Die Trinität im Werk Rudolf Steiners – ein Aphorismus

Zuletzt aktualisiert am 24. Juli 2024.

Die Trinität im Werk Rudolf Steiners

Trinität. Jeronimo Cosida, 1570.

Der Trinität kommt im Werk Rudolf Steiners eine zentrale Bedeutung zu. Eine einigermaßen angemessene Behandlung der Rolle, welche die Trinität – oder allgemeiner – das Trinitarische in diesem Werk spielt, kann sich nicht darauf beschränken, lediglich die expliziten, an der Oberfläche des überlieferten Textkorpus liegenden Behandlungen der Trinität zu berücksichtigen. Sie muss vielmehr die gedanklichen Tiefenschichten des Werkes, dieses sich in der Lebenszeit Rudolf Steiners entfaltenden Ideenorganismus, berücksichtigen.

Eine empathische Hermeneutik – die einzige, die ihren Namen verdient –, die sich um Tiefenanalyse bemüht, wird sehr schnell entdecken, dass die Trinität oder das Trinitarische bei Steiner nicht nur dort eine beträchtliche Rolle spielt, wo er sich mit den Traditionsbeständen der abendländischen Philosophie, der Religions- oder Theologiegeschichte auseinandersetzt, sondern dass vielmehr sein gesamtes Werk von einer trinitarischen Struktur durchdrungen ist.

Beginnt der Hermeneutiker erst einmal nach dem Trinitarischen im Werk Steiners zu suchen, dann tritt es ihm überall als strukturbildendes Prinzip, als gedankengenerierende Kraft, als sich selbst offenbarende Urstruktur der Gedankengestaltung entgegen. Trinitarisches ist im Lebenswerk Steiners omnipräsent.

Das Lebenswerk selbst gliedert sich trinitarisch: Der philosophischen Grundlagenarbeit vor der Jahrhundertwende steht die mystische Vertiefung der Gedankenerfahrung in den beiden ersten Jahrsiebten des 20. Jahrhunderts zur Seite, für welche die Mysterien des Christentums aufgehen, die sich während und nach dem Ersten Weltkrieg um die handlungsorientierenden Praxisentwürfe für verschiedene Lebensbereiche erweitert.

Anthroposophie als Gedankenbild des Weltzusammenhangs, wie es von Steiner konzipiert wurde, bewegt sich, anthropologisch gesprochen, vor der Jahrhundertwende vornehmlich im Leben des Denkens, ergreift nach der Jahrhundertwende die Gefühlswelt ihres Schöpfers und dringt in der dritten Phase ihrer Entwicklung bis in dessen Willenstiefen vor. Man könnte die Entwicklung der Anthroposophie im Lebenswerk Rudolf Steiners daher abstrakt als eine sich inkarnierende Selbstoffenbarung einer ideellen Struktur bezeichnen, wobei diese Selbstoffenbarung nur durch die Tätigkeit ihres Hervorbringers zu Tage treten konnte. Allerdings wird ein genauerer Blick sehr bald erkennen, dass es sich bei dieser Anthroposophie nicht bloß um eine »ideelle Struktur« handelt.

Verfällt man als aufgeklärter Hermeneut nicht der Suggestion eines wirklichkeitsblinden Verstandes, wird man nicht umhin können, dieser Struktur eine vorgedankliche Realitätsform zuzubilligen, die zwar vom Denken ergriffen wird, die aber zugleich im Denken lediglich eine Form ihres Erscheinens annimmt. Die geistigen Tiefenkräfte, die sich in der Konfiguration des trinitarisch strukturierten Denkens manifestieren, sind die schöpferischen Quellkräfte der Wirklichkeit, aus der der denkende Mensch, aus der der ganze Kosmos hervorgeht. Die Welt ist in ihren Tiefen trinitarisch strukturiert, weil der schöpferische geistige Quellgrund, aus dem sie entspringt, die göttliche Trinität ist.

Diese Einsicht, von der bereits das philosophische Denken Steiners Zeugnis ablegt, wird in der anthroposophischen Wiedergeburt des Mythos um die von der Aufklärung ausgegrenzten Wirklichkeitsschichten bereichert, die nicht nur zur Realität des Geistes zurückführt, sondern auch ein dem aufgeklärten Bewusstsein angemessenes Verständnis der traditionellen religiösen Wahrheiten erschließt.

Die trinitarische Urformel der Welt: das Hervorgehen des Kosmos aus dem väterlichen Weltengrund, sein Vergehen und seine Auferstehung in Christus und seine menschenförmige Restitution aus dem Heiligen Geist, ist nicht nur eine uralt-christliche Wahrheit, sondern auch der tiefste Gehalt der anthroposophischen Welterkenntnis.

Während das philosophische Denken Steiners um die wirklichkeitskonstitutive Bedeutung des menschlichen Erkennens, um die Rolle, die das Ich dabei spielt und um die Grundlegung der Ethik durch die individuelle moralische Phantasie kreist, wird für die Phase der mystischen Vertiefung Christus zum Zentrum des kosmischen Geschehens und zum Mittelpunkt der Geschichte, schließlich umkreisen die lebenspraktischen Entwürfe der dritten Phase der Entfaltung von Anthroposophie die Menschwerdung des Kosmos durch das vom Christusgeist durchdrungene menschliche Handeln, das vom Hl. Geist inspiriert wird, der das menschliche Leben erneuert. Christus, der Sender des Geistes, so zeigt sich nun auch in der Sphäre der Lebenspraxis, ist das Geheimnis der menschlichen Freiheit und der menschlichen Liebe. Ohne Christus, ohne die mystische Einung der Menschheit im gegenwärtigen Christus, dem realen Archetypus des freien, liebestätigen Menschen, keine Zukunft der Menschheit auf Erden.

Steiner, der in der Zeit vor der Jahrhundertwende in die abendländischen Gedankendiskurse eintaucht, formt aus diesen einen philosophischen Entwurf, der Platz für das verdrängte Göttliche in einer säkularisierten Welt schafft, bemüht sich für die empirische Durchdringung des wirklichkeitskonstitutiven Geistes durch die Entwicklung der mythischen Symbolsprache der Anthroposophie nach der Jahrhundertwende um eine ihr angemessene Ausdrucksform, und beginnt in seiner letzten Lebensphase, eine Bewegung zu begründen, die die Welt aus Erkenntnis verändern soll, die den Ausblick auf die von Paulus verheißene Apokatastasis, die Wiederherstellung aller Dinge in Gott, durch die entscheidende Mitwirkung des Menschen eröffnet.

Die trinitarische Urstruktur, die im Denken und im Werk Steiners omnipräsent ist, könnte bis in die philologische, semantische und gedankenkompositorische Gestalt seiner einzelnen Schriften nachgewiesen werden.

Wenigstens aphoristisch seien hier einige Aspekte der impliziten trinitarischen Struktur des Lebenswerks beleuchtet. Bereits in seinen philosophischen Arbeiten scheint das Trinitarische auf: seine »Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften« und die »Grundlinien einer Erkenntnistheorie« zeichnen die der Natur eingeborene Schöpfungsweisheit nach und eröffnen einen Ausblick auf das in ihr aufgehende gott-menschliche Schöpfungswerk.

Der Weltengrund hat sich in die Welt vollständig ausgegossen. Die höchste Form, in der er in der Schöpfung in Erscheinung tritt, ist das Denken und mit ihm die menschliche Persönlichkeit. Hat der Weltengrund Ziele, sind sie identisch mit den Zielen, die sich der Mensch setzt. Der Mensch ist das höchste Geschöpf der Gott-Natur und er ist berufen, ihr Werk als erkennender und handelnder Mensch zu vollenden. Die Schöpfung wäre nicht abgeschlossen ohne das menschliche Erkennen. Der Mensch ist das Bewusstsein der Welt, in dem sie zu sich selbst kommt. Er ist aber auch, als Träger des individualisierten schöpferischen Seinsgrundes, der Ursprungsort einer höheren Form der Welt, die aus ihm entsteht und in Kunst und Wissenschaft sowie in seinem sittlichen Handeln Gestalt annimmt.

Wenn die »Grundlinien einer Erkenntnistheorie« von 1886 die Erfahrung und die »höhere Erfahrung in der Erfahrung« unterscheiden, dann legen sie der erkenntnistheoretischen Weltinterpretation jene Dualität zugrunde, die Steiner später in tiefere Schichten des Seins und der Geschichte verfolgen wird.

Die Gesamtheit dessen, was unserer Erfahrung gegeben ist, ist aus dem väterlichen Weltengrund hervorgegangen bzw. geht aus dem väterlichen Weltengrund hervor. Er hat sich vollständig in die Welt ausgegossen bzw. gießt sich in einer creatio continua unablässig in sie aus. In unterschiedlichen Formen strömt das sich ausgießende göttliche Leben in den Gestalten der verschiedenen Naturreiche fort. Aus der Fülle dieses Ausgegossenen aber erhebt sich ein Tätiges, das sich selbst hervorbringt: das denkende Bewusstsein, das menschliche Ich, das sich zum gegebenen Weltinhalt zurückbeugt und ihn erkennend mit der seinem Denken einwohnenden Liebe durchdringt.

In der Sprache der Philosophie spricht Steiner, wenn er über die höhere Erfahrung in der Erfahrung redet, von jener Selbsterweckung, die ein Ausdruck der Gegenwart des Hl. Geistes in der Seele ist. Das tätige Hervorbringen des geistigen Weltinhaltes durch das Erkennen lässt das Gegebene in einer höheren Form erscheinen: beleuchtet vom Licht des erkennenden Menschengeistes erscheint die gegebene Welt logosförmig. »In der Idee erkennen wir dasjenige, woraus wir alles andere herleiten müssen: das Prinzip der Dinge. Was die Philosophen das Absolute, das ewige Sein, den Weltengrund, was die Religionen Gott nennen, das nennen wir, auf Grund unserer erkenntnistheoretischen Erörterungen: die Idee. Alles, was in der Welt nicht unmittelbar als Idee erscheint, wird zuletzt doch als aus ihr hervorgehend erkannt«, schreibt Steiner 1887.[1]

Das Gegebene ist aus dem Vater durch den Logos (die Idee der Ideen) hervorgegangen und die ihm eingeprägte Logosförmigkeit kann vom menschlichen Erkennen ergriffen werden. »In dem ›Logos‹«, so Steiner gegen Ende seines Lebens in seiner Autobiografie, »lebt die Menschenseele; wie lebt die Außenwelt in diesem Logos: das ist schon die Grundfrage meiner ›Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung‹«[2]

Das tätig hervorbringende Organ des Geistes, das in der Seele des Menschen erwacht, ist aber nicht nur der Quell der Erkenntnis, sondern auch der Quell der menschlichen Moralität. Der Geist des Menschen, der sich über das bloß Gegebene erhebt, indem er die Logosförmigkeit der Welt erkennt, bringt aus sich selbst auch die Welt der moralischen Ideale, der sittlichen Antriebe hervor, die ureigensten Schöpfungen seines Geistes, die Motive seines autonomen Handelns.

Ebenso wie der erkennende Mensch sich in wiedererkennender Liebe in die vestigia dei – die Spuren Gottes in der Schöpfung – versenkt, verbindet er sich in Liebe handelnd mit der Welt und lässt aus seiner Freiheit einen neuen Kosmos hervorgehen, in dem die Natur in menschenförmiger Gestalt, durchsetzt und durchwoben von der individuellen Moralität des Menschen, aufersteht. So führt ihn der Geist im Erkennen durch den Sohn zum Vater und er führt ihn im Handeln ebenfalls durch den Sohn zum Vater.

In »Wahrheit und Wissenschaft« wird die höchste Leistung des Ich in das Erkennen, die Synthese von Wahrnehmung und Begriff, gesetzt, das die Wirklichkeit konstituiert und aus dem der moralische Inhalt der Welt hervorgeht.

Zurückgewiesen wird die Ohnmachtserklärung Kants, die dem menschlichen Erkennen die Wirklichkeit entzog und den Grund legte für die voluntaristischen Nihilismen des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Agnostizismus, so Steiner später, ist der Verderber echten Menschentums.

Zurückgewiesen wird aber auch Fichtes Subjektivismus, der zwar das die Wirklichkeit generierende Ich wieder in sein Recht setzte, es aber mit seiner erkenntnisblinden Selbstermächtigung zugleich außerhalb des Wirklichkeitszusammenhangs versetzte.

Die »Philosophie der Freiheit« lässt die Wirklichkeit aus dem Zusammenfluss der beiden Weltkomponenten Wahrnehmung und Begriff hervorgehen, die vom erkennenden Ich tätig in Zusammenhang gebracht werden und verflüssigt zugleich diese Wirklichkeit, indem sie sie an die sich im erkannten Weltzusammenhang entfaltende Individualität bindet. Der Welthorizont wandelt sich mit dem Ich, das sich im Erkennen der Welt in diese einlebt und die Erkenntnis ist ein wirklichkeitschöpferischer Prozess, in dem sich nicht nur die Individualität hervorbringt, sondern auch die Welt.

Die trinitarische Struktur des Erkennens wird als Synthese von Begriff und Wahrnehmung in der Vorstellung aufgewiesen. Aber nicht nur das Erkennen des Menschen ist trinitarisch strukturiert, auch sein Handeln ist es. Hier wirken moralische Intuition und moralische Technik zusammen, um in der situationsgerechten moralischen Phantasie, die sich der flüssigen geschichtlichen und sozialen Wirklichkeit anverwandelt, der Zeit die Freiheitsgestalt der Individualität einzuprägen.

Während der Mensch in seinem Erkennen die ihm vorausgehende Wirklichkeit nachschöpft, bringt er in seinem Handeln eine neue Wirklichkeit hervor, die ohne ihn ebensowenig da wäre, wie die Erkenntnis. Aber in seinem Handeln gestaltet er die Welt, die soziale und geschichtliche Wirklichkeit, aus seinen moralischen Intuitionen, und versöhnt auf diese Weise die natürliche mit der geistigen Ordnung des Kosmos. Der aus Erkenntnis handelnde Mensch selbst ist der Ort der Versöhnung, seine Phantasie ist der Ursprung sozialer Ordnungen und geschichtlicher Tatsachen, in denen sich seine stets weiterschreitende individuelle Kreativität abbildet. Die vollständige Durchdringung der Erscheinungswelt mit der moralischen Intuition ist die Sinnbestimmung menschlichen Handelns. Im so verstandenen moralischen Handeln nimmt die geschichtliche Welt erst eine freiheitsförmige, menschenwürdige Gestalt an.

Steiners philosophisches Grundlagenwerk ist ein Abbild der trinitarischen Urstruktur. In ihm sind bereits die »Kernpunkte der sozialen Frage« angelegt. Seine Goetheschriften sind auf die aus dem Vatergrund hervorgehende Gestalt der Welt hinorientiert, »Wahrheit und Wissenschaft« bildet die Mitte, in der sich sein Denken um Ausgleich bemüht zwischen dem vatergöttlich Gegebenen, das im menschlichen Erkennen verschwindet, um als erkannte Wirklichkeit sohnhaft hervorgebracht wiederzuerstehen und die »Philosophie der Freiheit« wendet sich in ihrem zweiten, ethischen Hauptteil der Umgestaltung der Welt durch das menschliche Handeln zu, das aus der heiligenden und heilenden Kraft der moralischen Intuitionen erfließt: »Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.«[3] Aber auch des Erkennens treibende Kraft ist die Liebe, denn sie öffnet das Auge für die individuellen Signaturen der Dinge[4], sie ist, wie Steiner in einem Zusatz zur »Philosophie der Freiheit« 1918 verdeutlicht, die Kraft, die das Denken zur Erkenntnis führt: »das Denken ist von einer lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit« erfüllt. »Dieses Untertauchen geschieht mit einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft, welche Kraft der Liebe in geistiger Art ist.«[5]

Die vier Schriften, die um die Jahrhundertwende entstehen, spiegeln eine biographische Krisis und ihre Lösung wieder. Die Goethe- (1895) und die Nietzschekrisis (1897), die in der »Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens« (1901) und im »Christentum als mystische Tatsache« (1902) einer Katharsis zugeführt werden: die von Goethe repräsentierte Krisis im »Christentum«, die in Nietzsche historisch gewordene Krisis der Geistesgeschichte in der »Mystik«. Goethe und Nietzsche stellen die Fragen, »Mystik« und »Christentum« geben die Antworten. Die Erkenntnisfragen, im Denken aufgeworfen, finden aus den Tiefen des Gefühls, des seelischen Erlebens, aus denen das Wort, der Logos, aufsteigt, eine Antwort. Goethe stellt die Frage nach dem Ort des Menschen in der Weltmetamorphose, die von der Wiedergeburt Christi in der Menschenseele beantwortet wird. Nietzsche stellt die Frage nach der Vollendbarkeit des Menschen, die allein durch die mystische Erweckung des höheren Menschen eine Antwort findet.

In der »Mystik« wird der Übermensch Nietzsches in durchchristeter Form wiedergeboren. Es ist die christliche Mystik im Aufgang des neuzeitlichen Geisteslebens, mit der Steiner sich in diesem Buch beschäftigt. Jene Mystik, die in der Nachfolge Christi nach einer theosis, einer Vergöttlichung des Menschen, strebte. Die höhere Form des Menschen, nach der Nietzsche als Repräsentant und zugleich Kritiker seiner Zeit Sehnsucht empfand, die er aber nicht zu denken vermochte, weil ihm die Anschauung des sittlich produktiven, ideellen Wesens des Menschen fehlte, sie nimmt in der mystischen Selbsterkenntnis jene Gestalt an, die in allem ein Gegenbild von Nietzsches Übermensch ist. Nicht in der grenzenlosen Steigerung der Naturinstinkte, sondern im Ersterben des Naturinstinkts und in seiner geistigen Wiederauferstehung wird der Übermensch geboren. Das »Niedere in den Trieben und Leidenschaften« muss vernichtet werden, damit diese auf einer höheren Stufe wiedergeboren werden können, wie Steiner später in der »Geheimwissenschaft im Umriß« die Bedeutung des Rosenkreuzes erläutert. Es ist die moralische Phantasie, die in Nietzsches Menschenbild fehlt.

Diese moralische Phantasie ist die Rose im Kreuz der Gegenwart. Wird Nietzsches Denken über den Menschen zu Ende gedacht, muss es in der Entdeckung seines moralischen Phantasievermögens münden. Der Begriff der moralischen Phantasie muss Nietzsches Menschenbild notwendig eingefügt werden, sonst bleibt der Mensch ein höheres Tier, eine intelligente Bestie, die lediglich dem ihr eingeborenen Trieb zur Macht folgt. Der Übermensch Nietzsches hat sich zwar von der moralischen Konvention, vom gesellschaftlich normierten Guten und Wahren befreit, wenn er sich aber nicht zum geistigen Quell der Moralität erhebt, bleibt er ein Sklave seiner Instinkte. Weil Nietzsche die innere Differenzierung des seelischen Lebens nicht zu erfassen vermochte und das Leben des Geistes in der Seele als bloßen Ausfluss des Organismus verstand, blieb ihm auch die Bedeutung des Handelns aus selbstgeschöpften Motiven verschlossen. Nietzsches Übermensch ist ein sozialdarwinistischer Mythos, eine verzerrte Karikatur des höheren Menschen, der durch die Betätigung des moralischen Intuitionsvermögens, durch Selbsterziehung heranwächst. Nur wenn der Mensch den in ihm liegenden »Umbildungsstoff« ergreift (»Philosophie der Freiheit«) und sich aus eigener Kraft der moralischen Intuition der Freiheit gemäß formt, wird er zum Übermenschen, oder besser, zum höheren Menschen. So Steiner 1897 in seinem Nietzschebuch.

Die »Mystik« antwortet auf den objektiven Mangel in Nietzsches Denken 1901 mit der Beschreibung der Erweckung des »höheren Ich« durch Selbsterkenntnis: »Erwecke ich mein eigenes Selbst, nehme ich den Inhalt meines Innern wahr, dann erwecke ich auch zu einem höheren Dasein, was ich von außen in mein Wesen eingegliedert habe … Mit der Erweckung meines Selbst vollzieht sich eine geistige Wiedergeburt der Dinge in der Welt. Was die Dinge in dieser Wiedergeburt zeigen, das ist ihnen vorher nicht eigen.«[6]

Die Erweckung des geistigen Selbst in der Seele führt zu einer geistigen Wiedergeburt der außermenschlichen, aber auch menschlichen Natur im Menschen. Die ganze Welt offenbart sich in seinem Inneren. Sie ersteht in geistiger Gestalt wieder und erscheint als Zusammenhang, an dem auch das erweckte Ich Anteil hat. Die Erkenntnis des Weltzusammenhangs wird aus der Selbsterkenntnis geboren. Das erkennende Individuum nimmt am geistigen Weltzusammenhang teil, denn in ihm lebt dieser Weltzusammenhang auf, der seine Individualität übergreift und sie mit der Totalität des Weltganzen zusammenschließt. »Wer die Dinge in solcher Art erkennt, der verwandelt sich in sich selbst; denn sein einzelnes Ich wird in solchen Augenblicken aufgesogen von dem All-Ich …«[7] »Als geistiger Inhalt kommt der innerste Kern der Welt in der Selbsterkenntnis zum Leben. Das Erlebnis der Selbsterkenntnis bedeutet für den Menschen Weben und Wirken innerhalb des Weltenkernes. Wer von Selbsterkenntnis durchdrungen ist, vollzieht … auch sein eigenes Handeln im Lichte der Selbsterkenntnis.«[8] »Die Gesetzmäßigkeit, die Motive des Wollens herrschen nun nicht mehr über den Wollenden, sondern sind ein und dasselbe mit diesem Wollen. Die Gesetze seines Handelns mit dem Lichte der Selbstbeobachtung beleuchten, heißt, allen Zwang der Motive überwinden. Dadurch versetzt sich das Wollen in das Gebiet der Freiheit … Nur das in jedem seiner Teile von Selbstbeobachtung durchglühte Handeln ist ein freies. Und weil die Selbstbeobachtung das individuelle Ich hinaufhebt zum allgemeinen Ich, so ist das freie Handeln das aus dem All-Ich fließende.«[9]

Im Christentum als »mystischer Tatsache« findet die Frage nach dem Ort des Menschen in der gottgeschaffenen Natur eine Antwort, die Goethe nicht geben konnte, weil ihm das höchste Erlebnis, dessen der Mensch fähig ist, fehlte: die Anschauung des Denkens.

1895 schreibt Steiner in seinem Goethebuch: »Goethe … hat nie hinter die Kulissen des Daseins geschaut und deshalb die Idee des Weltgeschehens in dessen ureigenster Gestalt, in seiner höchsten Metamorphose nie in sein Bewusstsein aufgenommen. Sobald der Mensch zur Anschauung dieser Metamorphose gelangt, bewegt er sich sicher im Reich der Dinge. … Weil Goethe das innerste menschliche Erlebnis nicht kannte, war es ihm unmöglich, zu den letzten Gedanken über die sittliche Weltordnung zu gelangen, die zu seiner Naturanschauung notwendig gehören. … Wer zu erleben imstande ist, wie in der Anschauung der Ideenwelt das Ideelle sich selbst zum Inhalt wird, sich mit sich selbst erfüllt, der ist auch in der Lage die Produktion des Sittlichen innerhalb der menschlichen Natur zu erleben.«[10]

Das »Christentum als mystische Tatsache« antwortet auf die Unvollendetheit des Goetheschen Geistes. Die höchste Metamorphose der Welt ist der Mensch, der den göttlichen, väterlichen Seinsgrund in sich ausgebiert. Die Welt hat aus dem Menschen ein sinnliches Wesen gemacht und ihn dann sich selbst überlassen. »Die Natur hat damit ihre Sendung erfüllt. Was sie selbst mit ihren Kräften vermag, ist erschöpft. Aber nicht sind diese Kräfte selbst erschöpft. Sie liegen wie verzaubert in dem rein natürlichen Menschen und harren ihrer Erlösung. Sie können sich nicht selbst erlösen; sie verschwinden in Nichts, wenn der Mensch sie nun nicht ergreift und weiter entwickelt.«[11] »Der Mensch fühlt, dass in ihm etwas aufleuchtet, was alles geschaffen, mit Einschluss seiner selbst … Es ist in ihm, es war vor ihm und wird nach ihm sein … Er darf sich sagen: ich habe in mir ein höheres ›Ich‹ entdeckt, aber dieses ›Ich‹ reicht hinaus über die Grenzen meines sinnlichen Werdens; es war vor meiner Geburt, es wird nach meinem Tode sein. Geschaffen hat dieses ›Ich‹ von Ewigkeit: schaffen wird es in Ewigkeit. Meine sinnliche Persönlichkeit ist ein Geschöpf dieses ›Ich‹. Aber es hat mich eingegliedert in sich; es schafft in mir; ich bin sein Teil.«[12]

Schon der vorchristliche Mysterienschüler erlebt in der Einweihung, wie seine Seele als Mutter den göttlich-geistigen Inhalt der Natur empfangen kann. Wenn sich die Menschenseele von der Geistnatur befruchten lässt, dann gebiert sie das Göttliche in sich. Gott wird im Innern der Seele geboren, wenn sie sich mit dem geistigen Gehalt der Natur erkennend vereint. Der in der Natur verborgene göttliche Gehalt, der in der Schöpfung erstorben ist, wird in der erkennenden Seele offenbar. Er gewinnt Leben in der Seele des Menschen und wandelt als lebendig gewordener Gott auf Erden.  »Der große Gott, der war, ist und sein wird; der ist er wohl nicht, aber er ist es doch in gewissem Sinne auch. Der Vater bleibt ruhig im Verborgenen, den Menschen ist der Sohn aus der eigenen Seele geboren. Die mystische Erkenntnis ist damit ein wirklicher Vorgang im Weltprozesse. Sie ist eine Geburt Gottes … Jungfräulich geboren erscheint der Sohn. Die Seele scheint unbefruchtet ihn geboren zu haben.«[13]

Während alles andere, was die Seele gebiert, von der Sinneswelt empfangen wird, ist allein der Gott-Sohn von dem »ewigen, verborgenen Vater-Gott selbst empfangen.«[14] Jesus, der einzigartige, aus dem Judentum hervorgegangene Initiierte, hat dieses Erlebnis der Mysterienschüler, das Erlebnis der Auferstehung Gottes im Seeleninnern, zu einem allgemein-menschlichen gemacht. Im Christentum sollte »das Einzelmysterium … ein universelles Mysterium werden.«[15] Demgemäß erschien den Bekennern Christi »das Kreuz auf Golgatha« als »der in eine Tatsache zusammengezogene Mysterienkult des Altertums.« Das Kreuz der alten Mysterienlehren wird im an Jesus Christus anknüpfenden religiösen Leben zum einmaligen historischen Ereignis, »das für die ganze Menschheit gelten soll. Von diesem Gesichtspunkt aus kann das Mystische im Christentum begriffen werden. Das Christentum als mystische Tatsache ist eine Entwicklungsstufe der Mysterienweisheit.«[16]

An diese vier Werke schließen sich die drei grundlegenden Schriften der Anthroposophie: »Theosophie« (1904), »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten« (1904-1905) und »Die Geheimwissenschaft im Umriß« (1910).

Die »Theosophie« entspricht den an Goethe anknüpfenden philosophischen Werken. Wie diese wendet sie sich dem ontologischen Aufbau der Wirklichkeit zu und beschreibt die Metamorphose der Welterscheinungen, nun aber, indem die geistigen Bildekräfte, die der ontologischen Ordnung zugrunde liegen, in ihrer spirituellen Realität dargestellt werden.

Die Natur gipfelt nicht nur im Menschen, sondern der Mensch selbst ist das Urbild der Schöpfung. Die ontologische Ordnung der Welt ist eine Offenbarung des Makroanthropos. Der kosmische Mensch, der in der geistigen Ordnung des Universums ausgefaltet ist, gipfelt im Hervorgang seines individuellen Abbildes im einzelnen Menschen. Die Einfaltung des Makroanthropos im individuellen Menschen ist der Sinn der Schöpfung. Aus dem mikrokosmischen Abbild des universellen Menschen geht ein neuer Kosmos hervor. Die höchste Erscheinung der Weltmetamorphose ist die geistige Selbstmetamorphose des Menschen im Gang durch die Reinkarnationen.

»Wie erlangt man …« entspricht als mittleres der im engeren Sinn anthroposophischen Werke »Wahrheit und Wissenschaft«. Dieses Buch über den Schulungsweg beschreibt die Methoden, durch die das Ich vom Geschöpf zum Schöpfer wird. Die Entgrenzung des Bewusstseins, die Steiner gegen Kant verfocht, wird hier zum prinzipiell jedem Menschen erreichbar Ergebnis der spirituellen Schulung, die darauf abzielt, in der Seele durch geregelte Schulung Erkenntnisorgane zu entwickeln. Fichtes Tathandlung wird zur moralischen Selbsterziehung, der unabdingbaren Voraussetzung für den Eintritt in jene Welten, von denen das Fichtesche Ich nur in ideellen Spekulationen zu träumen vermochte.

Die »Geheimwissenschaft im Umriß« greift den zentralen Gesichtspunkt der »Philosophie der Freiheit« auf. Die Konstitution der Wirklichkeit durch den Geist und die Entstehung einer menschenförmigen Welt aus der moralischen Intuition. Was die »Philosophie der Freiheit« die »in sich geschlossene Totalexistenz des Menschen im Universum« nannte, faltet sich in der »Geheimwissenschaft« in einem geistigen Totalbild des Kosmos auf, das die ontologischen Schichten der Wirklichkeit, die in der »Philosophie der Freiheit« als »gegeben« vorausgesetzt wurden, in ihrem Entstehen erfasst.

Der makrokosmische Mensch der »Philosophie der Freiheit«, die Totalexistenz im Universum, entäußert sich über drei Werdestufen, und erscheint auf der vierten als Ich. Dieses Ich nimmt nach und nach die ihm vorausgegangenen Entäußerungen in sich auf und gebiert sie in geistiger Form aus sich wieder neu.

Während und nach dem Krieg erscheint die Dreiheit erneut in den drei Publikationen »Vom Menschenrätsel« (1916), »Von Seelenrätseln« (1917) und in den »Kernpunkten der sozialen Frage« (1919).

»Vom Menschenrätsel« entwickelt die Anthroposophie als geistesgeschichtliche Konsequenz aus dem »Denken, Schauen und Sinnen« Mitteleuropas, »Von Seelenrätseln« greift als Werk der inspirativen Erkenntnis die Mittelstellung der Seele zwischen Geist und Körper, des Gefühls zwischen Gedanke und Wille wieder auf, die »Kernpunkte der sozialen Frage« schließlich transponieren die trinitarische Weltstruktur in die Sphäre der Intuition, des menschlichen Handelns, die soziale Wirklichkeit.

Die Totalität dieser drei Durchläufe fließt in »Mein Lebensgang« (1923-1925) zu einer Synthese in der Geschichte des Lebens einer Individualität zusammen, die aber in ihrem Narrativ um die Jahrhundertwende durch den vorzeitigen Tod des Verfassers unvollendet abbricht. In der fehlenden Vollendung des »Lebensgangs« kehrt die Krisis der Jahrhundertwende auf einer höheren Stufe wieder. Die fehlende Vollendung des »Lebensgangs« – im Doppelsinn dieses Wortes – ist aber zugleich ein metaphorischer Ausdruck für die Offenheit des Lebenswerks, das nur von den Schülern fortgeschrieben werden kann. – Doch wenden wir uns nach diesem aphoristischen Überblick der Entfaltung der Trinität im mündlichen Werk Steiners nach der Jahrhundertwende zu.

Doch wenden wir uns nach diesem aphoristischen Überblick der Entfaltung der Trinität im mündlichen Werk Steiners nach der Jahrhundertwende zu.

Der Weisheitskern in den Religionen: das theosophische Postulat

In einem öffentlichen Vortrag in Berlin, 16. November 1905, über den »Weisheitskern in den Religionen« geht Steiner auf das theosophische Gottesverständnis ein (GA 54). Allen Religionen ist ein Weisheitskern gemeinsam, weil sie aus einem gemeinsamen Quell hervorgegangen sind. Dieser Quell ist die spirituelle Erkenntnis. Geschaffen wurden sie von Weisheitslehrern, die einen unmittelbaren Einblick in die göttliche Welt besaßen. Sie sind jeweils auf bestimmte zeitliche und kulturelle Gegebenheiten zugeschnitten, der Theosoph vermag aber die gemeinsame Wurzel der verschiedenen Erscheinungsformen des Religiösen zu erkennen, weil er auf ihre ursprüngliche Quelle zurückgreift. Da sich das menschliche Bewusstsein und die menschlichen Erkenntnisfähigkeiten im Lauf der Zeit stetig verändern, verändert sich auch der menschliche Zugang zur göttlichen Welt. Obwohl die Theosophie die Quellen neu erschließt, aus der alle Religionen hervorgegangen sind, vermag auch der Theosoph das Göttliche nicht in seinen letzten Tiefen auszuschöpfen. »So wenig wir heute schon alle Erkenntnismittel und Erkenntnisfähigkeiten zum Bewusstsein gebracht haben, ebensowenig dürfen wir sagen, dass wir heute eine umfassende oder abschließende Erkenntnis des göttlichen Urgrundes der Welt haben können.« Die Zukunft wird aufgrund der Erweiterung der menschlichen Erkenntnisfähigkeiten auch eine Erweiterung der Gotteserkenntnis bringen, aber die dem Menschen gestellte Aufgabe ist nur durch immerwährendes Bemühen zu lösen. So ist von der Zukunft zu erwarten, dass der Gottesbegriff eine immer erhabenere und großartigere Gestalt annehmen wird: »wir können sagen, dass wir in ihm leben, weben und sind, dass aber die Erkenntnis von ihm niemals abgeschlossen sein kann.«[17]

Steiner geht auf die atlantische Taoreligion, die indischen Rishis, Hermes, Zarathustra, Pythagoras, Jesus und die alte chinesische Religion ein. »Das Tao drückte schon vor Jahrtausenden für einen großen Teil der Menschheit das Höchste aus, zu dem die Menschen aufsehen konnten … das Höchste, was der Mensch keimhaft in sich trägt und was einst als reife Blume aus der innersten menschlichen Natur sich entwickeln wird.«[18] In der alten Taoreligion empfand sich der Mensch als Hülle des Göttlichen. Er empfand einen göttlichen Kern in sich, den sein äußeres Wesen umschloss. Mit dieser Empfindung verbunden war das Bewußtsein der Reinkarnation. Im alten Indien sprachen die Rishis von einem einheitlichen Weltengrund, den sie als Brahma oder Parabrahman bezeichneten. Ihre Anschauungen haben sich noch im sehr viel später entstandenen Vedanta niedergeschlagen. Ein Mythos berichtet davon, wie sich einst die geistigen Heerscharen um dieses Urwesen versammelten und nach seinem Namen fragten. Dieses antwortete, es wäre nicht das Wesen, das es sei, wenn es sich durch etwas anderes als durch sich selbst bezeichnen könnte. »Ich habe keinen Namen, der über mir steht, Ich bin der Ich-Bin.«[19] Das Urwesen ist nach der Darstellung Steiners das Ich-Bin. Es ist der Urquell, von dem der Mensch ausgegangen ist und das Ziel, zu dem er hinstreben soll. Zwischen Anfang und Ziel liegt die Entwicklung des Menschen. Das indische Verständnis des Veda, des Wortes, deutet Steiner so, dass diesem Wort ein weltschöpferisches Wirken zugesprochen wurde. Das Wort hat einst die göttliche Urseele der Menschheit aus sich heraus gesprochen und die Dinge wurden durch dieses Wort erschaffen. Die Urseele hat die Namen gesprochen und nach dem Wort haben sich die Dinge gebildet. »So gab es in den alten Zeiten eine Urseele, welche die Worte der Schöpfung aussprach. Die Worte wurden zu Dingen und die menschliche Seele fand hinterher die Worte aus den Dingen heraus, die die Gottheit hineingelegt hatte.«[20]

In der urpersischen Epoche begann dieses Bewusstsein allmählich abzudunkeln. Während die alte atlantische Taoreligion den Zusammenhang mit dem Urquell noch lebendig empfand und der Brahmane versuchte, das Brahman in sich aufzuerwecken, in dem sich das Göttliche der äußeren Welt und das Göttliche in der Seele als wesensgleich erwiesen, begann der Mensch in der persischen Zeit eine Dualität zwischen Schöpfer und Geschöpf zu empfinden. Noch blickte der Perser zum Urgrund auf, aus dem alles hervorgegangen war, noch blickte er zum Wort, das den Kosmos geschaffen hatte, auf, aber er empfand, dass etwas in dieser Schöpfung nicht mit den göttlichen Absichten übereinstimmte. Die Ureinheit war entzweit, der Dualismus, der Antagonismus in der Weltauffassung entstand. In Ägypten trat zur Zweiheit ein drittes hinzu: die Sonne befruchtet die Erde und aus dieser geht neues Leben hervor. In Osiris, der Sonne wirkt der Urgrund, in Isis, der Materie, wird der Schoß vorgestellt, der von ihr befruchtet wird und in Horus das aus der Vermählung beider entsprossende Leben. Die in Ägypten entstandene Dreiheit wird zum Grundkern aller späteren Religionsbekenntnisse.[21] Sie tritt als Dreieinigkeit von Vater, Wort und Hl. Geist, in theosophischer Terminologie als Atma, Buddhi und Manas auf. Der Mensch wurde im religiösen Leben nunmehr als Abbild der göttlichen Dreiheit empfunden. »Wenn wir in der Zukunft einer größeren Vollkommenheit entgegengereift sein werden, dann wird jene Kraft, der wir unser Dasein verdanken und die heute als verborgener Urgrund des Seins in uns wirkt, gestaltend herausgetreten sein. Das empfand man als das Göttliche, das Unaussprechliche des Menschen, das dem ersten Wesensbestandteil der dreigliedrigen Welt gleich ist. Und dann empfand man das, was jetzt im Menschen lebt, was nach diesem Höchsten strebt, als das in der Gegenwart wirkende Wort, den Sohn, der entstanden ist aus dem Vater, der unaussprechlich in ihm ruht. Aus dem Vater ist hervorgegangen der Sohnesmensch. So wahr dieser Vatergrund den zukünftigen, vollkommenen Menschen gestaltet, so wahr hat er den sich entwickelnden Sohnesmenschen geschaffen, die Buddhi, das zweite menschliche Wesensglied, das noch nicht vollkommen ist, aber der Grund ist, dass wir der Vollkommenheit zustreben.«[22] Der Mensch und das Universum sind aus dem »Allwelten-Urgrund« hervorgegangen. Diesen Urgrund kann man – »auch im christlichen Sinn« – als Geist bezeichnen. Aber die Welt ist noch nicht zu Ende geschaffen, sie entwickelt sich weiter, nicht zuletzt durch den Menschen. Diese sich weiter entwickelnde Schöpfung ist der Sohn. Aus dem im Menschen wirkenden Wort geht eine neue Gestalt der Welt hervor: der »Vatergrund alles Seins«.

Die Schöpfung geht also nach Steiners Auffassung aus dem Geistgrund der Welt hervor, dieser wirkt im Inneren des Menschen in Gestalt des Sohnes und die aus dem im Menschen fortwirkenden Göttlichen entstehende künftige Welt ist der offenbar werdende Vater, zu dem alles Entstandene dereinst zurückkehrt. Die drei Personen der Trinität sind die drei Masken (prosopa) des erscheinenden Gottes. Im Evangelium des Johannes, dem »tiefsten Evangelium«, tritt dieses Bewusstsein von der dreigestaltigen, erscheinenden Gottheit deutlich zutage. Der fleischgewordene Logos ist die inkarnierte Gottheit, die gegenwärtige Gottheit, die in Brüderlichkeit mit den zwei anderen Formen der Gottheit lebt: dem aus der Vergangenheit stammenden, in der Gegenwart wirkenden Geist und dem in die Zukunft hinein schaffenden Vater. Der Sohn ist vom Vater ausgegangen, er ist zugleich mit dem Geist verbunden und er ist die Vorherverkündigung des offenbar werdenden Vaters. Deswegen heißt es im Johannesevangelium auch: »Niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Deswegen verheißt es aber auch das Kommen des Geistes, verheißt es schließlich die Wiederkunft des Sohnes in den Worten: »Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.« Damit deutet der fleischgewordene Logos auf künftige Gestalten der Gotteserkenntnis, der Gottesmanifestation, zu denen sich die Gegenwart aufschwingen muss. Das Christentum als Religion des Sohnes sollte die Menschheit auf die Zukunft vorbereiten, in der man den Vater wieder finden wird. Die Religionen sind in der Vergangenheit entstandene Formen des Gottesverständnisses, sie werden in der Zukunft abgelöst durch das in der Welt weiterwirkende Göttliche, das neue Formen der Erkenntnis seines Wesens aus sich hervortreiben wird. Auf diesem Weg zu einer neuen Form der Gotteserkenntnis befindet sich auch die Theosophie.

Die Trinität in der Menschheitsevolution

In einem Kölner Mitgliedervortrag am 8. März 1907 wandelt Steiner diese dynamische Auffassung des trinitarischen Weltprozesses, in dem sich Schöpfung, Selbsthingabe und Selbstbewusstwerdung der Gottheit im Menschen und des Menschen in Gott verschlingen, etwas ab (GA 97).

Der Vortrag über die »Verheißung des Geistes der Wahrheit« geht mit dem Johannesevangelium frei interpretierend um. Einst hat die Gottheit all ihr Leben durch ein großes Opfer in von ihr selbst erzeugte Spiegelbilder ausgegossen. Der Weltprozess zielt darauf ab, dass diese von der Schöpfergottheit belebten Spiegelbilder am Ende das tiefste Geheimnis ihres Wesens aussprechen können: »Ich und der Vater sind eins.« In der frühen Zeit der Erdentwicklung waren die beiden Seiten des Menschenwesens, seine leibliche und seine seelisch-geistige Natur, noch vereinigt. Sie waren beide im Gottesschoß geborgen.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt begannen sie sich getrennt voneinander zu entwickeln: in einer unteren Entwicklungsströmung der Leib des Menschen und in einer oberen dessen Geistseele. Der Leib musste erst eine Form annehmen, die die göttliche Seele des Menschen in sich aufzunehmen vermochte. Der gemeinsame Urgrund von Seele und Leib, bevor sie in getrennte Entwicklungslinien auseinandertraten, wird von Steiner als Vatergeist bezeichnet. Der göttliche Geist, der in der Evolution der Leiblichkeit des Menschen waltete, als Sohnesgeist. Der Geist, der die Entwicklung der Menschenseele bewirkte, bevor sie sich mit dem Leib verband, als Heiliger Geist.

Als die Menschenseele sich – in der lemurischen Zeit – das erste Mal mit dem Leib verband, war dies zugleich eine erste Ausgießung des Geistes, wenn auch eine für den Menschen unbewusste. Auf diese Ausgießung verweisen die Worte der Genesis: »Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein und er ward eine lebendige Seele.«

Zu einer zweiten Ausgießung des Geistes kam es in der Mitte der atlantischen Zeit, als sich die Menschheit die Fähigkeit des Denkens anzueignen begann. Das traumhafte schauende Bewusstsein des Lemuriers wurde vom denkenden Bewusstsein des Atlantiers verdrängt. Das »Ich« begann im Inneren des Menschen zu arbeiten, die Lungenatmung und die Warmblütigkeit entwickelten sich im gleichen Zeitraum. Noch die »Germania« des Tacitus und die ersten Bücher des Alten Testamentes zeugen von einer Lebensform, in welcher das einzelne Individuum in die blutsverwandte Gruppe eingebettet war: eine Spätform des atlantischen Bewusstseins. Die Nahehe innerhalb der Stammesgruppen (Endogamie) war mit dem Ahnengedächtnis verbunden, das einzelne Ich in das Kollektivgedächtnis eingebunden. Die Erinnerung reichte Generationen unter Stammesverwandten zurück. Ein Gruppen-Ich lebte im Stamm, in das die einzelnen Angehörigen eingebettet waren. Auch die Blutrache ist Ausdruck des gemeinsamen Stammesbewusstseins: die Verletzung eines Stammesangehörigen kommt einer Verletzung des ganzen Stammes gleich. In der Liebe der Blutsverwandten innerhalb der Stammesgemeinschaft wirkte das Sohnesprinzip.

Mit der Zeit entwickelte sich aber die Einzelseele zu immer größerer Selbständigkeit, sie trat aus dem Gruppen-Ich hervor, der Zusammenhang mit den Ahnen und den Blutsverwandten ging verloren, an die Stelle der Nahehe trat die Fernehe (Exogamie), die Generationen übergreifende Erinnerung ging verloren. Die Schrumpfung des Gedächtnisses machte auch die Schrift notwendig. Indem der Sohnesgeist auf der Erde erschien und sein Blut am Kreuz vergoss, wurde das Prinzip der Blutsverwandtschaft endgültig durchbrochen. Christus ist durch seinen Tod am Kreuz der Überwinder der auf die Blutsverwandtschaft gegründeten Gemeinschaftsformen. Die Möglichkeit eines Bruderbundes der gesamten Menschheit, der nicht auf dem Blut, sondern auf der Zuwendung der Seelen zueinander fußt, wurde durch das Opfer am Kreuz geschaffen. »Im rinnenden Blute Christi ward die Fähigkeit der Liebe errungen, welche die Blutsbruderschaft, Stamm und Volk überwindet.«[23]

Durch die Fleischwerdung des Logos, durch das Opfer des Blutes, wurde das Blut des Menschen vom Träger einer Kollektividentität (Stamm, Rasse, Volk) zum Träger der menschlichen Individualität, des Ich. Der Einzelne kann nun einen Zusammenhang mit allen Menschen finden. Nicht nur Bruder und Schwester, sondern alle Menschen können einander Liebe entgegenbringen. Aber die Sprengung der tribalen Gemeinschaftsformen, die auf Blutsbanden beruhte, befreite das Individuum nicht nur vom Kollektiv, vom Gruppenegoismus des Stammes, es entfesselte auch den individuellen Egoismus. Deswegen muss zur Erlösungstat des Christus, der Befreiung des Einzel-Ich vom Kollektiv, die Befreiung des Einzel-Ich vom individuellen Egoismus treten. Das Einzel-Ich muss sich in den Dienst des Geistes der gesamten Menschheit stellen. Auch hier weist Christus den Weg, wenn er sagt, »Niemand kommt zum Vater denn durch mich« und »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.« Der Geist des Menschen muss den Weg zum Vatergeist, dem gemeinsamen Ursprung aller Menschen finden: in das einzelne Ich muss der Vatergeist einziehen. So baut sich jedes Einzel-Ich ein eigenes Haus, aber »im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.« Der Geist, in dessen Dienst sich die Menschen stellen müssen, wenn sie ihren Einzelegoismus überwinden wollen, ist der Geist der Wahrheit. Der Geist der Wahrheit ist die Weisheit, die alle Menschen zu vereinigen vermag, sie ist der heilige, heilende Geist, der die Zerklüftung, die Atomisierung der Gesellschaft zu überwinden vermag, weil er den Einzelnen von seinen Wünschen, Begierden befreit.

Die abbildliche Gegenwart der Trinität im Menschen

Neun Tage später, am 17. März 1907, hält Steiner in München einen Mitgliedervortrag über das esoterische Christentum, in dem er die theosis, die Angleichung des Menschen an Gott, in Anknüpfung an Paulus und das Johannes-Evangelium thematisiert (GA 97).

Hier tritt eine weitere Variante des Verständnisses der Trinität zutage: die Gottebenbildlichkeit des Menschen wird so verstanden, dass sich die Trinität in den vergeistigten leiblichen Wesensgliedern des Menschen abbildet. Deswegen können in einem übertragenen (metaphorischen) Sinn die vom Ich vergeistigten Wesensglieder auch mit den Namen der drei göttlichen Personen bezeichnet werden.

Im Hintergrund steht der dreistufige Weg des Dionysios Areopagita zur Vollendung, der von der Läuterung (katharsis) über die Erleuchtung (photismos) zur Einweihung, zum Schauen Gottes (epopteia) führt. Das Menschen-Ich, das sich auf den Weg der imitatio Christi begibt, vermag seinen Astralleib umzuwandeln, indem es in ihm die Begierden und Leidenschaften verwandelt. Der vom Ich umgewandelte Astralleib wird von der christlichen Esoterik als Hl. Geist bezeichnet, von der indischen Esoterik als Manas. Den vom Ich umgewandelten Teil des Ätherleibes bezeichnet die christliche Esoterik als Sohn, als »Chrestos«, den Gesalbten, die indische Esoterik nennt diesen Lebensgeist Buddhi. Der vom Ich umgewandelte physische Leib, der Geistesmensch, Atma, wird in der christlichen Esoterik als Vater bezeichnet. Der Hl. Geist ist der ewige Geist im Menschen. Der Christus der ewige Teil des Ätherleibes und der Vater das Ewige des physischen Leibes.[24]

Der vom Hl. Geist erfüllte Astralleib ist in allen Menschen gleich. Der Geist der Wahrheit kennt keine Unterschiede der Meinung, des Standpunktes, er vereint die Totalität aller möglichen Standpunkte in sich. Ist der Christos im Ätherleib erweckt, dann erlebt der Mensch auch den Zusammenhang mit allem Leben auf der Erde, er erlebt das Leben aller Lebewesen, deren Lust und Schmerz, als würden sie ihm selbst zuteil. Der Geist der Wahrheit, der das Ich des Menschen von der Last der Begierden, dem Durst nach Dasein, befreit, führt es zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit, in der alle erkennenden Bewusstseine vereint sind. Die Erweckung des Lebensgeistes durchströmt den Menschen mit einem brennenden Gefühl der liebenden und mitleidenden Verbundenheit mit aller Kreatur. Die Erweckung des Vaterbewusstseins führt ihn zum göttlichen Urgrund alles Seins zurück.

In einem besser mitgeschriebenen Vortrag über die »weltgeschichtliche Bedeutung des am Kreuze fließenden Blutes« (GA 96) am 25. März 1907 in Berlin, der dieselben Themen wie die beiden genannten Vorträge behandelt, benützt Steiner auch die Wendung: der vom Ich gereinigte Teil des Astralleibes werde im esoterischen Christentum als »der vom Hl. Geist ergriffene Teil des astralischen Leibes« bezeichnet.[25]

Man würde sich also einer irrtümlichen Deutung der betreffenden Ausführungen Steiners hingeben, wenn man behauptete, er hätte die drei Personen der göttlichen Trinität mit den geistigen Wesensgliedern des Menschen identifiziert. Es handelt sich vielmehr um einen klassisch metaphorischen Sprachgebrauch, der durch ein Vergleichbares in den bezeichneten Gegenständen vermittelt ist. Man könnte sagen, der vom Ich umgewandelte Astralleib kann deswegen Hl. Geist genannt werden, weil das Ich dem Wirken des Hl. Geistes den Weg ebnet oder weil das Ich bei der Umwandlung des Astralleibes mit dem Hl. Geist zusammenwirkt. Im Resultat offenbart sich der Hl. Geist durch den geläuterten Astralleib oder der Astralleib wird zu einem Abbild des Hl. Geistes oder dieser wohnt jenem inne. Gewiss kann man aber nicht behaupten, der Hl. Geist entstünde erst durch das Wirken des menschlichen Ich am Astralleib. Ebenso wird der Eingeweihte, in dessen Ätherleib der Sohn gegenwärtig wird, in übertragenem Sinn als Sohn, als Chrestos oder Gesalbter bezeichnet, während das Aufleuchten des Vaterbewusstseins im physischen Leib des Eingeweihten dazu berechtigt, diesen als Vater, als Abba, zu bezeichnen. Damit stimmt die etwa von Origenes vertretene Auffassung überein, Christus sei Mensch geworden, damit viele »Chrestoi«, viele Christusse aus der Menschheit erstehen könnten. Aber bereits Paulus sprach bekanntlich vom chrestos en emoi, vom Christus in mir, der durch die Aufnahme des Christusgeistes in die Menschenseele geboren werde.

Jahwe und das Ich-Bin

Eine überraschende Erweiterung der bisherigen Darstellungen enthält ein Vortrag über die »Reinigung des Blutes von der Ich-Sucht« vom 1. April 1907 in Berlin (GA 96).

Die Eingliederung des Luft- und Wärmeelementes in die Menschenvorfahren, die vom lemurischen bis in die Mitte des atlantischen Zeitraums dauerte, wird hier mit der Einhauchung des »lebendigen Odems« in Beziehung gebracht. Die Zeitepoche, von der Steiner hier spricht, umfasst, mit der Genesis gesprochen, die Geschehnisse des siebenten Schöpfungstages bis zur Erschaffung Adams aus dem Staub der Erde, also lange vor der noachidischen Flut. Das Geistig-Seelische, das aus der seelisch-geistigen Atmosphäre der Erde in den Menschen einzog, individualisierte sich immer mehr, bis der Geist anfing, aus dem Menschen zu sprechen und sich aus dem Inneren des Menschen zu rufen. Das Wort, mit dem er sich rief, lautete Jahwe.

Die Bedeutung dieses Wortes ist »Ich bin«. »Ich-bin« ist der ewige Wesenskern des Menschen, der da war, der da ist und der da sein wird. Diese erste Ausgießung der Gottheit wird, so Steiner, als »Ausgießung des Geistes«, als »Ausgießung Jahwes« bezeichnet. Sowohl die germanische als auch die hebräische Sage kennt diesen Geist als den Gott des dahinfahrenden Windes, als Sturm- oder Windgott. Diese frühe Offenbarung der Jahwegottheit schließt spätere Entwicklungsstufen des Bewusstseins dieser Gottheit nicht aus.

Aber diese erste Ausgießung des Geistes stellte nur eine erste Stufe der Individualisierung des Göttlich-Geistigen im Menschen dar. Noch fühlte sich der einzelne Mensch als Teil seiner Stammesgruppe, seiner Abstammungsgemeinschaft. Die Ausgießung des Geistes in der lemurischen Zeit war keine »einheitliche« Ausgießung. Vielmehr senkten sich viele Geister aus der Umgebung der Erde in die ätherischen Menschenleiber. Nicht eine einzige Gottheit, sondern eine Vielzahl von Volksgottheiten individualisierten sich damals im Menschen. Weil sich diese Gottheiten mit Stammeskollektiven verbanden, zerfiel die Menschheit in eine Vielzahl voneinander abgeschlossener Stämme und Völker. Mit dem Luftelement zog in die Menschenvorfahren eine Vielzahl von Gruppengeistern ein. Der Heilige Geist, der in die Menschen Einzug hielt, bestand aus vielen Geistern.

In einem übertragenen Sinn verwendet Steiner den Ausdruck Jahwe, wenn er sagt: Nicht ein Jahwe war es, der alle Menschen durch seinen Geist erfüllte, sondern viele Jahwes, viele Volksgottheiten. Erst mit der Wärme zog der einheitliche Geist der Menschheit in die einzelnen Menschen ein. Dieser einheitliche Geist der Menschheit wird in der christlichen Esoterik als Logos oder Christos bezeichnet. Die erste, mit der Eingliederung des Luftelementes verbundene Ausgießung des Geistes war die Durchtränkung der Menschheit mit Manas, mit Geistselbst. Durch die zweite Ausgießung, als das Wärmeelement in den Menschen einzog und er zusammen mit dem Blut seine Eigenwärme zu entwickeln begann, zog der kosmische Lebensgeist, Buddhi, in den Menschen ein. Seit der lemurischen Zeit durchdrang der Heilige Geist Jahwes, der vielen Jahwes, die Menschen und wirkte in ihnen. In den Jahrtausenden seit dem Einzug der Wärme in den Menschenleib begann der Christus-Geist in den Menschen zu wirken. Dieser Einzug des Christus-Geistes setzt sich bis heute fort. Erst wenn sich der ganze Christus-Geist in die Menschheit ausgegossen haben wird, wird die große Menschenbrüderschaft Realität geworden sein. Die Menschheit wird nicht mehr in Stämme, Völker und Rassen zersplittert sein, sondern sie wird sich, trotz der größten Individualisierung des Einzelnen, als Einheit, als Bruderbund empfinden. Die Gemeinschaft des Lebensgeistes, die Gemeinschaft des Christus, wird dann Wirklichkeit geworden sein.

In den Zeiten bevor »das Christus-Prinzip« in die Menschen einzog, wurde die Gotteserkenntnis in Mysterien des Geistes gepflegt. Die Mysterienschüler mussten sich langen Vorbereitungen unterziehen, bevor sie eingeweiht wurden. Sie mussten sich Wissen, vor allem aber moralische Qualitäten aneignen. Sie mussten lernen, nicht nur innerhalb der Blutsverwandtschaft zu lieben, sondern die ganze Menschheit mit ihrer Liebe zu umschließen. Die Einweihung erfolgte durch den dreitägigen Todesschlaf. Während der Ekstase wanderte die Seele des Einzuweihenden durch die himmlische Welt und erlebte, was sie früher nur als Wissen aufgenommen hatte. Die Mysterienschüler fühlten sich durch ihre Erfahrung von Gott verherrlicht. Daher die Worte des Gekreuzigten: »Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich verherrlicht.«[26]

Nach ihrer Erweckung konnten die Eingeweihten zu Verkündern des Geistes werden. Diese vorchristlichen Mysterien führten zu einer Erweckung des Lebensgeistes. Die Initiierten waren »als Äthermenschen« unsterblich geworden. Christus aber erweckte den Lebensgeist auch im physischen Leib des Jesus von Nazareth und wandelte diesen in einen unsterblichen, »unverweslichen« Geistleib um, von dem bekanntlich schon Paulus spricht (»soma epuranios«). Indem der Einheitsgeist des Christus auch den physischen Leib des Jesus durchdrang und vergeistigte, reinigte er auch dessen Blut von der »Ichsucht«. Der Geist des Christus hebt alle Kollektividentität auf, befreit das einzelne Ich aus den Banden der Herkunft und begründet zugleich jenen Menschheitsbruderbund, der um so mehr wirklich werden wird, als der fortwirkende Christus vom einzelnen Menschen in seine Seele aufgenommen wird. Natürlich geht es dabei nicht um ein Bekenntnis, sondern um die reale Umwandlung der Seele durch eine Liebeskraft, die die ganze Menschheit, die die Erde und all ihre Geschöpfe umspannt. Dieser Geist des Sohnes führt die Menschheit aber auch wieder zum Vater zurück.

Wie die Mysterien des Geistes durch Christus in die Mysterien des Sohnes übergeführt wurden, so werden aus der Verwirklichung des Christusgeistes im einzelnen Menschen die Mysterien des Vaters hervorgehen: »so werden die individuell gewordenen einzelnen Menschen wieder einheitlich werden, wenn sie, mit Aufrechterhaltung ihrer Individualität, in den großen Bruderbund eintreten und dadurch sich vorbereiten, vergöttlichte Schöpfer zu sein.«[27] Durch den Sohn geht die Menschheit wieder in den Vater ein, eine neue Erde wird aus der Menschheit hervorgehen, ein Stern, aus dem Licht und Leben hervorstrahlen wird, wir heute aus der Sonne: das »neue Jerusalem« der Johannes-Apokalypse.

Die Trinität und die himmlischen Hierarchien

Im Jahr 1909 entfaltet Steiner seine Trinitäts- und Hierarchienlehre in umfangreichen Gesamtdarstellungen. Seine in Düsseldorf gehaltenen Vorträge über »Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt« enthalten präzise Beschreibungen der hierarchischen Ordnung, die die Trinität einbeziehen (GA 110).

Die erhabene Dreiheit der Seraphim, Cherubim und Throne steht »der höchsten Göttlichkeit, von der wir überhaupt sprechen können«, der Trinität, am nächsten.[28] Zwar ist die menschliche Sprache ungeeignet, von jenen Wesenheiten und ihren Tätigkeiten zu sprechen, aber wenn man sich dieser Unangemessenheit bewusst ist, kann man sich ihrer doch in bildlicher (metaphorischer) Art bedienen. »Jenseits der Seraphim« findet sich jene dreifache Göttlichkeit, von der nahezu alle Völker sprechen, die als Brahma, Vishnu und Shiva, als Vater, Wort und Hl. Geist bekannt ist.

Der erhabenen Dreieinigkeit entspringt der »Plan« der Weltschöpfung. Das von Steiner entworfene Gedankenbild des kosmischen Werdens, das die beiden großen metaphysischen Konzeptionen Kreation und Evolution miteinander aussöhnt, führt zuletzt auf die göttliche Trinität zurück. Bevor überhaupt irgendetwas entstehen kann, muss der Gedanke der Schöpfung entstehen. Er entspringt unmittelbar aus der Trinität. Hier kann man von einer Schöpfung aus dem Nichts sprechen. Die hierarchischen Wesenheiten, die den göttlichen Schöpfungsgedanken verwirklichen, die aus dem unmittelbaren Anblick der Gottheit mit ihrem Schöpfungswerk anheben, sind eben jene Seraphim, Cherubim und Throne.

Die Seraphim sind es, die die Schöpfungsideen aus dem Urgrund der Trinität empfangen. Die Cherubim, die Geister höchster Weisheit, gestalten sie aus und die Throne beginnen damit, die hehren Weltgedanken zu verwirklichen. In der obersten hierarchischen Dreiheit repräsentieren die Seraphim das der Gottheit hingegebene anschauende Denken, die Cherubim das verinnerlichende, abwägende Gefühl und die Throne den zur Tat schreitenden Willen. Die innere Differenzierung dieser Wesensdreiheit ließe sich auch durch einen Vergleich mit der Dreiheit von moralischer Intuition, moralischer Phantasie und moralischer Technik verdeutlichen. Was sich in dieser Wesensdreiheit, in der ersten Entfaltung des dreieinen Gotteswesens auf der Stufe der Hierarchien abspielt, kann als geistiger Schöpfungsprozess bezeichnet werden. Erst wenn die Throne sich selbst zum Opfer entschließen und einen Teil ihres Wesens, ihrer Substanz ausgießen, beginnt das eigentliche Schöpfungswerk. Diese Substanz ist reiner Wille. Nun bedeutet Opfer bekanntlich nichts anderes als Verzicht, als Verneinung. Die Throne verzichten auf die allseitige Ausbreitung ihres Wesens und setzen seine Verneinung in Gestalt des geopferten Willens aus sich heraus. Damit ist aus dem Nichts der Gottheit der erste Schöpfungsinhalt hervorgegangen: die Substanz, aus der der sogenannte Alte Saturn gebildet wird, jener Raum im Nichtraum, mit dessen Erscheinen zugleich die ewige Dauer durchbrochen und die Idee der Zeit als Entwicklung, als Aufeinanderfolge von Metamorphosen der geopferten Willenssubstanz der Throne in Erscheinung tritt.

Nun treten andere hierarchische Wesenheiten hinzu und bearbeiten das Geschaffene. Aber was sich an diesen ersten Akt der Kreation anschließt, ist nicht kontinuierliche Evolution, sondern in das sich evolvierende Geschaffene greift immer wieder die Kreation ein. Metamorphose bedeutet Werden und Vergehen der Formen und – in diesem universellen Kontext der Kosmomorphose – Hervorgang des Neuen, Emergenz. Nur indem das Geschaffene und Umgeschaffene in den gestaltenden Urgeist zurückkehrt, kann es in verwandelter Form wieder Gestalt werden. So schließen sich an die Opferung des Willens die Opferung des Lebens durch die Kyriotetes, die Opferung der Seele durch die Dynamis und die Opferung des Ich durch die Exusiai. Diese vier Schöpfungsakte sind zugleich aufeinanderfolgende Gestaltwerdungen des Kosmos.

Noch einmal, am 18. April kommt Steiner in einem Abendvortrag auf die erste Hierarchie und ihr Verhältnis zur Trinität zu sprechen. Auch hier ist die Rede davon, dass diese höchste Wesensdreiheit den unmittelbaren Anblick der Gottheit genießt. Ja, Steiner betont, es sei von unendlicher Wichtigkeit zu wissen, »dass diese Wesenheiten, wenn sie entstehen, Gott anschauen, dass sie, indem sie leben, immerfort Gott anschauen.«[29] Schon in ihrem Entstehen schauen sie Gott an und ihr ganzes Leben besteht in der Anschauung Gottes. Ja, ihr Entstehen ist nichts anderes als das Entstehen der Selbstanschauung Gottes: die Seraphim schauen die Schöpfungsideen Gottes an, die Cherubim durchdringen sie mit ihrem Wesen wie göttliche Phantasievorstellungen und die Throne entfalten die ihnen innewohnende Schaffenskraft. Auch sie schauen Gott an, indem sie schaffen. Aber zugleich ist ihr Antlitz nach außen, der Schöpfung zugekehrt, der gegenüber sie sich als die wirkende Macht des unoffenbaren Urgrundes darbieten. Ihr Schaffen ist ein Anschauen der sich entfaltenden Allmacht Gottes und die Offenbarung dieser Macht. Nun der vielleicht überraschende Satz: »Was sie tun, was sie vollbringen, sie tun es aus ihrer Gottesanschauung heraus, Gott tut es durch sie[30]

Wer also schafft? Wer ist der Schöpfer des Saturn? Gott ist es. Die dreieine Gottheit wirkt durch die erste Hierarchie. Oder anders ausgedrückt: durch die erste Hierarchie offenbart sich das Schöpfungswirken Gottes – die erste Hierarchie ist die Offenbarung des göttlichen Schöpfungswirkens. In den Thronen lebt als Seraphim die Anschauung des Schöpfungsplans, in ihnen lebt die Ausgestaltung des Plans durch die Cherubim, sie selbst sind die Manifestation seiner Kraft. Die Offenbarung oder Entfaltung der unausgefalteten, der verborgenen Gottheit in der ersten Hierarchie, sie zeigt sich auch in der Charakterisierung der zweiten Hierarchie durch Steiner. Denn diese, die Wesensdreiheit der Kyriotetes, Dynamis und Exusiai, genießt nicht mehr den unmittelbaren Anblick der Gottheit. Sie schauen Gott nur noch in seinen »Offenbarungen« an, »durch sein Antlitz, seine Physiognomie«. Die erste Hierarchie ist die Offenbarung, das Antlitz Gottes, das er der zweiten Hierarchie zuwendet. In den Seraphim werden die Schöpfungsideen offenbar, in den Cherubim die Harmonie dieser Schöpfungsideen und in den Thronen der Schöpfungswille. Wenn aber die erste Hierarchie das Offenbarwerden der höchsten Gottheit ist, dann ist diese Gottheit selbst unoffenbar. Die Trinität ist die unoffenbare Gottheit, in deren ungeschautem Wesen die dreifaltige Struktur ihrer Offenbarung aber bereits angelegt sein muss. Die christliche Trinitätstheologie der ersten Jahrhunderte etwa suchte diese unoffenbare Dreiheit mit den Begriffen Sein, Leben und Bewusstsein oder esse, nosse, velle (Sein, Erkennen, Lieben) zu fassen: der Sohn ist das hypostatische Bewusstsein des Vaters von sich selbst, der Hl. Geist das hypostatische Streben des Vaters in den Sohn und des Sohnes in den Vater, die gegenseitige Liebe beider.

Im August 1910, in den Münchener Vorträgen über die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte, verweist Steiner auf einen weiteren Zusammenhang der Trinität mit der Schöpfung, auf den Zusammenhang des menschlichen Ebenbildes der Gottheit mit dem Schöpfer (GA 122).

Die Genesis handelt nach Steiners Auffassung nicht vom Uranfang des Schöpfungsgeschehens, als durch die Manifestation des sich offenbarenden Gotteswesens durch die Throne im ursprünglichen Nichtraum der Kosmos des Willens entstand. Die Genesis handelt vom Wiedererstehen der vorangegangenen Schöpfungszyklen in der kosmischen Erinnerung der Elohim, der Exusiai oder Geister der Form.

Wie die Throne die Schöpfer des physischen Leibes des Menschen, die Kyriotetes (Geister der Weisheit), die Schöpfer des menschlichen Lebens und die Dynamis (Geister der Bewegung) die Schöpfer des menschlichen Bewusstseins sind, so die Elohim oder Geister der Form die Hervorbringer des Menschen-Ich. Aus ihrem sinnenden Erinnern bringen die Elohim jenes Abbild ihres Wesens hervor, das zugleich eine Zusammenfassung des gesamten vorangegangenen Hierarchienwirkens ist. Solange Himmel und Erde, die oberen und die unteren Wasser, die Gestirne, die Pflanzen und Tiere in ihrer Artform geschaffen werden, wirken die Hierarchien unter Führung der sieben Elohim-Individualitäten zusammen. Dieses Geschehen ist metamorphosierende Rekapitulation früherer Werdestufen im Hinblick auf die Krönung, die Erschaffung des Menschen als eines Ich-Wesens. Als aber das Schöpfungswerk durch die Erschaffung des Menschen gekrönt werden soll, da erheben sich die sieben Elohim in die höchsten Weltenhöhen und nehmen etwas in sich auf, was ihnen von jenseits der Hierarchien zuteil wird. Es musste ihnen aus der Sphäre der Trinität »Hilfe kommen«.[31]

Die Elohim mussten, um den Menschen zu schaffen, über sich selbst hinauswachsen. Der Einschlag des Neuen konnte nicht aus der Wiederholung der vorangegangenen Schöpfungszyklen kommen, sondern nur aus einer Welt jenseits des Gewordenen, aus dem Urquell alles Seins. Indem sie diese Hilfe in sich aufnahmen, wuchsen sie über sich selbst hinaus und erlangten als Elohim ein höheres Bewußtsein, eine Art Einheitsbewusstsein. Aus den sieben Elohim wuchs eine »Elohimheit« hervor, die selbst wieder wesenhaft vorzustellen ist und die sich der Siebenheit der Schöpfungsgeister gegenüber verhält, wie das Ichbewusstsein den verschiedenen Seelenkräften gegenüber. Diese unter Mitwirkung aus der Sphäre der Trinität aus der Siebenheit der Elohim emporgewachsene Ichwesenheit der Elohim bezeichnet die Genesis mit dem Namen »Jahwe-Elohim«. Wie Glieder, wie Organe verhalten sich die einzelnen Elohim zu diesem zusammenfassenden, wesenhaften Bewusstsein der Elohimheit, zu Jahwe-Elohim.

Jahwe-Elohim ist der Schöpfer des Menschen. Sowohl der androgyne, ätherische Urmensch des ersten Schöpfungsberichts, der als Bild und Gleichnis der vereinten Siebenheit geschaffen wurde, als auch der aus Erdenstaub geformte Paradiesesmensch des zweiten Schöpfungsberichts, dem Jahwe den Odem einbläst, ist ein Geschöpf der Elohim-Einheit, des einheitlich gewordenen Gottes. Jahwe aber ist der Name jenes Eloa, der den Logos, die Entäußerung der Urgottheit in sich aufgenommen hat, ist der Name des Christus vor seiner Fleischwerdung. So wie der weltschöpferische Logos den Kosmos des Willens durch die Throne hervorbrachte, den Kosmos des Lebens durch die Kyriotetes und den Kosmos der Weisheit durch die Dynamis, so bringt er jetzt den Kosmos der Liebe, den Wohnort des Menschen durch die Elohim, als Jahwe-Elohim hervor, indem er von der Menschenschöpfung zur Menschwerdung fortschreitet.

Das menschliche Bewußtsein und die Trinität

In seinen Karlsruher Vorträgen »Von Jesus zu Christus« im Oktober 1911 (GA 131) greift Steiner wieder auf die seelengeschichtliche Betrachtungsweise zurück, um über die göttliche Trinität zu sprechen.

Im Eröffnungsvortrag dieser Reihe, am 5. Oktober, geht es nicht um die hierarchische Ordnung, sondern um den Menschen und das Walten der Trinität im Menschen. Im Hinblick auf den Menschen können drei Seinsschichten unterschieden werden. Das bewusste, erkennende Seelenleben, das unbewusste Seelenleben, das nach Bewusstsein strebt und der übrige Weltinhalt, – das Leben der Natur jenseits des menschlichen Bewusstseins, zu dem auch der naturhafte Teil des Menschen selbst, sein Leib gehört. In dieser Dreiheit erlebt der Mensch jene allwaltende Dreiheit, die der Welt zugrunde liegt. Das bewusste, erkennende Seelenleben bringt nun Steiner mit dem Geist in Beziehung, das unbewusste, aber nach Bewusstheit strebende Leben der Seele mit dem Sohn, dem Logos und das in der Natur und im menschlichen Leib wirkende Geistige mit dem Vaterprinzip. Diese Dreiheit spiegelt sich ansatzweise auch in der Dreiheit der menschlichen Seelenkräfte. Wirklich frei und bewusst ist der Mensch nur in seinem Vorstellen oder vorstellenden Denken. Das freie Bilden und Verknüpfen von Vorstellungen, das Bilden von Urteilen ist jener Teil des seelischen Lebens, der dem Geist zugehört.

Aber bereits das Gefühl entbehrt der Klarheit und Durchsichtigkeit des Gedankenlebens und wurzelt in den Tiefen der unbewussten Leibesvorgänge. Erst recht gilt dies für den Wahrnehmungsanteil des Wollens, der sich völlig der Beobachtung entzieht. So drückt sich im Gefühl jenes nach Bewusstheit strebende Sohneselement aus, während der in den Tiefen des Leibes wirkende Wille Ausdruck der väterlichen Geistesmacht ist. Nun wirkte und wirkt das Sohneselement aber nicht nur im unbewussten Seelenleben des Menschen, sondern es trat auch in einer historischen Person real in Erscheinung. Es liegt aber in seinem Wesen wie auch im Wesen seines historischen Wirkens, das Unbewusste in Bewusstsein zu verwandeln. Wo Es ist, könnte man ein Wort Freuds abwandeln, soll Ich werden. Deshalb sandte der Sohnesgott, der in einem Menschen über die Erde wandelte, nach seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung auch den Geist, auf dem die Gemeinschaft der Menschen begründet werden sollte. Während die eigentliche Christuswirkung im unbewussten Teil des menschlichen Seelenlebens verläuft, wirkt der von ihm gesandte, gemeinschaftsstiftende Geist nur im bewussten, erkennenden Seelenleben. Die Wahrheit, die den Menschen freimacht, muss durch den erkennenden Geist ergriffen werden, soziales Leben kann aber, wenn es die menschliche Freiheit nicht beeinträchtigen soll, nur auf das erkennende Leben gegründet sein. Die Erkenntnis der Wahrheit durch den Geist ist also das gemeinschaftsbildende Prinzip, das aus jenem Geist hervorgeht, den der Christus nach seinem Tode unter die Menschen sandte. Der Hl. Geist macht frei und wirkt in der Freiheit. Alle Manipulation und Suggestion, alle Beeinflussung des menschlichen Willens unter Umgehung der Erkenntnis widerstreitet dem Hl. Geist, ist letztlich eine Sünde wider den Hl. Geist.

Damit zielt Steiner nicht nur auf die politische Massensuggestion, sondern auch auf Initiationsformen, die unter Umgehung des freien Erkenntniswillens eine direkte Beeinflussung des Willens anstreben. Während er die Rosenkreuzerinitiation, deren Fortführung der anthroposophische Schulungsweg darstellt, als Geist-Initiation bezeichnet, sieht Steiner im jesuitischen Schulungsweg einen Initiationsweg, der unter Umgehung der freien Einsicht unmittelbar auf den Willen des Menschen wirke. Eine Beziehung zum in den unbewussten Tiefen der Seele fortwirkenden Logoswesen kann der Mensch jedoch im Sinne dieses Logos nur gewinnen, wenn er sich immer mehr vom Wesen dieses Logos ins Bewusstsein hebt, wenn er sein Bewusstsein erweitert, aber nicht, wenn er sich einem fremden Willen, dem Willen eines geistigen Führers oder einer Institution unterwirft, die vorgeben, im Namen Christi zu handeln. Wir brauchen dieses Motiv hier nicht weiter zu verfolgen, wir sehen aber, dass Steiner 1911 beginnt, sich auch mit geistigen Strömungen auseinanderzusetzen, in denen die Inanspruchnahme des Sohnes oder des Vaters zu politischen Zwecken seiner Auffassung nach zu sozialen Schäden führt. Indem der Jesuitismus vorgibt, im Geiste des Sohnes zu wirken, diesen aber durch das »Vaterprinzip« ersetzt, das heißt, durch eine naturhafte Wirksamkeit auf den menschlichen Willen, die die freie Urteilsbildung umgeht, ersetzt er Freiheit durch Macht. Diese Gedankenform, die Steiner hier im Hinblick auf den Jesuitismus entwickelt, wird er später auch in seiner Kritik am Nationalismus anwenden. Auch dieser wird von ihm als eine Substitution des Sohnesprinzips durch das Vaterprinzip betrachtet, nur dass hier an die Stelle des Einzelindividuums die Völker treten. Statt sich auf den Menschheitsgeist zu besinnen, der alle Völker in Freiheit und gegenseitiger Liebe zu vereinen vermöchte, betrachten sich die einzelnen Völker als Träger des einzigen wahren Gottes und vergötzen das in ihnen naturhaft wirkende Unbewusste, die Blutsverwandtschaft, das Vererbungsprinzip.

Bewusstseinsformen und Wesensäusserungen der himmlischen Hierarchien

In seinen Helsingforser Vorträgen über die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (GA 136) greift Steiner 1912 die Motive des Düsseldorfer Hierarchienzyklus wieder auf und fügt den Charakterisierungen der himmlischen Wesenheiten in ihrem Verhältnis zur Trinität einige wesentliche neue Aspekte hinzu.

Hier beschreibt Steiner die Bewusstseinsformen der verschiedenen Gruppen geistiger Wesenheiten, indem er von einer am menschlichen Bewusstsein gewonnenen Unterscheidung ausgeht. Am menschlichen Bewusstsein lässt sich Wahrnehmen und Denken unterscheiden. Im Wahrnehmen ist das Bewusstsein des Menschen nach außen gewandt und an die Wahrnehmungsinhalte hingegeben. Der Mensch kann sich aber auch von den Wahrnehmungen abwenden und sich der Gedankentätigkeit hingeben. Dieses nach innen gewendete Bewusstsein der Denktätigkeit erlebt die von dieser Tätigkeit hervorgebrachten Gedankeninhalte, wie das Wahrnehmungsbewusstsein die Wahrnehmungsinhalte erlebt. Es lässt sich also ein nach außen gewandtes beobachtendes Empfangen und ein nach innen gewandtes tätiges Hervorbringen unterscheiden.

Lassen sich die Engelwesen auch unter Zugrundelegung dieser Unterscheidung charakterisieren? In der Tat kann an den hierarchischen Wesenheiten diese Zweiseitigkeit des Bewusstseins unterschieden werden. Es liegt in der Grundstruktur des Bewusstseins, dass es in irgendeiner Form in sich reflektiert, in sich gebrochen ist, kann doch an ihm stets der gewusste Inhalt und das wissende Wesen unterschieden werden. Aber die Bewusstseinsformen der geistigen Wesen differieren doch beträchtlich vom menschlichen Bewusstsein. Steiner beschreibt die drei Gruppen der ersten, zweiten und dritten Hierarchie jeweils als eine Einheit. Die Wesen der dritten Hierarchie – Engel, Erzengel und Archai – durchleben zwei Bewusstseinszustände. Jener, der dem menschlichen Denken entspricht, ist produktiv: sie offenbaren ihren Wesensinhalt, wenn sie sich an die Welt hingeben. Nicht zufällig heißen die Engel und Erzengel »Boten«, Angeloi. Es  liegt in der Natur dieser Wesen, ihr innerstes Wesen zu verkünden, eben als Boten zu wirken. Indem sie ihr Wesen offenbaren, nehmen sie sich selbst wahr. Aber Boten benötigen eine Botschaft. Diese Botschaft empfangen die Wesen der dritten Hierarchie in ihrem jeweils anderen Bewusstseinszustand, der der nach außen gewandten Wahrnehmungstätigkeit des Menschen entspricht. In diesem Bewusstseinszustand sind die Wesen der dritten Hierarchie vollkommen an jene der zweiten Hierarchie hingegeben und erleben, wie deren Offenbarungen in das eigene Wesen einströmen. Wenn sie aus diesem Zustand der an die zweite Hierarchie hingegebenen Anschauung erwachen, dann wenden sie sich wiederum der eigenen offenbarenden Tätigkeit zu. Ihre Offenbarungen strömen der unteren Welt, den Menschen entgegen: den Einzelmenschen die Offenbarungen der Engel, Menschengruppen die Erzengeloffenbarungen und der gesamten Menschheit in abgegrenzten Zeitepochen die Offenbarungen der Archai, der Zeitgeister. Es wechseln sich also ab Zustände der Selbstoffenbarung und der Geisterfüllung.

Auch die mittlere Gruppe der himmlischen Wesen offenbart sich selbst. Aber ihre Wesensoffenbarung unterscheidet sich von jener der dritten Gruppe dadurch, dass sich diese von ihnen selbst ablöst und als eigenständiger Weltinhalt bestehen bleibt. Die Selbstoffenbarung der dritten Hierarchie bleibt an dieser haften: wenn sich diese Wesen auf einen anderen Bewusstseinsinhalt einstellen, dann ändert sich auch ihre selbstoffenbarende Erscheinung.

Die Wesen der zweiten Hierarchie setzen jedoch mit jeder neuen Entäußerung ihres eigenen Wesens etwas in die Welt, was außer ihnen Gestalt annimmt. Steiner vergleicht diese Art der Selbstoffenbarung mit der Absonderung einer Haut, die neben dem Wesen zurückbleibt: wie eine Art Abdruck oder Bild stellt sich das Offenbarte neben die Exusiai, Dynamis und Kyriotetes. Der andere Bewusstseinszustand dieser Wesen der zweiten Hierarchie besteht darin, dass sie in den von ihnen abgelösten Selbstoffenbarungen Leben erregen. Selbsterschaffen im Bilde ist der produktive Bewusstseinszustand der Wesenheiten der zweiten Hierarchie, in dem sie sich selbst erleben und Lebenerzeugung im abgesonderten Wesensbild ihr Wahrnehmungszustand.

Steiner verdeutlicht im Folgenden die Wirkungen dieser Selbstoffenbarungen in der Welt des Lebendigen. Die Exusiai erzeugen in den belebten Wesen Formen, die Dynamis rufen die Veränderungen der Formen, die Metamorphosen der Gestalten im Wachstum hervor und die Kyriotetes durchdringen die Formen mit ihrer flutenden kosmischen Weisheit. Die Wirkungen dieser zweiten Hierarchie ließen sich aber auch in bezug auf die Wesen der dritten Hierarchie beschreiben. Denn diese werden ja in ihrem Zustand der Geisterfüllung von den Wirkungen der zweiten Hierarchie durchdrungen. Die Bewusstseinsinhalte, die sich in die Wesen der dritten Hierarchie ergießen und die diese nach außen offenbaren, sind nichts anderes als die Wesensoffenbarungen der zweiten Hierarchie. Indem sie von den Wesen der dritten Hierarchie aufgenommen werden, bleiben sie in diesen als selbständige Inhalte bestehen und gewinnen durch die Wirksamkeit der mittleren Hierarchie auch inneres Leben. Die Wesen der dritten Hierarchie sind ebenso von flutender Weisheit durchdrungen wie die Lebenswelt. Diese offenbart sich nicht nur im sinnlichen Bild der Metamorphosen der Formen des Lebendigen, sondern auch in den sich wandelnden imaginativen Wesensoffenbarungen der dritten Hierarchie, wenn sie denn von einem hellseherischen Bewusstsein wahrgenommen werden.

Der Bewusstseinsinhalt der dritten Hierarchie ist die fortlebende Selbstoffenbarung der zweiten Hierarchie. Insofern dieser Bewusstseinsinhalt den Menschen nicht als Imagination, Inspiration und Intuition bewusst wird, prägt er sich diesem unbewusst in dessen Wesensglieder ein: die Imaginationen der Engel dem Astralleib, die Inspirationen der Erzengel dem Ätherleib und die Intuitionen der Archai dem physischen Leib. Nunmehr bleibt noch die erste Hierarchie der Throne, Cherubim und Seraphim. Es ist allerdings »außerordentlich schwierig«, diese Wesenheiten zu charakterisieren. Dennoch bemüht sich Steiner durch Vergleiche, eine Vorstellung dieser Wesen zu erwecken.

In den Thronen lebt die Weltenkraft des Willens, in den Cherubim die Weltenweisheit und in den Seraphim die Hingabe und das Liebesfeuer erhabenster Wesenheiten. Um die zwei Bewusstseinsformen dieser Wesen zu beschreiben, greift Steiner auf die Schilderungen der zweiten Hierarchie zurück. Während nämlich deren Wesensoffenbarungen mit ihnen selbst verbunden bleiben, auch wenn sie außer ihnen erscheinen, was sich auch daran zeigt, dass diese Wesen in ihrem Innenbewusstsein damit beschäftigt sind, in den von ihnen geschaffenen Formen Leben zu erregen, lösen sich die Erzeugungen der ersten Hierarchie vollständig von ihnen ab und bleiben auch bestehen, wenn sich ihre Erzeuger anderen Tätigkeiten zuwenden. Abgesonderte Welten gehen aus den Wesen der ersten Hierarchie hervor: ihre nach außen gewandte Tätigkeit ist Welt-Erschaffen. Sich selbst erleben diese Wesen, indem sie von ihnen abgesonderte Geschöpfe mit eigenem Leben erzeugen. Für sie fällt das Wirken nach außen mit der Selbstwahrnehmung zusammen. Das entspricht der intuitiven Bewusstseinsform, die erforderlich ist, um diese Wesen erkennend zu erfassen. Auch in dieser fallen Form und Inhalt, Anschauen und Angeschautes ununterscheidbar in eins zusammen.

An diese Charakterisierungen schließt sich ein Ausblick auf die göttliche Trinität. Um zu diesem Ausblick zu gelangen, bedient sich Steiner des Modells des in sich gegliederten Menschenwesens und einer Gedankenform, die aus der mittelalterlichen Theologie als Perichorese, als Wesensdurchdringung bekannt ist.

So wie der Mensch aus unterschiedlichen Wesensgliedern besteht und dennoch eine Einheit ist, so gibt es hierarchische Wesenheiten, die aus anderen hierarchischen Wesenheiten bestehen und doch eine Einheit sind. Am Menschen lassen sich drei leibliche, drei seelische und drei geistige Glieder oder Wesensschichten unterscheiden. Der physische Leib kann als sein unterstes Wesensglied bezeichnet werden, der Geistesmensch, der aus der Vergeistigung dieses Leibes hervorgeht, als sein oberstes. Nun gibt es hierarchische Wesenheiten, deren unterstes Wesensglied ein Geist der Form, ein Exusia ist. An dieses schließen sich, dem Ätherleib entsprechend, Dynamis an, an diese Kyriotetes, als Entsprechung des menschlichen Astralleibs. Über diesen erheben sich deren drei Seelenglieder, die Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewusstseinsseele: diese aber sind hierarchische Wesenheiten, nämlich Throne, Cherubim und Seraphim. Wir haben uns also hierarchische Wesenheiten vorzustellen, deren physischer Leib aus einem Geist der Form besteht und deren Bewusstseinsseele aus einem Seraph. Aus ihrer Bewusstseinsseele blicken diese Wesenheiten zu ihren höheren Wesensgliedern auf, die dem menschlichen Geistselbst, dem Lebensgeist und dem Geistesmenschen entsprechen. Diese höheren Wesensglieder sind die Personen oder Hypostasen der göttlichen Trinität: Vater, Sohn und Hl. Geist. Wie zu einer »Urgeistigkeit« blicken diese hierarchischen Wesen aus ihrer seraphischen Bewusstseinsseele auf zu ihren höheren Geistgliedern. Aber es ist »außerordentlich schwierig« von dieser »über den Hierarchien« wesenden »Geistigkeit höchster Geister« Vorstellungen zu erwecken. Die verschiedenen Religionen haben es aus »ehrfürchtiger Vorsicht« unterlassen, von dieser überhierarchischen Geistigkeit in der groben menschlichen Sprache zu sprechen. Steiner bedauert, dass über diese »vorsichtigen Ahnungen« so viel dogmatische Streitigkeiten entstanden sind. Denn es wäre dem Menschengeist angemessener, sich dem »Wesenhaften von so hoher Gattung in tiefer Ehrfurcht« zu nähern. Deswegen benutzten die Religionen symbolische Begriffe, um von dieser Urgeistigkeit zu sprechen. Die Ägypter sprachen von Vater, Mutter und Kind (Osiris, Isis und Horus), das Christentum von Vater, Sohn und Hl. Geist.

Wir können uns also eine hierarchische Wesenheit vorstellen, deren Geistselbst der Hl. Geist, deren Lebensgeist der Sohn und deren Geistesmensch der Vater ist. Steiner lässt sich an dieser Stelle nicht näher darüber aus, um was für eine Wesenheit es sich handelt. Er konnte aber wohl bei seinen Zuhörern die Kenntnis seiner Berliner Darstellungen aus dem Jahr 1909 über die vier Aspekte der Darstellung des Christus-Wesens in den Evangelien voraussetzen (GA 117, 2.11.1909). Dort hatte er ausgeführt, dass das Johannes-Evangelium Christus als ein Wesen schildere, das durch die weisheitsvollen Cherubim wirke, das Lukas-Evangelium sich der Offenbarung des Christus durch das Liebesfeuer der Seraphim zuwende und das Markus-Evangelium ihn aus der Kraftwirksamkeit der Throne schöpfen lasse. Durch Johannes werde die Bewusstseins-Seele des Christus erahnbar, durch Lukas dessen Gemüts-Seele und durch Markus dessen Empfindungs-Seele. Matthäus schließlich schildere den Menschen Jesus als Sohn des althebräischen Volkes, als Menschensohn, »die Mission des althebräischen Volkes für die ganze Welt«.

Im restlichen Teil seines Helsingforser Vortrages bezieht Steiner diese geistigen Wesensschichten auf die physisch sichtbare Welt zurück und beschreibt, wie sie dieser inexistieren. Das Reich der geistigen Wesen ist kein von der sichtbaren Welt abgehobenes Ideenkonstrukt, sondern es durchdringt wirkend und schaffend, in einer creatio continua die sinnlich-sichtbare Welt. So bilden die Geister der Form die physische Form der Planeten unseres Sonnensystems, die Kyriotetes deren innere Regsamkeit, Lebendigkeit, die Dynamis deren Bewusstsein, die Throne deren Bewegungsimpuls, die Cherubim koordinieren die Bewegungen der einzelnen Planeten im Ganzen des Systems, die Seraphim ordnen die Bewegungen des einzelnen Sonnensystems in die Gesamtheit der Systeme und des Kosmos ein und die Trinität schließlich kann als das »alldurchziehende, göttliche, dreifach göttliche Leben« angesprochen werden, das sich in den einzelnen Sonnensystemen seine Hüllen schafft. Und, so endet dieser Vortrag mit einer Anspielung auf Platos Timaios, »indem wir das Leben der Sternenwelt betrachten, betrachten wir die Leiber der Götter und zuletzt des Göttlichen überhaupt.«

Geschichte als Ausfaltung der Trinität

Das Motiv, die Geschichte der Bewusstwerdung der Trinität in den Religionen zu suchen, findet sich ebenso in Steiners Ausführungen, wie jenes, das Abbild der Trinität in der Schöpfung als Ganzer und in der Seele des Menschen zu entdecken.

Die Lehre von den drei Zeitaltern, bereits in den Evangelien angelegt, deutet die Geschichte der Menschheit als Ausfaltung der trinitarischen Struktur des Urgöttlichen. Aber Steiner deutet auch die Geschichte der abendländischen Kultur mit Hilfe eines trinitarischen Modells, so etwa 1916 in seinen Dornacher Vorträgen über die Begriffswelt und ihr Verhältnis zur Wirklichkeit (GA 165).

In seinem Vortrag vom 16. Januar, der ein bemerkenswertes Licht auf Tertullians Kampf gegen die Gnosis, auf Marcion und die Entstehung des Credos als Bollwerk gegen doketische Verirrungen wirft, beschreibt er drei geistige Hauptströmungen der abendländischen Geschichte, die jeweils einseitig auf das Prinzip des Hl. Geistes, des Sohnes und des Vaters hinorientiert sind.

Das Urproblem der sich ausformenden christlichen Theologie der ersten Jahrhunderte bestand darin, zu verstehen, wie Gott Mensch werden konnte. Die Gnosis besaß in ihrem hellseherischen Begriffssystem ein Instrument, um das Göttlich-Geistige zu verstehen. Diese »luziferisierte« gnostische Begriffswelt erwies sich aber ungeeignet, die Realität des Leibes und damit die Menschwerdung Gottes zu begreifen. Was der Gnosis mangelte, war eine differenzierte Anthropologie, deshalb war sie außerstande, das Leben des Christus im Jesus zu fassen. Wie der göttliche Logos den fleischlichen Menschen durchdringen konnte, wie sich Mensch und Gott vereinigen, wie Gott leiden und sterben konnte, war die »große Rätselfrage«.

Durch das Apostolikum, das Glaubensbekenntnis, wurde zwar der Glaube an die trinitarische Struktur Gottes, an die Menschwerdung, den Tod und die Auferstehung dogmatisch gefestigt, aber das Erkenntnisrätsel nicht gelöst. Im Grunde blieb diese Frage bis heute unbeantwortet. Nur eine differenzierte Anthropologie, die das Ineinanderwirken von Bewusstseinsseele und Geistselbst versteht, kann Grundlage für ein Verständnis des Verweilens des Christus im Menschen Jesus bilden. Das Verständnis der Perichorese, der Wesensdurchdringung von Bewusstseinsseele und Geistselbst, ist Voraussetzung dafür, zu begreifen, wie die »besondere kosmische Geistselbstnatur  des Christus in die Bewusstseinsseelennatur des Jesus« eintrat.[32] Steiner spricht hier nicht von der Bewusstseinsseele des Christus, sondern von jener des Menschensohnes Jesus. Unter dem »kosmischen Geistselbst« dürfte der Hl. Geist zu verstehen sein, die dritte Person der göttlichen Trinität, die bei der Taufe am Jordan in den Menschen Jesus eintrat. Auf die Zeugung am Jordan folgte das Wachstum des Sohnes im Mutterleib der Jesus-Seele und seine sukzessive Ausgeburt im Leib des Menschensohnes, wie das Evangelium des Johannes sie schildert.

Die ungelöste Erkenntnisaufgabe führte zu geschichtlicher Vereinseitigung. Eine Entwicklungsströmung, die vorzugsweise nach dem Hl. Geist ausgerichtet ist, sieht Steiner im Januar 1916 in der russisch-orthodoxen Kirche. Selbst Solowjew denke das Christentum vornehmlich aus der Perspektive des Hl. Geistes. Die Überformung der Gesellschaft durch ein theokratisches Prinzip, die Ikonisierung eines überweltlichen, geistförmigen Christus, steht hier im Vordergrund. Daneben bildete sich in der römischen Orthodoxie besonders das Bewusstsein des Sohnes aus. Die katholische Kirche betrachte sich als physischen Leib des Hl. Geistes. Erst der Protestantismus versuchte, das Verhältnis von Vater und Sohn ins Gleichgewicht zu bringen. Aber der Versuch scheiterte an unzulänglichen Erkenntnismitteln. So tritt an die Stelle des Sohnes im Protestantismus das Vaterprinzip, das allgemeine Göttliche. Schließlich gibt es eine zweite Strömung, die einseitig das Vaterprinzip pflegt: die neuere Naturwissenschaft, die an Darwin und Haeckel anknüpfende Evolutionslehre. Sie richtet ihren Blick allein auf die Herkunft des Menschen, auf die physische Abstammung, sein Hervorgehen aus der Natur, dem Vatergrund der Welt. Die europäische Menschheit ist von tiefen Gegensätzen geprägt, die aus der Veranlagung zur Einseitigkeit hervorgehen. Geradezu »ethnographisch« ist diese Gegensätzlichkeit, sie spiegelt sich nicht zuletzt im großen Schisma zwischen Ost- und Westkirche. Das einheitliche Europa, das im Credo wie versiegelt wurde, fiel in den folgenden Jahrhunderten auseinander. Erst die Aufschließung der im Credo versiegelten Mysterien durch Geisterkenntnis wird die geschichtlich gewordenen Gegensätze überwinden können.

Die Begegnungen des Menschen mit der Trinität

In seinen Dornacher Vorträgen über kosmische und menschliche Metamorphose (GA 175) greift Steiner im Februar 1917 wieder auf das Motiv der Gegenwart Gottes in seinem Abbild, der dreifaltigen Menschennatur zurück.

Am 20. Februar spricht er erstmals von den drei Begegnungen des Menschen mit der Trinität. Der Mensch trägt ein höheres geistiges Wesen in sich. Seine Entfaltung bestimmt die künftige kosmische Evolution der Menschheit. Der Astralleib trägt die Anlage des Geistselbstes in sich, der Ätherleib die Anlage des Lebensgeistes und der physische Leib die Anlage des Geistesmenschen. Auch wenn diese erst in der fernen kosmischen Zukunft der Erde voll entwickelt sein werden, sind sie doch bereits heute in den Tiefen der Menschennatur gegenwärtig. Sie werden dem Menschen heute von den himmlischen Hierarchien »gespendet«. In den unbewussten Tiefen seiner seelischen und leiblichen Existenz trägt der Mensch die Hierarchienwelt. Statt davon zu sprechen, der Mensch stehe in Beziehung zu den Engeln, könnte man auch sagen, er stehe in Beziehung zum Geistselbst, seine Beziehung zu den Erzengeln könnte man auch als seine Beziehung zum Lebensgeist bezeichnen. Durch das Wirken der Archai in seinem physischen Leib bereitet sich die Entwicklung des Geistesmenschen vor. Die Keimformen der höheren Wesensglieder des Menschen sind aber nicht bloß Abstraktionen, sondern geistige Realitäten. Der Mensch muss im Laufe seines Lebens diesen geistigen Realitäten begegnen, um sich nicht völlig allem Geistigen zu entfremden und in heillosen Materialismus zu verfallen. Er begegnet von Zeit zu Zeit einem Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, das ihm besonders nahesteht, jenem Wesen, das der Antike als Daimon, als Genius bekannt war. Nichts anderes ist dieser Genius, als das von einem Engel getragene werdende Geistselbst.[33]

Dieser Angelos bereitet gegenwärtig im Menschen die künftige Aufnahme des Geistselbstes vor. Durch den Angelos werden dem Menschen die Gaben des »Geistprinzips«, des Hl. Geistes zuteil. Ebenso muss der Mensch einem Erzengel begegnen können, weil die Erzengel die künftige Aufnahme des Lebensgeistes vorbereiten. Entsprechendes gilt für die Archai. Die Begegnung mit dem Schicksalsgenius, dem eigenen Engel, findet jede Nacht während des Schlafs statt. Jede Nacht verbindet sich der Mensch »innig« mit seinem werdenden Geistselbst. Diese Begegnung ist für das wache Tagesbewußtsein nicht ohne Bedeutung, sie wirkt nach im Gefühl des Menschen, ein nicht bloß materielles Wesen zu sein und befähigt ihn dazu, in der Begegnung mit anderen Menschen, frei von persönlichem Egoismus, Menschenliebe zu üben. Voraussetzung dafür, diese Nachwirkungen zu empfinden ist allerdings, die Aufmerksamkeit im wachen Tagesbewußtsein auf sie zu richten.

Während die Begegnung des Menschen-Ich mit dem Engel, dem werdenden Geistselbst, in den Wechsel von Wachen und Schlafen, in die Zeitstruktur des Tageslaufs eingebettet ist, erfolgt die Begegnung mit dem Erzengel in der Zeitstruktur des Jahreslaufs. Zwischen Frühjahr und Herbst, in der Zeit des aufsteigenden und fruchtenden Lebens der Natur ist auch der Mensch mit seinem Organismus stärker an die Lebensprozesse hingegeben. In der Zeit zwischen Herbst und Frühjahr dagegen, wenn das Leben der vegetativen Natur erstirbt und schließlich die Kälte der Tiefwinterzeit selbst das animalische Leben in eine Art Todesstarre versetzt, erwacht das Bewusstsein der Erde. Der Todesprozess in der Natur erweckt das Bewusstsein der Erde, ebenso wie das Bewusstsein des Menschen auf der Zurückdrängung der Lebenstätigkeit beruht. Wenn der Astralleib der Erde deren Ätherleib im Winter zurückdrängt, kann die Erde sich ihrem Ich, ihrem Geist zuwenden. Darum wird in der Winterzeit der Sohn, der Geist der Erde, geboren. In der Zeit der Wintersonnenwende begegnet der menschliche Astralleib unbewusst dem Träger seines künftigen Lebensgeistes, dem Erzengel. Durch den Lebensgeist aber offenbart sich der Christus. Durch einen Erzengel offenbart sich der Christus, der Sohn Gottes, in der Winterzeit dem menschlichen Astralleib. Zwar ist Christus ein »unendlich viel höheres Wesen«, aber er offenbart sich dem Menschen in der Winterzeit durch einen ihm nahestehenden Erzengel. So lässt sich die Begegnung des Menschen mit dem Erzengel, dem Träger des menschlichen Lebensgeistes, auch als Begegnung mit dem Christus bezeichnen. Auch die Nachwirkungen dieser Begegnung können vom Menschen empfunden werden, wenn er sich – entweder durch religiöses oder meditatives Leben – für die Wahrnehmung sensibilisiert. Von der Weihnachts- bis zur Osterzeit wandelt gleichsam der Christus neben dem Menschen einher, um in der Osterzeit in die Tiefen der Menschenorganisation unterzutauchen und ihn durch die Traumzeit der Erde bis zum nächsten Winter zu geleiten.

Die unbewusste Begegnung mit dem Geistesmenschen findet – vermittelt durch ein Wesen aus dem Rang der Archai – in der mittleren Lebenszeit, zwischen dem 28. und dem 42. Lebensjahr statt. Diese Begegnung ist in die Zeitstruktur des gesamten menschlichen Lebenslaufs eingebettet, die sich nach der Dauer eines Patriarchenlebens von 70 Jahren bemisst. Durch die Begegnung mit dem Zeitgeist wird zugleich eine Begegnung mit dem »Vaterprinzip« vermittelt, mit jenem Göttlichen, das die Welt durchdringt, das der »Herrlichkeit, GrößeundErhabenheit« der Schöpfung zugrunde liegt. Die Nachwirkungen dieser Begegnung reichen über das menschliche Leben zwischen Geburt und Tod hinaus. Der Mensch kann nach seinem Tode die Rückwanderung durch das vergangene Leben in der Seelenwelt gestärkt und gekräftigt erleben, wenn er auf seine Begegnung mit jenem Wesen zurückzuschauen vermag, auf das er stammelnd hinweist, wenn er vom »Vater der Weltenordnung« spricht[34]. Stirbt der Mensch aufgrund von Krankheit oder Unfall vor der Lebensmitte, dann tritt diese Begegnung im Augenblick des Todes ein. Nur Selbstmörder berauben sich der Möglichkeit, dem Vatergöttlichen zu begegnen. Was im gewöhnlichen Alltagsleben unbewusst bleibt, sollte der Mensch ins Bewusstsein heben, indem er sich diese drei Begegnungen mit dem dreifältig Göttlichen stets von neuem vergegenwärtigt. Konkretes religiöses Leben bedeutet, die Wirkungen des Göttlichen im Alltag, im Zusammenhang mit dem Naturgeschehen, mit den Metamorphosen der eigenen leiblichen Existenz zu empfinden. Nicht zuletzt zur Überwindung des grassierenden Atheismus und Materialismus, dessen Ausdruck das Kriegsgeschehen ist, bedarf die Menschheit der stärksten Kräfte, die ihr aus den geschilderten Begegnungen erwachsen können.

Beträchtlich erweitert wird die zeitliche Dimension dieser drei Begegnungen durch Ausführungen am 27. Februar 1917 (GA 175).

Denn während des Schlafes, der Begegnung mit dem Engel, bildet die Seele des Menschen nicht nur die Keime ihrer künftigen Inkarnation, sie arbeitet auch am Keimzustand einer künftigen planetarischen Inkarnation der Erde, ebenjener, in der die Menschheit als Ganze sich in den Rang des Engeltums erheben wird. Die Kräfte, die substantiell von gleicher Art mit dem menschlichen Geistselbst sind, arbeiten während des Schlafs daran, eine zukünftige Gestalt der Erde vorzubereiten, in die der Ertrag der menschlichen Erdenleben hineinverwoben wird. Die Begegnung mit dem gegenwärtigen Hl. Geist verweist auf eine ferne Erdenzukunft. Die Begegnung mit dem Vaterprinzip hingegen verweist auf eine ebenso ferne Vergangenheit der Erde. In ihr wirken Gesetze fort, die im kosmischen Mondzustand der Erde Geltung besaßen. Diese Gesetze liegen der physischen Abstammung des Menschen zugrunde. In der Berührung durch den Arche, die dem Menschen zu Beginn seiner mittleren Lebensepoche zuteil wird, erlebt er zugleich das Fortwirken der kosmischen Vergangenheit der Erde und das Fortwirken seiner früheren Inkarnationen in die gegenwärtige. Dem physischen Gewordensein des Menschen liegen geistige Gesetze zugrunde. Diese geistigen Gesetze sind die Gesetze des Schicksals. Im Schicksal, das die Bedingungen der menschlichen Abstammung formt, wirkt die Vergangenheit des Menschen in die Gegenwart fort.

Im Grunde ist – wenn man diese zeitliche Perspektive weiter denkt – die Gesamtheit dessen, was am Menschen geworden ist, seine dreigliedrige Leiblichkeit, die aus der vergangenen planetarischen Evolution hervorging, ein Ergebnis der Vaterwirksamkeit. Ebenso schließt die Geistwirksamkeit die künftigen Metamorphosen dieses Gewordenen, die drei geistigen Glieder des Menschen in sich. Das gegenwärtige Sein des Menschen auf der Erde aber, der Stätte, an der sein Ich geboren wurde, um zu sterben und den Tod zu besiegen, um aus der Kraft des Sohnes dem Geist entgegen zu leben, ist die geheimnisvolle Mitte, die kosmische Vergangenheit und kosmische Zukunft miteinander vermittelt, der Ort der Transsubstantiation. Während sowohl die Vater- als auch die Geistkräfte den Menschen tendenziell aus der Naturordnung herauslösen, bettet ihn die Wirksamkeit des Sohnesprinzips in diese Naturordnung ein. Durch seine Begegnung mit dem Christus-Erzengel, die jedes Jahr um die Weihnachtszeit erfolgt, ist der Mensch in die gegenwärtige Naturordnung, in den regelmäßigen Gang der Himmelskörper, der den Wechsel der Jahreszeiten bestimmt, an dem sich das Weihnachts- und das Osterfest orientieren, eingeordnet.

Der Sinn der Erdenentwicklung besteht darin, dass sich der Mensch an die Bedingungen des Lebens auf der Erde anpaßt und dass er die Früchte der Erde in sich aufnimmt, um sie einer künftigen Erde einzuverleiben, die aus ihm hervorgehen wird. Er sollte erdenverwandt werden, um Erde und Himmel miteinander wieder verbinden zu können. Der gegenwärtige Logos, dem der Mensch innerhalb des Jahreslaufs begegnet, innerhalb des Zeitraums, den die Erinnerungsfeste der Geburt, des Todes und der Auferstehung begrenzen, hat sich mit dem Leben der Erde verbunden, um dem Menschen die Fähigkeit zu verleihen, die Erde in einen neuen Himmel umzuwandeln, einen Himmel, der von menschlicher Moralität, von menschlicher Liebe und Hingabe durchdrungen ist.

Raum und Zeit als Ausdruck der Dreieinheit Gottes

Die Trinität bildet sich aber nicht nur in den Dimensionen der Zeit, sondern auch in den Dimensionen des Raumes ab. In einem Dornacher Vortrag am 20. September 1918, am fünften Jahrestag der Grundsteinlegung des ersten Goetheanum, trägt Steiner keine abstrakte Philosophie des Raumes vor, sondern eine Betrachtung, die vom konkreten Erleben des Raumes ausgehend, dieses für die geistigen Dimensionen aufschließt, die ihm, ebenso wie dem Zeiterleben des Menschen, innewohnen (GA 184). Bemerkenswert ist hier die Umkehrung des Gesichtspunktes in bezug auf die Zeit. Während wir bisher der Entfaltung der Trinität im Zusammenhang mit den drei Zeitdimensionen begegnet sind, führt Steiner in diesem Vortrag die Entstehung des Monotheismus, das heißt, des menschlichen Bewusstseins von der Einheit des Göttlichen, auf das Erleben der Zeit zurück. Die beiden Gesichtspunkte schließen sich nicht aus: denn die Offenbarung des Trinitarischen in den drei Zeitdimensionen widerspricht nicht dem Rückwärtsschreiten der menschlichen Erinnerung, das schließlich im Erleben des einheitlichen göttlichen Urgrundes der Welt zu einem Ende gelangt.

Doch zuerst die Differenzierung des Raumes. Die Veränderungen des menschlichen Bewusstseins im Laufe der Geschichte spiegeln sich, neben vielem anderen, auch darin, wie der Mensch den Raum erlebte. In unserer Zeit ist der Raum zu einem abstrakten Begriff geworden, aber bis ins sechste vorchristliche Jahrhundert wurde er konkret und geisterfüllt erlebt.

Steiner deutet mit dieser Zeitangabe auf den Übergang des Empfindungs-Seelen-Zeitalters in das Zeitalter der Verstandes- und Gemütsseele, das mit dem Hervortreten des Griechentums in der Geschichte und der Begründung Roms zusammenfällt. In der Beziehung zwischen Oben und Unten erlebte der Mensch der Vorzeit seine eigene Aufrichtung, die Erstreckung seines Körpers im Wachstum zwischen der Erde und dem Himmel. Durch sein ganzes Leben hindurch ist der Mensch eingespannt in diese Dualität von Unten und Oben. In dieser Dualität empfand er einst den Unterschied zwischen der Sphäre des bewussten Seelenlebens und der Sphäre des Unbewussten. Die Sphäre des Bewusstseins erweiterte sich nach oben in die Welt der olympischen, der himmlischen Götter des apollinischen Lichtes, die Sphäre des Unbewussten barg die dunklen Welten der dionysisch-chthonischen Gegenmächte in sich. Mit der Polarität von Oben und Unten verband sich das Erlebnis der im Weltall webenden göttlichen Intelligenz, die die Sternensphären durchdrang und sich bis in das menschliche Herz erstreckte. Indem der Mensch sich vom Boden aufrichtete und sein Haupt zum Himmel erhob, fühlte er sich von der himmlischen Intelligenz berührt und von ihr erfüllt. Er erlebte seine eigene Geisterfüllung, seine Vernunftbegabtheit als ein Geschenk der oberen Götter.

Eine zweite Raumqualität empfand der Mensch der Vorzeit in der Polarität von Rechts und Links. In der Gliederung des eigenen Körpers entlang einer Symmetrieachse und in den sich an diese anschließenden Raumsphären, aber auch in der Gliederung aller Gestalten entlang von Symmetrieachsen erlebte er die Gestaltwerdung der Form und das in sich harmonische, weisheitsvolle Aufeinanderbezogensein der zwei symmetrischen Seiten der gestalteten Formen. Steiner bezeichnet diesen Aspekt des Raumes auch als den Zusammenhang von Sinn und Gestalt. Göttliche Weisheit breitet sich in der Form aus, Sinn erfüllt die Gestalt, indem das ursprünglich Eine sich entlang der Symmetrieachsen auseinanderfaltet. Dieses Eingespanntsein in die sich entfaltende Weisheit verband der Mensch der Vorzeit mit einer kosmischen Gefühlskraft, für die er in den Gefühlen der eigenen Brust eine Entsprechung empfand. Kosmisches Fühlen und menschliches Fühlen klangen im Erleben der in sich polaren, auf sich selbst bezogenen Einheit der Symmetrie zusammen.

Eine dritte Raumqualität schließlich erlebte der Mensch in der Polarität des vorderen und des hinteren Raumes: der sichtbare Raum in der Front des eigenen Körpers und der unsichtbare Raum im Rücken entsprachen dem Erlebnis der Zweiheit des Sichtbaren und des Unsichtbaren, des Körperlichen und des Unkörperlichen, von Stoff und Geist. Indem sich der Mensch in dieser Achse bewegte, empfand er das »Hineinspringen« des Geistes in den Stoff, das Manifestwerden des Unsichtbaren im Sichtbaren durch seine eigene Willenstätigkeit. Durch die Entfaltung des eigenen Willens bewegte sich der Mensch entlang der vorwärtsdrängenden Achse des Raumes und fühlte sich zugleich im Zusammenklang mit dem Weltenwillen. Entsprechend dem phänomenologischen Ansatz der Beschreibung, die vom Raumerleben ausgeht, erschließen sich durch die drei Raumdimensionen die drei Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Wollens, die zu jener Zeit noch nicht jeglichen Zusammenhang mit der denkenden, fühlenden und wollenden Weltseele verloren hatten. Wenn der Mensch der Vorzeit sich in diesen drei Dimensionen des Raumes erlebte, an denen er selbst als körperliches Wesen Anteil hatte, empfand er das Abbild des dreifaltigen Gottes: des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Nicht aus abstrakter Überlegung ging die Anschauung vom trinitarisch Göttlichen hervor, sie ruhte auf einem Erlebnisgrund. Der Verlust des konkreten Raumerlebens führte einerseits dazu, dass das Erlebte sich in das Gedachte verwandelte. Aus der Erfahrung des im Raum wirkenden Göttlichen wuchs die Theorie der trinitarischen Struktur Gottes hervor. Andererseits entsprang diesem Verlust auch die Unsicherheit über die Natur dieser Dreiheit, die sich in den dogmatischen Streitigkeiten der Kirchengeschichte äusserte.

Nun ging aber, wie Steiner weiter ausführt, in den entwickelten Religionen dem konkreten Verständnis der Dreifaltigkeit das Verständnis für die Einheit Gottes voraus. Auch dieses Verständnis der Einheit Gottes ist in einer konkreten Erfahrung fundiert und zwar im Erleben der Zeit. Dieses konkrete Erleben der Zeit verschwand allerdings noch früher als das Raumerleben, nämlich beim Übergang der Epoche des Empfindungsleibes (der urpersischen) in die Empfindungsseelen-Epoche, beim Beginn des ägyptisch-babylonisch-chaldäischen Kulturzeitraums.

Eine Vorstellung von diesem Erleben der Zeit versucht Steiner durch den Hinweis auf die gnostische Äonenlehre zu erwecken. Ein Schattenwurf der Lebendigkeit der Zeit findet sich in der gnostischen Rede über die Aufeinanderfolge der Äonen, bei denen es sich um Zeitwesen handelt. Indem die einzelnen Äonen auseinander hervorgehen, die vorhergehenden die folgenden hervorbringen und in ihnen fortwirken, erscheint die dahinströmende Zeit als kontinuierliche Folge ineinander verschlungener göttlicher Wesen. Je weiter der Blick zurückging, desto umfassender wurde das Göttliche, je näher der Gegenwart, desto mehr entfernte sich das Äon vom Urgöttlichen. Die Kette der Zeitwesen aber wurzelte in einem umfassenden Wesen, dem »Alten der Tage«, von dem alle anderen ausgingen, der all seine Abkömmlinge in sich zusammenfasste: in dieser »Imagination» des Alten der Tage wurde ein Abbild des Einheitsgottes empfunden. Die ineinander verschlungene Kette der Äonen, die Zeit, wurde als Abbild des Einheitsgottes erlebt. In ähnlicher Art schildert Steiner in seinen Vorträgen über das »Matthäus-Evangelium« den Weg der Essäereinweihung durch die dreimal vierzehn Generationen bis hinauf zu Abraham und von Abraham zu Jahwe, dem Einheitsgott, den Abraham als erster in der Menschheitsgeschichte denkend zu erfassen vermochte. Der Monotheismus gründet auf dem Erleben der Geheimnisse der Zeit, sowie die trinitarische Gottesauffassung auf dem Erleben der Dreifaltigkeit des Raumes beruht.

Das dreifaltig Göttliche in der Initiationsgeschichte

Die Dornacher Vorträge über das Geheimnis der Trinität im Juli 1922 führen uns wieder in die Mysterien- und Initiationsgeschichte zurück (GA 214).

Die Seelengeschichte der Menschheit wird durch den Eintritt des Christus in die Welt in zwei große Epochen geteilt (Vortrag vom 30. Juli). Vor dem Mysterium von Golgatha waren überall auf der Erde Initiationsformen verbreitet, die in Mysterien gepflegt wurden, deren Ziel darin bestand, im Initiierten das Ichbewusstsein zu erwecken. Denn in den Jahrhunderten vor dem Mysterium von Golgatha war dieses Ichbewusstsein noch nicht ausgebildet. Zwar lebte die Ichwesenheit in der in sich gegliederten menschlichen Organisation, aber sie konnte vom menschlichen Bewusstsein noch nicht erfasst werden. Innerhalb der vorchristlichen Mysterien konnte dieses volle Ichbewusstsein in den Initiierten erweckt werden. Dieses Ichbewusstsein konnte in den Initiierten entstehen, wenn durch die Initiation der geistige Vater des Kosmos in sie einzog. Aber die Initiation wurde erlangt, indem der zu Initiierende aus seinen Leibern heraustrat: durch den Initiationsschlaf wurde das Bewusstsein des Leibes ausgelöscht und das Bewusstsein des Ich erweckt. Das erweckte Ichbewusstsein trug der Initiierte nach dem Erwachen in seine Leiber zurück. Als Beispiel zieht Steiner die althebräische Kultur heran. Für den althebräischen Initiierten lebten die Nichtinitiierten aus dem Vater, der sie am Leben erhielt und durch das Dasein trug, aber dieser Vater zog nicht in ihr Bewusstsein ein. Der Vater haucht dem gewöhnlichen Menschen den Geist des Atems ein und mit dem Atem die lebendige Seele. In die Seele des hebräischen Initiierten zog aber das lebendige Vaterprinzip des Kosmos ein und erweckte in ihm das Ichbewusstsein. Er befähigte ihn dazu, sich als Ich zu erfassen und dieses Bewusstsein in der Formel »Ich bin der ich bin» auszusprechen. Wer durch die Einwohnung des göttlichen Vaterprinzips zum Bewusstsein des Ich gelangt war und den unaussprechlichen Namen der Gottheit aussprechen konnte, wurde als Stellvertreter des Vaters auf Erden betrachtet. Diese Initiierten wurden als Väter verehrt und als solche bezeichnet. Durch die Mysterieneinweihung zog in den Initiierten das Vaterprinzip ein, das den ganzen Kosmos durchdringt und er vermochte dem Vater eine Hütte zu bauen. Er selbst war die Hütte des Vaters.

Zur Zeit des Mysteriums von Golgatha begann sich das Ichbewusstsein in der Menschheit auszubilden, auch ohne diese Initiation. Gleichzeitig begann sich aber das schöpferische Leben des makrokosmischen Geistes aus dem menschlichen Leib herauszuziehen. Dieser Auszug des schöpferischen Geistes aus dem menschlichen Leib ist Voraussetzung für die Entstehung des Ichbewusstseins. Das Ichbewusstsein des Menschen gründet auf einem Zerfalls-, einem Sterbeprozess. Je mehr das Bewusstsein vom individuellen Menschengeist sich ausbreitete, um so mehr verlor sich das Bewusstsein vom göttlichen Geist, der den Makrokosmos und den menschlichen Leib als Teil des Makrokosmos durchzieht.

Zu dieser Zeit zog aber das Christuswesen in den Jesus von Nazareth ein, so wie sich früher in die vorchristlichen Initiierten das Vaterprinzip ergossen hatte. Jesus von Nazareth gehörte zu jenen Menschen, in denen das Ichbewusstsein auch ohne Initiation zu erwachen begann. Das Sohnesprinzip, das Christusprinzip zog in sein Ich ein. Während in den alten Mysterien das Vaterprinzip in die drei Leiber, in den physischen, ätherischen und astralischen Leib einzog, um diesen das Ichbewusstsein hinzuzufügen, so ergoss sich nun das Sohnesprinzip in das Ich des Jesus von Nazareth. Während in den alten Mysterien in die drei Leiber das göttliche Vaterprinzip eintrat und diese überstrahlte, überstrahlte das Christusprinzip das Ich des Jesus von Nazareth. So wie in den vorchristlichen Mysterien einst das über die Natur (die drei Leiber) hinausragende Ich entfacht wurde, so wurde durch die Einwohnung des Christus in Jesus das über das menschliche Ich hinausragende, göttlich-geistige Wesen entfacht.

Das Initiatentum der Zeitenwende erkannte die Einzigartigkeit der Einwohnung des Sohnesprinzips in einem Menschen, das Andersartige der Initiation des Jesus durch Christus, aber dieses Wissen ging im Verlauf der ersten Jahrhunderte nach der Zeitenwende verloren. Die Initiierten erkannten in Christus, der den Menschen Jesus durchdrang, den Heiler, den soter des zerfallenden physischen Leibes des Menschen. Denn hätte der Sohnesgott den Leib des Jesus von Nazareth nicht durchdrungen und seine heilende Kraft in diesen und durch diesen in die ganze Menschheit ergossen, dann hätte der Zerfall des menschlichen Leibes allmählich zur Zerstörung der Erde geführt. Durch die Einwohnung des Christus senkte sich in Jesus und jeden Menschen, der den Geist des Christus in sich aufnahm, eine Kraft, die dem Zerfall des physischen Leibes entgegenwirkte. Der Christusgeist war durch den Tod gegangen, um den menschlichen Leib zu heilen, zu heiligen.

Nun trat aber Christus so in Jesus von Nazareth ein, dass das Bewusstsein des Sohnes – das Ich des Sohnes – das Ichbewusstsein des Jesus verdrängte. Zwischen der Jordantaufe und dem Tod am Kreuz lebte und wirkte das göttliche Ich im Menschen Jesus und nicht das menschliche Ich. Diese Art der Einwohnung hob die menschliche Freiheit auf. Wäre diese Einwohnung fortan das Prinzip der christlichen Initiation geblieben, dann hätten die Christen ihr Ich auslöschen müssen, um das Christus-Ich durch sich wirken zu lassen. Sie hätten zwar aus dem Christus gehandelt, aber nicht aus ihrem menschlichen Ich. Die Mission des göttlichen Sohnes bestand aber darin, eine Form der Durchdringung des Menschen mit dem Göttlichen zu begründen, die der menschlichen Freiheit nicht widersprach, sondern diese ermöglichte. Deshalb verzichtete Christus auf die unmittelbare Gegenwart im einzelnen Menschen-Ich durch die Himmelfahrt. Die Gegenwart des Auferstandenen in unmittelbarer Nähe der Menschen wie sie in den Erscheinungen nach der Auferstehung zum Ausdruck kommt, schloss die freie Zuwendung des Menschen zum Sohnesgott aus, weil dieser den Menschen von sich aus erschien. Nicht von sich aus sollte das Sohnesprinzip im Menschen-Ich erscheinen, sondern durch die freie Zuwendung des Menschen-Ich. Aber der entrückte Sohn sandte den Geist, der das menschliche Ichbewusstsein nicht auslöscht, der nicht durch seine unmittelbare sinnliche Präsenz das Ich des Menschen überwältigt, sondern der sich dem Menschen im Unanschaulichen mitteilt. Der Hl. Geist wurde vom Christus gesandt, damit der Mensch sein Ichbewusstsein behalten und Christus dem Menschen unbewusst innewohnen konnte.[35]

Die dreifache Gestalt des Göttlichen bildet sich in der Geschichte des menschlichen Ichbewusstseins ab: die vorchristlichen Initiierten erlebten, wie das makrokosmische Vaterprinzip in sie eintrat und in ihnen das Ichbewusstsein erweckte. Indem ihnen der Vater innewohnte, erinnerten sie sich an ihre eigene kosmisch-geistige Herkunft, ihr Weg zur Erkenntnis des Göttlichen führte sie in das präexistente Dasein zurück (ex deo nascimur). Christus trat in den Menschen ein, nur wenn das menschliche Ichbewusstsein erstarb (in Christo morimur). Aber er sandte den Hl. Geist, der im Menschen ein neues Bewusstsein des Christus zu erwecken vermag, das aus der aktiven Zuwendung des Menschen-Ich zum Geist hervorgeht (per spiritum sanctum reviviscimus). Der Hl. Geist, der von Christus ausging, befähigt den Menschen dazu, sich aus dem ersterbenden Intellekt, der auf den verfallenden Leib gestützt ist, der zwar die Freiheit verbürgt, aber mit der Freiheit auch den Tod, zu erheben und sich dem lebendigen und lebenerweckenden Sohn zuzuwenden. »Der Vater ist der ungezeugte Zeugende, der den Sohn hereinstellt in die physische Welt. Aber zu gleicher Zeit bedient sich der Vater des Hl. Geistes, um mitzuteilen der Menschheit, dass im Geiste erfassbar ist das Übersinnliche, auch wenn dieser Geist nicht geschaut wird, sondern wenn dieser Geist nur innerlich auch sein abstraktes Geistiges zum Lebendigen hinaufarbeitet, wenn er durch den ihm innewohnenden Christus den Gedankenleichnam, den wir von unserem vorgeburtlichen Dasein haben, zum Leben erweckt.«[36]

Bei der Jordantaufe ging der Hl. Geist vom Vater auf den Sohn über. Bei der Ausgießung des Hl. Geistes zu Pfingsten ging der Hl. Geist vom Sohn aus. Im Dogma vom doppelten Ausgang des Hl. Geistes vom Vater und vom Sohn ist alte Initiationsweisheit kristallisiert. Das Göttliche, das sich der Menschheit in ihrer Geschichte mitteilt, kann nur trinitarisch verstanden werden. Nur durch die Unterscheidung das Vaters, des Sohnes und des Geistes und die Anschauung ihres konkreten Wirkens in der Geschichte kann ein angemessenes Verständnis dieses Göttlichen erreicht werden. Heute ist es der von Christus ausgegangene und ausgehende Hl. Geist, der zur Erkenntnis des Sohnes hinführt. Und durch diesen gelangt die Menschheit wieder zum Vater.

Die Spuren des Trinitarischen in der Geschichte

Motivisch eng verwandt sind zwei Vorträge über die Trinität, die Steiner im Januar und Februar 1923 in Dornach hielt.

Der erste geht von einer symptomatologischen Deutung des Streites zwischen Realismus und Nominalismus in der Scholastik aus, der andere befasst sich mit der Wandlung der Beziehung des Menschen zur kosmischen Intelligenz vom Altertum bis zur Gegenwart.

Am 27. Januar 1923 (GA 220) beschreibt Steiner den Übergang vom scholastischen Begriffsrealismus zum Nominalismus als Symptom einer Bewusstseinsveränderung. Der Realismus, der den Ideen Realität zusprach, fußte auf einem anderen seelischen Erleben der Ideen als der Nominalismus. Aber selbst die Ideenwesenheiten des Realismus stellten bereits eine Abschattung  gegenüber jenem Realen dar, das die Wesenheit des Wolfes als Gruppenseele, als geistige Wesenheit für eine frühere Zeit darstellte. Selbst die Ideen Platos, die lebendiger und wesenhafter waren als die Ideen des scholastischen Realismus, waren lediglich die »Nachkommen« von Erzengelwesen, die Zarathustra im Blick hatte, wenn er von den Helfern des Ahura Mazdao, den Amesha Spenta sprach. Diese im Universum lebenden und wirkenden Amesha Spenta verschleierten sich vor dem Blick Platos und wurden in der Scholastik zu Abstraktionen. Für den Nominalismus verloren die Ideen noch die letzte Spur von Realität und wurden zu bloßen nomina, zu Abbreviaturen, die der Bequemlichkeit der menschlichen Kommunikation dienten.

Die moderne Weltanschauung, die zu Beginn der Neuzeit mit dem Durchbruch der Naturwissenschaften heraufkam, steht ganz im Zeichen des Nominalismus. Der Sieg des Nominalismus bedeutet, dass der Mensch durch seine Ideen keine Beziehung mehr zu einer geistigen Realität zu knüpfen vermag. Darin besteht das Wesen des Intellektualismus. Der Intellektualismus ergeht sich in den Wortschatten der Ideen und betrachtet die der sinnlichen Empirie zugängliche Welt als das einzig Wirkliche. Die moderne Zivilisation ist eine entgeistigte Zivilisation. Wer in Begriffen und Ideen bloße Namen sieht, ist von der Realität des Geistes, vom göttlichen Wesen, abgeschnitten, das sich dem Menschen nicht durch die Sinnesempirie mitteilen kann. Für den scholastischen Realismus war der Weg der Naturerkenntnis ein Weg zu Gott. Denn die Gedanken, die er aus dem Buch der Natur herauslas, waren seiner Auffassung nach zuvor von Gott in die Natur hineingelegt worden. Das Lesen im Buch der Natur war ein Lesen der Gedanken Gottes. Wer die Gedanken Gottes durch das Lesen in der Natur in sich aufnahm, verband sich über diese Gedanken mit Gott selbst. Die moderne Menschheit hat diese Fähigkeit verloren, in der Natur etwas Geistiges zu finden. An die Stelle der Schöpfungsgedanken traten die Naturgesetze, trat der Mechanismus und Atomismus, die Selbstorganisation der Materie. Die auf Hellsicht beruhende alte Mysterienanschauung nahm in allem Seienden ein schöpferisches, hervorbringendes Prinzip wahr, in dem sie das Vaterprinzip erblickte. Der Übergang vom sinnlich Wahrnehmbaren zum Übersinnlichen war der Übergang vom Geschaffenen zum Schöpfer, zum Vatergott.

Erst der Untergang des scholastischen Realismus brachte die reale Möglichkeit des Atheismus. Die vollständige Verneinung der Realität des göttlichen Urgrundes der Welt wurde erst möglich, als aus den Ideen die letzte substantielle geistige Realität entschwunden war. Noch der Realismus der Scholastik war von der Gewissheit der Realität des Vatergottes durchdrungen. Aber er hatte auch nur ein Verständnis des Vatergottes. Obwohl inzwischen rund zwölfhundert Jahre seit dem Mysterium von Golgatha verstrichen waren, wandte auch die Scholastik auf dieses Mysterium nur jene Weisheit an, die einst aus dem Vatergöttlichen hervorgegangen war. Deswegen sah die Scholastik in Christus bloß den Sohn des Vaters, den Sohnesgott. Die Christuswesenheit war – vom Vater aus gedacht – nichts als der Sohn des Vaters. In der Natur erkannte man das Wirken des väterlichen Schöpfergottes und in Christus den Sohn dieses Schöpfergottes. Im Protestantismus regte sich eine Gegenströmung gegen diese am Vatergott orientierte Weisheit. Er bemühte sich um eine Erkenntnis der eigenständigen Wesenheit des Christus. Aus den Evangelien, den Berichten von den Taten und Worten des Christus, sollte eine Erkenntnis seiner selbständigen Wesenheit gewonnen werden. Aber der Protestantismus scheiterte, weil die abendländische Menschheit bereits in das Zeitalter des Nominalismus eingetreten war und die Erkenntnismittel nicht mehr zur Verfügung standen, das Göttlich-Wesenhafte am Christus zu verstehen. Christus wurde nurmehr als Mensch verstanden, der durch eine besondere Gnade des Vatergottes erwählt worden war. Christus wurde schließlich zum schlichten Mann aus Nazareth. Diese Entwicklung gipfelte im Bestseller Adolf Harnacks über das Wesen des Christentums, der aus Steiners Sicht einen bemerkenswerten Rückfall darstellt, denn in ihm wird Christus nur nach dem Vaterprinzip aufgefasst. Überall könne in diesem Buch der Name des Christus durch Gottvater ersetzt werden, ohne dass sich an seiner Botschaft irgendetwas ändere.

Zu einem Verständnis des Christus, das in ihm mehr als den bloßen Sohn des Vaters sieht, kann sich der moderne Mensch nur durch ein inneres Erweckungserlebnis aufschwingen. Nur wenn er in sich selbst etwas erweckt, was über das hinausgeht, wozu ihn seine Geburt, seine Erziehung und die Gesellschaft geformt haben, wenn er in sich den individuellen Geist erweckt, vermag er einen Zugang zum selbständigen Wesen des Christus zu finden. Der Grund dafür liegt darin, dass Christus selbst sich mit der Menschheit verbunden hat und seit dem Mysterium von Golgatha in den Tiefen des Menschenwesens verborgen ist. Durch die Wiederweckung im Geist findet der einzelne Mensch den lebendigen Christus, denn diese Wiederweckung ist nichts anderes als die Auferstehung des Christus in der einzelnen Menschenseele. Der Vater hat den Sohn gesandt, um sein Werk auf Erden zu vollenden. Ohne das Wirken des Christus im Menschen, ohne das Fortwirken der göttlichen Schöpferkräfte im Menschen bliebe das Schöpfungswerk unvollendet.

Die Geisteswissenschaft stellt einen Weg dar, diese Erweckung im Inneren des Menschen nicht nur zu verstehen, sondern sie auch hervorzurufen. Der spirituelle Entwicklungsweg der Anthroposophie führt zur Erweckung des Christus im Inneren der Menschenseele. Die Anthroposophie als Erweckungsweg führt zu einem neuen Realismus, der die Realität des Geistes im Inneren der Seele erfahrbar macht. Während sich die alte Theologie im Grunde nur für die Abstammung des Sohnes vom Vater interessierte und auch die Trinitätstheologie in ihrer dogmatischen Fassung sich nur darum bemühte, die Abstammungsverhältnisse von Sohn und Geist zu klären, während im Nominalismus die Einheit Gottes in die Dreiheit der Personen auseinanderfiel, weil das Allgemeine keine Realität mehr darstellte, kann die Anthroposophie, weil sie über die Erweckung des Christus im Inneren der Seele zu einem neuen Geistrealismus führt, sowohl die eigenständige Wesenheit des Sohnes gegenüber dem Vater erfassen, als auch das allgemeine Göttliche verstehen.

Die Anthroposophie als spirituelle Naturerkenntnis bildet die Erkenntnis des väterlichen Schöpferwirkens fort oder erschließt sie neu, indem sie den Weg von der Anschauung des Wirkens der Amesha Spenta über Platos Ideen und die Universalien der Scholastik bis zu den nomina der empirischen Gesetzeswissenschaft von rückwärts aufrollt und sich zu einer Anschauung des in der Natur wirkenden Geistes erhebt. Die Anthroposophie als Historiosophie erkennt die absteigende Bewegung in der Menschheitsgeschichte und die aufsteigende Bewegung, die vom Mysterium von Golgatha ausgeht: sie erkennt im Mysterium von Golgatha den Mittelpunkt und Sinn der ganzen menschheitlichen Erdengeschichte.[37] Spirituelle Naturerkenntnis führt zum Vatergott, spirituelle Geschichtserkenntnis zum Wirken des Christus in der Geschichte.

Auch der Vortrag vom 18. Februar 1923 (GA 221) beschäftigt sich mit der Heraufkunft des neuzeitlichen Intellektualismus.

Steiner skizziert die Veränderung des Verhältnisses des Menschen zum geistigen Inhalt der Welt, die mit dem 15. Jahrhundert eintrat. Noch im 9. Jahrhundert konnte, wie das Beispiel von Scotus Erigena zeigt, das Leben der Seele in Ideen in dieser Gefühle der Wärme und Begeisterung erwecken. Selbst Schiller und Goethe fühlten sich erst dann wahrhaft als Menschen, wenn es ihnen gelang, die Seele durch Ideen zu erwärmen. Aber diese Möglichkeit der seelischen Erwärmung an der Idee schwand rapide im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Vor diesem Bewusstseinswandel trug die Ideenwelt Leben in sich und war auf das Leben des Kosmos gerichtet. Der Kosmos selbst erschien der von Leben erfüllten Idee als Lebewesen. Aus dem Weltall als lebendigem, beseeltem Organismus ließ das Altertum das Tote, die mineralische Welt hervorgehen. Leben war das Ursprüngliche, Totes das Abgeleitete. An die Stelle dieser Kosmobiologie trat in den Jahrhunderten der Neuzeit der Kosmomechanismus. Die Auffassung setzte sich durch, das Leben sei aus dem Toten entstanden und könne aus diesem abgeleitet werden. Noch die mittelalterliche Alchymie glaubte nicht an die Urzeugung, an die Entstehung des Lebendigen aus dem Toten, sondern sah die Erzeugung des Homunculus als Entstehung eines besonderen Lebendigen aus dem allgemeinen Leben des Kosmos. Leben sollte aus Leben hervorgehen, nicht Totes zu Lebendigem zusammengesetzt werden. Dem Entweichen des Lebens aus der Idee und der Heraufkunft des mechanistischen Denkens entspricht die Starrheit der Begriffswelt. Zu keiner Zeit war die Gedankenwelt des Menschen so in der Abstraktion erstarrt, wie in der Gegenwart. Noch Goethe glaubte, das Leben könne nur mit lebendigen, beweglichen Begriffen erfasst werden. Andererseits ging aus dieser Erstarrung des lebendigen Begriffs in der Abstraktion die Freiheit des Menschen hervor. Solange die Gedanken von eigener Lebendigkeit sprühten, ließen sie den Menschen nicht frei, sondern teilten ihm ihr inneres Leben eigentätig mit. Erst die völlige Erstarrung des Begriffs ließ das menschliche Ich als Beweger der Gedanken zum Zug kommen. Schließlich ermöglichte diese Erstarrung des Begriffs auch den triumphalen Siegeszug der Technik.

Aus dem erstorbenen Leben des Geistes geht in der Neuzeit das Abbild dieses Todes, die Technologie hervor. Vom Tode erfüllt und umgeben, entsteht im Menschen die Sehnsucht nach dem Leben. Dieses Leben kann er aber nicht mehr von aussen empfangen. Er muss es selbst in sich erwecken, erzeugen. Während in der Vorzeit der Mensch erkennend das Leben des Kosmos einatmete, ist er heute genötigt, sich selbst zum Leben zu erwecken, wenn er nicht völlig den Kräften des Todes verfallen will. Der gewaltige Umschwung, der in den vergangenen fünf Jahrtausenden stattgefunden hat, kann nicht genug betont werden.

In der vorgriechischen Zeit lebte der Mensch im Gefühl, er sei aus einer himmlischen Welt auf die Erde herabgestiegen. Er empfand sein Leben auf der Erde als Nachwirkung des Lebens, das die Götter vor der Geburt in ihn gepflanzt hatten, sich selbst in seiner körperlichen Existenz wie eine Umhüllung eines göttlichen Wesens, das mit ihm selbst auf die Erde herabgestiegen war. Ja, die Menschen empfanden sich selbst als die letzten Götter in der Götterhierarchie, die bis zur Erde herabreichte. Es wäre nicht schwierig, die Spuren dieser Empfindung in den vorchristlichen Religionen nachzuweisen, sowohl in den orientalischen als auch in den westlichen. Steiner selbst verweist auf die atma-brahma-Lehre. Diese Empfindung gegenüber seinem geistigen Ursprung floss in der Vorstellung zusammen, der Mensch sei aus dem Vater, dem väterlichen geistigen Weltengrund hervorgegangen, eine Art Gottessohn. Nicht der Mensch in seiner fleischlichen, vergänglichen Existenz, sondern der Mensch als seelisch-geistiges Wesen, das als Nachglanz des vorgeburtlichen, seelisch-geistigen Lebens im Schoß der Götterwelt empfunden wurde. Religiöses Leben bestand daher im Wesentlichen in diesem Gefühl der Verbundenheit mit dem vatergöttlichen Ursprung. Daher wurde die höchste Stufe der Mysterieneinweihung auch vielfach als Vater bezeichnet. In der Einweihung wurde das Bewusstsein, Abbild des Vaters zu sein, kultiviert. Wer diese Stufe der Einweihung erlangte, fühlte in sich den Vater wirken, lebte, als wirke der Vater in ihm.

In der Zeit des Griechentums begann sich der Mensch so zu fühlen, als sei das Göttliche vollständig in ihn eingezogen. Der Grieche empfand sich als vollendete Darstellung Gottes. Dieses Erlebnis setzte das Griechentum in seiner Götterwelt aus sich heraus: das Gefühl des Menschen, das Göttliche sei ganz in ihn eingezogen, korrespondierte mit der Menschenförmigkeit seiner Götterwelt. Der Anbruch der Neuzeit wird durch die Heraufkunft einer anderen seelischen Grundstimmung markiert. Der Mensch begann sich als gottverlassen zu erleben. Das Göttliche hatte sich in eine jenseitige Welt zurückgezogen, zu der der Mensch nur noch sehnsuchtsvoll aufblicken konnte. Er selbst erlebte sich wie ein aus der Natur hervorgewachsenes Wesen, das sich aus organischen Vorformen zum Menschentum erhoben hatte.

Diese Grundempfindung wurde von der modernen Naturwissenschaft ausgestaltet. In ihr verlor der Mensch seine Beziehung zum göttlichen Ursprung und zu sich selbst. Die Anthroposophie muss diese Beziehung wieder herstellen. Die vorgriechische Menschheit empfand das innere Wesen des Menschen als Nachglanz des Göttlichen und die leibliche Umhüllung als das, was die Seele vom göttlichen Urgrund trennte. Das Ziel des Lebens konnte nur darin bestehen, die fleischliche Hülle, die den Menschen von Gott trennte, von sich abzustreifen oder diese zu läutern, um sie zu einem würdigen Ausdruck Gottes zu machen. Dieses sittliche Ziel kam letztlich der Rückkehr in den väterlichen Gottesgrund gleich. Entsprechend wurde der Tod auch als Rückkehr in die Welt der Väter vorgestellt. Die religiöse Sehnsucht war auf die Wiedervereinigung mit dem väterlichen Urschöpfungsprinzip ausgerichtet. In der Zeit des Griechentums fühlte sich der Mensch mit dem Göttlichen und mit dem Irdischen zugleich verbunden. Er empfand ein Gleichgewicht zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen. In dieser Zeit galt nicht mehr bloß das Wort: »Im Urbeginne war der Logos und der Logos war bei Gott«, wobei unter Gott der Vatergott verstanden wurde, sondern der Logos war Fleisch geworden. Der Logos, der in der vorgriechischen Zeit beim Vater weilte, hatte sich im Menschen selbst sein Haus errichtet. Im Mysterium von Golgatha fand diese Seelenstimmung ihren vollendeten Ausdruck. Der Vatergott konnte nicht in menschlicher Gestalt vorgestellt werden. Er musste rein geistig gedacht werden. Erst der Christus konnte göttlich und menschlich zugleich gedacht werden. Christus war die Erscheinung des göttlichen Urgrundes in Gestalt eines Menschen. Das Mysterium von Golgatha steht im Mittelpunkt der ganzen Entwicklung des Menschen auf der Erde. Das Griechentum stellte in seinen menschengestaltigen Göttern eine historische Frage an den Kosmos: kann Gott Mensch werden? Und der Kosmos antwortete, indem er das Mysterium von Golgatha geschehen ließ.[38]

Die Neuzeit kann dieses Mysterium der Menschwerdung nur verstehen, wenn sie sich aus der Abstraktion erhebt, in die der Intellektualismus geführt hat. Der leblos gewordene Begriff ist nur geeignet, das Leblose zu begreifen. Der Quell des unversieglichen Lebens im Menschen, in der Menschheitsgeschichte, kann nur durch ein lebendiges Erkennen erfasst werden. Aus der eigenen Kraft der Seele muss sich der Mensch der Neuzeit zum Leben des Geistes aufschwingen, um dieses Leben, das aus dem Tod des Logos am Kreuz hervorgeht, in sich aufzunehmen. Diese Erweckung des Lebens im Erkennen ist nur durch das Wirken des Hl. Geistes zu erreichen. Indem der moderne Mensch den erstorbenen Begriff in seiner Seele durch meditative Schulung belebt, nimmt er die Kraft des Hl. Geistes in sich auf, der ihn das Mysterium von Golgatha erst richtig verstehen lehrt. Dies ist nur möglich, wenn er in seinem Erkennen die Kraft der Liebe entfaltet. Die Kraft der Liebe verwandelt den abstrakten Begriff in die lebenerfüllte Imagination, sie bringt dem Erkennen das Leben zurück, das aus ihm ausgezogen ist. Die von der Kraft der Liebe durchdrungene Erkenntnis vermag sich in die Tiefen des Kosmos zu versenken und in ihm den wirkenden Geist zu erfassen. Das Leben im  Hl. Geist führt zum Leben in Christus, führt den Menschen vor Christus, den Sohn Gottes hin.[39] Es führt ihn dazu, zu begreifen, dass der Logos durch die Inkarnation vom Vater auf den Sohn übergegangen ist. Indem der moderne Mensch sein denkendes Erkennen spiritualisiert, findet er durch den Hl. Geist zum Christus und durch den Christus zum Vatergott.

Die Trinität in mantrischer Form

In den Weihnachtstagen 1923, anlässlich der Neubegründung der anthroposophischen Gesellschaft in Dornach, verfasste Steiner einen Meditations- oder Gebetstext, der in beispiellos verdichteter Form eine Vielzahl seiner Annäherungen an das Mysterium der Trinität umschließt. Hier werden seine Forschungen über die Dreigliederung des physischen Menschen und die Beziehung des seelisch-geistigen Lebens zu dieser physiologischen Dreigliederung, die er erstmals in seinem Buch »Von Seelenrätseln« 1917 in einer skizzenhaften Ergänzung der allgemeinen Öffentlichkeit vorstellte, mantrisch auf ihren urbildlich-trinitarischen Grund zurückgeführt.

Der Mensch ist, wie die Genesis bereits zum Ausdruck brachte, Bild und Gleichnis (zelem und demut; eikon und homoioma; imago und similitudo) Gottes. Die sieben Elohim, Organe Jahwe-Eloas, der ihr gemeinsames Bewusstsein, ihre höhere Einheit, repräsentiert, bilden sich im Makroanthropos ab, der aus ihrem Selbstanruf »Lasset uns Menschen machen» hervorgeht. Die in Jahwe-Eloa zusammengefasste Siebenheit der Elohim repräsentiert mit ihren beiden dreifaltigen Flügeln und der verbindenden Mitte die Dreiheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Die Weisheit, Güte und Kraft des Schöpfers bildet sich in seinem Geschöpf ab. In seiner Wesensgliederstruktur ist der Mensch Bild der siebenfältig-einigen Schöpfermacht, in jedem einzelnen Wesensglied findet sich ein Gleichnis der Totalität, der in sich einigen Siebenheit, die Jahwe-Eloa darstellt: die Wesensgliederung und die Einheit, die in Jahwe-Eloa präformiert ist, findet sich auch in seinem Abbild wieder. Durch die Elohim wirken auch die Throne, Cherubim und Seraphim: Diese gestalten die dreigliedrige physiologische Struktur des Menschen aus, auf welcher die Differenzierung seiner Seelenglieder beruht.

Die Bewusstseinsseele, kosmisch von den Seraphim repräsentiert, stützt sich auf die Stoffwechselorganisation, die Verstandes- und Gemütsseele, deren kosmisches Urbild die Cherubim sind, wurzelt in der rhythmischen Organisation und die Empfindungsseele, die die Throne dem Menschen einprägen, stützt sich auf die Nerven-Sinnes-Organisation.

Die trinitarische Struktur prägt sich in den Seelenkräften des Menschen aus: Dem Wollen, das sich in Wunsch, Vorsatz und Entschluss entfaltet, die der moralischen Intuition, der moralischen Phantasievorstellung und der moralischen Technik der »Philosophie der Freiheit« entsprechen, dem Fühlen, das sich in Sympathie und Antipathie und den aus beiden gemischten Seelenerlebnissen zusammensetzt und dem Denken, an dem Denkakt, Denkinhalt und die sich durchdringende Einheit beider unterschieden werden können. An der Konfiguration der Seelenkräfte wirkt aber auch die Dreiheit der Engel, Erzengel und Zeitgeister mit: die Engel stützen das Denken, die Erzengel das Fühlen und die Archai das Wollen des Menschen. Aber die göttliche Weisheit, Schönheit (Güte) und Kraft offenbart sich nicht nur in der Dreiheit von Seraphim, Cherubim und Thronn, sondern in der Gesamtheit der Hierarchienwelt: die höchste Dreiheit repräsentiert in der Weltseele die schöpferischen Kräfte des Wollens, die sich im Wollen des Menschen gleichnishaft abbilden, die mittlere Dreiheit der Kyriotetes, Dynamis und Exusiai repräsentiert die differenzierende und harmonisierende Sphärenmusik des Weltenfühlens, die sich im menschlichen Fühlen widerfindet und die Dreiheit der Archai, Archangeloi und Angeloi trägt die gedankenartige Weisheit der Weltseele, die kosmische Intelligenz in sich, die im menschlichen Denken vom Ich individualisiert wird.

Die Grundsteinmeditation ist in zwei Fassungen, einer esoterischen und einer exoterischen, überliefert.[40] Die Varianten der exoterischen Fassung, die von der mündlich vorgetragenen Fassung abweichen, finden sich im folgenden in Klammern.

 

1.

Menschenseele!
Du lebest in den Gliedern,
Die dich durch die Raumeswelt
Im Geistesmeereswesen tragen:

Übe Geist-Erinnern
In Seelentiefen,
Wo in waltendem
Weltenschöpfer-Sein
Das eigne Ich
Im Gottes-Ich
Erweset;

Und du wirst wahrhaft leben
Im Menschen-Welten-Wesen.

Denn es waltet der Vater-Geist der Höhen
In den Weltentiefen Sein-erzeugend

Seraphim, Cherubim, Throne (Ihr Kräfte-Geister,)
Lasset aus den Höhen erklingen,
Was in den Tiefen das Echo findet;

Dieses spricht:
Ex Deo nascimur (Aus dem Göttlichen weset die Menschheit).

Das hören die Elementargeister (Das hören die Geister)
In Ost, West, Nord, Süd:
Menschen mögen es hören.

2.

Menschenseele!
Du lebest in dem Herzens-Lungen-Schlage,
Der dich durch den Zeitenrhythmus
Ins eigne Seelenwesensfühlen leitet:

Übe Geist-Besinnen
Im Seelengleichgewichte,
Wo die wogenden
Welten-Werde-Taten
Das eigne Ich
Dem Welten-Ich
Vereinen;

Und du wirst wahrhaft fühlen
Im Menschen-Seelen-Wirken.

Denn es waltet der Christus-Wille im Umkreis
In den Weltenrhythmen Seelen-begnadend:

Kyriotetes, Dynamis, Exusiai (Ihr Lichtes-Geister),
Lasset vom Osten befeuern,
Was durch den Westen sich gestaltet (formet);

Dieses spricht:
In Christo morimur  (In dem Christus wird Leben der Tod).

Das hören die Elementargeister (Das hören die Geister)
In Ost, West, Nord, Süd:
Menschen mögen es hören.

3.

Menschenseele!
Du lebest im ruhenden Haupte,
Das dir aus Ewigkeitsgründen
Die Weltgedanken erschließet:

Übe Geist-Erschauen
In Gedanken-Ruhe,
Wo die ew’gen Götterziele
Welten-Wesens-Licht
Dem eignen Ich
Zu freiem Wollen
Schenken;

Und du wirst wahrhaft denken
In Menschen-Geistes-Gründen.

Denn es walten des Geistes Weltgedanken
Im Weltenwesen Licht-erflehend:

Archai, Archangeloi, Angeloi (Ihr Seelen-Geister),
Lasset aus den Tiefen erbitten,
Was in den Höhen erhöret wird;

Dieses spricht:
Per spiritum sanctum reviviscimus (In des Geistes Weltgedanken erwachet die Seele).

Das hören die Elementargeister (Das hören die Geister)
In Ost, West, Nord, Süd:
Menschen mögen es hören.

***

Wie ein Hymnus kosmischer Urchöre tönen diese Worte durch die Ätherhallen des Menschheitstempels, der nach dem Brand in der Silvesternacht 1922/23 nur mehr in geistiger Form auf dem Dornacher Hügel steht. Aber die sogenannte Grundsteinlegung, die durch diesen Hymnus erfolgt, ist eine Grundsteinlegung in den Seelen der anwesenden Menschen. Der Mensch selbst wird durch ihn als Tempel der Götter angesprochen: das älteste Motiv, das Steiners Wirken seit der Jahrhundertwende begleitet, wird hier wieder aufgegriffen.

Joh 2,18-22: »Da fingen die Juden an und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte.«

1 Kor 3,16-17: »Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr.«

1 Kor 6,19: »Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?«

2 Kor 6,16-18: »Was hat der Tempel Gottes gemein mit den Götzen? Wir aber sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht (3 Mose 26,11-12; Hesekiel 37,27): «Ich will unter ihnen wohnen und wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.» Darum «geht aus von ihnen und sondert euch ab», spricht der Herr; «und rührt nichts Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein», spricht der allmächtige Herr (Jesaja 52,11; Hesekiel 20,41; 2. Samuel 7,14).«

Bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts spielt dieses geistige Motiv des Tempels, des Menschen als Tempels der Gottheit, eine zentrale Rolle im Vortragswerk.[41]

Hier ist der salomonische Tempel ein geistiges Urbild der vergeistigten menschlichen Leiblichkeit, in der der Name, das Wort des Herrn, das Ich-Bin, Einzug halten kann. Er ist aber auch Urbild des sozialen Gliederbaus, der durch die individualisierte, demokratisierte göttliche Weisheit wieder aufgebaut werden muss. Es taucht sogar vor der Jahrhundertwende im Zusammenhang mit Goethes Märchen von der schönen Lilie und der grünen Schlange auf: auch dort wird ein Tempel errichtet oder vielmehr, der versunkene Tempel tritt aus den verborgenen Tiefen der Erde an die Oberfläche. Er steht jenseits des Flusses, über den die Schlange eine Brücke baut, die das irdische Weisheitsgold in sich aufnimmt und es in spirituelle Weisheit verwandelt. In diesem Tempel erstrahlen die drei Könige der Weisheit, Schönheit und Stärke in neuem Glanz, die drei Könige, zu deren Verehrung das Volk über die Brücke hinüber und herüber wandeln kann. Was Goethe in imaginativer Form in sein Märchen goss, tönt hier in der mantrischen Sprache wieder auf, die aus der Geisterkenntnis hervorgegangen ist. Der Mensch selbst ist der Tempel, der die drei Könige der Weisheit, Schönheit und Stärke in sich trägt: sie konstituieren ihn, durchdringen ihn, bilden sich in seinem Wesen ab und gehen aus seinem verwandelten Wesen hervor.

Eine dreifache Anrufung der Menschenseele gliedert die drei Teile dieses Hymnus, der in vielfältiger Weise dreifältig in sich gespiegelt ist, so wie der Mensch, wie der Kosmos. Die Anrufung weist auf die anthropologische Gliederung des menschlichen Leibes hin, der die Grundlage für das seelisch-geistige Leben des Menschen bildet, erinnert an den Zusammenhang, der durch diese Gliederung mit dem geistigen Leben des Kosmos besteht, weist den Menschen auf die Fähigkeiten hin, die er benötigt, um sich mit diesem geistigen Leben erkennend zu verbinden, und erbittet für das Bemühen des Menschen, sich durch Selbstgestaltung dem göttlichen Urbild anzuverwandeln, von den Wesen Hilfe, die ihm bei diesem Werk zur Seite stehen.

Der Mensch lebt in seinen Gliedern, die ihn durch den Raum im Meereswesen des Geistes tragen. Er lebt im Herzens-Lungenschlag seiner rhythmischen Organisation, die ihn durch die Zeitenrhythmen ins Fühlen des eigenen Seelenwesens leitet und er lebt im ruhenden Haupt, in der Nerven-Sinnes-Organisation, die ihm aus Ewigkeitsgründen die Weltgedanken erschließt.

In Raum, Zeit und Ewigkeit ist der Mensch durch sein Wollen, Fühlen und Denken eingeordnet. Die Seele des Menschen ruft sich selbst die Fähigkeiten in Erinnerung, die sie den geistigen Wesen verdankt, und ruft sich ins Bewusstsein, durch welche Vertiefung ihrer angeschaffenen Fähigkeiten sie sich zur Erkenntnis der schaffenden Kräfte zu erheben vermag.

Das Geist-Erinnern führt sie in die unterbewussten Tiefen ihres Eigenlebens, in die Willenstiefen, in denen das waltende Weltenschöpfersein das Menschen-Ich aus dem Gottes-Ich erwest, erschafft, als Wesen hervorbringt. Das Gewahrwerden des Hervorgehens aus dem schöpferischen Gottes-Ich befähigt sie zum wahren Leben in der menschlichen Gemeinschaft, im Menschen-Welten-Wesen.

Das Geist-Besinnen in Seelenruhe, im Gleichgewicht der Kräfte des Fühlens, führt sie zum Erlebnis der Vereinigung des aus dem Schoß der Gottheit hervorgegangenen Ich mit dem Welten-Ich. Aus dem Bewusstsein der Vereinigung vermag sie durch die vergeistigten Gefühlskräfte ausgleichend, harmonisierend zu wirken.

Das Geist-Erschauen in der Ruhe des Gedankens schließlich führt sie zur Erkenntnis der ewigen Götterziele, die sich wie das den Kosmos durchdringende Licht dem Menschen-Ich hingeben und diesem seine Freiheit schenken. Durch die Aufnahme der ewigen Götterziele in das eigene Denken wird dieses Denken von der göttlichen Wahrheit durchdrungen. Im Wollen erwest das Menschen-Ich aus dem Gottes-Ich, im Fühlen vereint es sich mit dem Welten-Ich und im Denken wird ihm das Licht geschenkt, das ihn zum freien Wollen führen kann.

Aber diese geistigen Bewegungen wären nicht vollständig, wenn sie nicht in das umfassendere Weben des den Kosmos durchdringenden und tragenden Geistes eingebettet wären. Denn der Vater-Geist der Höhen ist es, der in den Tiefen das Sein erzeugt, aus dem das Menschen-Ich erwest. Durch die Dreiheit der Seraphim, Cherubim und Throne, der Kräfte-Geister, offenbart sich der welten- und wesenschöpferische Urgrund alles Seins, in dem auch das Sein des menschlichen Ich seinen Ursprung hat. Aus dem Göttlichen weset die Menschheit: Ex Deo nascimur.

Im Umkreis waltet der Christus-Wille, seelenbegnadend, der durch die Kyriotetes, Dynamis und Exusiai befeuernd und gestaltend wirkt, durch Inkarnation und Exkarnation, durch die belebende Kraft des Christus, wird Leben der Tod: In Christo morimur.

Und die Weltgedanken des Heiligen Geistes, die durch die Wesen der dritten Hierarchie, die Seelengeister, den Menschen zugänglich sind, sollen von ihnen erfleht werden, denn wer bittet, wird erhört werden. Aus dem Licht der Weltgedanken, aus dem Heiligen Geist, wird die Seele zu neuem Leben erweckt: per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Wie ein Echo aus einer fernen Zeit tönt uns aus dieser hymnischen Dichtung auch die Stimme des Platonikers Pico della Mirandola (1463-1494) entgegen, der in seiner Abhandlung »Über die Würde des Menschen« – kurz nach Anbruch der Neuzeit – schrieb:

»Ein heiliger Ehrgeiz dringe in unsere Seele, dass wir, nicht zufrieden mit dem Mittelmäßigen, nach dem Höchsten verlangen und uns mit ganzer Kraft bemühen, es zu erreichen – denn wir können es, wenn wir wollen. Lasst uns das Irdische verschmähen, das Himmlische verachten, und indem wir alles zur Welt Gehörige schließlich hinter uns lassen, dem ausserweltlichen Hof zueilen, der der erhabenen Gottheit am nächsten ist. Dort haben, wie die heiligen Mysterien überliefern, die Seraphim, die Cherubim und die Throne den ersten Rang inne. Ihrer Würde und ihrem Ruhm wollen wir nacheifern, unnachgiebig und ohne den zweiten Rang zu ertragen. Wir werden um nichts unter ihnen stehen, wenn wir nur wollen. …

Der Seraph glüht vom Feuer der Liebe, der Cherub leuchtet vom Glanz des Geistes, der Thron steht durch dieFestigkeit des Urteils.

Wenn wir uns also dem tätigen Leben verschrieben und darin die Sorge für die geringeren Dinge mit rechter Prüfung auf uns genommen haben, werden wir durch die unerschütterliche Beständigkeit der Throne gefestigt werden.

Wenn wir, befreit von den Tätigkeiten, über den Schöpfer in der Schöpfung, die Schöpfung im Schöpfer nachsinnen und so mit der Musse des Schauens beschäftigt sind, werden wir durch das Licht der Cherubim nach allen Seiten erstrahlen.

Wenn wir in Liebe brennen werden allein zum Schöpfer selbst, so werden wir durch sein Feuer, das verzehrend ist, schlagartig zum Bild der Seraphim entflammt werden.

Über dem Thron, das heisst dem gerechten Richter, sitzt Gott als Richter der Zeiten. Über dem Cherub, das heisst dem Betrachter, schwebt er und wärmt ihn gleichsam unter seinen Fittichen. Denn der Geist Gottes schwebt über den Wassern, ich meine über denen, die über den Himmeln sind und die bei Hiob den Herrn loben mit Hymnen vor Tagesanbruch. Wer Seraph, das heisst ein Liebender ist, der ist in Gott und Gott in ihm, ja vielmehr sind Gott und er eins. Groß ist die Macht der Throne, die wir durch Richten, am höchsten die Erhabenheit der Seraphim, die wir durch Lieben erreichen. …

Befragen wir den Apostel Paulus als ein Gefäß der Erwählung, was er die Scharen der Cherubim tun sah, als er in den dritten Himmel entrückt war. Er wird antworten, jedenfalls nach der Auslegung des Dionysius, sie würden geläutert, dann erleuchtet und schließlich vollendet.

Also wollen auch wir, indem wir auf Erden dem Leben der Cherubim nacheifern, indem wir durch die Morallehre den Drang der Leidenschaften zügeln, durch die Dialektik die Finsternis des Verstandes vertreiben und so gewissermaßen den Schmutz der Unwissenheit und der Laster herauswaschen, unsere Seele reinigen, damit weder die Leidenschaften blindlings wüten noch der unkluge Verstand je zu rasen beginnt. Dann wollen wir unsere wohlgeordnete und geläuterte Seele vom Licht der Naturphilosophie durchfluten lassen, um sie schließlich durch die Erkenntnis der göttlichen Dinge zu vervollkommnen.«

Aber der gleichsam zeitlose Chor der Urchöre, der in der Grundstein-Meditation erklingt, mündet in der Geschichte. Denn an die drei Strophen dieser Meditation schließt sich eine weitere, vierte Strophe, in welcher die Verzeitlichung des Ewigen, die Vergeschichtlichung des Übergeschichtlichen angesprochen wird, die Voraussetzung aller Entzeitlichung oder besser: des Beginns einer Neuen Zeit ist.

In dieser Strophe erklingt auch die höhere Wahrheit des verflossenen Jahrhunderts und unserer Gegenwart, die in ihrer spektakulären Finsternis all das verdichten, was geeignet war und ist, anstelle des Bildes des Anthropos das »Greuelbild der Seelenverwüstung« (to bdelygma tes eremoseos, Dan 9,27; 11,31, Mk 13,14) im Tempel zu errichten. Was zu Weihnachten 1923 gegründet werden sollte, war eine Vereinigung von Menschen, in deren Herzen und Häuptern das göttliche Licht der Christus-Sonne leuchten sollte. Die Grundsteinlegung sollte daran erinnern, dass die Menschheit der mystische Leib Christi ist und dass es keine andere Sonne gibt als die, in deren Licht aller Irrtum verweht und aller Hass dahinschmilzt.

4.

In der Zeiten Wende
Trat das Welten-Geistes-Licht
In den irdischen Wesensstrom;
Nacht-Dunkel
Hatte ausgewaltet;
Taghelles Licht
Erstrahlte in Menschenseelen;
Licht,
Das erwärmet
Die armen Hirtenherzen;
Licht,
Das erleuchtet
Die weisen Königshäupter.

Göttliches Licht,
Christus-Sonne,
Erwärme unsere Herzen;
Erleuchte unsere Häupter;
Dass gut werde,
Was wir aus Herzen gründen,
Was wir aus Häuptern
Zielvoll führen wollen.

Anmerkungen:

Der Text wurde im Jahr 2004 verfasst und im Jahrbuch für anthroposophische Kritik veröffentlicht.

[1] Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, S. 163, (1887)

[2] Mein Lebensgang, Ausgabe Dornach 1983, S. 337.

[3] Philosophie der Freiheit, Ausgabe Dornach 1962, S. 166.

[4] Philosophie der Freiheit, S. 25.

[5] Philosophie der Freiheit, S. 143.

[6] Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens …, S 21, 22.

[7] Mystik, S. 31.

[8] Mystik, S. 35.

[9] Mystik, S. 36.

[10] Goethes Weltanschauung, Ausgabe Dornach 1963, S. 86-88.

[11]  Das Christentum als mystische Tatsache …, zitiert nach dem Reprint der Erstausgabe, S. 18.

[12]  Christentum …, S. 19.

[13]  Christentum …, S. 23-24.

[14]  Christentum …, S. 24.

[15]  Christentum …, S. 116.

[16]  Christentum …, S. 134.

[17] GA 54, 158-159.

[18] GA 54, 164.

[19] Das berühmte Wort findet sich in einem der ältesten Texte der Upanishaden, im Brihad-Aranyaka-Upanishad. Brahma, das Selbst, das einzige, das am Anfang existierte, sagte zu sich selbst: »Aham brahmasmi«, »Ich, Brahma, bin der Ich bin (oder das Ich-Bin.)« Das erste Wort, das Brahma sprach, lautete nach einer anderen Stelle im selben Text: »Das bin Ich«. Siehe Brihad-Aranyaka-Upanishad, I, 4.

[20] GA 54, 170.

[21] GA 54, 173. Die Dreiheit findet sich auch im Judentum in Gestalt JHWHs, des Gesetzes und des Messias und im Islam als Allah, Koran und dreizehnter Imam.

[22] GA 54, 174.

[23] GA 97, 139.

[24] GA 97, 147.

[25] GA 96, 254.

[26] Steiner greift hier offenbar auf eine theosophische Tradition zurück. Über die Worte des Gekreuzigten schrieb Blavatsky: »Eli, Eli, Lama Sabachtani never meant ›My God, my God, why hast thou forsaken me?‹, but meant, indeed, originally, the reverse. They are the sacramental words used at the final initiation in old Egypt, as elsewhere, during the Mystery of the putting to death of Chrêstos in the mortal body with its animal passions, and the resurrection of the spiritual man as an enlightened Christos in a frame now purified (the ›second birth‹ of Paul, the ›twice-born‹ or the Initiates of the Brahmans, etc.). These words were addressed to the Initiate’s ›Higher Self‹, the Divine Spirit in him (let it be called Christ, Buddha, Krishna, or by whatever name), at the moment when the rays of the morning sun poured forth on the entranced body of the candidate and were supposed to recall him to life, or his new rebirth. They were addressed to the Spiritual Sun within, not to a Sun without, and aught to read, had they not been distorted for dogmatic purposes: ›My God, my God, how thou dost glorify me!‹« Collected Writings, Volume IX.

[27] GA 96, 296.

[28] GA 110, 77.

[29] GA 110, 161.

[30] GA 110, 161.

[31] GA 122,  122.

[32] GA 165, 212.

[33] GA 175, 55.

[34] GA 175, 64.

[35] GA 214, 69.

[36] GA 214, 70.

[37] GA 220, 180.

[38] GA 221, 152.

[39] GA 221, 135.

[40] Näheres siehe GA 260.

[41] Siehe »Über den verlorenen und wiederzuerrichtenden Tempel«, Berlin, 15.5., 22.5., 29.5. und 5.6.1905, GA 93, S. 129 ff.


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Ein Kommentar

  1. Alles sehr viel, aber gut so, Danke, kann mit allem Mitgehen.
    Gruppe Kunstimpuls bewegen tönen sprechen
    ToJona, Zeichen Jonae, hier ist mehr als Jona.
    Wir arbeiten und forschen mit den Mitteln der Kunst.
    Aus Dornach hört man auch, dass die Klassenmantren eurythmisch erlebbar
    gestaltet werden.

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