Buddha, Hegel und die globale Finanzkrise

Zuletzt aktualisiert am 11. Dezember 2015.

Verblendung erzeugt Gier und Gier erzeugt Hass. Das ist die Weltformel Buddhas, der die endgültige Erlösung des Menschen vom Kreislauf der Wiedergeburten lehrte.

Die Verblendung besteht darin, dass der Geist die Urwahrheit nicht durchschaut, dass Leben Leiden ist. Mangelnde Einsicht führt zur Verblendung, zur Illusion, das Leben währe ewig, Schmerz sei vermeidbar, die Jugend kein Vorbote von Krankheit und Alter. All diese Illusionen erzeugen Gier: Gier nach dem Leben, Gier nach Genuss, nach Lust, nach Reichtum und Besitz, nach Macht und so weiter. Aus der unbefriedigten Begierde entspringt Hass: Hass auf die anderen, die besser wegkommen, Hass auf die, die einem die Befriedigung der Begierde nicht gewähren. Und Hass erzeugt Gewalt und Leid. Ein unerbittlicher Kreislauf, der Schuld und schlechtes Karma bewirkt und zur Wiedergeburt zwingt, um die Schuld auszugleichen, die man aus fehlender Einsicht auf sich geladen hat.

Die Erleuchtung stellt sich ein, wenn der Geist die Nichtigkeit dieses ganzen Theaters durchschaut, als ein Erzeugnis des Leibes und der Sinne, die aber letztlich auch Phantasmen im großen Illusionstheater sind. Wer es am Ende erzeugt, ist schleierhaft, denn auch das Ich und der Geist sind Illusionen, die einem Mangel an Erleuchtung entspringen. Es ist auch bedeutungslos, denn die erlösende Erkenntnis erlöst auch von den Scheinfragen der Philosophie und Metaphysik. Begriffe und Denkformen sind ebenso Illusionen, wie die Sinnesgegenstände, auf die sie sich beziehen. Erst die Vernichtung der letzten Illusion öffnet das Tor zum Nirvana, dem endgültigen Erlöschen.

Erst im Mahayanabuddhismus tauchen die Gestalten der Boddhisattvas auf, die auf das endgültige Vergehen verzichten, um alle Wesen, die in diese Welt des Leidens verstrickt sind, zur erlösenden Erkenntnis zu führen. Erst wenn das letzte Wesen seine Erleuchtung erlangt hat, betritt auch der Boddhisattva das Nirvana. Zu bestimmten Zeiten kommen Boddhisattvas auf die Erde, um die Menschheit den Pfad der Erlösung zu lehren und den anderen Geschöpfen mit ihrem großen Beispiel voranzugehen.

Ganz anders Hegel, der als Angehöriger der europäischen Geschichte durch die ganze Entwicklung des Christentums hindurchgegangen war. Für ihn ist der Weg zur Erlösung die Zurückhaltung der Begierde durch Arbeit an der Welt: Handarbeit und Erkenntnisarbeit, und diese Arbeit bildet den Geist, bis er zum absoluten Selbstbewusstsein in der philosophischen Weisheit gelangt, in der er seine Identität in der Differenz mit dem Weltgeist erkennt. Hegel lehrt die Arbeit des inkarnierten Geistes an der Erde, die darauf abzielt, diese zu vergeistigen, sie in die Form des Begriffs, in das Leben des absoluten Geistes zurückzuführen, aus dem sie durch Entäusserung herausgetreten ist.

Ebendiese Gedankenbewegung liegt auch der Anthroposophie zugrunde. In seinen philosophischen Schriften spricht Steiner davon, der Weltengrund habe sich in die Welt ausgegossen, die verschiedenen Naturreiche seien unterschiedliche Erscheinungsformen dieses Weltengrundes, der im Menschen in ideeller und individueller Form zur Erscheinung komme. Dem Menschen wächst die Aufgabe zu, im Erkennen und Handeln, im schöpferischen Tun den Weltprozess zu vollenden und die ichfreien Erscheinungsformen des Weltengrundes in das Welten-Ich, den Christus, zurückzuführen.

Die gegenwärtigen Finanzkrisen sind eine Folge der mangelnden Einsicht, auf die Buddha gedrungen hat: wüssten die Menschen, dass sie nach illusionären Gütern begehren, könnten sie sich von ihrer Begierde befreien. Auch Christus wies auf den vergänglichen Charakter dieser Welt hin, wenn er sagte: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« und »Nicht Schätze auf der Erde , sondern Schätze im Himmel sollt ihr sammeln.« Indem er zugleich dazu aufforderte, den Nächsten wie sich selbst zu lieben, wies er auf die Notwendigkeit hin, nicht nur die eigene Befreiung von der Begierde, sondern die Befreiung aller Wesen anzustreben. Christus hat das Boddhisattva-Motiv in sich aufgenommen und es mit der altpersischen Verpflichtung zur Arbeit an der Erde verbunden. Vergeistigung der Erde im Sinne des Christentums heißt: die Erde mit den Augen eines Engels zu sehen. Die Mitgeschöpfe erscheinen im Lichte der Engelsweisheit in einer anderen Form, das Licht des Geistes gibt ihnen ihren primordialen Glanz, die paradiesische Daseinsform zurück.

Auch Hegels Arbeit an der Erde zielt nicht auf Anhäufung von Besitz und irdischen Gütern ab, sondern auf die Selbsterkenntnis das absoluten Geistes, der in allen seinen nicht selbstbewussten Erscheinungsformen zur Selbsterkenntnis hindrängt. Rückkehr in den Ursprung ist in der einen oder anderen Form die gemeinsame Devise des östlichen und des westlichen Geistes. Abgesehen vom Hinayanabuddhismus, dessen ursprüngliche Gestalt jedoch zweifelhaft ist, lehren die großen Weisheitsoffenbarungen den Dreischritt von Urgrund, Individualisierung und Rückkehr in den Urgrund durch Universalisierung. Das Streben nach Erlösung der anderen und die Nächstenliebe widersprechen der Begierde nach Reichtum als Selbstzweck. Geld als Ausdruck der Begierde ist Träger globaler Illusionen, die zum Untergang bestimmt sind. An ihre Stelle wird die Einsicht treten, dass Arbeit nicht durch das zu erwartende Verdienst bedingt ist, sondern durch die Natur des Menschen, die danach verlangt, die natürliche Welt zu vergeistigen.

Ein Kommentar

  1. Siehe auch Goethe Gedicht: Vermächtnis altpersischen Glaubens. Siehe auch meinen Aufsatz über Bildungswesen und Arbeitwelt, auf ewig geteilt? in Fragen der Freiheit Heft 282. Im Übrigen ist dem oben gesagte vorbehaltlos zuzustimmen. Christus ist der Erdgeist, er ist nicht im Jenseits verschwunden. Er ist bei und alle Tage, da sollten wir wissen ud davon auch überzeugt sein.
    Gerhardus Lang

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