alles Nachsicht zu üben, sie betrachtet alle Menschen nicht von außen, sondern von innen, sie sieht ihre Hoffnungen, ihre Wünsche und Motive, und nicht nur die groben Fehldeutungen, welche die Erscheinungen der äußeren Welt oft genug bereithalten. Nun lernt der Schüler Toleranz gegenüber allen Formen von Religion, Toleranz gegenüber allen Arten von Gebräuchen, gegenüber den unterschiedlichen Traditionen der Menschen. Er versteht, dass es sich um vorübergehende Phasen handelt, aus denen der Mensch am Ende herauswächst, und er ist nicht so unvernünftig, dass er von der kindlichen Menschheit jene Weite, jenen Atem, jenen Sinn würdevoller Geduld erwartet, die für die Menschheit im Erwachsenenalter charakteristisch sind, nicht aber für ihre frühen Entwicklungsstufen. Diese Haltung des Geistes muss unablässig gepflegt werden, wenn man sich der Initiation nähern will, und wir müssen diese Toleranz durch Einsicht in die Wahrheit erlangen und wir müssen die Wahrheit erkennen, die unter dem Schleier der irreführenden Erscheinungen verborgen ist.

Habt ihr bemerkt, wie sich durch all dies der aufdämmernde Sinn für das Wirkliche hindurchzieht, diese große Veränderung, die sich im Menschen abspielt, der sich auf den Prüfungspfad begibt? Er lässt sich nicht mehr von Erscheinungen verführen, wie das früher der Fall war. Je reifer er wird, um so deutlicher sieht er die Realität und befreit sich so schrittweise von der Illusion. Er wirft die Abhängigkeit von den Gegenständen ab und er erkennt die Wahrheit, wie auch immer ihre illusionäre Erscheinungsform sein mag.

[d – Titiksha – Duldsamkeit, Beständigkeit]

Der nächste Punkt in seiner geistigen Haltung ist Titiksha [Shad-Sampat 4], Duldsamkeit, ein geduldiges Ertragen von allem, was kommt, die vollständige Abwesenheit von Groll oder Verbitterung.

Ihr erinnert euch, wie ich eure Aufmerksamkeit auf diese Duldsamkeit gelenkt habe, als etwas, wonach wir streben müssen, darauf, wie ein Mensch sich allmählich von dem Gefühl der Verletzung befreien muss, wie er stattdessen Liebe, Mitgefühl und Verzeihen üben muss, – und das Ergebnis dieser Schulung des Geistes ist diese entschiedene und dauerhafte geistige Haltung. Der innere Mensch befreit sich so vom Groll – von der Verbitterung gegenüber allem, gegen Menschen, gegen die Umstände, gegen alles, was ihn im Leben umgibt. Warum? Weil er die Wahrheit sieht und das Gesetz kennt und daher weiß: Was für Umstände auch immer ihn umgeben mögen, sie sind ein Ausfluss des guten Gesetzes. Er weiß: Was immer die Menschen ihm zufügen mögen, sie sind die unbewussten Handlanger des Gesetzes. Er weiß: Alles, was ihm im Leben begegnet, wurde von ihm selbst in der Vergangenheit bewirkt. Und daher besteht seine Haltung in der völligen Abwesenheit von Groll. Er erkennt die Gerechtigkeit, daher kann er sich über nichts mehr ärgern, denn nichts kann ihn berühren, was er nicht verdient hat; nichts kann seinen Weg kreuzen, was er nicht in seinen früheren Leben dort hingestellt hat. Und so können keine Leiden oder Freuden ihn von seinem Pfad abbringen; seine Richtung kann durch nichts mehr, was ihm begegnet, geändert werden. Er sieht den Pfad und geht auf ihm entlang; er sieht das Ziel und strebt ihm entgegen. Er folgt nicht länger krummen und ungewissen Wegen, dahin und dorthin und überall hin; sondern sicher, stetig folgt er dem Pfad, den er gewählt hat. Die Verlockungen des Genusses können ihn nicht ablenken; Schmerz kann ihn nicht ablenken. Müdigkeit, Nichtigkeit und Leere können ihn nicht entmutigen, keine Verheißungen, von wem auch immer, können ihn ablenken, er hört nur auf die Stimme des Guru, zu dessen Füßen er strebt. Unfähigkeit, abzuirren, starke Duldsamkeit – wahrlich! das sind Eigenschaften, die er auf seinem Prüfungspfad benötigt.

Denn ich habe von den Prüfungen gesprochen, die seinen Weg säumen, und ihr solltet leicht verstehen können, warum diese Schwierigkeiten auftreten müssen. Der Mensch, der den Prüfungspfad betreten hat, möchte innerhalb weniger Leben erreichen, wozu der weltliche Mensch hunderte von Leben benötigt. Er ist wie ein Mann, der den Gipfel des Berges erreichen will, aber sich weigert, der Spur zu folgen, die sich in Spiralen langsam den Berg hinauf windet. Er sagt: »Ich gehe direkt hinauf, ich werde meine Zeit nicht auf diesem gewundenen, ausgetretenen Pfad verschwenden, der mich so viel Zeit kosten wird, diesem langsamen Weg, auf dem man leicht und bequem vorankommt, der von unzähligen Füßen breitgetreten ist. Ich werde die kürzere Route nehmen, den schnelleren Pfad, ich werde den Berg auf dem direktesten Weg erklimmen. Egal, wie schwierig es ist, ich werde den Berg erklimmen. Gleichgültig, was für Hindernisse im Weg liegen, ich werde gehen; es mag dort Schluchten geben – ich werde sie überqueren; es mögen Felswände sein – ich werde über sie klettern; es mögen Hindernisse und Felsen in meinem Weg liegen – ich werde irgendwie über sie hinüberkommen oder sie umgehen; aber hinauf auf diesen Berg, das will ich«. Was wird das Ergebnis sein? Er wird auf seinem Weg tausendfach mehr Schwierigkeiten vorfinden. Die Zeit, die er gewinnt, muss er mit der Mühsal bezahlen, die es ihn kostet, sein Ziel zu erreichen.

Wer sich auf den Prüfungspfad begibt, gleicht dem Menschen, der den kürzesten Weg zum Gipfel wählt und er ruft sein gesamtes vergangenes Karma auf sich herab, von dem er sich weitgehend befreien muss, bevor er bereit für die Initiation ist.

Die großen Herren des Karma, die das karmische Gesetz verwalten – die mächtigen Intelligenzen hoch über uns, die unser Verstand nicht fassen kann, die unsere Vernunft nicht begreift, die als Bewahrer des Karma bezeichnet worden sind, jene Intelligenzen, welche die Aufzeichnungen des Akasha hüten, in denen alle vergangenen Gedanken und Taten des Menschen aufgezeichnet sind – sie kennen die Geschichte jeder einzelnen Individualität.

Vor ihrem allsehenden Auge liegt die Lebensgeschichte jedes einzelnen Menschen offen da, und diese Geschichte, die vor ihren Augen liegt, muss weitgehend aufgearbeitet werden, bevor die Portale der Initiation durchschritten werden können. Und wer den Prüfungspfad betritt, wer freiwillig aus eigenem Willen seinen Fuß auf diesen Pfad setzt, der ruft in dem Augenblick, in dem er dies tut, die großen Herren des Karma an, sie mögen seine Geschichte, die gegen ihn spricht, ausgleichen, und ihm die karmische Schuld offenbaren, die er ausgleichen muss.

Ist es daher verwunderlich, wenn sich die Schwierigkeiten vor ihm auftürmen? Das Karma, das in hunderten Leben hätte abgearbeitet werden können, muss in einigen wenigen ausgeglichen werden, vielleicht in einem einzigen, und daher ist es natürlich schwierig, auf diesem Pfad voranzukommen. Schwierigkeiten in der Familie tauchen auf, geschäftliche Probleme türmen sich, Mühsale des Geistes und des Körpers suchen ihn heim; ist es daher verwunderlich, wenn ich gesagt habe, er benötige Standhaftigkeit, um auf diesem Prüfungspfad voranzukommen, damit er nicht zurückweiche oder entmutigt werde? Man könnte glauben, alles verschwöre sich gegen ihn. Er könnte glauben, der Meister habe ihn aufgegeben. Warum muss das Schlimmste ihn heimsuchen, wo er doch sein Bestes gibt? Warum müssen all diese Schwierigkeiten und Leiden ihn heimsuchen, wo er doch ein besseres Leben führt als je zuvor? Es scheint so ungerecht, so hart, so grausam, dass er nun vom Schicksal härter als jemals zuvor geprüft wird, obwohl er ein edleres Leben führt, als er es je zuvor versucht hat. Er muss dieser Prüfung standhalten, er muss sich weigern, einem einzigen Gedanken an Ungerechtigkeit Eintritt zu gewähren. Er muss sich sagen: »Es war meine eigene Entscheidung, ich habe mein Karma herausgefordert; was Wunder, wenn nun von mir verlangt wird, es auszugleichen?« Wenigstens kann ihn der Gedanke ermutigen, dass die Schuld, die er einmal bezahlt hat, für alle Zeiten bezahlt ist, dass er, was überstanden ist, niemals mehr ertragen muss. Jede karmische Schuld, die er abträgt, wird für immer aus seinem Lebenskonto getilgt. So kann er denken, wenn die Krankheit ihn niederwirft, dass es gut ist, wenn er sich von soviel Mühsal befreien kann; wenn Schmerz und Angst ihn peinigen, denkt er, dass es gut ist; er antwortet: »Es wird hinter mir liegen und nicht mehr vor mir.« Und so kommt es, dass er inmitten all der Sorgen Freude empfindet, dass er inmitten der Entmutigung voller Hoffnung ist, dass er inmitten des Schmerzes guten Mutes ist, denn der innere Mensch ist mit dem Gesetz ausgesöhnt, er ist mit der Antwort zufrieden, die seine Frage erhalten hat. Gäbe es keine Antwort, würde dies bedeuten, dass seine Stimme die Ohren der Großen Einen nicht erreicht hat, es würde bedeuten, dass sein Gebet ungehört zur Erde zurückgefallen ist; denn diese Qualen sind die Antwort auf seine Bitte.

[e – Sraddha – Vertrauen]

So erlangt er inmitten dieses Ringens, dieser Schwierigkeiten, dieser Anstrengungen die fünfte geistige Eigenschaft: Sraddha [Shad-Sampat 5], den Glauben, oder wir sollten sagen, das Vertrauen – das Vertrauen in den Meister und sich selbst.

Ihr könnt verstehen, inwiefern dies ein Ergebnis eines solchen Ringens ist. Ihr könnt verstehen, wie durch dieses Ringen Vertrauen entstehen muss, so wie die Blüte sich unter dem Einfluss von Sonne und Regen öffnen muss. Er hat gelernt, seinem Guru zu vertrauen, denn hat er ihn nicht durch diese ganzen dornigen Pfade geleitet und ihn auf die andere Seite gebracht, wo das Tor der Initiation sich vor ihm auftut? Und er hat sich selbst vertrauen gelernt – nicht seinem niederen Selbst, dessen Schwäche er überwunden hat, sondern seinem göttlichen Selbst, dessen Stärke er zu erkennen beginnt. Denn er versteht, dass jeder Mensch göttlich ist, er versteht, dass er das, was sein Guru heute ist, in den Leben, die noch kommen werden, selbst werden wird. Und er empfindet Vertrauen in die Macht des Meisters, ihn zu lehren und zu führen, in die Weisheit seines Meisters, ihn zu lenken und zu unterrichten; und er empfindet Vertrauen in sich selbst, obgleich demütig, so doch stark, das Vertrauen auf seine eigene Göttlichkeit, die es ihm ermöglicht, sein Ziel zu erreichen; das Vertrauen darauf, dass bei aller nötigen Anstrengung, die noch vor ihm liegt, bei allen Schwierigkeiten, die es noch zu überwinden gilt, die Kraft, die in ihm ist, eins ist mit Brahman, und dass er jeder Schwierigkeit, jeder Prüfung standhalten wird.

[f – Samadhana – Gleichgewicht]

Die sechste geistige Eigenschaft ist Samadhana [Shad-Sampat 6], Gleichgewicht, Gelassenheit, Friede des Geistes, jenes Gleichgewicht und jene Beharrlichkeit, die aus der Aneignung der vorhergehenden Eigenschaften resultiert.

[IV. – Mumuksha – das Verlangen nach Emanzipation]

Mit dieser Eigenschaft ist der Prüfungspfad durchschritten, der Schüler-Kandidat steht vor dem Tor, und ohne weitere Anstrengung erscheint die vierte Eigenschaft: MUMUKSHA, das Verlangen nach Emanzipation, der Wunsch nach Befreiung, der ihn, seine langen Anstrengungen krönend, zu einem Adhikari, einem Menschen macht, der bereit für die Initiation ist.

Er wurde geprüft und für gut befunden: sein Unterscheidungsvermögen ist groß, seine Gleichgültigkeit ist keine flüchtige Abneigung, die auf eine vorübergehende Enttäuschung zurückgeht, sein geistiger und moralischer Charakter ist erhaben – er ist bereit für die Initiation. Nichts weiter wird verlangt, er ist bereit, vor das Angesicht des Meisters zu treten, dem Leben gegenüberzutreten, nach dem er so lange gesucht hat.

Achten wir darauf, bevor wir unsere Hand an die Tür der Initiation legen, dass jede Eigenschaft des Prüfungspfades eine Vorbereitung für das ist, was nun bevorsteht, dass es sich um moralische und geistige Eigenschaften handelt.

Moralische und geistige Eigenschaften sind die Eigenschaften, die verlangt werden – nicht sogenannte Kräfte, nicht eine abnorme psychische Entwicklung, nicht die sogenannten Siddhis [magische Fähigkeiten des Yogi wie Telepathie, Levitation, Translokation usw. – siehe dazu weiter unten].

Diese Siddhis werden in keiner Weise verlangt oder gefordert. Jemand mag einige dieser Siddhis erlangt haben und doch nicht bereit für die Initiation sein; was er aber unbedingt benötigt, sind die moralischen Eigenschaften. Diese werden mit einer Unerbittlichkeit verlangt, an der nichts etwas ändern kann – mit einer Unerbittlichkeit, die, nebenbei gesagt, ein Ergebnis der Erfahrung ist. Denn die großen Gurus mit ihrer reichen menschlichen Erfahrung haben sie Schritt für Schritt seit Myriaden von Jahren geübt. Sie wissen sehr genau, dass die Voraussetzungen wirklicher Schülerschaft im Geist und im moralischen Charakter liegen und nicht in der Entwicklung psychischer Fähigkeiten; diese werden am richtigen Ort und zur richtigen Zeit ausgebildet. Aber um als Schüler angenommen zu werden, müssen der Geist und die Moral dem Blick des Gurus standhalten; die genannten Eigenschaften sind die, die er verlangt, und diese müssen ihm seine Schüler überreichen, bevor er ihnen die zweite Geburt zuteil werden lässt, die er allein gewähren kann.

Und achten wir ebenfalls darauf, dass diese Eigenschaften Erkenntnis und Demut einschließen – das Wachstum der Erkenntnis, auf dass der Mensch sehend werde, und das Wachstum der Demut, ohne die der Pfad nicht beschritten werden kann. Und daher steht in den Upanischaden geschrieben, dass Erkenntnis ohne Demut nicht genügt, dass Demut allein nicht genügt; Erkenntnis muss mit Demut vermählt sein, denn sie sind die beiden Flügel, durch die der Schüler sich erhebt.

[zu b.]

Nun kommen wir zum eigentlichen Pfad.

Über die großen Initiationen, welche die Stufen des Pfades bilden, nachdem der Chela von seinem Guru angenommen worden ist und wenn der Guru es auf sich nimmt, seinen Schüler zu leiten, zu belehren und zu beschützen – über diese großen Initiationen haben manche Lehrer von Zeit zu Zeit gegenüber der äußeren Welt gewisse Andeutungen fallen lassen, und wir finden diese Andeutungen an vielen Orten, Andeutungen, die durch die Erfahrungen derjenigen bestätigt werden, die durch das Tor gegangen sind, Andeutungen, die etwas vertieft werden dürfen, nicht zur Befriedigung eitler Neugier, sondern zur Schulung derjenigen, die sich gerne auf diesen großen Schritt nach vorne vorbereiten möchten. Was über sie gesagt werden kann, muss notgedrungen unvollständig sein; nur Bruchstücke dieser großen Mysterien können in der Welt der Menschen enthüllt werden. Viele Fragen werden in euch entstehen, wenn ich diese Andeutungen aufgreife und sie zu einem zarten, aber zusammenhängenden Ganzen verwebe. Viele Fragen werden sich erheben, auf die es nicht weise wäre, Antworten zu geben. Das alleinige Ziel dieser Erläuterungen ist, wie ich gesagt habe, nicht, die Neugier zu befriedigen, es geht nicht darum, dass einige Fragen gestellt werden und diese eine nach der anderen beantwortet werden; die Andeutungen, die gegeben werden, sind für jene gedacht, die es Ernst meinen, für jene, die wissen wollen, damit sie sich vorbereiten können, für jene, die verstehen wollen, damit sie das Angestrebte erreichen können. Und daher werden diese Andeutungen von Zeit zu Zeit gegeben, solche bruchstückhaften Mitteilungen, die für die unmittelbare Anleitung ausreichen, aber die eitle Neugier und die weltliche Wissbegier nicht befriedigen.

Zwei mächtige Lehrer ragen in der Geschichte heraus, die über diesen Gegenstand mehr Wissen verbreitet haben, als alle anderen – jeder von ihnen war der Lehrer einer Weltreligion – weltweit nicht im Sinne eines Gebietes, sondern weltweit im Sinne der Bedeutung für die Seelen, die bereit sind, sie zu empfangen.

Der eine dieser großen Lehrer war der Begründer des Buddhismus, der Herr (oder Meister) Buddha; der andere was Shri Shankaracharya, der für den Hinduismus leistete, was Buddha für jene Länder tat, die jenseits seiner Reichweite lagen, als er seine exoterische Religion [des Hinduismus] begründete.

Was den Pfad anbetrifft, so sind ihre Lehren identisch, wie die Lehren eines jeden dieser großen Eingeweihten es sein müssen. Ein jeder von ihnen verkündete dieselben Stufen; ein jeder grenzt die Stufen durch bestimmte Initiationen voneinander ab, welche die nachfolgenden von den vorausgehenden unterscheiden. In der Lehre selbst besteht vollkommene Übereinstimmung, lediglich die Form, in der sie zum Ausdruck gebracht wird, unterscheidet sich, weil die Lehre dem einen oder anderen Glauben angepasst wird. Dies ist ein weiterer Grund, warum die Menschen die Wahrheit suchen müssen, die sich in den unterschiedlichen Erscheinungsformen verbirgt, weil sie sich sonst über die Formen streiten, statt die Identität zu erkennen, die hinter den äußeren Etiketten liegt, die nicht mehr als Namen sind.

Vier unterschiedliche Stufen gibt es, und eine jede ist durch eine Initiation gekennzeichnet.

Nun, Initiation bedeutet eine Erweiterung des Bewusstseins, die durch die Vermittlung des Gurus bewirkt wird, der stellvertretend für den einen großen Initiator der Menschheit handelt und in dessen Namen die zweite Geburt ermöglicht.

Diese Erweiterung des Bewusstseins ist das Zeichen der Initiation, denn sie gibt uns das in die Hand, was als »Schlüssel der Erkenntnis« bezeichnet wird; sie eröffnet dem Initiierten neue Bereiche der Erkenntnis und der Macht, sie legt ihm den Schlüssel in die Hand, der die Tore der Natur öffnet. Wozu? Damit er der Welt als Ganzer besser dienen kann; damit seine Kraft zu dienen zunimmt; damit er sich jenem kleinen Häuflein von Menschen anschließen kann, die sich der Menschheit geweiht und das niedere Selbst überwunden haben, die nichts anderes wollen, als dem Meister und der Menschheit zu dienen; die wissen, dass der Dienst am Meister und an der Menschheit ein und dasselbe ist; die mit der Welt und allem, was sie zu bieten hat, abgeschlossen haben; die sich auf immer in den Dienst der Großen Einen gestellt haben, auf dass sie ihre Werkzeuge seien, die Kanäle, durch die sie ihre Hilfe und ihre Gnade auf uns herabströmen lassen.

Und zwischen diesen einzelnen großen Initiationen müssen gewisse Dinge – Wandlungen des inneren Menschen – erreicht werden, aber mit einem großen Unterschied gegenüber den Wandlungen, die wir bisher betrachtet haben. Wenn ein Mensch initiiert ist, dann muss er alles vollkommen tun, nicht länger unvollkommen; jede Errungenschaft ist vollkommen errungen, jede Kette endgültig abgestreift. Nicht länger wird das Unvollkommene geduldet; er kann nicht weiterschreiten, bis die Anforderungen der jeweiligen Stufe vollkommen erfüllt sind. So dass wir hier diese absolute Entschiedenheit finden, die es sonst nirgends im Leben gibt, die Notwendigkeit, dass jede Stufe abgeschlossen ist, bevor wir die nächste besteigen können. Nichts Halbfertiges, keine unabgeschlossenen Arbeiten werden hier akzeptiert. Wie lange es auch dauern mag, die Arbeit muss absolut abgeschlossen werden, bevor der nächste Schritt getan werden kann. Technisch wurde das als das »Abwerfen der Fesseln« bezeichnet, bestimmter Eigenschaften, die noch immer die Seele binden. Am Ende des Pfades liegt Jivanmukti; wer ihn zurückgelegt hat, hat jene Stufe erreicht, auf der das Leben frei ist, so dass jede Fessel vollkommen abgeworfen werden muss, damit den lebenden Menschen nichts mehr bindet.

[i – Der in den Strom eingetreten ist – der Wanderer]

Die erste große Initiation macht den Menschen zu jemandem, den Shri Shankaracharya als »Parivrajaka« bezeichnet – und Buddha als »Srotapatti«.

Die buddhistische Bezeichnung, die in der Regel in Pali wiedergegeben wird, bedeutet »der, der in den Strom eingetreten ist«, der sich von der Welt losgelöst hat. Er gehört nicht länger dieser Welt an, auch wenn er in ihr lebt; er hat hier keinen Ort, nichts kann ihn halten. Genau dieselbe Idee bringt auch das Wort »Parivrajaka« zum Ausdruck, »ein Mann, der herumwandert«, der keine Heimat, keine Wohnstätte besitzt; der nicht unbedingt körperlich herumwandert, oder im physischen Sinn wohnungslos ist – wie es heute exoterisch verstanden wird –, sondern der Mensch, der in seinem inneren Leben sich von der Welt gelöst hat, der in dieser vergänglichen Welt keinen festen Platz oder Aufenthaltsort hat, für den in dieser Welt kein Ort besser als ein anderer ist. Er kann hierhin oder dorthin oder überall hin gehen, wo sein Meister ihn auch hinsenden mag. Kein Ort vermag ihn festzuhalten, kein Ort hat die Macht, ihn zu binden; er hat die Fesseln des Ortes abgestreift. Und deswegen heißt er der »Wanderer«. Ich weiß natürlich, ebenso wie ihr, dass diese Stufe heute in einem rein exoterischen Sinn verstanden wird; ich aber verstehe sie innerlich, im Sinne der Großen Einen, die sie offenbart haben. Wir wissen wahrlich, wie vieles sich seit damals geändert hat; wie das, was damals im Leben eine Realität darstellte, zu einem bloßen Wort, zu einer bloßen Erscheinung geworden ist. Aber mir liegt sehr daran, dass ihr die vier Stufen des Pfades in dem Sinne versteht, wie von ihnen im Hinduismus gesprochen wird, von denen manche glauben, sie seien bloß vom Herrn Buddha geoffenbart worden, wo er doch lediglich den alten schmalen Pfad erneut verkündet hat, den alle Initiierten der Einen Loge gegangen sind, gehen und gehen werden.

Lasst mich also die Realität betrachten. Der Mensch, der den Strom überquert hat, hat die Welt, wie ich gesagt habe, endgültig hinter sich gelassen – er will nichts mehr von ihr, außer dass er ihr dienen kann. Er verlangt nichts mehr von ihr, außer dass er in ihr den Auftrag seines Meisters erfüllen kann. Das ist das Zeichen der ersten großen Initiation – des Menschen, der wiedergeboren ist.

Zum größten Teil geschieht diese Wiedergeburt außerhalb des Körpers, aber im Wachzustand; d.h. der Mensch wird im allgemeinen mit vollem Bewusstsein in seinem Astralleib initiiert, während der physische Körper in einem Trancezustand zurückbleibt; in einzelnen Fällen wird der Schüler initiiert, ohne dass dem Wachbewusstsein erlaubt ist, die Initiation bewusst zu begleiten.

Aber in beiden Fällen kann dieser Vorgang niemals zurückgenommen werden; der Mensch wird niemals mehr so sein, wie zuvor. Das Kleinkind, das in die Welt geboren wird, mag für eine gewisse Zeit kein Bewusstsein der neuen Welt haben, die es umgibt, aber es kann nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und wieder so sein, als wäre es nicht durch die Geburt hindurch gegangen. Ebensowenig kann der Initiierte, der diese zweite Geburt erlebt hat, jemals wieder so werden, als hätte er diese Geburt nicht erlebt, und wieder am Leben der äußeren Welt teilnehmen, so wie jene, die diese zweite Geburt nicht erlebt haben. Er mag in seinem weiteren Fortschreiten zurückbleiben, er mag langsam vorankommen, er mag länger brauchen, um die Fesseln abzustreifen, die ihn noch binden; aber er kann nicht wieder in den Zustand des Nichtinitiierten zurück, der Schlüssel kann nie mehr aus seiner Hand gleiten. Er ist in den Strom eingetreten; er hat sich von der Welt gelöst; er muss weiter gehen, wie langsam auch immer, wie viele Leben auch immer er dafür benötigt.

Die Frage wurde aufgeworfen, wie viele Leben zwischen diesem Schritt und der endgültigen Befreiung, der Erreichung von Jivanmukti liegen. Ich erinnere mich, dass Swami T. Subba Row, der hier zu einer Reihe von Freunden über die Vorstellung gesprochen hat, dass auf dieser Stufe der Schülerschaft sieben Leben verbracht werden müssten, die vollkommen wahre und bedeutende Bemerkung gemacht hat: »Es mögen sieben oder siebzig Leben sein, es mögen sieben Tage oder sieben Stunden sein«. Das heißt: das Leben der Seele wird nicht nach den Jahren oder der Zeit der Sterblichen bemessen; alles hängt von ihrer Energie, ihrer Stärke, ihrem Willen zum Weiterschreiten ab. Jemand mag seine Zeit verschwenden oder sie zu seinem Vorteil nutzen, und abhängig davon wird der Fortschritt sein, den er macht.

Aber auf dieser Stufe, die mit der ersten großen Initiation beginnt und mit der zweiten endet, gibt es drei unterschiedliche Dinge, von denen der Mensch sich vollkommen befreien muss, bevor er durch das zweite Tor schreiten kann.

[a – Zerstörung der Illusion des persönlichen Selbstes]

Das erste ist die Zerstörung der Illusion des persönlichen Selbstes. Die Persönlichkeit muss zerstört werden; nicht länger nur konktrolliert, nicht länger nur eingeschränkt, nicht länger nur in Schach gehalten; sondern zerstört, für immer abgetötet. Die Illusion eines selbstständigen persönlichen Selbstes muss aufgegeben werden.

Der Schüler muss erkennen, dass er mit allen anderen Selbsten eins ist, denn das Selbst aller ist eines. Er muss erkennen, dass überall um ihn herum, in Menschen, Tieren und Pflanzen, in Mineralen und in den elementarischen Formen des Lebens alles eins ist. Die Illusion der Persönlichkeit muss abgeschüttelt werden. Bedenkt, wie die Erweiterung des Bewusstseins dabei hilfreich ist; wie die Erkenntnis des wahren Selbstes es ermöglicht, sich des falschen zu entledigen; wie die Erkenntnis des Realen das Unreale zum Verschwinden bringt; und so wird die Illusion des persönlichen Selbstes absolut getötet. Warum? Weil die Augen geöffnet sind und durch die Illusion hindurchblicken; so wird er frei und wirft die Fessel ab, die als die »Täuschung des Selbstes« bezeichnet wird.

[b – Befreiung vom Zweifel]

Und er muss sich von allem Zweifel befreien.

Das ist das zweite Hindernis das seinem Weiterschreiten im Weg steht. Aber er muss den Zweifel in einem sehr bestimmten Sinn ablegen – er muss ihn durch Erkenntnis überwinden. Nicht länger sind die Dinge der unsichtbaren Welt für ihn etwas, worüber er spekuliert; nicht länger sind die großen Wahrheiten der Religion für ihn bloß philosophische Ideen. Sie werden zu erlebten Tatsachen. Nicht länger darf er Fragen in seinem Geist bewegen, wie dies oder jenes wohl sein mag. Es gibt gewisse fundamentale Wahrheiten des Lebens, über die er nicht länger zweifeln darf.

Bevor er einen Schritt weitergehen kann, muss er – jenseits aller Möglichkeit der Frage – absolut überzeugt sein von der großen Wahrheit der Reinkarnation und des Karmas; er muss felsenfest von der großen Wahrheit der Existenz der göttlichen Menschen, der Jivanmuktas, der Gurus der Menschheit überzeugt sein. Darüber dürfen keinerlei Zweifel zurückbleiben; das heißt, er darf nicht mehr bloß ein theoretisches Wissen haben, sondern sein Wissen muss real und praktisch werden, so dass kein Schatten des Zweifels jemals wieder seinen Geist verdunkeln kann; die einzige Position, die so sicher ist, ist jene, wo wirkliche Erkenntnis an die Stelle der bloßen Spekulation tritt, wo die absolute Berührung mit der Realität die Irrtümer, die durch die Illusionen der äußeren Welt entstehen, unmöglich macht.

[c – Befreiung vom Aberglauben]

Die letzte der drei Fesseln, die auf dieser Stufe vollkommen abgeworfen werden muss, ist der Aberglaube.

Macht euch klar, was das bedeutet, und dann werdet ihr umfassend verstehen, warum sowohl Shri Shankaracharya als auch Buddha für diese Stufe der Schülerschaft genau die Namen geprägt haben, die sie verwendeten. Im technischen Sinn (in dem ich dieses Wort jetzt natürlich benutze) bedeutet Aberglaube: die Abhängigkeit von äußerlichen sektiererischen Riten und Zeremonien um des spirituellen Beistands willen. So weit es ihre äußere Form betrifft, anerkennt der Mensch die Wahrheit, die unter der Form verborgen ist, und soll in ihr Wahrheit enthalten sein, dann hängt der Wert der äußeren Form von ihrer Anpassung an diese Welt des Unwissens und der Illusion ab. Der Schüler hat sich über die exoterischen Formen und Zeremonien erhoben. Aber ihr seid mit dieser Idee aus eurem täglichen Leben vertraut. Der Sannyasin [Schüler] soll ein Mensch sein, der sich über diese Dinge erhoben hat, von dem sie nicht länger verlangt werden. Und warum nicht? Weil man davon ausgeht, dass er die Realität berührt hat, weil man davon ausgeht, dass er diese Dinge nicht länger braucht, bei denen es sich um die Sprossen der Leiter handelt, die der Mensch erklimmen muss; sie sind auf den früheren Stufen notwendig – vergesst das nicht – das ist eine Frage der Reife. Wenn ihr auf das Dach des Hauses klettern wollt, dann müsst ihr die Treppe oder eine Leiter benutzen, und töricht würde jemand sein, der sagte: »Ich will weder die Treppe noch die Leiter benutzen«, es sei denn, ein solcher Mensch hätte solche Kräfte und besäße ein solches Wissen um die Naturgesetze, dass er imstande wäre, die Polarität seines Körpers zu verändern und sich mittels der Levitation in die Luft zu erheben – durch die Aktivität des Willens allein, statt durch die vergleichsweise grobe und langsame Methode, Stufe um Stufe zu erklimmen. Für so jemanden ist die Treppe natürlich überflüssig, weil er sich aus eigener Willenskraft erheben und das Dach des Hauses ohne die langsame Methode des Hinaufsteigens erreichen kann. Daraus folgt aber nicht, dass die Treppe nutzlos ist; es folgt nicht, dass ein anderer das Dach des Hauses erreichen kann, wenn er sich weigert, die Treppe zu benutzen. Und zu viele Menschen heutzutage, die unfähig sind, sich aus eigener Kraft zu erheben, weigern sich, die Treppe zu benutzen und vergessen, dass die Treppe der niederen Formen so lange notwendig ist, als der Wille nicht so weit entwickelt ist, dass er sich aus eigener Kraft zu erheben vermag.

Und das veranlasst mich, etwas über den »wahren Sannyasin« zu sagen. Schon vor fünftausend Jahren wurde dieses Wort ohne Bezug zur Realität benutzt. Schon vor fünftausend Jahren, zu Beginn des Kali Yuga, sehen wir Shri Krishna einen Unterschied machen zwischen dem scheinbaren und dem wirklichen Sannyasin. Erinnert ihr euch, wie er sagte: »Der, der aus Pflicht handelt, ohne Rücksicht auf die Früchte seines Handelns, ist ein Sannyasin und ein Yogi; nicht der, der ohne Feuer ist und nichts tut«. Ihr kennt die Bedeutung dieses technischen Ausdrucks »der, der ohne Feuer ist«, das heißt, der, der nicht die Opferfeuer entzündet, der nicht die Riten und Zeremonien ausführt; denn vom Sannyasin werden sie nicht verlangt. Aber, so sagt Krishna, der ist nicht der wahre Sannyasin, der sich allein durch den Verzicht auf die Riten und Zeremonien und durch den Verzicht auf das Handeln in dieser Welt auszeichnet. Und wenn dies vor fünftausend Jahren eine Wahrheit war, dann ist es heute – leider – nur um so wahrer. Wenn es wahr war, als der große Avatar über die Ebenen Indiens wanderte, dann ist es heute noch viel wahrer, wo fünftausend Jahre der Finsternis hinter uns liegen. Wenn wir die ganze östliche Welt überblicken, wenn wir allein Indien mit seinen zahllosen Sannyasin betrachten, dann sehen wir Menschen, die aufgrund ihrer Bekleidung als Sannyasin zu erkennen sind, nicht aufgrund ihres Handelns, die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung als solche zu erkennen sind, nicht aufgrund ihrer inneren Entsagung. Und wenn wir den Boden Indiens verlassen und, sagen wir, nach Ceylon, Burma, China oder Japan gehen, dann finden wir auch dort buddhistische Mönche, die Mönche sind, weil sie eine gelbe Robe tragen, nicht aufgrund ihres edlen Lebens, nach ihrer äußeren Erscheinung, nicht aufgrund einer inneren Wahrheit. Und auch wenn es immer noch wahr ist, dass man hier Religion einfacher leben kann, als in jedem anderen Land; auch wenn es immer noch wahr ist, dass die Traditionen Indiens seinen Boden heiligen und seine Atmosphäre spiritueller machen als die Atmosphäre jedes anderen Landes; auch wenn es Orte gibt, die aufgrund der Leben, die dort verbracht worden sind, so heilig sind, dass sogar der Geist eines weltlichen Menschen befriedet wird und seine Sehnsüchte geweckt werden, wenn er sich an diese Orte begibt; auch wenn all dies wahr ist, was man so über Indien sagt, und es deshalb immer noch geliebt und heilig ist, wahrlich! seine Kinder sind trotzdem seiner Möglichkeiten nicht würdig, und sie haben in vielerlei Hinsicht versagt. Wenn wir die Welt der Menschen überblicken, dann sehen wir keinen Ort, wo das spirituelle Leben so eine große Bedeutung hat, keine Nation, wo es so hoch angesehen ist. Das Herz möchte zerbrechen, das die Möglichkeiten kennt und das tatsächliche Leben damit vergleicht, das weiß, was sein könnte, und sieht, was wirklich ist, das die Wahrheit kennt und, leider! die Lüge sieht, welche die Wahrheit vorspiegelt. Und trotz alledem, das Herz keines Schülers muss zerbrechen, denn auf ewig leben die Meister und ihre Schüler wandern noch immer durch die Welt der Menschen; aber nunmehr zeigt sich ihre Schülerschaft nicht mehr in der Bekleidung, sondern in der Erkenntnis, der Reinheit und Demut, die noch immer das Tor der Initiation aufschließen.

[ii – der Mensch, der eine Hütte baut]

Und so schreiten wir zur zweiten Stufe vor, die Shri Shankaracharya als »Kutichaka«, »den Mann, der eine Hütte baut« bezeichnet und die Buddhisten als »Sakridagamin«, »den Menschen, der seine zweite Geburt erlebt«.

Auf dieser Stufe werden nicht bestimmte Fesseln abgeworfen, sondern bestimmte Fähigkeiten erlangt. Hier kommen die Siddhis ins Spiel. Nach der zweiten Initiation müssen die Siddhis entwickelt werden, weil der Schüler eine Stufe des Lebens erreicht hat, auf der er sehr weitreichende Dienste leisten muss, auf der er imstande sein muss, die Arbeit seines Meisters nicht nur in der Welt der physischen Menschen auszuführen, sondern auch in den anderen Welten, die sie umgeben und jenseits des physischen Planes liegen. Er muss imstande sein, nicht nur mit seinen Lippen zu sprechen, sondern auch vollbewusst von Geist zu Geist. Ich werde versuchen, euch morgen zu zeigen, was für Möglichkeiten des Dienstes es gibt, die sich auf die physische Welt auswirken, und die, wenn sie wirklich sorgfältig ausgeführt würden, was heute nicht der Fall ist, sogar die Entwicklung des physischen Lebens des Menschen erheblich verändern würden. Damit er aber seinen Teil dazu beitragen kann, damit er sich auf diese erhabenen Aufgaben vorbereiten kann, wenn alles Wissen offen vor seinen Augen liegt und die Natur keinen Schleier mehr besitzt, der diese Augen verdunkeln könnte, muss er auf dieser Stufe seine inneren Fähigkeiten entwickeln und eine nach der anderen die inneren Möglichkeiten des Menschen entfalten.

[Erweckung von Kundalini]

Auf dieser Stufe ist es notwendig, wenn es nicht schon zuvor geschehen ist, das innere Feuer zu erwecken, hier muss sich die Kundalinischlange erheben, um im physischen und astralischen Körper des Menschen tätig zu werden.

In manchen Büchern, zum Beispiel im »Ananda Lahiri« von Shri Shankaracharya, könnt ihr von der Erweckung dieses lebendigen Feuers lesen, von seiner Lenkung von Chakra zu Chakra; wenn es erwacht, verleiht es dem Menschen die Macht, den physischen Körper willkürlich zu verlassen, weil es, wenn es von Chakra zu Chakra aufsteigt, das Astralische vom Physischen loslöst und es freisetzt. Dann ist der Mensch imstande, ohne Unterbrechung des Bewusstseins, ohne irgendeine Bewusstseinslücke, welche die eine von der anderen Welt trennt, aus dem physischen Körper heraus in die unsichtbare Welt überzutreten und er ist imstande dort mit vollem Bewusstsein tätig zu sein und eine vollständige Erinnerung an die Arbeit, die er dort vollbracht hat, hierher zurück zu bringen. Auf der zweiten Stufe werden all diese Kräfte entwickelt, wenn sie nicht bereits früher ausgebildet wurden, und bevor sie nicht vollständig ausgebildet sind, bevor sie nicht völlig unter der Herrschaft des Schülers stehen, bevor nicht alle Schranken zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt beseitigt sind, kann er nicht weiterschreiten. Wenn aber diese Schranken durch die Entfaltung der inneren Sinne und Kräfte, durch die Erringung der Siddhis wegfallen, dann macht sich der Schüler bereit für den dritten großen Schritt, bereit, auf die nächst höhere Stufe des Seins aufzusteigen. Ihr werdet ohne weiteres verstehen, wie leicht Menschen Schaden erleiden können, die nicht reif sind, die versuchen diese Stufe auf künstlichem Weg zu erreichen, bevor sie sich spirituell entwickelt haben, bevor sie diese der Ordnung gemäß erreichen würden. In veröffentlichten Schriften gibt es manche Hinweise, besonders in den tantrischen Schriften, die von jenen gierig verschlungen werden, die nach solchen Kräften begehren und sich wenig um die moralischen und geistigen Fähigkeiten kümmern, die allein die richtige Anwendung dieser Kräfte sicherstellen. Vielen dieser Tantras liegen tiefere Wahrheiten zugrunde, die jene erkennen, die sie zu lesen verstehen, aber die äußeren Darstellungen sind häufig aufgrund ihrer Unvollständigkeit extrem irreführend für all jene, die die wahren Sachverhalte nicht kennen und die keinen Guru haben, der die Verhüllungen erklärt und die Lücken füllt. Und so kommen Menschen sehr häufig zu Ergebnissen – Menschen, die diese Praktiken ausüben, mit dem Ziel ihre psychische Entwicklung zu forcieren, bevor ihre geistige und moralische Entwicklung sie vor Abwegen zu schützen vermag – aber diese Resultate wirken sich zum Bösen und nicht zum Guten aus. Sie zerstören häufig ihre physische Gesundheit und verlieren ihr geistiges Gleichgewicht, sie schädigen ihre intellektuellen Fähigkeiten, weil sie die Früchte des Lebensbaumes pflücken wollen, bevor sie reif sind; weil sie mit unreinen Händen und Sinnen versuchen, in das Allerheiligste vorzudringen. In diesem Allerheiligsten aber ist die Atmosphäre so, dass nichts Unreines darin leben kann; seine Schwingungen sind so machtvoll, dass es alles in seine Einzelteile zersplittert, was einer niedrigeren Stufe angehört; es schüttelt alles ab, was unrein ist, alles was nicht fähig ist, sich selbst dieser erhabenen und erschütternden Bewegung anzugleichen.

[iii – Schwan]

Wenn nun aber der Schüler unter der Anleitung seines Gurus – und nichts anderes sollte jemals versucht werden – wenn er also unter der Anleitung seines Gurus diese Stufe vollständig durchlebt hat, dann folgt die dritte große Initiation, jene, die den Menschen zu dem macht, was Shri Shankaracharya als »Hamsa«, »Schwan« bezeichnet, was die buddhistische Literatur als »Anagamin«, als den Menschen bezeichnet, »der nicht mehr geboren wird«, außer aufgrund seines eigenen freien Willens.

Diese Stufe ist eine solche – was der Ausdruck Shri Shankaracharyas impliziert – auf welcher der Mensch die Einheit realisiert, auf der er erkennt, dass er eins mit dem Höchsten ist. Der Name kommt daher, dass er bereits mit seinem erweiterten Bewusstsein sich in jene Region des Universums erhoben hat, in der diese Identität realisiert ist, auf der er dieses »Ich bin Es« bereits erfahren hat. Durch die Vervollkommnung seiner psychischen Sinne und ihrer Verbindungen zum Physischen, ist er imstande, nicht nur die Region zu durchdringen, in der das Bewusstsein der Einheit erlebt wird, sondern er vermag die Erinnerung dieses Bewusstseins auch in seinen Wachzustand herüberzutragen und sie seinem physischen Gehirn einzuprägen.

Es ist überflüssig, zu erwähnen, dass nun auch die letzte Spur irdischer Wünsche hinwegfallen muss, falls solche überhaupt noch vorhanden sind. So dass auf dieser Stufe eine Fessel wegfällt, die als »Kamaraga«, »Wunsch« bezeichnet wird, so wenig auch in ihr von Irdischem noch enthalten sein mag; aber durch diese Realisierung der Einheit mit allem verliert alles, was der Erscheinung nach getrennt ist, seine Macht, in die Irre zu führen auf immer. Der Schüler hat sich weit, weit über die Begrenzungen des Getrenntseins erhoben, und so steht er nicht nur über dem, was wir hier als irdische Wünsche bezeichnen könnten, sondern auch über den sublimiertesten, spirituellsten Wünschen, die noch irgendetwas vom getrennten Selbst in sich tragen könnten; selbst spirituelle Wünsche fallen vom Menschen ab, der eine solche Höhe erreicht; er kann sich gedanklich nicht mehr von anderen unterscheiden, daher kann er auch keine spirituellen Wünsche für sich als abgesondertes Wesen entwickeln, für sich selbst, es sei denn als Teil des Ganzen. Alles, was er erreicht, erreicht er für alle; alles, was er gewinnt, gewinnt er für alle. Er befindet sich in einer Region des Universums, aus der Stärke in die Welt der Menschen herabfließt, und so wie er sie erlangt, gibt er sie weiter, er gießt sie aus, er teilt sie mit allen. So wird die Welt durch alle besser, die diese Stufe erreichen. Alles, was er gewinnt, ist für die Menschheit gewonnen, und alles, was in seine Hände gelangt, reicht er weiter an die Menschheit. Er ist eins mit Brahman, und daher eins mit jeder seiner Manifestationen; und er ist dies in seinem eigenen realen Bewusstsein und nicht nur in seiner Hoffnung oder seinem Streben.

Ein befremdliches Wort wird benutzt, um die andere Fessel zu benennen, die er auf dieser Stufe abwirft – das Paliwort lautet Patigha, übersetzen müssen wir es mit »Hass«, auch wenn dieses Wort in diesem Zusammenhang absurd erscheint. In Wahrheit bedeutet es das folgende: insoweit er mit allem eins geworden ist, fühlt er nicht länger die Unterschiede zwischen den Rassen und Familien, zwischen all den unterschiedlichen Objekten der Welt. Er kann nicht länger aufgrund äußerlicher Unterschiede lieben oder hassen. Er kann nicht länger lieben oder hassen, weil eine Person zu einer anderen Rasse gehört. Er kann nicht länger lieben oder hassen aufgrund der Unterschiede zwischen den Menschen und den Dingen, die sie umgeben. Ihr erinnert euch an jenes befremdliche Wort Shri Krishnas, wenn er über den Weisen spricht, der keinen Unterschied zwischen einem Brahmanen und einem Hund macht. Er hat die Einheit erreicht, er sieht Brahma in allem. Oder, um es anders auszudrücken: er sieht Shri Krishna in allem, und das äußere Gewand des Herrn macht vor seinem gereinigten Blick keinen Unterschied; daher ist er absolut frei von allem, was wir als »Hass« oder »Widerwillen« bezeichnen müssten. Nichts stößt ihn zurück, nichts zieht ihn herab. Er ist Liebe und Mitgefühl zu allen Dingen, zu allen Wesen. Er breitet eine alles umfassende Sphäre der Liebe um sich aus. Alles, was in seine Nähe kommt, alle die sich ihm nähern, fühlen den Einfluss seines göttlichen Mitgefühls. Und daher kommt es, dass in den Tagen, als die Brahmanen wirklich das waren, was ihr Name bedeutet, vom Brahmanen gesagt wurde, er sei »der Freund aller Dinge, der Freund aller Kreaturen«. Das Herz, das eins war mit dem Göttlichen, war weit genug, alles einzuschließen, das aus dem Göttlichen hervorgegangen ist.

[iv – der erhabenste Schwan]

Wenn er so die Unterschiedenheit hinter sich gelassen hat, tritt er in das letzte Stadium der Schülerschaft ein, Paramahamsa [den erhabensten Schwan], wie Shri Shankaracharya ihn nennt, oder »Arhat« wie er im Buddhismus heißt.

Auch hier wieder empfindet man die schreckliche Entleerung heiliger Namen, die wohlfeile und sorglose Verwendung der Bezeichnungen für derart erhabene Zustände, die so oft als bloße Schmeichelei benutzt werden, für eine äußere Erscheinung, statt für eine lebendige Realität. Die wahre Bedeutung dieses Namens ist, dass ein Mensch die vierte große Initiation durchlebt hat, und auf der Stufe steht, die dem Jivanmukti vorausgeht [der Freiheit vom verderblichen Kreislauf von Geburt und Tod]; er kann sich in seinem Wachbewusstsein in die Turiya-Region erheben und in dieser leben. Er muss den Körper nicht verlassen, um sie zu genießen. Er muss den Körper nicht verlassen, um sein Bewusstsein in diese Region zu erheben. Sein Bewusstsein umfasst sie, hat sich in diese Region erweitert, so dass es zur gleichen Zeit auch in seinem niederen Gehirn anwesend sein kann. Und dies ist eines der Zeichen, dass dieser Zustand erreicht ist. Es ist kein physisches Unbewusstes mehr erforderlich, damit dieser hohe Zustand erreicht werden kann; denn sein Bewusstsein hat sich in diese Region erweitert, und während er in der Welt der Menschen spricht und lebt, ist ihm das umfassende Wissen zugänglich und seiner bewussten Erfahrung jederzeit erreichbar. Auf dieser Stufe wirft er die letzten fünf »Fesseln« ab, auf dass er zum Jivanmukta wird [jemandem, der sich das Bewusstsein des höheren Selbstes sicher angeeignet hat und befreit ist, während er in einem menschlichen Körper lebt, der sich nicht mehr reinkarnieren muss].

Die erste dieser Fesseln ist »Ruparaga«, die Sehnsucht nach dem »Leben in den Formen« – kein Wunsch nach einem solchen Leben vermag ihn zu locken.

Dann wirft er »Aruparaga« ab, den Wunsch nach dem »Leben ohne Formen« – kein solcher Wunsch hat mehr die Kraft, ihn zu binden.

Darauf wirft er »Mana« ab, und erneut müssen wir ein Wort verwenden, das kaum geeignet ist, die eigentliche Bedeutung zum Ausdruck zu bringen, die subtile Form des »Stolzes«, die er ablegt; keinen Augenblick denkt er an die Größe der eigenen Errungenschaft, an die erhabene Höhe, auf der er steht, denn er kennt weder Höhe noch Tiefe, weder die erhabene Höhe, noch die abgründigen Tiefen. Er sieht und fühlt alles als eins.

Als nächstes wirft er die Möglichkeit ab, durch irgend etwas aus seinem Zustand der Ruhe gebracht zu werden. Was auch immer geschieht, nichts wird ihn erschüttern. Die Sphären mögen zusammenstoßen, er bleibt unbewegt. Nichts, was in der sichtbaren Welt geschehen kann, vermag die erhabene Heiterkeit des Menschen zu erschüttern, der sich so zur Realisation des Selbstes, das alles ist, erhoben hat. Was rührt ihn eine Katastrophe – es ist nur die Form, die zerstört wird. Was rührt ihn der Untergang einer Welt – es ist nur die Erscheinung, die sich wandelt. Das Ewige, Todlose, das Alte und Bleibende, in ihm lebt er, und es gibt nichts, das seine Ruhe stören könnte, es gibt nichts, das die Vollkommenheit seines Friedens beeinträchtigen könnte.

Und dann fällt von seinen Gliedern die letzte aller Fesseln ab – »Avidya« [Nichtwissen] – das, was die Illusion erzeugt; der letzte dünne Film, der ihn von der vollkommenen Erkenntnis und der vollkommenen Freiheit trennt.

Er muss nicht mehr geboren werden, aber er kann sich zu einer weiteren Geburt entschließen; kein Verlangen vermag ihn zur Erde zurückzubringen, aber er kann sich aus eigenem Entschluss wieder inkarnieren. Er trägt das Wissen aller planetarischen Sphären in sich. Er erkennt alles, was diese Manifestation ihn lehren kann; keine einzige Lektion blieb ungelernt, kein einziges Geheimnis verborgen, kein Winkel, den sein Auge nicht erreicht, keine einzige Möglichkeit, die er nicht ausschöpfen könnte.

Am Ende dieser Stufe sind alle Lektionen gelernt. Alle Fähigkeiten angeeignet. Er ist allwissend, allmächtig, innerhalb dieser Planetenkette. Er hat die Evolution der Menschheit durchlaufen; er hat den letzten Schritt gemacht, den die Menschheit machen wird, wenn das große Manvantara zu Ende geht und die Arbeit des Universums abgeschlossen ist. Nichts ist ihm verschleiert, nichts, das er nicht in sich fände, sein Bewusstsein hat alles in sich aufgenommen.

Er kann, wenn er will, ins Nirwana eintreten; und dort, dort ist Einheit, dort, dort ist Allbewusstsein, dort, dort ist die Fülle des Lebens.

Er hat das Ziel der Menschheit erreicht; nur ein letztes Tor steht vor ihm, und es öffnet sich beim Klang seiner Schritte. Tritt er durch dieses Tor, wird er nach dem Hindusprachgebrauch zum Jivanmukta, zum Asekha-Adepten, oder nach dem buddhistischen Sprachgebrauch zu dem, der nichts mehr lernen kann. Alle ist erkannt, alles vollbracht.

[Zwei unterschiedliche Pfade – der Pfad der Großen Entsagung]

Vor ihm liegen zwei unterschiedliche Pfade, beide kann er wählen; vor ihm liegen unbegrenzte Möglichkeiten, von denen er jede mit seiner Hand ergreifen kann. Jenseits der Grenzen unserer Planetenkette, jenseits der Grenzen unseres Kosmos, in Regionen weit jenseits unserer dunkelsten Ahnungen liegen die Pfade offen da, die der Jivanmukta zu wandeln vermag.

Einer dieser Pfade, der schwierigste, der härteste von allen, aber auch der schnellste, ist der Pfad der Großen Entsagung.

Wenn er diesen wählt, die Welt der Menschen frei überblickend, dann versagt sich der Jivanmukta, diese Welt zu verlassen, er sagt, er will in dieser Welt bleiben und sich wieder mit einem Körper bekleiden, immer und immer wieder, um die Menschen zu lehren und ihnen zu helfen. Einmal mehr spricht Shri Shankaracharya von »denen, die warten und walten«, bis das Werk vollendet ist. Ihre eigene Aufgabe ist vollbracht, aber sie haben sich mit der Menschheit identifiziert, und bevor die Evolution der Menschheit vollendet ist, werden sie die ringenden Menschen nicht verlassen.

Sie sind frei, verbleiben aber in einer freiwilligen Fesselung; sie sind befreit, aber in einer Befreiung, die nicht vollendet ist, bevor nicht andere ebenso befreit sind. Sie sind die großen Meister des Mitgefühls, die in Reichweite der Menschen leben, damit die Menschheit kein Waisenkind ohne Vater ist, damit die Schüler nicht einen Lehrer suchen und keinen finden können. Sie sind jene, denen gegenüber manche von uns eine solch grenzenlose Dankbarkeit empfinden, weil sie in der Erdensphäre verbleiben, obwohl sie in einem nirwanischen Bewusstsein jenseits ihrer leben, damit eine Verbindung zwischen den höheren Welten und den Menschen bestehen bleibt, die immer noch nicht befreit sind, für die der Körper noch immer ein Gefängnis ist, in denen das Leben noch nicht die Freiheit erlangt hat.

Alle sind glorreich, die diese erhabene Ebene erreicht haben, alle sind göttlich, dort stehen, wo sie stehen. Aber vielleicht darf man ohne Respektlosigkeit sagen, dass diejenigen dem Herzen der Menschheit am teuersten sind, dass jene ihr aufgrund leidenschaftlicher Dankbarkeit am nächsten stehen, welche die Freiheit hatten, zu gehen, aber bei uns geblieben sind, die uns als Waisen hätten zurücklassen können, aber als Väter unter uns geblieben sind.

So sind auch die großen Gurus, zu deren Füßen wir uns niederbeugen; so die großen Meister, die hinter der Theosophischen Gesellschaft stehen. Sie sandten ihre Botschafterin, H.P. Blavatsky, um der Welt jene Botschaft zu verkünden, die sie schon nahezu vergessen hatte, um erneut auf jenen schmalen und uralten Pfad hinzuweisen, auf dem schon einige entlang gehen, auf dem auch ihr entlang gehen möget.

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