1979 | Die spirituelle Existenz der Hochschule und die Wurzel des Übels

Zuletzt aktualisiert am 5. Juni 2020.

Herbert Witzenmann, ca. 1980

Herbert Witzenmann, ca. 1980

Wer vom Auftritt des »ehemaligen« Vorstandsmitglieds bei der Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft einen Eklat, eine Generalabrechnung oder ähnliches erhofft oder befürchtet hatte, sah sich enttäuscht. Als der hochgewachsene Greis mit seinen schlohweißen Haaren leicht schwankend die lange Treppe von der hintersten Reihe des großen Saals unter der Orchesterempore hinunterstieg, um sich nach einem gnädig einladenden Wink von Manfred Schmidt-Brabant ans Rednerpult zu begeben, machte das Tuscheln und Raunen bald einer gespannten Stille Platz. Witzenmann verteidigte sich in seiner Rede nicht gegen einzelne Vorwürfe, die erhoben worden waren, sondern stellte den Kern des Problems aus seiner Sicht erneut in den Mittelpunkt, die Methode der geisteswissenschaftlichen Arbeit, die sogenannte »seelische Beobachtung« und die spirituelle Existenz der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, von deren Fortbestand er – im Gegensatz zur Nachlassverwaltung – aufgrund der Praxis ebenjener Methode überzeugt war. Außerdem sprach er das Problem der Einmütigkeit von Beschlüssen des Vorstandes sowie die Kriterien der Zugehörigkeit zu diesem Gremium an. Seine Ansprache, die vollkommen frei von polemischen Untertönen oder Anwürfen war, führte zu einem Stimmungsumschwung im Saal, nach dem es nicht mehr als opportun erschien, das Vorhaben seiner Abwahl weiterzuverfolgen. Dies sollte sich aber erst nach der Abendpause herausstellen. Mehr noch als der Inhalt seiner Ansprache dürfte die gebrechliche und doch souveräne Ausstrahlung des Redners – die den Verfasser dieser Zeilen, der Augenzeuge des Geschehens war, an den von Plato geschilderten Auftritt des Sokrates vor dem athenischen Gericht im Jahr 399 v. Chr. erinnerte – zu diesem Stimmungsumschwung beigetragen haben.[1] Da jeder Versuch einer Zusammenfassung der meisterhaften Gedanken- und Sprachkomposition Abbruch täte, sei die Ansprache im Folgenden in voller Länge abgedruckt. Witzenmann verstand übrigens seine Rede nicht als Apologie, sondern als »Rechenschaftsbericht«.

»Ich ergreife nicht gerne das Wort, denn es könnte so scheinen, als ob ich meine Abberufung verhindern wollte. Hierin mögen Sie so verfahren, wie es Ihrer Einsicht und Ihrem Verantwortungsbewusstsein entspricht. Aber ich bin der Versammlung und der ganzen Mitgliedschaft nach alledem, was hier zu der Sache, die ich vertrete, gesagt wurde, Rechenschaft schuldig.

Ich möchte zunächst zu denen sprechen, die sich der freundlichen, an mich ergangenen Einladung, zu sprechen, anschließen. Die anderen möchte ich um ihr Gehör bitten, um ihre Geduld, denn es ist meine Überzeugung, dass ich etwas zu sagen habe, was alle Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, und nicht nur sie, angeht. Nicht, weil ich es sage; denn die Worte, die ich jetzt sprechen werde, können natürlich bei weitem übertroffen werden. Aber weil es sich nach meiner innersten Überzeugung um einen Inhalt handelt, der für sich Bestand hat. Und noch eine Bitte. Es wurde sehr ausführlich zur Sache im Vorausgehenden gesprochen. Haben Sie bitte mit mir die gleiche Geduld und gestatten Sie mir, dass ich etwas aushole und zunächst etwas zu sagen scheine, das nicht zur Sache gehört. Es gehört zur Sache.

Es betrifft zunächst die Arbeitsweise, die ich für eine solche halte, die für die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft unentbehrlich ist. Dies bedeutet natürlich nicht, dass ich behaupte, dass es nicht auch andere Arbeitsstile, wenn Sie wollen, andere Methoden gäbe. Aber der Arbeitsstil, den ich zu vertreten versuche, zusammen mit meinen Freunden, ist, mindestens zusammen mit anderen, in der Gegenwart unentbehrlich. Es ist der Arbeitsstil, den ich mit dem Worte »seelische Beobachtung« zu kennzeichnen versuche. Diese seelische Beobachtung haben wir, glaube ich, alle mehr oder weniger gut aus den grundlegenden Werken Rudolf Steiners erlernt. Der Hauptgegenstand dieser seelischen Beobachtung ist das Entstehen der Wirklichkeit im menschlichen Bewusstsein, die Fähigkeit, dieses großartige Ereignis vollbewusst zu beobachten. Warum ich dies sage: dieses Entstehen der Wirklichkeit können Sie zum Beispiel im Durchführen einer Übung, die Ihnen allen bekannt ist, verfolgen. Ich meine die Samenkornübung.

Sie können da beobachten, wenn Sie diese Übung machen, auch wenn sie zunächst nicht gut gelingt, wie sich mit Elementen, die aus der Wahrnehmungswelt stammen, allgemeine Begriffe verbinden, wie sie sich wunderbarerweise verflechten mit diesem Wahrnehmungsstoff, und wie aus diesem Sichverflechten die übersinnliche Pflanze entsteht. Denn sinnlich ist diese Pflanze ja noch nicht in dem Durchführen dieser Übung da. Und was geschieht? Sie erkennen, dass die allgemeinen Begriffe, die Urbilder, gewaltige formende Kräfte sind, die in dasjenige eingreifen, was als Stoff von einer ganz anderen Seite herkommt, dass sie also nicht abstrakt sind, und dass sie sich in diesem Verflechten individualisieren zu den individualisierten Begriffen. Sie kennen das alles aus der Philosophie der Freiheit Rudolf Steiners. Und erst, wenn Sie die so entstandenen Vorstellungen wieder loslösen von den Wahrnehmungen, entstehen die abstrakten Begriffe, die durch ihr Verschwimmen, durch ihr Abschleifen dann auch wiederum eine Allgemeinheit, aber eine tote, nicht die bildekräftige Allgemeinheit der Urbilder, der Universalien erhalten.

Was beobachten Sie, wenn Sie diesen Beobachtungsanfang weiterverfolgen? Sie beobachten die Vergangenheit, beobachten, wie Sie an der vergangenen Wirklichkeit mitgestalten können. Sie beobachten die Gegenwart, denn in diesem Mitgestalten entstehen Sie ja selbst als geistiges Wesen. Sie beobachten die Zukunft, denn indem nun die schaffenden Kräfte nicht mehr von den Göttern geoffenbart werden, sondern durch die menschliche Freiheit hindurchgehen, entsteht neue Wirklichkeit. Sie beobachten Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, und in diesem Beobachten erschließen sich Ihnen die geistigen Organe, mit denen Sie aus eigenem vollbewussten Beobachten, nicht nur aus dem Hören, Vernehmen und Lesen, sich selbst das bestätigen können, was Rudolf Steiner mitteilt.

Dieses hat eine dreifache Bedeutung. Es hat erstens die Bedeutung, dass Sie aus eigenem vollbewussten Gewahren und Erleben sich von der Geistigkeit des Menschenwesens, also Ihres eigenen Wesens und demjenigen der Welt, überzeugen können. Es hat zweitens die Bedeutung, dass Sie erkennen, dass die Zugehörigkeit zu dem geistigen Strome, den Rudolf Steiner in die Zivilisation geleitet hat, nicht durch äußere Maßnahmen, sondern durch den inneren Mitvollzug der Wirklichkeit bestimmt wird. Und dieses Erfahren hat drittens die Bedeutung, dass Sie erkennen können: Im gemeinsamen Wurzeln in der Wirklichkeit heilen alle Wunden und alle Gegensätze. Nicht durch Gespräche, die ja nützliches sagen können, und durch Verhandlungen, sondern durch gemeinsames Arbeiten können die Wunden geheilt werden, ohne deren Empfangen wir nicht in der Gegenwart, die uns nun einmal beschieden ist, leben können.

Und nun zu der konkreten Situation. Zu dem, was ich soeben gesagt habe und was natürlich mehr oder minder, wenn man es nur so sagt, theoretisch sein muss, habe ich versucht, durch mein Verhalten im Vorstand und innerhalb der Gesellschaft ein Beispiel durch die Tat zu geben. Ich möchte versuchen, Ihnen das verständlich zu machen, und möchte dabei von der ja heute des öfteren beredeten Vereinbarung ausgehen. Lassen Sie mich eines vorausschicken. Ich habe manches von dem, was zuvor gesagt worden ist, mit tiefem Bedauern gehört, und ich müsste eigentlich zu vielen Einzelheiten berichtigend Stellung nehmen. Ich will das nicht tun. Ich will nur zwei Gegensatzpaare herausgreifen, an denen, glaube ich, das Wesentliche sichtbar wird.

Auf der einen Seite wird gesagt, es handle sich bei den Schwierigkeiten nicht um die Grundlagen unserer Gesellschaft und damit unserer spirituellen Existenz, sondern um die Bücher Rudolf Steiners. Und zum anderen wird gesagt, wer an den Vorstandssitzungen nicht teilnimmt, hat keine Funktion und damit auch kein Recht innerhalb des Vorstandes.

Dazu muss ich doch eine kleine Berichtigung einschieben. Ich habe nie von den Büchern Rudolf Steiners, sondern von den Editionen des Nachlassvereins gesprochen. Es kann über die Bücher Rudolf Steiners, meiner Meinung nach, unter uns, die wir uns hier zusammengefunden haben, nicht zwei Meinungen geben, wohl aber über deren Editionen und ihre Herkunft.

Mein Bemühen im Vorstand angesichts der Schwierigkeiten und Auffassungsunterschiede, von denen Sie ja jetzt oft gehört haben, heute und früher, war das Folgende: Zu einer Zusammenarbeit meinen Beitrag trotz großer Gegensätze zu geben, an ihr teilzunehmen und mitzuwirken. Denn nach meiner Ansicht ist alles verloren, wenn wir es nicht fertigbringen, trotz der größten Auffassungsunterschiede zusammen zu leben und zusammen zu wirken. Dann würde uns das lebendige Wesen der Anthroposophie verlorengehen. Aber nach meiner soeben vertretenen Auffassung war und ist es meine Überzeugung, dass es möglich sein müsse, wenn man immer wiederum darauf sinnt, Gelegenheiten zur Zusammenarbeit zu schaffen, über diese Gegensätze hinwegzukommen. In diesem Sinne ist auch die Vereinbarung, die Sie jetzt kennengelernt haben, wohl auch von früher her kennen, durch mich getroffen worden, und sie ist nur in einer Reihe anderer von mir angestrebter Bemühungen zu verstehen. Die Auffassungsdifferenzen kamen zwar anlässlich der Frage: Können die Editionen des Nachlassvereins im Goetheanum aufgelegt werden? Es handelt sich aber nicht primär darum, das ist Symptom, nicht Ursache, sondern die Frage war die: Kann man mit den Vertretern einer Vereinigung zu Absprachen über Einzelheiten kommen, ehe man sich mit ihnen nicht über das Grundlegende, nämlich über die spirituelle Existenz der Hochschule verständigt hat? Und eben diese spirituelle Existenz der Hochschule, so wie sie heute besteht, wurde und wird ja von den Vertretern des Nachlassvereins bestritten.

Hier liegt also die Wurzel. Und dieser Wurzel versuchte ich zu begegnen. Ich will es noch einmal sagen: Es handelt sich natürlich nicht um die Bücher Rudolf Steiners, und auch nicht primär um die Editionen des Nachlassvereins, sondern um die Frage, ob die Freie Hochschule, die von Rudolf Steiner als eine spirituelle Institution begründet wurde, ob diese Freie Hochschule mit einer anderen Instanz verhandeln kann, die ihre Existenz leugnet, bevor man nicht über diese Frage ins Klare gekommen ist. Und da dieses die Wurzel des Übels ist, und nur dieses, war es mein Bemühen, zunächst einmal dieser Wurzel des Übels zu begegnen.

Ich nenne Ihnen eine Reihe der Maßnahmen, die ich eingeleitet habe. Die erste dieser Maßnahmen war eine Art Präludium. Es ist Ihnen wohl bekannt, dass zu der sogenannten Bücherfrage Professor Egger eine Schrift herausgegeben hat[2], in der er in einer sehr bedeutenden Weise unter anderem die Frage des Persönlichkeitsrechtes behandelt hat. Eine Schrift, die ich für sehr bedeutend halte, die aber leider einige verletzende Bemerkungen über Frau Marie Steiner enthält. Ich fühle mich mit vielem im Gegensatz zu Frau Marie Steiner, aber diese verletzenden Bemerkungen, ganz gleichgültig, ob ihnen etwas Richtiges zugrunde liegt oder nicht, konnte ich nicht billigen. Und deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass man sich von diesen verletzenden Bemerkungen distanzieren möge. Dies ist auch geschehen, wenn auch nicht ganz in meinem Sinne. Das war meine erste Maßnahme, um der Wurzel des Übels zu begegnen.

Daraufhin sagte ich, nun ist es an der Zeit, Gespräche mit den Vertretern des Nachlassvereins über das Grundlegende zu führen. Dann kann man, wenn diese Gespräche einen Erfolg haben sollten, auch über Einzelheiten sprechen. Diese meine Auffassung, dass es an der Zeit zu solchen Gesprächen sei, wurde zunächst von meinen Vorstandsmitgliedern damals bestritten. Ich blieb aber bei meiner Auffassung, und es kam zu diesen Gesprächen. Ich habe zwei dieser Gespräche, zusammen mit Herrn Dr. Biesantz, der mich dabei unterstützt hat, mit den Vertretern des Nachlassvereins geführt. Und zwar, um es noch einmal zu sagen, nicht in der Bücherfrage, jedenfalls nicht primär, sondern des Grundlegenden wegen. Und das zweite dieser Gespräche führte zu keinem Abbruch, sondern es ging unentschieden und offen aus. In meiner Sicht bleibt die Fortsetzung dieser Gespräche offen und kann vielleicht noch zu etwas Gutem führen.

Aber ich muss jetzt vielleicht doch noch etwas genauer sagen, um was es sich bei diesen Gesprächen gehandelt hat, obwohl es dieser Versammlung bekannt sein sollte. Es handelte sich um zwei grundlegende Dinge. Erstens um das bereits von mir Erwähnte, dass von den Vertretern des Nachlassvereins der Fortbestand der spirituellen Existenz der Freien Hochschule nach dem Tode Rudolf Steiners bestritten wurde, die Auffassung vertreten wurde, dass es deswegen nicht mehr möglich sei, in einem gemeinsamen Bewusstsein die Schale zu bilden, die fähig wäre, die Gnadengaben der geistigen Welt aufzufangen. Und das zweite waren schwerste diffamierende Anschuldigungen gegen Albert Steffen, den damaligen Ersten Vorsitzenden der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und Stellvertreter Rudolf Steiners. Diese Anschuldigungen wurden aufrechterhalten oder mindestens nicht zurückgezogen. Man kann nun nicht fragen, wie es geschehen ist, ob Albert Steffen unseres Schutzes und unseres Eintretens für ihn bedürftig gewesen sei. Die Frage ist, ob die Freie Hochschule es auf sich nehmen kann, dass auf dem Stellvertreter Rudolf Steiners, und damit auf ihr, schwerste Vorwürfe lasten.

Nun, wie gesagt, diese Gespräche blieben offen, sie haben zu keinem Ergebnis geführt, und daher haben meine Vorstandskollegen begreiflicherweise darauf gedrängt, dass innerhalb des Vorstandes eine Entscheidung falle. Sie haben dabei die Meinung vertreten, dass Beschlüsse des Vorstandes einheitlich gefasst werden müssten, und dass sich die Minderheit bei einer solchen Beschlussfassung entweder der Mehrheit unterordnen oder sich zurückziehen müsse. Was den ersten Teil dieser Auffassung anbelangt, so ist sie auch die meine. Vorstandsbeschlüsse müssen prinzipiell einmütig, einstimmig gefasst werden. Wo dies nicht möglich ist, muss daher eine Notlösung gefunden werden. Und diese Notlösung habe ich wiederum vorgeschlagen in der Überzeugung, dadurch zu einem gedeihlichen Zusammenarbeiten beizutragen, wie es gemäß meiner zuvor begründeten Auffassung allein zu einer Überbrückung der Klüfte führen kann. Ich habe in diesem Sinne als Notlösung oder als Zwischenlösung vorgeschlagen, dass eben, so lange es nicht anders geht, Mehrheitsbeschlüsse im Vorstand gefasst werden und der Gesellschaft bekanntgegeben werden mögen, dass aber auch die Minderheit – das war zumeist ich, manchmal aber auch Herr Dr. Berger gemeinsam mit mir – die Gelegenheit haben müsse, ihre Auffassung vor der Gesellschaft zu vertreten. Wenn man diesen Vorschlag konsequent durchgeführt hätte, so wäre das meiner Überzeugung nach etwas außerordentlich Heilendes und Förderndes für die Gesellschaft gewesen. Denn es hätte der Anstoß sein können für alle, in gemeinsamen Überzeugungsbegegnungen und Erkenntnisbemühungen sich immer neu um unser teuerstes Gut, um die spirituelle Existenz von Hochschule und Gesellschaft zu bemühen. Es wurde dann auch in der Tat meinem Vorschlag entsprechend ein Vorstandsbeschluss gefasst. Man hat sich dann aber in der Folge nicht, leider nicht, an diesen Beschluss gehalten.

Und nun entstand die neue Situation, in der wir alle, ich nicht weniger als meine Vorstandskollegen, vor der Frage standen, die vorhin Herr Grosse ausgesprochen hat: Was soll man machen? Nach langem Überlegen führte das dann zu den Gesprächen zwischen Frau Dr. Kreutzer und mir. In Zusammenarbeit mit ihr ist es mir dann gelungen, die Vereinbarung vom 14. Februar 1974 zu formulieren, die eine erneute Bemühung zur Herstellung einer Zusammenarbeit darstellt.

Aber zunächst ist zu dieser Vereinbarung, die mich ja von den Vorstandssitzungen und den in ihnen gefassten Beschlüssen freistellt, noch etwas anderes zu sagen. Diese Vereinbarung hat in meinen Augen meine Vorstandsmitglieder von aller Zwangsausübung mir gegenüber entlastet. Und sie hat mich natürlich auch entlastet, unter Zwang zu handeln. Damit war die Situation in meinen Augen frei. Aber nun die Interpretation. Die vorhin vertretene Interpretation ist ja die, dass derjenige, der nicht an den Vorstandssitzungen teilnehmen kann – es handelt sich ja nicht darum, dass er nicht will –, der nicht an den Vorstandssitzungen teilnehmen kann aus innerster Überzeugung, dass derjenige keine Funktion im Vorstand hat. Nun ist es ja so, dass die Vorstandssitzungen und -beratungen keineswegs die einzige und auch nicht einmal die wichtigste Aufgabe des Vorstandes am Goetheanum ist. Keinem Vorstandsmitglied ist es natürlich benommen, dies so aufzufassen und auszuüben. Aber diese Beratungen sind, jedenfalls in meiner Sicht, nicht das Wichtigste. Beratungen wohl – der Vorstand hat ja, wie Sie alle wissen, nach einem Wort Rudolf Steiners nicht die Aufgabe, ein Verfüger, sondern ein Berater der Gesellschaft zu sein. Und diese Beratung habe ich auch, nachdem diese Vereinbarung getroffen wurde, in Wort und Schrift für jeden, der es hören wollte, weiterhin ausgeübt. Aber zu dieser Beratung kommt als weitere, wichtigste Aufgabe des Vorstandes, wie Sie aus den ›Prinzipien‹ wissen, hinzu die schöpferische Arbeit oder sagen wir bescheidener: die schöpferische Arbeitsbemühung im Rahmen des Werkes Rudolf Steiners. Auch hierin habe ich, wie ich in aller Bescheidenheit für mich wohl in Anspruch nehmen darf, nicht gerastet.

Aber diese Vereinbarung können Sie überhaupt nicht verstehen, wenn Sie nicht eine weitere Bemühung, die ich zur Überbrückung der Klüfte unternommen habe, mit in Betracht ziehen. Von ihr war ebenfalls die Rede: nämlich von meinem Anerbieten der freien Zusammenarbeit, des freien Zusammenwirkens nach Vereinbarung im Rahmen der Freien Hochschule, auch und gerade weil diese Vereinbarung besteht, des freien Zusammenarbeitens im Sinne des spirituellen Wirklichkeitsgewinnes, im Sinne des Schutzes der Hochschule und der Gesellschaft und im Sinne der Abwehr alles Feindlichen, das gegen sie anstürmt. Hierüber hätte man sich verständigen können. Mein Anerbieten wurde aber nicht ernst genommen, es wurde überhaupt nicht in Betracht gezogen.

In die Reihe dieser Bemühungen, die ich erwähnt habe, und die nur im Zusammenhang miteinander überhaupt verständlich sind und nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsstil, den ich zu pflegen versuche, gehört eine weitere Bemühung, über die ich jetzt lieber nicht sprechen würde, weil sie allerneuesten Datums ist und ich lieber von ihr Abstand genommen hätte. Aber sie ist erwähnt worden. Das ist jener Brief mit der Bitte um einen Sitz am Vorstandstisch während der Generalversammlung. Jener Brief mit einer Bitte – so nur kann sie bei gutem Willen verstanden werden – , jener Brief mit einer Bitte an die Empfänger, sich erneut an mein Anerbieten zur Zusammenarbeit und an meine Auffassung der spirituellen Mitverantwortung im Vorstand zu erinnern: Nun, auch diese Bitte wurde abgeschlagen. Das ist das gute Recht der anderen Vorstandsmitglieder, aber dieses Abschlagen ist für mich eine Aufforderung, vor Ihnen Rechenschaft abzulegen. Dies habe ich hiermit zu tun versucht.

Ich füge noch Eines hinzu. Da dieses mein Anerbieten zur Zusammenarbeit über alle Klüfte hinweg nicht gehört, nicht ernst genommen, überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde, habe ich meine Sektionsarbeit, wie Ihnen bekannt sein dürfte, im Seminar für freie Jugendarbeit mit meinen Mitarbeitern, so gut ich es eben vermochte, fortgeführt, für die Gesellschaft, für die Hochschule, für den Vorstand. Und noch eines, was ebenfalls bereits erwähnt wurde: ich habe mich zu allen diesen Fragen ja bereits ausführlich schriftlich geäußert. Die Liste dieser Äußerungen kann im Seminar für freie Jugendarbeit eingesehen werden, ebenso die Schriften selbst. Der heutige Tag wird mir Anlass geben, erneut publizistisch mich zur Sache zu äußern.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. In früheren Zeiten hat man gesagt: ora et labora, bete und arbeite. Durch das Beten haben die Menschen seinerzeit die richtige Haltung zu sich selbst, zur geistigen Welt und zu ihren Mitmenschen gefunden, und haben dies dann in ihrem Arbeiten zum Ausdruck bringen können. Heute sollte man meiner Meinung nach sagen: sei ein Hüter der Freiheit, deiner eigenen Freiheit, aber auch der Freiheit derjenigen Menschen, mit denen du im sozialen Leben verbunden bist; und versuche, diese Freiheit zu pflegen im vollbewussten Erkenntnisbemühen um die geistige Welt mit den Mitteln, die uns Rudolf Steiner geschenkt hat.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld«.

Hagen Biesantz ergriff daraufhin die Gelegenheit, seine Version der Geschichte vorzutragen. Er sah die Berechtigung einer persönlichen Version darin, dass Unbeteiligte sich ohnehin kaum ein Bild von den Vorgängen machen könnten und daher auf die Erzählungen von Augenzeugen angewiesen seien.

Auch er betonte wie Grosse – zu Unrecht – , in der Auffassung der Hochschule bestünden keine wesentlichen Differenzen zwischen den Beteiligten, während Differenzen in bezug auf die konkrete Zusammenarbeit erst zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgetreten seien.

Er erinnerte an die Zeit vor dem Bücherbeschluss 1968, in der er als eben erst berufenes Vorstandsmitglied miterlebt habe, wie von Sitzung zu Sitzung die »Bücherfrage« diskutiert worden sei. Einig sei man sich gewesen in der »Anerkennung der Hochschule«, uneinig dagegen in der Frage, ob und wenn ja, wann man die Bücher Steiners (die Editionen der Nachlassverwaltung) in das Goetheanum aufnehmen dürfe. Witzenmann habe dies aus prinzipiellen Gründen abgelehnt, die anderen hätten die zunehmende Absurdität dieser Haltung erkannt. »Und nun«, so Biesantz, »nahm es tatsächlich den größten Teil der Kraft und der Zeit des Vorstandes weg, dass man dauernd wie gebannt auf diese Frage starrte und sich mit ihr beschäftigen musste mit allen Rückwirkungen, die das hatte im internen Betrieb hier …«. Als schließlich auch Berger auf den Kurs der Mehrheit überschwenkte, habe er, Biesantz, um ein Gespräch mit Witzenmann ersucht, das in Konstanz stattgefunden habe. In diesem Gespräch habe er folgendes Argument vorgetragen: »Schauen Sie, das ist nicht mehr ein Erkenntnisproblem. Wir haben ja ein Jahr lang jeder seine Argumente immer wieder und wieder gesagt, und keinem ist es gelungen, den andern zu überzeugen. Jetzt ist es ein soziales Problem. Wie lange können fünf, die überzeugt sind, dass eine Handlung geschehen muss, dass sie notwendig ist, um der Einheit willen warten und die notwendige Handlung nicht tun, weil einer sagt, sie ist falsch? Wie lange ist das sozial möglich, dass einer […] die fünf vom Handeln abhält?«

Dieses Problem wäre leicht zu lösen gewesen, wenn man die »Notlösung« Witzenmanns aufgegriffen hätte, von der er in seinem Rechenschaftsbericht erzählte: Mehrheitsbeschlüsse im Vorstand zu fassen – und auch der Minderheit die Gelegenheit zu geben, ihre Auffassung vor der Gesellschaft zu vertreten, – eine Lösung übrigens, die sogar Verfassungsgerichte den Mitgliedern ihres Spruchkörpers zugestehen, das deutsche seit einer Änderung des BverfGG seit 1970.

Gespräche mit den Generalsekretären hätten auch zu keiner Lösung geführt, fuhr Biesantz fort, diese hätten vielmehr die Last der Entscheidung an den Vorstand zurückgegeben, aber angekündigt, jeden möglichen Beschluss zu unterstützen. In der Sitzung des Vorstands schließlich, in der der Bücherbeschluss gefasst worden sei (9. Januar 1968), habe er, Biesantz, zu Witzenmann gesagt, das Problem bestehe darin, dass er nicht in Dornach lebe und »Tag für Tag die Sache« trage. Die Tatsache, dass Witzenmann seinen Wohnsitz nicht nach Dornach habe verlegen wollen, sei für ihn ausschlaggebend gewesen, dem Beschluss zuzustimmen. Im Rückblick mag sich der Betrachter fragen, warum dieser zweifellos sachfremde Grund für Biesantz den Ausschlag gegeben hatte. Infolge des Bücherbeschlusses sei eine Sezession in der Gesellschaft entstanden, trotzdem sei es noch möglich gewesen, in Salzburg zu Pfingsten 1968 gemeinsam an einer Jugendtagung aufzutreten, ja, die Besucher hätten von dem Konflikt gar nichts bemerkt.

Danach allerdings habe Witzenmann, so Biesantz, seine Mitarbeit bei Jugendtagungen nicht mehr gewünscht. Auf seine wiederholte Frage nach einer weiteren Zusammenarbeit habe er schließlich geantwortet, diese könne er ihm »im Augenblick nicht verbindlich beantworten«.

Noch einmal betonte Biesantz, im Grunde könnten nur direkt Beteiligte die damalige Situation wirklich beurteilen. Beurteilen könnten sie allerdings die gegenwärtige Situation, d.h., Witzenmanns schwebende Mitgliedschaft im Vorstand, die eine Entscheidung fordere, bei der die Mitgliedschaft zur Mitwirkung aufgerufen sei – ein zweifelhaftes Argument, wenn man bedenkt, dass ansonsten behauptet wurde, die Verteilung der Aufgaben innerhalb des Gremiums – wozu selbstredend auch eine Amtsenthebung gehören musste – sei allein Sache des Vorstandes, wie zum Beispiel von Jörgen Smit in der folgenden Diskussion. »Die Rechtssphäre« verlange nach einer klaren Lösung, so Biesantz.

Da Witzenmann der Bitte des Vorstandes, zurückzutreten, nicht entsprochen habe, sei die Vereinbarung über seine Beurlaubung geschlossen worden, um »eine neue Auseinandersetzung wie 1935« zu vermeiden. Der schwebende Zustand trete jedoch in der Rechtssphäre immer wieder hervor, bis er beendet sei. Da er Zwang (also einen bindenden Entschluss der Generalversammlung) ablehnte, appellierte er einmal mehr an die Einsicht – die Einsicht Witzenmanns nämlich, nun endlich »freiwillig« zurückzutreten.

Was nun folgte, war eine Farce, die darin gipfelte, dass Richard Grob seinen Antrag in eine »Bitte« umwandelte, die jegliche Abstimmung erübrigte.

Zunächst unterstützte Oskar Hansen, der dänische Generalsekretär, den Appell von Biesantz an Witzenmann, doch freiwillig zurückzutreten. Eine Zustimmung zum Antrag Brühls werde den schwebenden Zustand lediglich auf unbestimmte Zeit verlängern, obwohl die Zusammenarbeit mit Witzenmann nicht mehr möglich sei. Auch Georg Unger stimmte der Notwendigkeit einer Entscheidung zu, die endlich den Widerspruch zwischen der »esoterischen« Lage – nach der Witzenmann aus Ungers Sicht wohl nicht mehr Vorstandsmitglied war – und der »juristischen« Lage, die ihn »unbestrittenermaßen als Vorstandsmitglied ausweise«, aufzulösen.

Richard Grob wandelte, wie bereits gesagt, seinen »Antrag« in eine »Bitte« um: »Der Unterzeichnete bittet hiermit den Vorstand, Herrn Herbert Witzenmann als Vorstandsmitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft entsprechend der Tatsache, dass er seit Jahren nicht mehr im Vorstand mitarbeitet, abzuberufen. Nur dadurch kann die verworrene Situation geklärt werden«.

Auch Josef Gunzinger sah einen Widerspruch zweier Ebenen: dessen Lösung lag für ihn darin, dem Vorstand das Vertrauen zu schenken, dass er die »spirituell richtige Entscheidung« treffe. Zweifellos bemühe sich Witzenmann »um den spirituell richtigen Weg«. Sein Verbleib im Vorstand werde ihn aber eher daran hindern, der Gesellschaft zu geben, was er an »spiritueller Arbeit« noch zu geben habe, sein Ausscheiden könne diese Arbeit nur begünstigen.

Schmidt-Brabant machte als Versammlungsleiter darauf aufmerksam, dass durch die Umwandlung des Antrags Grob in eine Bitte nur noch der Antrag der Geschwister Brühl zur Behandlung anstehe.

Hier warf sich nun Jörgen Smit ins Getümmel und wies auf einen unlösbaren Widerspruch hin, der diesen Antrag als nicht abstimmungsfähig qualifiziere. Es sei noch einmal an die Formulierung des Antrages erinnert: Die Generalversammlung wurde um zweierlei gebeten: 1. zu bestätigen, dass Witzenmann »in Übereinstimmung mit dem Schweizer Zivilrecht« nach wie vor Mitglied des Vorstandes sei, 2. zu bestätigen, dass er gemäß der Vereinbarung vom 15. Februar 1974 beurlaubt sei.

Smit nun malte folgendes Szenario aus: Wenn die Versammlung »Ja« stimme, stimme sie der Schilderung Brühls zu (also dass Witzenmann ein »beurlaubtes Vorstandsmitglied« sei), ein »Nein« hingegen sei zweideutig. Es könne einerseits bedeuten, dass die Versammlung der Tatsache »Witzenmann ist beurlaubtes Vorstandsmitglied« nicht zustimme, und damit einen »Umweg zur Aufhebung der Vereinbarung« über diese Beurlaubung beschreite. Es könne andererseits bedeuten, dass sie die Tatsache, dass Witzenmann weiterhin Vorstandsmitglied sei verneine, und das »Nein« damit seine »Abberufung beinhalten«. Smit sah die Zweideutigkeit offensichtlich darin, dass unerkennbar sein würde, auf welche der beiden behaupteten Tatsachen sich ein »Nein« bezöge: darauf, dass Witzenmann Vorstandsmitglied war oder dass er beurlaubtes Vorstandsmitglied war. Eine mögliche Lösung des Problems wäre gewesen, den Antrag in zwei Teile aufzuteilen und über jede der beiden Tatsachen getrennt abzustimmen: erstens über Witzenmanns Mitgliedschaft im Vorstand, zweitens über seine Beurlaubung. Wäre der erste Teil negativ beschieden worden, hätte sich die Abstimmung zum zweiten Teil erübrigt.

Smit ging es aber gar nicht darum, die Abstimmung zu ermöglichen, sondern darum, sie zu verhindern. Das wird aus seiner weiteren Argumentation deutlich. Er behauptete nämlich, nach Artikel 12 der Statuten sei die »Verteilung der Aufgaben innerhalb des Vorstandes und seine Geschäftsführung durch ihn selbst zu regeln«. Die Vereinbarung des Jahres 1974 (über Witzenmanns Beurlaubung) sei eine »interne Sache des Vorstandes«, die die Versammlung gar nichts angehe – werde trotzdem über sie abgestimmt, verstoße man gegen die Statuten. Daher müsse Brühl seinen Antrag zurückziehen. Die Behauptung, die Vereinbarung gehe die Gesellschaft nichts an, ist angesichts der Tatsache mehr als verwegen, dass sie nicht nur im Mitteilungsblatt der Gesellschaft veröffentlicht, sondern natürlich auch als letzte Konsequenz des Bücherkonflikts gesellschaftsöffentlich kontrovers diskutiert worden war. Die gesamte Gesellschaft war vom Kompromiss der Beurlaubung Witzenmanns betroffen, der – wie Biesantz gesagt hatte – geschlossen worden war, um eine »Situation wie 1935« zu vermeiden: Wie konnte sie da diese Vereinbarung nichts angehen?

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Brühl es ablehnte, seinen Antrag zurückzuziehen, da seiner Auffassung nach weder eine positive noch eine negative Entscheidung etwas an der Rechtslage ändere. Das wie auch immer geartete Abstimmungsergebnis könne der Vorstand gleichwohl als durch die Generalversammlung erteilten Auftrag interpretieren, durch gegenseitige Beratung (unter Einschluss Witzenmanns) die Lage zu klären und einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Wie gering die Bereitschaft auf Seiten des Vorstandes war, »Aufträge« von der Generalversammlung entgegenzunehmen, wissen wir aus der einleitenden Ansprache Grosses, wie gering die Chancen auf eine einvernehmliche Lösung, lässt sich aus dem Gang der Ereignisse ablesen.

Noch einmal beschwor daraufhin Jörgen Smit die »konfuse Lage«, die durch eine Abstimmung hervorgerufen werden würde und sprach sich dafür aus, »nicht in eine Abstimmung über den Antrag einzutreten«, d.h. er stellte einen Geschäftsordnungsantrag. Nun kennt das Vereinsrecht zwar Geschäftsordnungsanträge auf Nichteintreten in eine Debatte oder über Nichtbefassung mit einem Antrag, nicht jedoch Anträge zur Nichtabstimmung über einen ordnungsgemäß gestellten Antrag auf Abstimmung, der bereits als Diskussionsgegenstand angenommen worden ist. Der Antrag Smits, über den Antrag Brühl nicht abzustimmen, stellte einen klaren Verstoß gegen das Vereinsrecht und die Statuten der Gesellschaft dar. Es sei hier noch einmal an die Ausführungen Witzenmanns zur Generalversammlung 1972 erinnert, in welchen er schrieb, Steiner habe in die Prinzipien der Gesellschaft ausdrücklich das Antragsrecht aufgenommen. »Läge hier ein Widerspruch zum Wesen der Freien Hochschule vor, würden die ›Prinzipien‹ durch Selbstaufhebung gegenstandslos«. Außerdem, so Witzenmann, würde sich »ein Antragsverbot oder eine vereinsrechtlich gestützte Verfügung gegen das Antragsrecht sowie […] eine Antragsunterbindung […] in Widerspruch zum Geist des Schweizerischen Vereinsrechts und dem mit ihm übereinstimmenden Billigkeitsempfinden setzen«.

Der Versammlungsleiter stellte den ordnungswidrigen Antrag Smits zur Abstimmung und die Versammlung entschied sich bei 16 Neinstimmen, den Antrag Brühl von der Tagesordnung abzusetzen.

Das Forschungsprojekt zur Geschichte der anthroposophischen Gesellschaft und Bewegung im 20. Jahrhundert wird von der Ernst-Michael-Kranich-Stiftung getragen. Seine Ergebnisse werden demnächst in Buchform in der »Edition Kunstschrift« im Residenz Verlag Salzburg/Wien erscheinen. Verständlicherweise kann es hier nicht mehr online zur Verfügung gestellt werden. Im Folgenden finden die geschätzten Besucher einige Leseproben (die verlinkten Artikel). Sobald die Buchpublikation verfügbar ist, wird hier Näheres dazu mitgeteilt.


Anmerkungen:


  1. Die Anklage lautete damals: »Sokrates frevelt dadurch, dass er die Jugend verdirbt und an die Götter des Staates nicht glaubt, sondern an anderes neues Dämonentum«.
  2. August Egger (1875-1954), Schüler Eugen Hubers und Otto Gierkes, 1905-1944 ordentlicher Professor für Zivilrecht in Zürich und maßgeblicher Kommentator des Schweizer Zivilgesetzbuches, hatte im Auftrag der Anthroposophischen Gesellschaft für den Prozess mit der Nachlassverwaltung Anfang 1952 ein Rechtsgutachten gegen letztere erstellt, das vom Gericht jedoch aufgrund der solothurnischen Zivilprozessordnung, die eine Einreichung von Rechtsgutachten nicht vorsah, abgewiesen wurde. Darin hieß es unter anderem – nebenbei ein Seitenhieb auf die Verfasser der unsäglichen »Denkschrift« 1935: »Es wirkt fast gespenstisch, wenn die ganze, umfangreiche ›Denkschrift 1925 bis 1935‹ die damaligen Abschlüsse [gemeint sind die vertraglichen Vereinbarungen zur Eingliederung des Klinisch-Therapeutischen Instituts und des Philosophisch-Anthroposophischen Verlags in die Gesellschaft von 1924/25] vollständig ignoriert. Sie bilden notwendigerweise die Grundlage für die rechtliche Beurteilung des seitherigen Geschehens. Die Verschweigung aber weist wie ein Wetterleuchten schon den Weg des Irrtums, des Wahnes, den Frau Steiner in ihrem hohen Alter hat gehen müssen«. A. Egger, Die Wege der richterlichen Rechtsfindung, Dornach 1952, S. 30. Ebenda auf S. 41: »Auf die Mitteilung der Vereinsgründung [des Nachlassvereins] an den Vorstand der AAG, welche ungehörigerweise erst am 29. Januar 1945 erfolgte, entspann sich ein Briefwechsel zwischen Frau Steiner und dem Vorstand. Aus diesem Briefwechsel ersieht man mit aller Deutlichkeit die irrigen Vorstellungen, denen die alte Frau verfallen war …«. Auf diese Sätze bezieht sich die Bemerkung Witzenmanns, Eggers Schrift enthalte einige verletzende Bemerkungen über Marie Steiner.

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