Zuletzt aktualisiert am 16. August 2024.
Am 12. August 2024 hielt Viktor Orbán auf dem Sommercamp der Freien Universität Bálványos in der Nähe des Plattensees einen Vortrag über Epochenwandel und große Strategie.
Übersetzung: Lorenzo Ravagli
Guten Morgen Sommercamp und andere Gäste.
Die erste gute Nachricht ist, dass mein Besuch in diesem Jahr nicht von demselben Aufsehen begleitet wurde wie im letzten Jahr: In diesem Jahr haben wir – habe ich – keine diplomatische Demarche aus Bukarest erhalten; was ich erhalten habe, war eine Einladung zu einem Treffen mit dem Premierminister, das gestern stattgefunden hat. Als ich letztes Jahr die Gelegenheit hatte, mit dem rumänischen Ministerpräsidenten zusammenzutreffen, sagte ich nach dem Treffen, es sei »der Beginn einer schönen Freundschaft«; am Ende des Treffens in diesem Jahr konnte ich sagen »Wir machen Fortschritte«. Wenn wir uns die Zahlen ansehen, stellen wir neue Rekorde in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern auf. Rumänien ist heute der drittwichtigste Wirtschaftspartner Ungarns. Wir haben mit dem Ministerpräsidenten auch über einen Hochgeschwindigkeitszug – einen »TGV« – gesprochen, der Budapest mit Bukarest verbindet, sowie über die Mitgliedschaft Rumäniens im Schengen-Raum. Ich habe zugesagt, dieses Thema auf die Tagesordnung der Oktobertagung des Rates »Justiz und Inneres« – und gegebenenfalls der Dezembertagung des Rates – zu setzen und nach Möglichkeit voranzutreiben.
Brüsseler Newspeak
Meine Damen und Herren,
Wir haben keine Demarche aus Bukarest erhalten, aber – damit wir uns nicht langweilen – haben wir eine aus Brüssel erhalten: Sie haben die ungarischen Bemühungen der Friedensmission verurteilt. Ich habe versucht – ohne Erfolg – zu erklären, dass es so etwas wie eine christliche Pflicht gibt. Das heißt, wenn man etwas Schlechtes in der Welt sieht – vor allem etwas sehr Schlechtes – und man erhält ein Instrument, um es zu korrigieren, dann ist es eine christliche Pflicht, zu handeln, ohne übermäßiges Nachdenken oder Überlegen. Bei der ungarischen Friedensmission geht es um diese Pflicht. Ich möchte uns alle daran erinnern, dass die EU einen Gründungsvertrag hat, in dem genau diese Worte stehen: »Das Ziel der Union ist der Frieden«. Brüssel nimmt auch Anstoß daran, dass wir das, was sie tun, als eine Pro-Kriegs-Politik bezeichnen. Sie sagen, dass sie den Krieg im Interesse des Friedens unterstützen. Mitteleuropäer wie wir werden sofort an Wladimir Iljitsch Lenin erinnert, der lehrte, dass mit dem Aufkommen des Kommunismus der Staat sterben wird, aber dass der Staat sterben wird, während er zunächst immer stärker wird. Auch Brüssel schafft Frieden, indem es ständig den Krieg unterstützt. So wie wir Lenins These in unseren Universitätsvorlesungen über die Geschichte der Arbeiterbewegung nicht verstanden haben, verstehe ich die Brüsseller in den Sitzungen des Europäischen Rates nicht. Vielleicht hatte Orwell doch recht, als er schrieb, dass in »Newspeak« Frieden Krieg und Krieg Frieden ist. Trotz aller Kritik sollten wir uns daran erinnern, dass seit Beginn unserer Friedensmission die Kriegsminister der USA und Russlands miteinander gesprochen haben, die Außenminister der Schweiz und Russlands Gespräche geführt haben, Präsident Zelensky schließlich mit Präsident Trump telefoniert hat und der ukrainische Außenminister in Peking war. Die Gärung hat also begonnen, und wir bewegen uns langsam aber sicher von einer kriegsfreundlichen europäischen Politik hin zu einer friedensfreundlichen Politik. Das ist unvermeidlich, denn die Zeit ist auf der Seite der Friedenspolitik. Die Realität hat die Ukrainer eingeholt, und nun ist es an den Europäern, zur Vernunft zu kommen, bevor es zu spät ist: »Trump ante portas«. Wenn Europa bis dahin nicht zu einer Friedenspolitik übergeht, dann wird es dies nach Trumps Sieg tun müssen, indem es beschämt seine Niederlage eingesteht und die alleinige Verantwortung für seine Politik übernimmt.
Aber, meine Damen und Herren, das Thema des heutigen Vortrags ist nicht der Frieden. Bitte betrachten Sie das, was ich bisher gesagt habe, als eine Abschweifung. In der Tat gibt es für diejenigen, die über die Zukunft der Welt und der Ungarn in ihr nachdenken, drei große Themen, die heute auf dem Tisch liegen. Das erste ist der Krieg – oder genauer gesagt, eine unerwartete Nebenwirkung des Krieges. Das ist die Tatsache, dass der Krieg die Realität, in der wir leben, offenbart. Diese Realität war früher nicht sichtbar und konnte nicht beschrieben werden, aber sie ist durch das gleißende Licht der im Krieg abgefeuerten Raketen erhellt worden. Die zweite große Frage, die auf dem Tisch liegt, ist, was nach dem Krieg geschehen wird. Wird eine neue Welt entstehen, oder wird die alte weiterbestehen? Und wenn eine neue Welt kommt – und das ist unsere dritte große Frage – wie sollen sich die Ungarn auf diese neue Welt vorbereiten? Tatsache ist, dass ich über alle drei Themen sprechen muss, und zwar hier – vor allem, weil dies die großen Themen sind, die am besten in diesem Format der »freien Universität« diskutiert werden. Zum anderen brauchen wir einen gesamtungarischen Ansatz, da eine Betrachtung dieser Themen nur aus der Sicht eines »Klein-Ungarns« zu eng wäre; daher ist es gerechtfertigt, über diese Themen vor den Ungarn außerhalb unserer Grenzen zu sprechen.
Liebes Sommercamp,
das sind große Themen mit vielfältigen Zusammenhängen, und man kann natürlich nicht erwarten, dass auch das geschätzte Publikum alle wichtigen Grundinformationen kennt, so dass ich von Zeit zu Zeit abschweifen muss. Das ist eine schwierige Aufgabe: Wir haben drei Themen, einen Vormittag und einen unbarmherzigen Moderator. Ich habe mich für folgende Vorgehensweise entschieden: Ich werde ausführlich über die reale Machtlage in Europa sprechen, wie sie der Krieg offenbart hat, dann einige Einblicke in die neue Welt geben, die im Entstehen begriffen ist, und schließlich – eher in der Art einer Aufzählung, ohne Erklärung oder Argumentation – auf die damit verbundenen ungarischen Pläne hinweisen. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie auch das Thema für die Präsentation im nächsten Jahr vorgibt.
Das ist ein ehrgeiziges, ja sogar mutiges Unterfangen: Wir müssen uns fragen, ob wir es überhaupt schaffen können, und ob es nicht vielleicht unsere Möglichkeiten übersteigt. Ich halte es für ein realistisches Unterfangen, denn im letzten Jahr – oder in den letzten zwei oder drei Jahren – wurden in Ungarn und im Ausland einige hervorragende Studien und Bücher veröffentlicht, die von Übersetzern auch der ungarischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Andererseits müssen wir in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass wir die dienstälteste Regierung in Europa sind. Ich selbst bin der dienstälteste europäische Regierungschef – und ich sollte ruhig darauf hinweisen, dass ich auch der Regierungschef bin, der die längste Zeit in der Opposition verbracht hat. Ich habe also alles gesehen, worüber ich jetzt sprechen werde. Ich spreche über etwas, das ich erlebt habe und immer noch erlebe. Ob ich es verstanden habe, ist eine andere Frage; das werden wir am Ende dieser Präsentation herausfinden.
Die Lehren aus dem Krieg
Also, über die Realität, die der Krieg offenbart. Liebe Freunde, der Krieg ist unsere rote Pille. Denken Sie an die »Matrix«-Filme. Der Held wird vor die Wahl gestellt. Er hat zwei Pillen zur Auswahl: Wenn er die blaue Pille schluckt, kann er in der Welt des äußeren Scheins bleiben; wenn er die rote Pille schluckt, kann er in die Realität hineinschauen und hinabsteigen. Der Krieg ist unsere rote Pille: Er ist das, was uns gegeben wurde, er ist das, was wir schlucken müssen. Und nun, mit neuen Erfahrungen ausgestattet, müssen wir über die Realität sprechen. Es ist ein Klischee, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Es ist wichtig, hinzuzufügen, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik unter einem anderen Blickwinkel ist. Der Krieg bringt uns also in seiner Unerbittlichkeit zu einer neuen Sichtweise, zu einem hohen Aussichtspunkt. Und von dort aus gibt er uns eine völlig andere – bisher unbekannte – Perspektive.
Wir befinden uns in einer neuen Umgebung und in einem neuen, verfeinerten Kraftfeld. In dieser reinen Realität verlieren Ideologien ihre Macht; statistische Taschenspielertricks verlieren ihre Macht; mediale Verzerrungen und taktische Verstellungen der Politiker verlieren ihre Macht. Weit verbreitete Wahnvorstellungen – oder gar Verschwörungstheorien – sind nicht mehr relevant. Was bleibt, ist die nackte, brutale Realität. Es ist schade, dass unser Freund Gyula Tellér nicht mehr unter uns weilt, denn jetzt könnten wir einige überraschende Dinge von ihm hören. Da er aber nicht mehr bei uns ist, müssen Sie sich mit mir begnügen. Aber ich denke, an Schocks wird es nicht mangeln. Der Übersichtlichkeit halber habe ich alles, was wir gesehen haben, seit wir die rote Pille geschluckt haben, in Stichpunkten zusammengefasst: seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022.
1. Unversöhnlichkeit der Kontrahenten
Erstens hat der Krieg auf beiden Seiten brutale Verluste verursacht, die in die Hunderttausende gehen. Ich habe beide Kriegsparteien kürzlich getroffen und kann mit Sicherheit sagen, dass sie sich nicht versöhnen wollen. Warum ist das so?
Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste ist, dass jeder von ihnen glaubt, dass er gewinnen kann, und bis zum Sieg kämpfen will. Der zweite ist, dass beide von ihrer eigenen realen oder gefühlten Wahrheit angetrieben werden. Die Ukrainer glauben, dass es sich um eine russische Invasion, eine Verletzung des Völkerrechts und der territorialen Souveränität handelt, und dass sie in Wirklichkeit einen Selbstverteidigungskrieg für ihre Unabhängigkeit führen.
Die Russen sind der Meinung, dass es ernsthafte militärische Entwicklungen der NATO in der Ukraine gegeben hat, dass der Ukraine die NATO-Mitgliedschaft versprochen wurde, und sie wollen keine NATO-Truppen oder NATO-Waffen an der russisch-ukrainischen Grenze sehen. Sie sagen also, dass Russland das Recht auf Selbstverteidigung hat und dass dieser Krieg provoziert wurde. Jeder hat also eine vermeintliche oder tatsächliche Wahrheit und wird nicht aufgeben, den Krieg zu führen. Dies ist ein Weg, der direkt zur Eskalation führt; wenn es von diesen beiden Seiten abhängt, wird es keinen Frieden geben. Der Frieden kann nur von außen kommen.
2. USA und China
Zweitens: In den vergangenen Jahren hatten wir uns daran gewöhnt, dass die Vereinigten Staaten China zu ihrem Hauptherausforderer oder -gegner erklärten, doch jetzt sehen wir, wie sie einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen. Und China wird ständig beschuldigt, Russland verdeckt zu unterstützen. Wenn dies der Fall ist, dann müssen wir die Frage beantworten, warum es sinnvoll ist, zwei so große Länder in ein feindliches Lager zu vereinen. Auf diese Frage gibt es bisher keine sinnvolle Antwort.
3. Die Stärke der Ukraine
Drittens: Die Stärke der Ukraine, ihre Widerstandsfähigkeit, hat alle Erwartungen übertroffen. Immerhin haben seit 1991 elf Millionen Menschen das Land verlassen, es wurde von Oligarchen regiert, die Korruption stieg ins Unermessliche, und der Staat hatte im Grunde aufgehört zu funktionieren. Und doch erleben wir jetzt einen beispiellos erfolgreichen Widerstand von ihm. Trotz der hier beschriebenen Bedingungen ist die Ukraine tatsächlich ein starkes Land. Die Frage ist, woher diese Stärke kommt. Abgesehen von ihrer militärischen Vergangenheit und dem persönlichen Heldentum Einzelner gibt es hier etwas zu verstehen: Die Ukraine hat ein höheres Ziel gefunden, sie hat einen neuen Sinn für ihre Existenz entdeckt. Denn bisher hat sich die Ukraine als Pufferzone verstanden. Eine Pufferzone zu sein, ist psychologisch lähmend: Es entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit, ein Gefühl, dass man sein Schicksal nicht selbst in der Hand hat. Das ist die Folge einer solchen doppelt exponierten Position. Nun aber zeichnet sich die Aussicht ab, zum Westen zu gehören. Die neue, selbst gestellte Aufgabe der Ukraine ist es, die östliche militärische Grenzregion des Westens zu sein. Die Bedeutung und Wichtigkeit ihrer Existenz hat in ihren eigenen Augen und in den Augen der ganzen Welt zugenommen. Dies hat sie in einen Zustand der Aktivität und des Handelns versetzt, den wir Nicht-Ukrainer als aggressives Beharren ansehen – und es lässt sich nicht leugnen, dass es ziemlich aggressiv und beharrlich ist. Es ist in der Tat die Forderung der Ukrainer, dass ihr höheres Ziel international offiziell anerkannt werden soll. Das ist es, was ihnen die Kraft gibt, die sie zu einem beispiellosen Widerstand fähig macht.
4. Die Widerstandkraft Russlands
Viertens: Russland ist nicht das, was wir bisher gesehen haben, und Russland ist nicht das, was man uns bisher weismachen wollte. Die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Landes ist hervorragend. Ich erinnere mich, dass ich bei den Tagungen des Europäischen Rates – den Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten – dabei war, als die großen europäischen Staats- und Regierungschefs mit allerlei Gesten ziemlich großspurig behaupteten, die Sanktionen gegen Russland und der Ausschluss Russlands aus dem so genannten SWIFT-System, dem internationalen Finanzclearing-System, würden Russland in die Knie zwingen.
Sie würden die russische Wirtschaft in die Knie zwingen, und damit auch die russische politische Elite. Während ich beobachte, wie sich die Ereignisse entwickeln, fühle ich mich an die Weisheit von Mike Tyson erinnert, der einmal sagte: »Jeder hat einen Plan, bis er einen in die Fresse bekommt.« Denn die Realität ist, dass die Russen aus den Sanktionen, die nach der Invasion der Krim 2014 verhängt wurden, Lehren gezogen haben – und sie haben diese Lehren nicht nur gezogen, sondern auch in die Tat umgesetzt. Sie haben die notwendigen IT- und Bankverbesserungen vorgenommen. Das russische Finanzsystem ist also nicht kollabiert. Sie haben die Fähigkeit entwickelt, sich anzupassen, und nach 2014 sind wir dem zum Opfer gefallen, weil wir einen erheblichen Teil der ungarischen Lebensmittel nach Russland exportiert haben. Aufgrund der Sanktionen konnten wir dies nicht mehr tun, die Russen modernisierten ihre Landwirtschaft, und heute sprechen wir über einen der größten Lebensmittelexportmärkte der Welt; dies ist ein Land, das früher auf Importe angewiesen war. Die Art und Weise, wie uns Russland beschrieben wird – als starre neostalinistische Autokratie – ist also falsch. In Wirklichkeit haben wir es mit einem Land zu tun, das sich durch technische und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit auszeichnet – und vielleicht auch durch gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit, aber das werden wir sehen.
5. Politischer Bankrott Europas
Die fünfte wichtige neue Lehre aus der Realität: Die europäische Politikgestaltung ist zusammengebrochen. Europa hat es aufgegeben, seine eigenen Interessen zu verteidigen: Alles, was Europa heute tut, ist, bedingungslos der außenpolitischen Linie der US-Demokraten zu folgen – selbst um den Preis seiner eigenen Selbstzerstörung. Die Sanktionen, die wir verhängt haben, schaden grundlegenden europäischen Interessen: Sie treiben die Energiepreise in die Höhe und machen die europäische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig. Wir haben die Sprengung der Nord-Stream-Pipeline unwidersprochen hingenommen; Deutschland selbst hat einen Terrorakt gegen das eigene Eigentum – der offensichtlich unter amerikanischer Regie verübt wurde – unwidersprochen hingenommen, und wir sagen kein Wort dazu, wir ermitteln nicht, wir wollen es nicht aufklären, wir wollen es nicht in einen rechtlichen Zusammenhang bringen. Genauso haben wir es versäumt, das Richtige zu tun im Fall der Telefonüberwachung von Angela Merkel, die mit Hilfe von Dänemark durchgeführt wurde. Dies ist also nichts anderes als ein Akt der Unterwerfung. Der Zusammenhang ist kompliziert, aber ich werde versuchen, ihn in einer notwendigerweise vereinfachten, aber umfassenden Darstellung darzustellen. Die europäische Politik ist seit dem Beginn des russisch-ukrainischen Krieges auch deshalb zusammengebrochen, weil der Kern des europäischen Machtsystems die Achse Paris-Berlin war, die früher unausweichlich war: Sie war der Kern und sie war die Achse.
Seit dem Ausbruch des Krieges hat sich ein anderes Zentrum und eine andere Machtachse herausgebildet. Die Achse Berlin-Paris existiert nicht mehr – oder wenn doch, dann ist sie irrelevant geworden und kann umgangen werden. Das neue Machtzentrum und die neue Achse umfassen London, Warschau, Kiew, die baltischen Staaten und die Skandinavier. Wenn der deutsche Bundeskanzler zum Erstaunen der Ungarn verkündet, dass er nur Helme in den Krieg schickt, und dann eine Woche später verkündet, dass er tatsächlich Waffen schickt, dann sollte man nicht denken, dass der Mann den Verstand verloren hat. Wenn derselbe deutsche Bundeskanzler dann ankündigt, dass es zwar Sanktionen geben kann, diese sich aber nicht auf Energie beziehen dürfen, und dann zwei Wochen später selbst an der Spitze der Sanktionspolitik steht, dann glauben Sie nicht, dass der Mann den Verstand verloren hat. Im Gegenteil, er ist sehr wohl bei klarem Verstand. Er weiß sehr wohl, dass die Amerikaner und die von ihnen beeinflussten liberalen Meinungsbildner – Universitäten, Think Tanks, Forschungsinstitute, Medien – die öffentliche Meinung nutzen, um eine deutsch-französische Politik zu bestrafen, die nicht im Einklang mit den amerikanischen Interessen steht. Deshalb gibt es das Phänomen, von dem ich gesprochen habe, und deshalb gibt es die eigenwilligen Fehltritte der deutschen Kanzlerin. Die Idee, das Machtzentrum in Europa zu verlagern und die deutsch-französische Achse zu umgehen, ist nicht neu, sie wurde nur durch den Krieg ermöglicht. Die Idee gab es schon vorher, es war ein alter polnischer Plan, das Problem, dass Polen zwischen einem riesigen deutschen und einem riesigen russischen Staat eingeklemmt war, dadurch zu lösen, dass man Polen zum amerikanischen Stützpunkt Nummer eins in Europa machte. Ich könnte es so beschreiben, dass man die Amerikaner dorthin einlädt, zwischen die Deutschen und die Russen. Fünf Prozent des polnischen BIP werden jetzt für Militärausgaben aufgewendet, und die polnische Armee ist nach der französischen die zweitgrößte in Europa – wir sprechen hier von Hunderttausenden von Soldaten. Dies ist ein alter Plan, um Russland zu schwächen und Deutschland zu überholen. Auf den ersten Blick scheint es eine Fantasieidee zu sein, die Deutschen zu überholen. Aber wenn man sich die Dynamik der Entwicklung Deutschlands und Mitteleuropas, Polens, anschaut, scheint das gar nicht so unmöglich – vor allem, wenn Deutschland in der Zwischenzeit seine eigene Industrie von Weltrang abbaut. Diese Strategie veranlasste Polen, die Zusammenarbeit mit der V4 aufzugeben. Die V4 bedeutete etwas anderes: Die V4 bedeutet, dass wir anerkennen, dass es ein starkes Deutschland und ein starkes Russland gibt, und dass wir – zusammen mit den mitteleuropäischen Staaten – ein drittes Gebilde zwischen beiden schaffen. Die Polen sind davon abgerückt und haben statt der V4-Strategie, die deutsch-französische Achse zu akzeptieren, die alternative Strategie der Beseitigung der deutsch-französischen Achse eingeschlagen. Apropos unsere polnischen Brüder und Schwestern, lassen Sie sie uns hier nur am Rande erwähnen. Da sie uns jetzt in den Hintern getreten haben, können wir uns vielleicht erlauben, ein paar aufrichtige, brüderliche Wahrheiten über sie zu sagen. Nun, die Polen verfolgen die scheinheiligste und heuchlerischste Politik in ganz Europa. Sie belehren uns aus moralischen Gründen, sie kritisieren uns für unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland, und gleichzeitig machen sie munter Geschäfte mit den Russen, kaufen ihr Öl – wenn auch auf Umwegen – und betreiben damit die polnische Wirtschaft. Die Franzosen sind da besser: Letzten Monat haben sie uns übrigens bei den Gaseinkäufen aus Russland überholt – aber wenigstens belehren sie uns nicht aus moralischen Gründen. Die Polen machen Geschäfte und belehren uns gleichzeitig. Eine derart heuchlerische Politik habe ich in Europa in den letzten zehn Jahren nicht erlebt. Das Ausmaß dieses Wandels – der Umgehung der deutsch-französischen Achse – können ältere Menschen wirklich begreifen, wenn sie vielleicht zwanzig Jahre zurückdenken, als die Amerikaner den Irak angriffen und die europäischen Länder aufforderten, mitzumachen. Wir sind zum Beispiel als Mitglied der NATO beigetreten. Neben Schröder, dem damaligen deutschen Bundeskanzler, und Chirac, dem damaligen französischen Staatspräsidenten, hat sich auch der russische Präsident Putin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen den Irak-Krieg ausgesprochen. Damals gab es noch eine eigenständige deutsch-französische Logik, wenn es um europäische Interessen ging.
6. Friedensmission
Meine Damen und Herren,
bei der Friedensmission geht es nicht nur um die Suche nach Frieden, sondern auch darum, Europa zu drängen, endlich eine eigenständige Politik zu betreiben. Rote Pille Nummer sechs: die geistige Einsamkeit des Westens. Bislang hat der Westen so gedacht und gehandelt, als ob er sich als Referenzpunkt, als eine Art Maßstab für die Welt sieht. Er hat die Werte geliefert, die die Welt zu akzeptieren hatte – zum Beispiel die liberale Demokratie oder den grünen Wandel. Aber der größte Teil der Welt hat das bemerkt, und in den letzten zwei Jahren hat es eine 180-Grad-Wende gegeben. Wieder einmal hat der Westen erklärt, dass er von der Welt erwartet, dass sie eine moralische Position gegen Russland und für den Westen einnehmen soll. Die Realität hingegen ist, dass sich Schritt für Schritt alle auf die Seite Russlands stellen. Dass China und Nordkorea dies tun, ist vielleicht keine Überraschung. Dass der Iran dasselbe tut, ist angesichts der Geschichte des Landes und seiner Beziehungen zu Russland etwas überraschend. Aber dass Indien, das die westliche Welt als die bevölkerungsreichste Demokratie bezeichnet, ebenfalls auf der Seite der Russen steht, ist erstaunlich. Dass die Türkei sich weigert, die moralisch begründeten Forderungen des Westens zu akzeptieren, obwohl sie ein NATO-Mitglied ist, ist wirklich überraschend. Und die Tatsache, dass die muslimische Welt Russland nicht als Feind, sondern als Partner betrachtet, ist völlig unerwartet.
7. Zerfall des Westens
Siebtens: Der Krieg hat die Tatsache offenbart, dass das größte Problem der Welt heute die Schwäche und der Zerfall des Westens ist. Das ist natürlich nicht das, was die westlichen Medien sagen: Im Westen wird behauptet, die größte Gefahr und das größte Problem der Welt sei Russland und die Bedrohung, die es darstellt. Das ist falsch! Russland ist zu groß für seine Bevölkerung, und es wird auch hyperrational geführt – es ist in der Tat ein Land, das eine Führung hat. Es gibt nichts Mysteriöses an seinem Handeln: Seine Handlungen ergeben sich logisch aus seinen Interessen und sind daher verständlich und vorhersehbar. Andererseits ist das Verhalten des Westens – wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht – nicht verständlich und nicht vorhersehbar. Der Westen lässt sich nicht leiten, sein Verhalten ist nicht rational, und er kann nicht mit der Situation umgehen, die ich in meinem Vortrag hier im letzten Jahr beschrieben habe: der Tatsache, dass zwei Sonnen am Himmel erschienen sind. Dies ist die Herausforderung für den Westen in Form des Aufstiegs von China und Asien. Wir sollten in der Lage sein, damit umzugehen, aber wir sind nicht in der Lage dazu.
8. Identitätskriege zwischen West und Ost
Punkt acht. Daraus ergibt sich für uns die eigentliche Herausforderung, noch einmal zu versuchen, den Westen im Lichte des Krieges zu verstehen. Denn wir Mitteleuropäer sehen den Westen als irrational an. Aber, liebe Freunde, was ist, wenn er sich logisch verhält, wir aber seine Logik nicht verstehen? Wenn er in seinem Denken und Handeln logisch ist, dann müssen wir uns fragen, warum wir ihn nicht verstehen. Und wenn wir die Antwort auf diese Frage finden könnten, würden wir auch verstehen, warum Ungarn in geopolitischen und außenpolitischen Fragen regelmäßig mit den westlichen Ländern der Europäischen Union aneinandergerät. Meine Antwort ist die folgende. Stellen wir uns vor, dass das Weltbild von uns Mitteleuropäern auf Nationalstaaten basiert. Der Westen denkt inzwischen, dass es keine Nationalstaaten mehr gibt; das ist für uns unvorstellbar, aber so denkt er nun einmal. Das Koordinatensystem, in dem wir Mitteleuropäer denken, ist also völlig irrelevant. In unserer Vorstellung besteht die Welt aus Nationalstaaten, die ein innerstaatliches Gewaltmonopol ausüben und damit einen Zustand des allgemeinen Friedens schaffen. In seinen Beziehungen zu anderen Staaten ist der Nationalstaat souverän, d.h. er hat die Fähigkeit, seine Außen- und Innenpolitik unabhängig zu bestimmen. Nach unserem Verständnis ist der Nationalstaat keine rechtliche Abstraktion, kein rechtliches Konstrukt: Der Nationalstaat ist in einer bestimmten Kultur verwurzelt. Er hat einen gemeinsamen Wertekanon, er hat eine anthropologische und historische Tiefe. Und daraus ergeben sich gemeinsame moralische Imperative, die auf einem gemeinsamen Konsens beruhen. Das ist es, was wir uns unter dem Nationalstaat vorstellen. Mehr noch, wir sehen ihn nicht als ein Phänomen, das im 19. Jahrhundert entstanden ist: Wir glauben, dass Nationalstaaten eine biblische Grundlage haben, da sie zur Schöpfungsordnung gehören. Denn in der Heiligen Schrift lesen wir, dass am Ende der Zeit nicht nur über Einzelpersonen, sondern auch über Nationen Gericht gehalten werden wird. Folglich sind Nationen in unserem Verständnis keine provisorischen Gebilde. Ganz im Gegensatz dazu glauben die Westler, dass es keine Nationalstaaten mehr gibt. Sie leugnen daher die Existenz einer gemeinsamen Kultur und einer darauf basierenden gemeinsamen Moral. Sie haben keine gemeinsame Moral; wenn Sie gestern die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele gesehen haben, haben Sie genau das gesehen. Deshalb denken sie auch anders über die Migration. Sie sehen in der Migration keine Bedrohung oder ein Problem, sondern eine Möglichkeit, der ethnischen Homogenität, die die Grundlage einer Nation ist, zu entkommen. Das ist die Essenz des progressiven liberalen internationalistischen Raumkonzepts. Deshalb ist ihnen die Absurdität nicht bewusst – oder sie sehen es nicht als absurd an –, dass, während sich in der östlichen Hälfte Europas Hunderttausende von Christen gegenseitig umbringen, wir im Westen Europas Hunderttausende von Menschen aus fremden Kulturen aufnehmen. Aus unserer mitteleuropäischen Sicht ist das die Definition von Absurdität. Diese Idee ist im Westen nicht einmal angedacht. In Klammern sei angemerkt, dass die europäischen Staaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg insgesamt etwa siebenundfünfzig Millionen einheimische Europäer verloren haben. Hätten sie, ihre Kinder und Enkelkinder gelebt, hätte Europa heute keine demografischen Probleme. Die Europäische Union denkt nicht nur so, wie ich es beschreibe, sondern sie verkündet es auch. Wenn man die europäischen Dokumente aufmerksam liest, wird deutlich, dass das Ziel darin besteht, die Nation abzulösen. Es ist wahr, dass sie eine seltsame Art haben, dies zu schreiben und zu sagen, indem sie sagen, dass die Nationalstaaten ersetzt werden müssen, während ein kleiner Rest von ihnen bleibt. Aber es geht ja darum, dass die Befugnisse und die Souveränität von den Nationalstaaten auf Brüssel übertragen werden sollen. Das ist die Logik hinter jeder größeren Maßnahme. Für sie ist die Nation eine historische Schöpfung oder eine Übergangsform, die im 18. und 19. Jahrhundert entstanden ist – und so wie sie gekommen ist, kann sie auch wieder gehen. Für sie ist die westliche Hälfte Europas bereits postnational. Dies ist nicht nur eine politisch andere Situation, sondern ich will damit sagen, dass es sich um einen neuen mentalen Raum handelt. Wenn man die Welt nicht mehr aus dem Blickwinkel der Nationalstaaten betrachtet, eröffnet sich einem eine völlig andere Realität. Darin liegt das Problem, der Grund dafür, dass sich die Länder der westlichen und östlichen Hälfte Europas nicht verstehen, der Grund dafür, dass wir nicht an einem Strang ziehen können.
Wenn wir all dies auf die Vereinigten Staaten projizieren, ist dies der eigentliche Kampf, der dort stattfindet. Was sollen die Vereinigten Staaten sein? Sollen sie wieder ein Nationalstaat werden, oder sollen sie ihren Weg zu einem postnationalen Staat fortsetzen? Präsident Donald Trump hat sich zum Ziel gesetzt, das amerikanische Volk aus dem postnationalen, liberalen Zustand zurückzuholen, es zurück zu zwingen, es wieder zum Nationalstaat zu erheben. Aus diesem Grund steht bei den US-Wahlen so viel auf dem Spiel. Deshalb erleben wir Dinge, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Deshalb wollen sie Donald Trump daran hindern, bei den Wahlen anzutreten. Deshalb wollen sie ihn ins Gefängnis stecken. Deshalb wollen sie ihm sein Vermögen wegnehmen. Und wenn das nicht klappt, wollen sie ihn umbringen. Und es besteht kein Zweifel daran, dass das, was geschehen ist, nicht der letzte Versuch in diesem Wahlkampf sein wird.
In Klammern: Ich habe gestern mit dem Präsidenten gesprochen und er hat mich gefragt, wie es mir geht. Ich habe ihm gesagt, dass es mir gut geht, weil ich hier in einer geografischen Einheit namens Transsilvanien bin. Es ist nicht so einfach, das zu erklären, vor allem nicht auf Englisch und vor allem nicht gegenüber Präsident Trump. Aber ich sagte, dass ich hier in Transsilvanien an einer freien Universität sei, wo ich einen Vortrag über den Zustand der Welt halten wolle. Und er sagte, ich solle den Teilnehmern des Camps und denen der Freien Universität seine persönlichen, herzlichen Grüße übermitteln.
Wenn wir nun versuchen zu verstehen, wie dieses westliche Denken – das wir der Einfachheit halber als »postnationales« Denken und Verhalten bezeichnen sollten – entstanden ist, dann müssen wir auf die große Illusion der 1960er Jahre zurückgehen. Die große Illusion der 1960er Jahre nahm zwei Formen an: die erste war die sexuelle Revolution, die zweite die Studentenrebellion. Sie war Ausdruck der Überzeugung, dass das Individuum freier und größer sein würde, wenn es von jeglicher Art von Kollektiv befreit wäre. Mehr als sechzig Jahre später ist klar geworden, dass das Individuum im Gegenteil nur durch und in einer Gemeinschaft groß werden kann, dass es allein niemals frei sein kann, sondern immer einsam und zum Schrumpfen verurteilt ist. Im Westen wurden die Bindungen nach und nach aufgelöst: die metaphysischen Bindungen, die Gott sind; die nationalen Bindungen, die das Heimatland sind; und die familiären Bindungen – die Auflösung der Familie. Ich beziehe mich wieder auf die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris. Nun, da es ihnen gelungen ist, all das loszuwerden, in der Erwartung, dass der Einzelne größer wird, stellen sie fest, dass sie ein Gefühl der Leere verspüren. Sie sind nicht groß, sondern klein geworden. Denn im Westen sehnen sie sich nicht mehr nach großen Idealen oder großen, inspirierenden gemeinsamen Zielen.
Hier müssen wir über das Geheimnis der Größe sprechen. Was ist das Geheimnis des Größenwahns? Das Geheimnis der Größe besteht darin, dass man in der Lage ist, etwas zu dienen, das größer ist als man selbst. Dazu müssen Sie zunächst anerkennen, dass es in der Welt etwas oder einige Dinge gibt, die größer sind als Sie, und dann müssen Sie sich dem Dienst an diesen größeren Dingen widmen. Von diesen Dingen gibt es nicht viele. Du hast deinen Gott, dein Land und deine Familie. Aber wenn du das nicht tust, sondern dich auf deine eigene Größe konzentrierst, wenn du denkst, dass du klüger, schöner, talentierter bist als die meisten Menschen, wenn du deine Energie darauf verwendest, all das anderen mitzuteilen, dann ist das, was du bekommst, nicht Größe, sondern Größenwahn. Und das ist der Grund, warum wir heute, wann immer wir mit Westeuropäern im Gespräch sind, in jeder Geste Größenwahn statt Größe spüren. Ich muss sagen, dass sich eine Situation entwickelt hat, die wir als Leere bezeichnen können, und das damit einhergehende Gefühl des Überflusses führt zu Aggressionen. So ist der »aggressive Zwerg« als neuer Menschentypus entstanden.
9. Divergierende Weltanschauungen
Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, dass wir, wenn wir von Mitteleuropa und Westeuropa sprechen, nicht über Meinungsverschiedenheiten sprechen, sondern über zwei unterschiedliche Weltanschauungen, zwei Mentalitäten, zwei Instinkte und damit zwei unterschiedliche Argumente. Wir haben einen Nationalstaat, der uns zum strategischen Realismus zwingt. Sie haben postnationalistische Träume, die nichts mit nationaler Souveränität zu tun haben, keine nationale Größe anerkennen und keine gemeinsamen nationalen Ziele haben. Das ist die Realität, der wir uns stellen müssen.
Und schließlich ist das letzte Element der Realität, dass dieser postnationale Zustand, den wir im Westen erleben, eine ernste – und ich würde sagen dramatische – politische Konsequenz hat, die die Demokratie erschüttert. Denn innerhalb der Gesellschaften wächst der Widerstand gegen Migration, gegen Gender, gegen Krieg und gegen den Globalismus. Daraus ergibt sich das politische Problem der Elite und des Volkes – von Elitismus und Populismus. Dies ist das bestimmende Phänomen der heutigen westlichen Politik. Wenn Sie die Texte lesen, brauchen Sie sie nicht zu verstehen, und sie ergeben auch nicht immer einen Sinn; aber wenn Sie die Worte lesen, werden Sie die folgenden Ausdrücke am häufigsten finden. Sie deuten darauf hin, dass die Eliten das Volk dafür verurteilen, dass es nach rechts driftet. Die Gefühle und Ideen des Volkes werden als Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Nationalismus abgestempelt. Als Antwort darauf beschuldigen die Menschen die Eliten, sich nicht um das zu kümmern, was ihnen wichtig ist, sondern in einer Art von gestörtem Globalismus zu versinken. Folglich können sich die Eliten und das Volk in der Frage der Zusammenarbeit nicht einigen. Ich könnte viele Länder nennen. Aber wenn sich das Volk und die Eliten nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können, wie kann dann eine repräsentative Demokratie entstehen? Weil wir eine Elite haben, die das Volk nicht vertreten will und stolz darauf ist, es nicht vertreten zu wollen; und wir haben das Volk, das nicht vertreten wird. In der Tat sind wir in der westlichen Welt mit einer Situation konfrontiert, in der die Masse der Menschen mit Hochschulabschluss nicht mehr weniger als 10 Prozent der Bevölkerung ausmacht, sondern 30 bis 40 Prozent. Und aufgrund ihrer Ansichten respektieren diese Menschen diejenigen nicht, die weniger gebildet sind – die typischerweise arbeitende Menschen sind, Menschen, die von ihrer Arbeit leben. Für die Eliten sind nur die Werte der Akademiker akzeptabel, nur sie sind legitim. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament zu verstehen. Die Europäische Volkspartei sammelte die Stimmen der »Plebejer« auf der Rechten, die einen Wandel wollten, nahm diese Stimmen dann mit nach links und schloss einen Pakt mit den linken Eliten, die ein Interesse an der Erhaltung des Status quo haben. Das hat Folgen für die Europäische Union. Die Folge ist, dass Brüssel unter der Herrschaft einer liberalen Oligarchie bleibt. Diese Oligarchie hat sie in ihrem Griff. Diese linksliberale Elite organisiert in Wirklichkeit eine transatlantische Elite: nicht europäisch, sondern global; nicht nationalstaatlich, sondern föderal; und nicht demokratisch, sondern oligarchisch. Das hat auch Konsequenzen für uns, denn in Brüssel gelten wieder die »3 P«: »verboten, erlaubt und gefördert« (prohibited, permitted and promoted). Wir gehören zur Kategorie »verboten«. Die Patrioten für Europa haben deshalb keine Posten bekommen. Wir leben in der Welt der erlaubten politischen Gemeinschaft. Unsere einheimischen Gegner – vor allem die Neulinge in der Europäischen Volkspartei – gehören derweil zur Kategorie »stark gefördert«.
10. Westliche Werte
Und vielleicht noch ein letzter, zehnter Punkt: Die westlichen Werte – die das Wesen der so genannten »Soft Power« ausmachten – sind zum Bumerang geworden. Es hat sich herausgestellt, dass diese westlichen Werte, von denen man dachte, sie seien universell, in immer mehr Ländern der Welt offensichtlich inakzeptabel sind und abgelehnt werden. Es hat sich herausgestellt, dass die Moderne, die moderne Entwicklung, nicht westlich ist, oder zumindest nicht ausschließlich westlich – denn China ist modern, Indien wird immer moderner, und die Araber und Türken modernisieren sich; und sie werden keineswegs auf der Grundlage westlicher Werte zu einer modernen Welt. Und in der Zwischenzeit ist die westliche Soft Power durch die russische Soft Power ersetzt worden, denn der Schlüssel zur Verbreitung westlicher Werte ist jetzt LGBTQ. Jeder, der dies nicht akzeptiert, gehört für die westliche Welt zur Kategorie »rückständig«. Ich weiß nicht, ob Sie es verfolgt haben, aber ich finde es bemerkenswert, dass in den letzten sechs Monaten in Ländern wie der Ukraine, Taiwan und Japan Gesetze zugunsten von LGBTQ verabschiedet wurden. Aber die Welt ist nicht einverstanden. Folglich ist Putins stärkste taktische Waffe heute die westliche Auferlegung von LGBTQ und der Widerstand dagegen, die Opposition dagegen. Dies ist zu Russlands stärkster internationaler Anziehungskraft geworden; was also früher westliche Soft Power war, hat sich nun in russische Soft Power verwandelt – wie ein Bumerang.
Alles in allem, meine Damen und Herren, kann ich sagen, dass der Krieg uns geholfen hat, die wahren Machtverhältnisse in der Welt zu verstehen. Er ist ein Zeichen dafür, dass der Westen sich in seiner Mission selbst ins Bein geschossen hat und damit die Veränderungen, die die Welt umgestalten, beschleunigt. Mein erster Vortrag ist zu Ende. Jetzt kommt der zweite.
Konsequenzen für die Zukunft – die große Strategie
Was kommt als nächstes? Es muss kürzer sein, sagt Zsolt Németh. Im zweiten Vortrag geht es also darum, was daraus folgt. Zunächst ist hier intellektueller Mut gefragt. Man muss also mit breiten Pinselstrichen arbeiten, denn ich bin überzeugt, dass das Schicksal der Ungarn davon abhängt, ob sie verstehen, was in der Welt geschieht, und ob wir Ungarn verstehen, wie die Welt nach dem Krieg aussehen wird. Meiner Meinung nach wird eine neue Welt entstehen. Man kann uns nicht vorwerfen, wir hätten eine beschränkte Vorstellungskraft oder eine intellektuelle Trägheit, aber selbst wir – und ich persönlich, wenn ich in den letzten Jahren hier gesprochen habe – haben das Ausmaß des Wandels, der sich vollzieht und den wir erleben, unterschätzt.
Liebe Freunde, liebes Sommercamp,
Wir befinden uns in einem Wandel, ein Wandel steht bevor, der seit fünfhundert Jahren nicht mehr zu beobachten war. Das ist uns nicht aufgefallen, weil es in den letzten 150 Jahren große Veränderungen in und um uns herum gegeben hat, aber bei diesen Veränderungen war die dominierende Weltmacht immer der Westen. Und unser Ausgangspunkt ist, dass die Veränderungen, die wir jetzt erleben, wahrscheinlich dieser westlichen Logik folgen werden. Im Gegensatz dazu ist dies eine neue Situation. In der Vergangenheit war der Wandel westlich: Die Habsburger stiegen auf und fielen dann; Spanien war im Aufwind und wurde zum Zentrum der Macht; es fiel und die Engländer stiegen auf; der Erste Weltkrieg beendete die Monarchien; die Briten wurden von den Amerikanern als Weltmacht abgelöst; dann wurde der russisch-amerikanische Kalte Krieg von den Amerikanern gewonnen. Aber all diese Entwicklungen blieben innerhalb unserer westlichen Logik. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, und dem müssen wir uns stellen, denn die westliche Welt wird nicht von der westlichen Welt herausgefordert, und so ist die Logik des Wandels unterbrochen. Wovon ich spreche und womit wir es zu tun haben, ist eigentlich ein globaler Systemwechsel. Und das ist ein Prozess, der von Asien ausgeht. Um es kurz und bündig zu sagen: In den nächsten Jahrzehnten – oder vielleicht Jahrhunderten, denn das vorherige Weltsystem bestand fünfhundert Jahre lang – wird das dominierende Zentrum der Welt in Asien liegen: China, Indien, Pakistan, Indonesien, und so könnte es weitergehen. Sie haben bereits ihre Formen, ihre Plattformen geschaffen, es gibt diese BRICS-Formation, in der sie bereits vertreten sind. Und es gibt die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in der diese Länder die neue Weltwirtschaft aufbauen. Ich denke, dass dies ein unvermeidlicher Prozess ist, denn Asien hat einen demografischen Vorteil, einen technologischen Vorteil in immer mehr Bereichen, einen Kapitalvorteil und ist dabei, seine militärische Macht mit der des Westens auf ein gleiches Niveau zu bringen. Asien wird das meiste Geld haben – oder hat es vielleicht schon –, die größten Finanzfonds, die größten Unternehmen der Welt, die besten Universitäten, die besten Forschungsinstitute und die größten Börsen. Es wird die fortschrittlichste Weltraumforschung und die fortschrittlichste medizinische Wissenschaft haben – oder hat sie bereits. Darüber hinaus wurden wir im Westen – und sogar die Russen – gut in dieses neue Gebilde, das gerade Gestalt annimmt, eingewiesen. Die Frage ist, ob der Prozess umkehrbar ist oder nicht – und wenn nicht, wann er unumkehrbar wurde. Ich denke, das geschah im Jahr 2001, als wir im Westen beschlossen, China zum Beitritt zur Welthandelsorganisation – besser bekannt als WTO – einzuladen. Seitdem ist dieser Prozess nahezu unaufhaltsam und unumkehrbar.
Präsident Trump arbeitet daran, die amerikanische Antwort auf diese Situation zu finden. In der Tat ist Donald Trumps Versuch wahrscheinlich die letzte Chance für die USA, ihre Vormachtstellung in der Welt zu bewahren. Man könnte sagen, dass vier Jahre nicht ausreichen, aber wenn man sich ansieht, wen er als Vizepräsidenten ausgewählt hat, einen jungen und sehr starken Mann, dann wird, wenn Donald Trump jetzt gewinnt, in vier Jahren sein Vizepräsident kandidieren. Er kann zwei Amtszeiten absolvieren, also insgesamt zwölf Jahre. Und in zwölf Jahren kann eine nationale Strategie umgesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen denken, dass die Amerikaner, wenn Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, ihre Vormachtstellung in der Welt bewahren wollen, indem sie ihre Position in der Welt beibehalten. Ich glaube, dass dies falsch ist. Natürlich gibt niemand von sich aus seine Position auf, aber das wird nicht das wichtigste Ziel sein. Im Gegenteil, die Priorität wird darin bestehen, Nordamerika wieder aufzubauen und zu stärken. Damit sind nicht nur die USA gemeint, sondern auch Kanada und Mexiko, denn sie bilden zusammen einen Wirtschaftsraum. Und Amerikas Platz in der Welt wird weniger wichtig sein. Man muss ernst nehmen, was der Präsident sagt: »America First, alles hier, alles wird nach Hause kommen!« Deshalb wird die Fähigkeit entwickelt, Kapital von überall her zu beschaffen. Darunter leiden wir bereits: Die großen europäischen Unternehmen investieren nicht in Europa, sondern in Amerika, weil die Fähigkeit, Kapital anzuziehen, in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint. Sie werden den Preis für alles aus allen herauspressen. Ich weiß nicht, ob Sie gelesen haben, was der Präsident gesagt hat. Sie sind zum Beispiel keine Versicherungsgesellschaft, und wenn Taiwan Sicherheit will, soll es zahlen. Sie werden uns Europäer, die NATO und China den Preis für die Sicherheit zahlen lassen, und sie werden auch ein Handelsgleichgewicht mit China durch Verhandlungen erreichen und es zugunsten der USA verändern. Sie werden eine massive Entwicklung der US-Infrastruktur, der militärischen Forschung und der Innovation auslösen. Sie werden Energie- und Rohstoffautarkie erreichen – oder vielleicht schon erreicht haben – und schließlich werden sie sich ideologisch verbessern und den Export von Demokratie aufgeben. Amerika zuerst. Der Export von Demokratie ist am Ende. Das ist die Essenz des Experiments, das Amerika als Reaktion auf die hier beschriebene Situation durchführt.
Was ist die europäische Antwort auf den globalen Systemwandel? Wir haben zwei Möglichkeiten. Die erste ist das, was wir »das Freilichtmuseum« nennen. Das ist es, was wir jetzt haben. Wir bewegen uns darauf zu. Europa, das von den USA absorbiert wird, wird in einer unterentwickelten Rolle zurückbleiben. Es wird ein Kontinent sein, den die Welt bewundert, der aber keine Entwicklungsdynamik mehr in sich trägt. Die zweite Option, die von Präsident Macron angekündigt wurde, ist die strategische Autonomie. Mit anderen Worten: Wir müssen in den Wettbewerb um den globalen Systemwandel eintreten. Das tun die USA ja auch, nach ihrer eigenen Logik. Und wir sprechen hier in der Tat von 400 Millionen Menschen. Es ist möglich, die Fähigkeit Europas, Kapital anzuziehen, wiederherzustellen, und es ist möglich, Kapital aus Amerika zurückzuholen. Es ist möglich, große Infrastrukturen zu entwickeln, vor allem in Mitteleuropa – der TGV Budapest-Bukarest und der TGV Warschau-Budapest, um nur die zu nennen, an denen wir beteiligt sind. Wir brauchen ein europäisches Militärbündnis mit einer starken europäischen Verteidigungsindustrie, Forschung und Innovation. Wir brauchen eine europäische Energieautarkie, die ohne Kernenergie nicht möglich sein wird. Und nach dem Krieg brauchen wir eine neue Aussöhnung mit Russland. Das bedeutet, dass die Europäische Union ihre Ambitionen als politisches Projekt aufgeben muss, die Union muss sich als wirtschaftliches Projekt stärken, und die Union muss sich als Verteidigungsprojekt schaffen. In beiden Fällen – Freilichtmuseum oder Beitritt zum Wettbewerb – müssen wir uns darauf einstellen, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union sein wird, weil wir Europäer dafür nicht genug Geld haben. Die Ukraine wird in die Position eines Pufferstaates zurückkehren. Wenn sie Glück hat, wird dies mit internationalen Sicherheitsgarantien einhergehen, die in einem Abkommen zwischen den USA und Russland verankert werden, an dem wir Europäer vielleicht teilnehmen können. Das polnische Experiment wird scheitern, weil sie nicht über die nötigen Mittel verfügen: Sie werden nach Mitteleuropa und in die V4 zurückkehren müssen. Warten wir also auf die Rückkehr der polnischen Brüder und Schwestern. Die zweite Präsentation ist vorbei. Es bleibt nur noch eine übrig. Es geht um Ungarn.
Was sollte Ungarn in dieser Situation tun? Zunächst einmal sollten wir die traurige Tatsache festhalten, dass vor fünfhundert Jahren, zur Zeit des letzten globalen Systemwechsels, Europa der Gewinner und Ungarn der Verlierer war. Damals eröffnete sich dank geografischer Entdeckungen in der westlichen Hälfte Europas ein neuer Wirtschaftsraum, an dem wir überhaupt nicht teilhaben konnten. Zu unserem Unglück trat zur gleichen Zeit auch ein zivilisatorischer Konflikt an unsere Tür: Die islamische Eroberung erreichte Ungarn und machte uns für viele Jahre zum Kriegsgebiet. Dies hatte einen enormen Bevölkerungsverlust zur Folge, der zu Umsiedlungen führte, deren Folgen wir heute sehen können. Und leider waren wir nicht in der Lage, uns aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien. Wir konnten uns nicht aus eigener Kraft befreien, und so mussten wir mehrere Jahrhunderte lang in eine germanische, habsburgische Welt eingegliedert werden.
Erinnern wir uns auch daran, dass die ungarische Elite vor fünfhundert Jahren genau wusste, was geschah. Sie verstand die Natur des Wandels, aber sie verfügte nicht über die Mittel, die es ihr ermöglicht hätten, das Land auf diesen Wandel vorzubereiten. Das war der Grund für das Scheitern der Versuche, den Raum – den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Raum – zu erweitern und Schwierigkeiten zu vermeiden: die Versuche, sich aus der Situation herauszuwinden. Ein solcher Versuch wurde von König Matthias unternommen, der – dem Beispiel Sigismunds folgend – versuchte, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu werden und damit Ungarn in den globalen Systemwechsel einzubinden. Dies scheiterte. Ich möchte hier aber auch den Versuch nennen, Tamás Bakócz zum Papst zu ernennen, was uns eine weitere Chance gegeben hätte, zu den Gewinnern dieses globalen Systemwechsels zu gehören. Aber diese Versuche waren nicht erfolgreich. Deshalb ist das ungarische Symbol dieser Epoche, das Symbol des ungarischen Scheiterns, die [militärische Niederlage bei] Mohács. Mit anderen Worten: Der Beginn der Vorherrschaft des Westens in der Welt fiel mit dem Niedergang Ungarns zusammen.
Das ist wichtig, denn jetzt müssen wir unser Verhältnis zum neuen globalen Systemwechsel klären. Wir haben zwei Möglichkeiten: Ist dies nun eine Bedrohung für Ungarn oder eine Chance für Ungarn? Wenn es eine Bedrohung ist, dann müssen wir eine Politik des Schutzes des Status quo verfolgen: Wir müssen mit den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union mitschwimmen und unsere nationalen Interessen mit einem oder beiden Zweigen des Westens identifizieren. Wenn wir dies nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen, müssen wir unseren eigenen Entwicklungsweg einschlagen, Veränderungen vornehmen und die Initiative ergreifen. Mit anderen Worten, es wird sich lohnen, eine national orientierte Politik zu betreiben. Ich glaube an Letzteres, ich gehöre zur letzteren Schule: Der gegenwärtige globale Systemwandel ist keine Bedrohung, nicht primär eine Bedrohung, sondern eine Chance.
Wenn wir aber eine eigenständige nationale Politik betreiben wollen, stellt sich die Frage, ob wir die notwendigen Randbedingungen haben. Mit anderen Worten: Wären wir in Gefahr, zertreten zu werden – oder besser gesagt, zertrampelt zu werden. Es geht also um die Frage, ob wir die Randbedingungen für unseren eigenen Weg in den Beziehungen zu den USA, zur Europäischen Union und zu Asien haben oder nicht.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass die Entwicklungen in den USA zu unseren Gunsten verlaufen. Ich glaube nicht, dass wir von den Vereinigten Staaten ein wirtschaftliches und politisches Angebot erhalten werden, das uns bessere Chancen eröffnet als die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Wenn wir eines bekommen, sollten wir es in Betracht ziehen. Natürlich ist die polnische Falle zu vermeiden: Sie haben viel auf eine Karte gesetzt, aber es gab eine demokratische Regierung in Amerika; sie wurden in ihren strategischen polnischen nationalen Zielen unterstützt, aber die Polen sind der Auferlegung einer Politik des Demokratieexports, der LGBTQ, der Migration und der internen sozialen Transformation ausgesetzt, die tatsächlich den Verlust ihrer nationalen Identität riskiert. Wenn es also ein Angebot aus Amerika gibt, müssen wir es sorgfältig prüfen.
Wenn wir nach Asien und China schauen, müssen wir sagen, dass dort die Randbedingungen bestehen – denn wir haben ein Angebot aus China erhalten. Wir haben das maximal mögliche Angebot erhalten, und wir werden kein besseres bekommen. Das lässt sich wie folgt zusammenfassen: China ist sehr weit weg, und für sie ist die Mitgliedschaft Ungarns in der Europäischen Union ein Vorteil. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die uns immer wieder sagen, dass wir vielleicht aussteigen sollten. Die Chinesen sind der Meinung, dass wir hier in einer guten Position sind – auch wenn die EU-Mitgliedschaft eine Einschränkung darstellt, weil wir keine unabhängige Handelspolitik betreiben können, da die EU-Mitgliedschaft mit einer gemeinsamen Handelspolitik einhergeht. Dazu sagen die Chinesen, dass wir deshalb an der gegenseitigen Modernisierung teilnehmen sollten. Natürlich muss man immer auf der Hut sein, wenn ein Löwe einer Maus eine Einladung ausspricht, denn schließlich spielen Realität und relative Größe eine Rolle. Aber dieses Angebot der Chinesen, an der gegenseitigen Modernisierung teilzunehmen – angekündigt während des Besuchs des chinesischen Präsidenten im Mai – bedeutet, dass sie bereit sind, einen großen Teil ihrer Ressourcen und Entwicklungsmittel in Ungarn zu investieren, und dass sie bereit sind, uns Möglichkeiten zu bieten, am chinesischen Markt teilzunehmen.
Was ist die Konsequenz für die Beziehungen zwischen der EU und Ungarn, wenn wir unsere Mitgliedschaft in der EU als Randbedingung betrachten? Meiner Meinung nach ist der westliche Teil der Europäischen Union nicht mehr auf dem Weg zurück zum nationalstaatlichen Modell. Deshalb werden sie weiterhin in für uns unbekannten Gewässern navigieren. Der östliche Teil der Union – also wir – können unseren Zustand als Nationalstaaten verteidigen. Dazu sind wir durchaus in der Lage. Die Union hat den derzeitigen Krieg verloren. Die USA werden ihn aufgeben. Europa kann den Krieg nicht finanzieren, es kann den Wiederaufbau der Ukraine nicht finanzieren, und es kann die Führung der Ukraine nicht finanzieren.
In Klammern: Während die Ukraine uns um weitere Kredite bittet, laufen die Verhandlungen über die Abschreibung der bereits aufgenommenen Kredite. Heute streiten die Gläubiger und die Ukraine darüber, ob die Ukraine 20 Prozent oder 60 Prozent der aufgenommenen Schulden zurückzahlen soll. So sieht die Realität aus. Mit anderen Worten: Die Europäische Union muss den Preis für dieses militärische Abenteuer zahlen. Dieser Preis wird hoch sein, und er wird sich negativ auf uns auswirken. Die Konsequenz für uns – für Europa – ist, dass die Europäische Union als Randbedingung anerkennen wird, dass die mitteleuropäischen Länder in der Europäischen Union verbleiben, aber auf nationalstaatlichen Grundlagen bleiben und ihre eigenen außenpolitischen Ziele verfolgen werden. Das mag ihnen nicht gefallen, aber sie werden sich damit abfinden müssen – zumal die Zahl dieser Länder zunehmen wird.
Alles in allem kann ich also sagen, dass die Rahmenbedingungen für eine eigenständige, national orientierte Politik gegenüber Amerika, Asien und Europa gegeben sind. Diese werden die Grenzen unseres Handlungsspielraums definieren. Dieser Spielraum ist groß – so groß wie zu keiner Zeit in den letzten fünfhundert Jahren. Die nächste Frage ist, was wir tun müssen, um diesen Raum zu unserem Vorteil zu nutzen. Wenn es einen globalen Systemwechsel gibt, dann brauchen wir eine Strategie, die ihm würdig ist.
Wenn es einen globalen Systemwechsel gibt, dann brauchen wir eine große Strategie für Ungarn. Hier ist die Reihenfolge der Worte wichtig: Wir brauchen keine Strategie für ein großes Ungarn, sondern eine große Strategie für Ungarn. Das bedeutet, dass wir bisher kleine Strategien hatten, meist mit einem Zeithorizont von 2030.
Das sind Aktionspläne, das sind politische Programme, und sie sollen das, was wir 2010 begonnen haben – das, was wir nationale Kursbildung nennen –, einfach zu Ende bringen. Sie müssen zu Ende geführt werden. Aber in einer Zeit des globalen Systemwandels reicht das nicht aus. Dafür brauchen wir eine große Strategie, einen längeren Zeithorizont – vor allem, wenn wir davon ausgehen, dass dieser globale Systemwandel zu einem langfristig stabilen Zustand führt, der über Jahrhunderte anhält. Ob dies der Fall sein wird, werden natürlich unsere Enkel im Jahr 2050 in Tusnád/Tușnad sagen müssen.
Wie steht es um die große Strategie Ungarns? Gibt es eine große Strategie für Ungarn in unserer Schublade? Es gäbe sie, und in der Tat gibt es sie. Das ist die Antwort. Denn in den letzten zwei Jahren hat uns der Krieg angespornt. Hier sind einige Dinge geschehen, die wir beschlossen haben, um eine große Strategie zu schaffen – auch wenn wir in diesem Zusammenhang nicht darüber gesprochen haben.
Wir haben sofort nach den Wahlen 2022 mit der Arbeit an einer solchen großen Strategie begonnen. Es ist ungewöhnlich, dass die ungarische Regierung einen politischen Direktor hat, dessen Aufgabe es ist, diese große Strategie auszuarbeiten. Wir haben uns in das programmatische System des Teams von Präsident Donald Trump eingearbeitet, und wir sind dort sehr engagiert. Seit einiger Zeit nehmen Forscher der Magyar Nemzeti Bank [Ungarische Nationalbank] an Strategie-Workshops in Asien – insbesondere in China – teil. Und um unseren Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln, haben wir, nachdem wir zu einem Ministerwechsel gezwungen waren, keinen Technokraten, sondern einen strategischen Denker in die Regierung geholt und mit János Bóka ein eigenes EU-Ministerium geschaffen. In Brüssel sind wir also nicht passiv, sondern wir haben uns dort niedergelassen: Wir ziehen nicht aus, sondern wir ziehen ein. Und es gibt eine Reihe solcher Soft-Power-Einrichtungen, die mit der ungarischen Regierung verbunden sind – Think Tanks, Forschungsinstitute, Universitäten –, die in den letzten zwei Jahren auf Hochtouren gearbeitet haben.
Es gibt also eine große Strategie für Ungarn. In welchem Zustand befindet sie sich? Ich kann sagen, dass sie noch nicht in einem guten Zustand ist. Sie ist nicht in einem guten Zustand, weil die verwendete Sprache zu intellektuell ist. Und unser politischer und Wettbewerbsvorteil besteht gerade darin, dass wir in der Lage sind, eine Einheit mit den Menschen zu schaffen, in der jeder genau versteht, was wir tun und warum. Dies ist die Grundlage für unsere Fähigkeit, gemeinsam zu handeln. Denn die Menschen werden einen Plan nur dann verteidigen, wenn sie ihn verstehen und sehen, dass er gut für sie ist. Andernfalls wird er nicht funktionieren, wenn er auf Brüsselschem Blabla beruht. Leider ist das, was wir jetzt haben – die große Strategie für Ungarn – noch nicht verdaulich und allgemein verständlich. Es wird noch ein gutes halbes Jahr dauern, bis wir so weit sind. Derzeit ist sie roh und grob – ich könnte sogar sagen, dass sie nicht mit einem Füllfederhalter, sondern mit einem Meißel geschrieben wurde, und dass wir noch viel mehr Schleifpapier verwenden müssen, um sie verständlich zu machen. Aber für den Moment werde ich kurz vorstellen, was es gibt.
Konnektivität
Der Kern der großen Strategie für Ungarn – und ich werde jetzt eine intellektuelle Sprache verwenden – ist die Konnektivität. Das bedeutet, dass wir es nicht zulassen werden, nur in eine der beiden entstehenden Hemisphären der Weltwirtschaft eingebunden zu sein. Die Weltwirtschaft wird nicht ausschließlich westlich oder östlich sein. Wir müssen in beiden vertreten sein, in der westlichen und in der östlichen. Dies wird Konsequenzen haben. Die erste. Wir werden uns nicht in den Krieg gegen den Osten einmischen. Wir werden uns nicht an der Bildung eines Technologieblocks gegen den Osten beteiligen, und wir werden uns nicht an der Bildung eines Handelsblocks gegen den Osten beteiligen. Wir versammeln Freunde und Partner, keine wirtschaftlichen oder ideologischen Feinde. Wir gehen nicht den intellektuell viel einfacheren Weg, uns an jemanden anzuhängen, sondern wir gehen unseren eigenen Weg. Das ist schwierig – aber nicht umsonst wird Politik als eine Kunst bezeichnet.
Verteidigung der Souveränität
Im zweiten Kapitel der großen Strategie geht es um die geistigen Grundlagen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verteidigung der Souveränität. Zur Außenpolitik habe ich schon genug gesagt, aber diese Strategie beschreibt auch die wirtschaftliche Grundlage der nationalen Souveränität. In den letzten Jahren haben wir eine Pyramide aufgebaut. An der Spitze stehen die »nationalen Champions«. Darunter befinden sich die international wettbewerbsfähigen mittelständischen Unternehmen, darunter die Unternehmen, die für den heimischen Markt produzieren. Am unteren Ende stehen die kleinen Unternehmen und Einzelunternehmer. Dies ist die ungarische Wirtschaft, die die Grundlage für Souveränität bilden kann. Wir haben nationale Champions in den Bereichen Bankwesen, Energie, Nahrungsmittel, Produktion von landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen, IT, Telekommunikation, Medien, Bauwesen, Hochbau, Immobilienentwicklung, Pharmazeutik, Verteidigung, Logistik und – in gewissem Maße durch die Universitäten – Wissensindustrien. Und das sind unsere nationalen Champions. Sie sind nicht nur Champions im eigenen Land, sondern sie sind alle auf dem internationalen Parkett unterwegs und haben sich als wettbewerbsfähig erwiesen. Darunter kommen unsere mittelständischen Unternehmen. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass es in Ungarn heute fünfzehntausend mittelständische Unternehmen gibt, die international aktiv und wettbewerbsfähig sind. Als wir im Jahr 2010 an die Macht kamen, waren es dreitausend. Heute haben wir fünfzehntausend. Und natürlich müssen wir die Basis von Kleinunternehmen und Einzelunternehmern verbreitern. Wenn wir bis 2025 einen Friedens- und keinen Kriegshaushalt aufstellen können, werden wir ein umfangreiches Programm für kleine und mittlere Unternehmen auflegen. Die wirtschaftliche Basis für Souveränität bedeutet auch, dass wir unsere finanzielle Unabhängigkeit stärken müssen. Wir müssen unsere Verschuldung nicht auf 50 oder 60 Prozent, sondern in die Nähe von 30 Prozent bringen, und wir müssen zu einem regionalen Gläubiger werden. Wir versuchen bereits heute, dies zu tun, und Ungarn gewährt befreundeten Ländern in unserer Region, die in irgendeiner Weise für Ungarn wichtig sind, staatliche Darlehen. Es ist wichtig, dass wir gemäß der Strategie ein Produktionszentrum bleiben müssen: Wir dürfen nicht zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft übergehen. Der Dienstleistungssektor ist wichtig, aber wir müssen den Charakter Ungarns als Produktionsdrehscheibe beibehalten, denn nur so kann es Vollbeschäftigung auf dem heimischen Arbeitsmarkt geben. Wir dürfen nicht den Fehler des Westens wiederholen, bestimmte Arbeiten in der Produktion von Gastarbeitern erledigen zu lassen, denn dort werden bestimmte Arbeiten von der Bevölkerung des Gastlandes bereits als unter ihrer Würde angesehen. Sollte dies in Ungarn geschehen, würde dies einen sozialen Auflösungsprozess in Gang setzen, der nur schwer aufzuhalten wäre. Und zur Verteidigung der Souveränität gehört zu diesem Kapitel auch der Aufbau von Universitäts- und Innovationszentren.
Die gesellschaftliche Grundlage
Im dritten Kapitel wird der Körper der großen Strategie identifiziert: die ungarische Gesellschaft, über die wir sprechen. Wenn wir Gewinner sein wollen, muss diese ungarische Gesellschaft solide und widerstandsfähig sein. Sie muss eine solide und widerstandsfähige Sozialstruktur haben. Die erste Voraussetzung dafür ist der Stopp des demografischen Rückgangs. Wir haben gut angefangen, aber jetzt sind wir ins Stocken geraten. Wir brauchen einen neuen Anstoß. Bis 2035 muss Ungarn demographisch selbsttragend sein. Es kann nicht sein, dass der Bevölkerungsrückgang durch Zuwanderung kompensiert wird. Die westliche Erfahrung zeigt: Wenn es mehr Gäste als Gastgeber gibt, dann ist die Heimat nicht mehr die Heimat. Das ist ein Risiko, das nicht eingegangen werden darf. Wenn wir also nach dem Ende des Krieges einen Friedenshaushalt aufstellen können, dann muss der Steuerfreibetrag für Familien mit Kindern im Jahr 2025 wahrscheinlich verdoppelt werden – und zwar nicht in zwei Schritten, sondern innerhalb eines Jahres, um den Schwung der demografischen Verbesserung wiederzuerlangen. »Schleusen« müssen den Zustrom von Menschen aus Westeuropa, die in einem christlich-nationalen Land leben wollen, kontrollieren. Die Zahl dieser Menschen wird weiter zunehmen. Nichts wird automatisch sein, und wir werden selektiv vorgehen. Bis jetzt waren sie selektiv, aber jetzt sind wir diejenigen, die selektiv sein werden. Damit die Gesellschaft stabil und widerstandsfähig ist, muss sie sich auf eine Mittelschicht stützen: Familien müssen über ein eigenes Vermögen und finanzielle Unabhängigkeit verfügen. Die Vollbeschäftigung muss erhalten bleiben, und der Schlüssel dazu ist die Beibehaltung des derzeitigen Verhältnisses zwischen Arbeit und Roma-Bevölkerung. Es wird Arbeit geben, und ohne Arbeit kann man nicht leben. Das ist der Deal und das ist die Essenz des Angebots. Damit verbunden ist auch das System der ungarischen Dörfer, das einen besonderen Wert in der ungarischen Geschichte darstellt und kein Symbol der Rückständigkeit ist. Das ungarische Dorfsystem muss bewahrt werden. Ein städtisches Dienstleistungsniveau muss auch bei uns in den Dörfern gewährleistet sein. Die finanziellen Lasten dafür müssen von den Städten getragen werden. Wir werden keine Megastädte schaffen, wir werden keine Großstädte schaffen, sondern wir wollen Städte und ländliche Gebiete um die Städte herum schaffen und dabei das historische Erbe des ungarischen Dorfes bewahren.
Nationale Eigenart
Und schließlich ist da noch das entscheidende Element der Souveränität, mit der wir hier am Ufer des Olt angekommen sind. Wir haben sie auf ein Minimum reduziert, weil wir befürchten, dass Zsolt uns sonst das Mikrofon wegnehmen könnte. Das ist die Essenz des Schutzes der Souveränität, der Schutz der nationalen Eigenart. Es geht nicht um Assimilierung, nicht um Integration, nicht um Vermischung, sondern um die Bewahrung unseres eigenen nationalen Charakters. Dies ist die kulturelle Grundlage für die Verteidigung der Souveränität: die Erhaltung der Sprache und die Vermeidung eines Zustands der »Null-Religion«. Null-Religion ist ein Zustand, in dem der Glaube schon lange verschwunden ist, aber auch die Fähigkeit der christlichen Tradition, uns kulturelle und moralische Verhaltensregeln zu geben, die unser Verhältnis zu Arbeit, Geld, Familie, sexuellen Beziehungen und die Prioritätenordnung in unseren Beziehungen untereinander bestimmen, ist verloren gegangen. Das ist es, was die Menschen im Westen verloren haben. Ich denke, dass dieser Zustand der Religionslosigkeit eintritt, wenn die gleichgeschlechtliche Ehe als eine Institution mit dem gleichen Status wie die Ehe zwischen Mann und Frau anerkannt wird. Das ist ein Zustand der Null-Religion, in dem das Christentum nicht mehr als moralischer Kompass und Orientierung dient. Das muss um jeden Preis vermieden werden. Wenn wir also für die Familie kämpfen, kämpfen wir nicht nur für die Ehre der Familie, sondern für den Erhalt eines Staates, in dem das Christentum zumindest noch eine moralische Orientierung für unsere Gemeinschaft bietet.
Meine Damen und Herren,
schließlich darf diese große Strategie für Ungarn nicht von »Klein-Ungarn« ausgehen. Die große Strategie für Ungarn muss sich auf nationale Grundlagen stützen, sie muss alle von Ungarn bewohnten Gebiete einbeziehen, und sie muss alle in der Welt lebenden Ungarn einbeziehen. Klein-Ungarn allein – Klein-Ungarn als alleiniger Rahmen – wird nicht ausreichen. Aus diesem Grund wage ich es nicht, ein Datum zu nennen, denn wir müssten uns daran halten. Aber in absehbarer Zeit müssen alle Unterstützungsmaßnahmen, die der Stabilität und Widerstandsfähigkeit der ungarischen Gesellschaft dienen – wie zum Beispiel das Familienunterstützungssystem – in ihrer Gesamtheit auf die von Ungarn bewohnten Gebiete außerhalb der Landesgrenzen ausgedehnt werden. Das ist kein schlechter Weg, denn wenn ich mir die Beträge anschaue, die der ungarische Staat seit 2010 für diese Gebiete ausgegeben hat, kann ich sagen, dass wir durchschnittlich 100 Milliarden Forint pro Jahr ausgegeben haben. Zum Vergleich kann ich sagen, dass während der [sozialistischen] Regierung von Ferenc Gyurcsány die jährlichen Ausgaben dafür 9 Milliarden Forint betrugen.
Jetzt geben wir 100 Milliarden pro Jahr aus. Das ist also mehr als eine Verzehnfachung.
Die einzige Frage, die sich dann stellt, ist die folgende: Wenn die große Strategie für Ungarn steht, mit welcher Art von Politik kann sie dann zum Erfolg geführt werden? Zunächst einmal müssen wir uns selbst sehr gut kennen, damit eine große Strategie erfolgreich sein kann.
Denn die Politik, mit der wir eine Strategie zum Erfolg führen wollen, muss zu unserem nationalen Charakter passen. Dazu können wir natürlich sagen, dass wir vielfältig sind. Das gilt insbesondere für die Ungarn. Aber es gibt dennoch gemeinsame wesentliche Merkmale, und darauf muss die Strategie abzielen und ausgerichtet sein. Und wenn wir das verstehen, dann brauchen wir keine Kompromisse und keine Konsolidierung, sondern wir müssen einen festen Standpunkt einnehmen. Ich glaube, dass neben der Vielfalt das Wesentliche – das gemeinsame Wesentliche, das wir erfassen und auf das wir die ungarische große Strategie aufbauen müssen – die Freiheit ist, die auch nach innen aufgebaut werden muss: Wir müssen nicht nur die Freiheit der Nation aufbauen, sondern auch die persönliche Freiheit der Ungarn anstreben.
Denn wir sind kein militarisiertes Land wie die Russen oder die Ukrainer. Wir sind auch nicht hyperdiszipliniert wie die Chinesen. Anders als die Deutschen haben wir keine Freude an Hierarchien. Wir haben keine Freude an Aufruhr, Revolution und Blasphemie wie die Franzosen. Wir glauben auch nicht, dass wir ohne unseren Staat, unseren eigenen Staat, überleben können, wie die Italiener zu denken pflegen. Für die Ungarn ist die Ordnung kein Wert an sich, sondern eine notwendige Bedingung für die Freiheit, in der wir ungestört leben können. Dem ungarischen Gefühl und Verständnis der Freiheit kommt eine Redewendung am nächsten, der ein ungestörtes Leben zusammenfasst: »Mein Haus, mein Heim, meine Burg, mein Leben, und ich entscheide, was mir ein gutes Gefühl in meiner Haut gibt.« Dies ist eine anthropologische, genetische und kulturelle Eigenschaft der Ungarn, und die Strategie muss sich darauf einstellen. Mit anderen Worten, dies muss auch der Ausgangspunkt für Politiker sein, die die große Strategie zum Sieg führen wollen.
Dieser Prozess, von dem wir sprechen – dieser globale Systemwechsel – wird nicht in ein oder zwei Jahren stattfinden, sondern hat bereits begonnen und wird noch zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre dauern, und deshalb wird er in diesen zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren Gegenstand ständiger Diskussionen sein. Unsere Gegner werden ihn ständig angreifen. Sie werden sagen, dass der Prozess umkehrbar ist. Sie werden sagen, dass wir eine Integration statt einer separaten nationalen großen Strategie brauchen. Sie werden sie also ständig angreifen und daran arbeiten, sie abzulenken. Sie werden nicht nur den Inhalt der großen Strategie ständig in Frage stellen, sondern auch die Notwendigkeit dieser Strategie. Dies ist ein Kampf, der jetzt geführt werden muss, aber ein Problem dabei ist der Zeitrahmen. Denn wenn es sich um einen Prozess handelt, der sich über zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre erstreckt, müssen wir zugeben, dass wir, da wir nicht jünger werden, nicht zu denjenigen gehören werden, die ihn zu Ende führen. Die Umsetzung dieser großen Strategie – insbesondere die Endphase – wird sicherlich nicht von uns, sondern vor allem von jungen Menschen durchgeführt werden, die jetzt in ihren Zwanzigern und Dreißigern sind. Und wenn wir über die Politik nachdenken, darüber, wie eine solche Strategie politisch umgesetzt werden kann, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es in den kommenden Generationen im Wesentlichen nur zwei Positionen geben wird – genauso wie in unserer Generation: Es wird Liberale geben und es wird Nationalisten geben. Und ich muss sagen, dass es auf der einen Seite liberale, schlanke, Avocado-Latte-trinkende, allergenfreie, selbstzufriedene Politiker geben wird, und auf der anderen Seite werden junge Leute mit nationalistischen Sympathien stehen, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Deshalb müssen wir damit beginnen, junge Menschen zu rekrutieren – jetzt und für uns. Die Opposition wird ständig vom liberalen Zeitgeist organisiert und auf das Schlachtfeld geschickt. Sie brauchen keine Rekrutierungsbemühungen, denn die Rekrutierung geschieht automatisch. Aber unser Lager ist anders: Das nationale Lager kommt nur auf Trompetenschall heraus und kann sich nur unter einer hochgezogenen Fahne versammeln. Das gilt auch für junge Menschen. Deshalb müssen wir mutige junge Kämpfer mit nationalistischer Gesinnung finden. Wir suchen nach mutigen jungen Kämpfern mit nationalem Geist.
Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.
Übersetzt aus dem englischen Transskript. Quelle
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