Zuletzt aktualisiert am 21. Juli 2024.
Arthur Versluis über die verborgenen Dimensionen des Christentums
In seinem Buch »Theosophie, die verborgenen Dimensionen des Christentums«, das im Jahr 1994 bei Lindisfarne Press erschien, betont Arthur Versluis, es sei an der Zeit, die Theosophie von den falschen Kontexten zu befreien, in die sie durch H.P. Blavatsky und ihre Mitstreiter gebracht worden sei. »Theosophie« und »Gnosis«, so Versluis, verweisen auf »authentische spirituelle Lehren des Christentums, des Islams und des Judentums«.
Sein Buch ist ein Buch über christliche Gnosis. In einer Zeit, in der das einst christliche Abendland sich in gravierenden ökologischen, sozialen, kulturellen und religiösen Krisen befinde, sei es angebracht, sich auf die christlichen Traditionen zu besinnen, zu denen die Gnosis, »die Erfahrungserkenntnis des Göttlichen« gehöre. Gnosis ist nichts anderes als »Geisterkenntnis«. Eine solche gibt es nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam und Judentum. Heute scheint der siegreiche Materialismus das Erbe spiritueller Traditionen des Abendlandes verdrängt zu haben und viele Menschen suchen daher in nichteuropäischer Spiritualität ihr Heil. Das ist aber nach Versluis nicht nötig, denn das Christentum birgt in seiner zweitausendjährigen Geschichte ein Schatzhaus der Spiritualität. Es reicht von der valentinianischen Gnosis und den Wüstenvätern über Dante, Eckhart und Tauler bis zu den deutschen Theosophen des 17. und 18. Jahrhunderts. Schon René Guenon habe in seinem Buch »Die Krise der modernen Welt« darauf hingewiesen, dass der Westen die christliche Spiritualität erneuern müsse, um die endgültige Katastrophe zu vermeiden. Zwar scheine dies aussichtslos, aber Versluis hält die Lage doch nicht für hoffnungslos.
Durch die ganze Geschichte des Christentums habe es eine gnostische Strömung gegeben, die man auch als parakletisch bezeichnen könne, nach dem im Neuen Testament verheißenen Parakleten oder Tröster. Die Herabkunft des Heiligen Geist als des künftigen Interpreten der Mysterien des Logos wurde zu Beginn des Christentums angekündigt und diese Herabkunft wurde immer als eine Erleuchtung der Zeit durch die Ewigkeit, als Überwindung der Zeitordnung im Glanz des Christus verstanden. Mit der Offenbarung des Heiligen Geistes breche die Ewigkeit in die Zeit ein, sie sei der Grund, warum die christliche Mystik immer wieder in der Geschichte auftrete, diskontinuierlich, ohne Vorläufer oder historische Abhängigkeiten, denn das Zeitlose sei allezeit als innere Erfahrung zugänglich.
Die christlichen Theosophen hätten sich immer auf diese zeitlose Offenbarung berufen. Und so beziehe sich der Ausdruck Theosophie auf eine authentische gnostische Tradition des Christentums, die von Dionysios Areopagita über Clemens von Alexandria und Origenes zu Maximus dem Bekenner, Johannes Scotus Eriugena, Meister Eckhart, Johannes Tauler, Jacob Böhme, Gottfried Arnold, Franz von Baader und bis in die Gegenwart reiche. All diesen sei die Berufung auf eine authentische spirituelle Erfahrung und eine innere Wandlung oder Wiedergeburt gemeinsam. Dieser zeitlose oder gnostische Kern des Christentums allein ist laut Versluis imstande, die Zeit zu übersteigen. Der ahistorische Charakter der zugrundeliegenden Erfahrungen zeige sich auch daran, dass es keine lückenlose Kette der Überlieferung gebe, sondern dass die christliche Gnosis aus ihrer überzeitlichen Einheit zu unterschiedlichen Zeiten stets von neuem anfange.
Diese ahistorische oder parakletische Dimension des Christentums gehe letztlich auf das Neue Testament zurück. Christus selbst kündigte den Tröster an und die Gründungsakte der neuen Religion beginn mit der Ausgießung des Heiligen Geistes.
Immer wieder beriefen sich in der Geschichte die Theosophen auf dieses Urereignis, wenn sie beanspruchten, das Christentum zu seinem unverfälschten Wesen zurückzuführen. Denn nichts anderes sei Theosophie, als der Versuch, das Christentum in seiner ursprünglichen Form wieder herzustellen, das Ewige im Zeitlichen zu vergegenwärtigen. Den Theosophen sei ein anderer Blick auf die Geschichte eigen, durch den sie zu einer Hierohistorie, einer Heiligen Geschichte werde. Die Hierohistorie sei die Geschichte der Offenbarung oder spirituellen Erleuchtung, die immer möglich sei, auch in der Gegenwart. Pfingstliche Offenbarungen sind für die Theosophen das Wesen des Christentums – wer keine unmittelbare spirituelle Erfahrung erlange, bleibe nach Böhme in einem Zustand der Unwissenheit und bleibe von äußeren Quellen und Beglaubigungen abhängig.
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