Esoterik des Islam – IV – Heilige Geschichte und Metageschichte

Zuletzt aktualisiert am 10. Dezember 2015.

Prophet Jonas

Vom Propheten Jonas erzählt die heilige Geschichte, er sei von einem Walfisch verschluckt worden. Verstehen kann diese Geschichte nur, wer sich auf die Realitätebene begibt, auf der sie ihren Sinn enthüllt.

Der Begriff der heiligen Geschichte wird hier für Vorstellungen verwendet, die mit der Idee des Zyklus der Prophetie und der Initiation zusammenhängen. Es handelt sich nicht um eine Geschichte, die auf äußeren Beobachtungen, auf der Chronik oder Kritik empirischer Tatsachen beruht, sondern um eine Geschichte, die ihren Inhalt aus einer Welt schöpft, die jenseits der materiellen Tatsachen liegt, einer übersinnlichen Welt, die den unterschiedlichen Wahrnehmungsformen zugänglich ist, von denen die Gnoseologie spricht. Zwischen der heiligen Erkenntnis und der heiligen Geschichte gibt es natürlich einen Zusammenhang. Die auf diesem Wege wahrgenommenen Gegenstände haben die Realität von Ereignissen, aber nicht von weltlichen Ereignissen oder physischen Personen, die in der Regel unsere Geschichtsbücher bevölkern, weil man aus ihnen die Geschichte »konstruiert«. Es handelt sich um spirituelle Tatsachen im strengen Sinn des Wortes. Sie ereignen sich in der Metageschichte (z.B. der Tag des Bundes zwischen Gott und der Menschheit), aber sie »leuchten« auch in den Gang der Ereignisse dieser Welt herein, in der sie das Unsichtbare an den Ereignissen darstellen, die unsichtbaren Ereignisse, die sich der profanen empirischen Beobachtung entziehen, weil sie jene »theophane Wahrnehmung« voraussetzen, die allein eine theophane Form zu erfassen vermag. Die Propheten und die Imāme werden als solche auf der Ebene einer heiligen Geschichte wahrgenommen. Der gesamte Zyklus dieser heiligen Geschichte verläuft nicht in Gestalt einer Evolution, sondern führt vielmehr zu den Ursprüngen zurück. Die heilige Geschichte wendet sich daher zuerst dem »Abstieg« zu, um anschließend den »Aufstieg«, die Vollendung des Zyklus, zu beschreiben.

Wie Mollā Sadrā erläutert, der sich hier auf die Lehre der Imāme stützt, sind die spirituellen Wahrheiten und Realitäten des Koran zuerst in das Herz des Propheten abgestiegen, bevor dieser in der sichtbaren Form eines Textes aus Worten und Buchstaben Gestalt annahm. Diese geistigen Realitäten stellen das »Licht des Wortes« dar, das bereits da war, bevor sich der Engel sichtbar offenbarte und den Text des Buches »diktierte«. Die geistige Wahrheit existierte bereits, und diese Wahrheit war die initiatorische Vollmacht des Propheten (walāyat), die in seiner Person der prophetischen Mission vorangeht, da diese jene voraussetzt. Daher kann der Prophet erklären: »Alī (die Esoterik) und ich sind ein und dasselbe Licht«. Da nun die Prophetie mit Adam auf der Erde begonnen hat, ist es angebracht, den Unterschied zwischen der göttlichen Offenbarung, die dem letzten Propheten zuteil wurde, und jener zu präzisieren, die den früheren zuteil wurde. Über jeden dieser früheren Propheten kann man sagen: ein Nabī ist gekommen und mit ihm kam ein Licht, das aus seinem Buch hervorging. Über den letzten Gesandten kann man sagen: ein Nabī ist gekommen, der durch sich selbst ein Licht war, und er trug ein Buch bei sich. In seinem Fall ist es sein Herz, sein Geheimnis, welches das Buch erleuchtet, und diese Esoterik ist die Initiation (walāyat), d.h. das, was die Essenz der Imāmologie begründet. Daher kann man über die wahren Gläubigen im Unterschied zu den übrigen sagen, dass »Gott ihnen den Glauben ins Herz geschrieben hat« (58:22), weil der Glaube seine Vollendung in dieser Esoterik findet. Die vollständige Wahrnehmung der prophetischen Realität setzt einen Zugang zu dieser inneren Welt und den Ereignissen voraus, die sich in ihr abspielen, und dabei handelt es sich um etwas vollkommen anderes, als das, was die äußere Geschichte in Gestalt der empirischen Tatsachen erfasst.

Was weiter oben über die Beziehung des Propheten zur ewigen mohammedanischen Wesenheit, zum himmlischen Anthropos, gesagt wurde, dessen theophane Erscheinungsform er ist, schließt ein, dass es sich nicht um einen Eintritt in die Geschichte, um eine Historisierung des Göttlichen handeln kann, wie die christliche Idee der Inkarnation sie voraussetzt. Die Epiphanie beruht auf der Unterscheidung zwischen den Attributen der ewigen Realität, deren Manifestation allein im Herzen aufleuchtet, und der äußeren Erscheinungsform, die für jedermann sichtbar ist, ob er nun glaubt oder nicht. Gewiss, insofern der Prophet die Epiphanie des geistigen und sinnlichen Universums ist, stellt er den »Zusammenfluss zweier Meere« dar. Wenn er daher »aus der Sicht« des Meeres seiner Menschlichkeit spricht, kann er nur sagen: »Ich bin ein Mensch wie ihr auch, aber mir wurde die Offenbarung zuteil« (18:110). Daher haben wir bereits angedeutet, dass die schīitischen Denker, wenn sie vor Probleme gestellt werden, die jenen der Christologie analog sind, von der Idee der Epiphanie (als eines Spiegels, in dem sich das Bild zeigt, ohne sich zu inkarnieren) stets zu Lösungen geführt werden, die sich vom christlichen Dogma unterscheiden. Nun, an diese übersinnliche Realität, die durch die epiphane Form »hindurchscheint«, ist hier die Idee der Zyklen gebunden, und da es einen Zyklus gibt, gibt es auch zwei Grenzen, auf die jedes Ereignis der spirituellen Geschichte verweist. Dese beiden Grenzen sind der Rahmen der Metageschichte: es ist diese Metageschichte, die der Geschichte erst ihren Sinn verlieht, weil sie aus ihr eine heilige Geschichte macht; ohne Metageschichte, d.h. ohne Vorgeschichte »im Himmel« und ohne Eschatologie ist es absurd, von einem »Sinn der Geschichte« zu sprechen.

Aufgrund der Ausrichtung auf die Wahrnehmung theophaner Formen unterscheidet sich das Gefühl des Anfangs und des Endes grundlegend von jenem historischen Bewusstsein, dessen Entstehung mit der Entstehung des Christentums, mit der Inkarnation Gottes in einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte, zusammenfällt. Die Probleme, vor die diese Vorstellung die Religionsphilosophie des Christentums im Verlauf der Jahrhunderte gestellt hat, gibt es für das islamische Denken nicht. Daher ist die prophetische Philosophie des schīitischen Islam ein Zeuge, den unsere Philosophie anhören muss, wenn sie über sich selbst reflektieren will.

Es wurde bereits gesagt, dass das Bewusstsein des Christen auf gewisse geschichtliche Tatsachen gerichtet ist (Inkarnation, Erlösung), während das Bewusstsein des gläubigen Moslem, das er von seinem Ursprung und seiner Zukunft hat, und von dem der Sinn seines gegenwärtigen Lebens abhängt, ebenfalls auf reale Tatsachen gerichtet ist, die jedoch der Metageschichte angehören. Den Sinn seines Ursprungs nimmt er in der Frage wahr, die Gott am Tag des Bundes an die adamitische Menschheit richtet, der in der Zeit der Präexistenz der Seelen liegt, die überall im Schīismus vorausgesetzt wird. Die andere Grenze ist für den Schiiten, ob er nun ein Denker oder ein einfacher Gläubiger ist, die Parusie des gegenwärtig verborgenen Imām (des Imām-Mahdi, dessen Auffassung im Schīismus sich grundlegend von jener im restlichen Islam unterscheidet). Die Gegenwart, die Zeit des verborgenen Imām, ist die Zeit der »großen Verborgenheit«; dadurch ist »seine Zeit« durch ein anderes Zeichen bestimmt, als unsere Geschichte. Allein eine prophetische Philosophie vermag von ihr zu reden, weil sie ihrem Wesen nach eschatologisch ist. Zwischen diesen beiden Grenzen, dem »Prolog im Himmel« und der Auflösung, die sich »in einer anderen Zeit« durch die Parusie des erwarteten Imām ergibt, spielt sich das Drama der menschlichen Existenz ab, das von jedem Gläubigen durchlebt wird. Das »Voranschreiten der Zeit« der Verborgenheit auf das Ziel der Parusie ist der Zyklus der Initiation, der auf den Zyklus der Prophetie folgt.

Alle Muslime stimmen darin überein, dass der Prophet des Islam das Siegel der Prophetie war; nach ihm wird es keine Propheten mehr geben; genauer gesagt, es wird keinen Gesandten mehr geben, dessen Auftrag die Verkündigung einer Scharī’a, eines göttlichen Gesetzes für die Menschen ist. Daraus entsteht folgendes Dilemma: Entweder das religiöse Bewusstsein konzentriert sich von Generation zu Generation auf diese prophetische Vergangenheit, die abgeschlossen ist, und zwar deswegen, weil man einhellig im Buch einen Kodex des moralischen und sozialen Lebens sieht, und weil die »Zeit der Prophetie« sich auf seinen vollkommen exoterischen, buchstäblichen Sinn beschränkt. Oder aber, diese prophetische Vergangenheit liegt in der Zukunft, weil der Text des Buches einen verborgenen, spirituellen Sinn enthält, der seinerseits eine spirituelle Initiation voraussetzt, die der Auftrag der Imāme ist. Auf den Zyklus der Prophetie folgt jener der Initiation; die Vorstellung dieser Sukzession ist spezifisch schīitisch. Viele Aussagen des fünften und sechsten Imām beziehen sich auf die esoterische Auslegung und umgehen so, avant la lettre, die Gefahr des Historizismus ebenso wie jene der Gesetzesreligion. Zum Beispiel diese: »Wenn jene, für die dieser oder jener Vers offenbart wurde, tot sind, ist dann dieser Vers ebenfalls tot? Wenn ja, dann bleibt heute nichts mehr vom Koran übrig. Nein, der Koran ist lebendig. Er wird weiter auf seiner Bahn voranschreiten, solange Himmel und Erde dauern, weil er ein Zeichen und eine Anleitung für jeden Menschen, für jede Gemeinschaft in sich birgt, die da kommen werden.«

Mollā Sadrā hat alles zusammengefasst, was es über diese Frage zu sagen gibt. Abgeschlossen ist allein die gesetzgebende Prophetie und daher kann das Wort nabī (gesetzgebender Prophet) nicht mehr verwendet werden. Wenn man sagt, die Prophetie sei zeitlich begrenzt, während die Initiation ewig ist, dann meint man eben jene gesetzgebende Prophetie. Denn wenn man die Bedingungen, die allein für den Gesandten gelten, beiseite lässt, und nur jene in Betracht zieht, die für alle nabī gelten, wie sie die Gnoseologie dargestellt hat, dann sind diese Bedingungen den Imāmen und den Gottesfreunden im weiteren Sinn gemeinsam. Daher setzt sich die Prophetie als esoterische Prophetie unter dem Namen des walāyats im Islam fort, und auf diese kann die Menschheit nicht verzichten, wenn sie nicht untergehen will. Man muss nicht eigens erwähnen, dass diese Behauptung aus der Sicht der sunnitischen Orthodoxie revolutionär erscheint.

Auf der Grundlage dieser Intuition hat die schīitische Prophetologie die Umrisse einer grandiosen heiligen Geschichte entworfen, in der man die Vorahnung einer »allgemeinen Theologie der Geschichte der Religionen« zu erkennen vermag. Haydar Amoli hat sie durch komplexe, detaillierte Diagramme illustriert. Von Anfang an gibt es in der Prophetologie der Zwölfer-Schīa und jener des Ismaīlismus eine gemeinsame Idee (die Idee der ewigen Prophetie, d.h. der Initiation). Die absolute, essentielle und erstursprüngliche Prophetie gehört zum höchsten Geist (dem himmlischen Menschen, der ersten Intelligenz, der ewigen mohammedanischen Wesenheit), die Gott zunächst zur universellen Seele sendet, danach zu den individuellen Seelen, um ihnen die göttlichen Namen und Attribute zu offenbaren. Dieses Thema erscheint bei den Denkern des Islam wie eine Variation des Amtes des »wahren Propheten«, das in der jüdisch-christlichen Prophetologie, bei den Ebioniten »von einem Propheten auf den anderen übergeht, bis es am Ort der Ruhe angelangt.« Hier ist der »Ort der Ruhe« der letzte Prophet, der Prophet des Islam.

Man stellt sich die Gesamtheit dieser Propheten wie einen Kreis vor, dessen Umriss durch eine Reihe von Punkten gebildet wird, von denen jeder einen Propheten, einen Teilaspekt der Prophetie, darstellt. Den Ausgangspunkt des Zyklus der Prophetie auf der Erde stellt der irdische Adam dar. Von Nabī zu Nabī (die Tradition nennt 124.000), von Gesandtem zu Gesandtem (man zählt 313), von großem Propheten zu großem Propheten (sechs oder sieben) schreitet der Zyklus bis zu Jesus, dem letzten großen partikulären Propheten voran. Mit der Ankunft Mohammeds ist der Kreis vollendet und geschlossen. Als Siegel, das alle vorausgehenden Propheten in sich zusammenfasst, ist Mohammed die Epiphanie der ewigen prophetischen Wesenheit, des höchsten Geistes, des himmlischen Menschen. Der höchste Geist manifestiert sich in ihm durch die Essenz der Prophetie. Deswegen konnte er sagen: »Ich bin der erste Prophet hinsichtlich der Schöpfung (der höchste Geist existiert vor dem Universum) und der letzte hinsichtlich der Sendung und der Manifestation.« Jeder Prophet, von Adam bis Jesus, stellte eine partielle Epiphanie dar, eine teilweise Verwirklichung jener ewigen prophetischen Wesenheit. Die Ursprungsquelle, aus der die Prophetie jedes einzelnen Propheten hervorgeht, ist das subtile Organ des Herzens, das von der heiligen Ehe des Geistes und der Seele befruchtet wird, und das in jedem der Ort des »Abstiegs« des Geistes ist (der tiefere Sinn des Engels als Herz). Das Herz wendet ein Antlitz dem Geist zu, und in diesem manifestieren sich seine Visionen, ein Antlitz der Seele, in dem seine Erkenntnisse Gestalt annehmen. »Das Herz ist der Thron des Geistes in der Welt des Geheimnisses«.

Da nun die Initiation die Esoterik oder das Innere der Prophetie ist, und als solche das Wesen des Imāmats ausmacht, darf die heilige Geschichte nicht nur die Prophetologie enthalten, sondern muss auch die Imāmologie einschließen. Der Abschluss des Zyklus der Prophetie fiel mit dem Anfang des Zyklus der Initiation zusammen. Haydar Amoli, der den Zusammenhang zwischen Initiation und Prophetie illustriert, stellt die Initiation durch einen Kreis dar, der vom Kreis der Prophetie eingeschlossen wird. Der Zyklus der Initiation repräsentiert in der Tat den Zyklus der Verinnerlichung, das mohammedanische Imāmat ist die Esoterik aller vorangegangenen prophetischen Religionen. Aus diesem Grund bereitet der Zyklus der Initiation auch nicht die Ankunft einer neuen Scharī’a vor, sondern die Ankunft des Qā’im, des Imāms der Auferstehung.

Nun wissen wir, dass das, was im Islam als Initiation (walāyat) bezeichnet wird, im Verlauf der vorangegangenen Epochen der Prophetie schlicht und einfach als Prophetie (nobbowat, ohne gesetzgeberischen Auftrag) bezeichnet wurde. Ebenso wie Mohammed seine zwölf Imāme zur Seite standen, ebenso waren die sechs (oder sieben) gesetzgeberischen Propheten vor ihm (Adam, Noah, Abraham, Moses, David, Jesus) von ihren zwölf Imāmen oder spirituellen Erben umgeben. Die zwölf Imāme Christi waren nicht mit den zwölf Aposteln identisch; vielmehr waren es jene zwölf, die die Aufgabe übernahmen, die prophetische Botschaft bis zur Ankunft des letzten Propheten weiterzutragen. Ebenso, wie Mohammed als Siegel der Prophetie die Epiphanie der absoluten Prophetie war, ebenso war sein erster Imām, sein Erbe (wasī), die Epiphanie und das Siegel der absoluten Initiation. Die Manifestationen der partiellen Initiation haben mit Seth, dem Sohn und Imām Adams begonnen, und werden im zwölften Imām, dem Mahdi, dem gegenwärtig verborgenen Imām, als dem Siegel der partikulären Initiation in der abschließenden Epoche der Prophetie zu ihrem Ende kommen. Jeder einzelne Gottesfreund steht zum Siegel der Initiation in derselben Beziehung, wie der einzelne Prophet zum Siegel der Prophetie. Man sieht daran, dass die Kette der Prophetie von der Kette ihrer spirituellen Exegese untrennbar ist, durch die letztere vollzieht sich der »Wiederaufstieg« der Prophetie zu ihrem Ursprung.

Die gesamte heilige Geschichte stellt einen in sich vollendeten Zusammenhang dar, in dem das mohammedanische Imāmat durch die Personen, die auf Erden das Pleroma der Zwölf repräsentieren, die Vollendung der prophetischen Religionen bildet, die sie zu ihrer inneren Bedeutung zurückführt. Als Esoterik des Islam umfasst der Schīismus alle Esoteriken. Die Pforte der gesetzgebenden Prophetie ist geschlossen; die Pforte der Initiation bleibt bis zum Tage der Auferstehung geöffnet.

Diese Gedanken sind tief verwurzelt. Selbst wenn sie ihrer Wurzeln beraubt werden, vermag man sie noch zu erkennen. Das zeigt sich bei der Adoption der mystischen Theosophie Ibn Arabis durch die schīitischen Theosophen, die in jener ihre eigenen Überlieferungen wiedererkannten, aber sich an einer zentralen Auffassung stießen, gegen die sie trotz aller Sympathien polemisieren mussten. Ibn Arabi übertrug nämlich die Rolle des Siegels der absoluten und allgemeinen Initiation vom Imām auf Jesus, während er möglicherweise sich selbst als Siegel der mohammedanischen Initiation betrachtete. Hier ist nicht der Ort, dieses Problem zu vertiefen, aber man kann erkennen, dass diese Vorstellung den dargestellten Zusammenhang sprengt, da der Zyklus der Initiation die Vollendung des Zyklus der Prophetie voraussetzt. Die schīitischen Kommentatoren vermochten sich die Gründe für Ibn Arabis These nicht zu erklären. Sie lenkt die Aufmerksamkeit jedenfalls auf die Tatsache, dass die Imāmologie und eine bestimmte Form der Christologie eine gleichsinnige Funktion haben. Aber der Sinn der eschatologischen Erwartung als Ethos des schīitischen Bewusstseins setzt voraus, dass allein das mohammedanische Imāmat das Siegel der Initiation sein kann, das im ersten und im zwölften Imām Gestalt annimmt, weil dieses Imāmat die Manifestation der Esoterik der ewigen prophetischen Wesenheit ist.

Dieser Text stellt eine Fortsetzung der erstmaligen deutschen Übersetzung aus Corbins »Geschichte der islamischen Philosophie« (1964) dar. Vorheriger Beitrag: Esoterik des Islam III – Gnoselogie

Kommentare sind geschlossen.

Kommentare sind geschlossen