Der Inkarnation Ahrimans entgegen (1)

Zuletzt aktualisiert am 16. November 2020.

Im Herbst 1919 hielt Steiner eine Reihe von Vorträgen, in denen er von einer künftigen Inkarnation Ahrimans im dritten Jahrtausend nach Christus im »Westen« und von der Vorbereitung der Menschheit auf diese Inkarnation sprach. Die bevorstehende Inkarnation spiegelt eine Inkarnation Luzifers am Ende des 3. Jahrtausends vor Christus. Die Mitte zwischen beiden bildet das Mysterium von Golgatha und der von ihm ausgehende »Christus-Impuls«. Der erste Vortrag, in dem von dieser Inkarnation Ahrimans die Rede war, fand in Zürich am 27. Oktober 1919 vor Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft statt. (Enthalten in GA 193). Auszüge aus einigen weiteren Vorträgen, die diese erste Darstellung präzisieren bzw. amplifizieren, werden folgen. Die Zwischenüberschriften stammen von mir (L.R.)


Der INkarnation Ahrimans entgegen

Modell des Ahrimankopfes. Rudolf Steiner

Wenn man in der Gegenwart gerade über die wichtigsten Fragen unserer Zeit zu einem größeren Publikum redet, so ist man in einer verschiedenen Lage, je nachdem man entweder nichts weiß von den tieferen Kräften des weltgeschichtlichen Werdens – mit anderen Worten: von der Wissenschaft der Initiation –, oder wenn man etwas davon weiß.

Es ist heute verhältnismäßig leicht, aus allerlei äußeren Erkenntnissen heraus, die man für wissenschaftlich, für praktisch und dergleichen hält, über Zeitfragen zu sprechen. Es ist aber außerordentlich schwierig, gerade über diese Zeitfragen in der Gegenwart zu sprechen, wenn man die Wissenschaft der sogenannten Initiation kennt, von der doch alles ausgeht, was wir gerade an solchen Orten zu verhandeln haben, wie der ist, an dem wir uns auch heute wiederum versammelt haben.

Denn wer vom Gesichtspunkt der Initiationswissenschaft aus heute über die Zeitfragen spricht, der weiß, dass er nicht etwa bloß die subjektiven Zufallsmeinungen der Menschen, zu denen er spricht, zum größten Teil gegen sich hat, sondern er weiß auch, dass heute ein großer Teil der Menschheit schon nach der einen oder anderen Seite hin beherrscht ist von sehr starken und immer stärker werdenden ahrimanischen Weltwesenskräften.

Was ich damit sagen will, kann ich Ihnen allerdings nur auseinandersetzen, wenn ich Ihnen eine Art geschichtlichen Überblick über einen größeren menschlichen Zeitraum gebe.

Sie wissen aus verschiedenen Betrachtungen, die wir hier angestellt haben, die Sie auch verzeichnet finden in verschiedenen meiner Vortragszyklen, wie wir das Zeitalter, in dem wir uns als gegenwärtige Menschen drinnenstehend fühlen, beginnen lassen müssen mit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Wir haben diesen Zeitraum, der in der Mitte des 15. Jahrhunderts begonnen hat, und an dessen Anfang wir im Grunde genommen noch stehen, immer bezeichnet als den fünften nachatlantischen Zeitraum, der den anderen, den griechisch-lateinischen Zeitraum abgelöst hat, welchen wir von der Mitte des 8. vorchristlichen Jahrhunderts bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts rechnen. Und dann kommen wir zum ägyptisch-chaldäischen Zeitraum zurück.

Ich habe Ihnen das nur angedeutet, damit Sie sich erinnern, wie wir in das gesamte menschliche Werden eingliedern den Zeitraum, in dem wir uns als Gegenwartsmenschen drinnenstehend fühlen. Nun wissen Sie, dass, nachdem das erste Drittel des griechisch-lateinischen Zeitraums erfüllt war, das Mysterium von Golgatha stattfand.

Und wir haben von den verschiedensten Gesichtspunkten aus charakterisiert, was durch dieses Mysterium von Golgatha eigentlich für die Menschheitsentwickelung, ja, für die ganze Erdenentwickelung geschehen ist. Heute wollen wir nun in diesen größeren geschichtlichen Zusammenhang mancherlei von dem hineinstellen, was sich für die Menschheit an dieses Mysterium von Golgatha anknüpft.

Heidnische Urweisheit

Zu diesem Zweck blicken wir in viel ältere Zeiten zurück, sagen wir, in die Zeit etwa des Beginnes des 3. Jahrtausends der vorchristlichen Zeitrechnung. Sie wissen ja, wie wenig von den äußeren geschichtlichen Überlieferungen spricht von dieser frühen Entwickelung des Menschengeschlechts auf der Erde. Sie wissen auch, wie die äußeren Urkunden nach dem Orient, nach Asien hinüberweisen. Und Sie wissen aus mancherlei anthroposophischen Betrachtungen, dass, je weiter wir zurückgehen in der Menschheitsentwickelung, wir zu anderen und immer anderen Seelenverfassungen dieser Menschheit kommen und dass wir etwas wie eine alte Urweisheit gleichsam zugrunde liegend haben der ganzen Menschheitsentwickelung.

Sie wissen, dass Überlieferungen bestanden haben, die in engeren Geheimzirkeln bis in das 19. Jahrhundert herein bewahrt worden sind, dass dann diese Überlieferungen größtenteils wenig treu, aber doch noch in gewissem Sinne bewahrt worden sind bis in unsere Zeit herein, Überlieferungen von einer uralten Weisheit der Menschheit. Wenn heute der Mensch noch das eine oder andere von dieser alten Urweisheit der Menschheit kennenlernt, ist er erstaunt über die Tiefen der Wirklichkeit, in welche solche alten Urweistümer hineinzeigen.

Jüdisch-christliche Ära

Aber Sie werden aus den Betrachtungen, die wir im Laufe der Jahre angestellt haben, wissen, dass immer gegenübergestellt werden musste dieser weitausgebreiteten Weisheitslehre in alten Zeiten die ganz andersartige Lebens- und Weltauffassung des alten hebräischen, des jüdischen Volkes, die einen völlig anderen Charakter trägt. So dass mit einem gewissen Rechte die weitausgebreitete uralte Weisheitslehre als das heidnische Element bezeichnet wird und diesem gegenübergestellt wird das hebräische, das jüdische Element. Sie wissen ja schon aus den äußeren Überlieferungen und Schriften, wie dann aus diesem jüdischen Element das christliche Element hervorgegangen ist.

Nun können Sie schon aus diesen äußeren Tatsachen etwas entnehmen, auf das ich Sie bitte, heute zu achten: dass notwendig geworden ist in der Menschheitsentwickelung, dem alten heidnischen Element und seiner Urweisheit entgegenzustellen das jüdische Element, aus dem dann das Christentum sich herausentwickelt hat, wenigstens zum Teil. Das zeigt, dass diese alte heidnische Urweisheit in ihrer Ganzheit auf die weitere Entwickelung der Menschheit nicht den alleinigen Einfluss haben durfte.

Und die Frage muss Ihnen daraus entstehen: Worin liegt denn der Grund, warum die alte heidnische Urweisheit, die in manchem so bewunderungswürdig ist, gewissermaßen eine neue Gestalt, eine Umwandlung erfahren musste durch Judentum und Christentum? – Diese Frage muss einem entstehen.

Inkarnation Luzifers, Weisheitsoffenbarung

Diese Frage beantwortet sich aber für die Initiationsweisheit nur durch eine sehr, sehr gewichtige Tatsache, durch die Tatsache, die eben weit drüben in Asien sich vollzog im Beginn des 3. Jahrtausends der vorchristlichen Zeitrechnung.

Da findet der zurückschauende seherische Blick, wie auch eine Inkarnation einer übersinnlichen Wesenheit in einem Menschen stattfand, so wie durch das Ereignis von Golgatha eine Inkarnation einer übersinnlichen Wesenheit, des Christus, in dem Menschen Jesus von Nazareth stattgefunden hat.

Diejenige Inkarnation, die am Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends stattgefunden hat, die außerordentlich schwierig zu verfolgen ist, auch mit der Wissenschaft des Schauens, der Initiationswissenschaft, gab der Menschheit außerordentlich Glanzvolles, außerordentlich Einschneidendes. Und was sie da der Menschheit gab, das ist im Grunde genommen wesentlich jene alte Urweisheit.

Zunächst, äußerlich genommen, ist die Sache so, dass man sagen kann, es war eine tief in die Realitäten eindringende Weisheit, kalt, bloß auf Ideen gehend, wenig von Gemütsinhalt durchzogen. Das ist äußerlich genommen. Innerlich kann man erst beurteilen, was diese Weisheit eigentlich war, wenn man eben auf jene Inkarnation zurückgeht, die in Asien drüben im Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends stattgefunden hat.

Da war, so zeigt es sich dem zurückschauenden seherischen Blick, tatsächlich eine wirkliche Menschheitsinkarnation der luziferischen Macht. Und diese Inkarnation Luzifers in der Menschheit, die in einer gewissen Weise sich vollzogen hat, war der Ursprung der weit ausgebreiteten, auf dem Grunde der dritten nachatlantischen Menschenkultur liegenden Urweisheit.

Bis in die Griechenzeit herein wirkte noch dasjenige nach, was aus diesem Impuls, aus diesem Kulturimpuls des asiatisch-luziferischen Menschen sich unter der Menschheit verbreitete: Luziferische Weisheit, wie sie der Menschheit durchaus in jener Entwickelungsepoche nützlich war, glanzvoll in einer gewissen Weise, abgestuft, je nach den verschiedenen Völkern und Rassen, unter denen sie sich verbreitete, deutlich erkennbar durch ganz Asien hindurch, dann noch in der ägyptischen Kultur, in der babylonischen Kultur, aber wie gesagt, selbst noch auf dem Grunde der griechischen Kultur. Alles, was die Menschen denken, dichten, wollen konnten in der damaligen Zeit, war in einer gewissen Weise durch diesen luziferischen Einschlag in die Menschheitskultur bedingt.

Es wäre natürlich außerordentlich philiströs, wenn man nur sagen wollte: Das war eben eine Inkarnation Luzifers, man muss sie fliehen.

Griechische Schönheit, gnostisches Denken

Aus solcher Philistrosität heraus könnte man auch alles dasjenige fliehen, was als Schönes und Großes für die Menschheit aus dieser Luziferströmung hervorgegangen ist, denn wie gesagt, auch die griechische Schönheit ist etwas, was aus dieser Entwickelungsströmung hervorgegangen ist. Das ganze gnostische Denken, das vorhanden war, als das Mysterium von Golgatha Platz griff, das eine eindringliche, tief in die Weltendinge hineinleuchtende Weisheit war, das ganze gnostische Erkennen war impulsiert von luziferischen Kräften. Man darf deshalb nicht sagen, dieses gnostische Denken sei falsch. Es ist eben nur seine Charakteristik, wenn man sagt: es ist von luziferischen Impulsen durchzogen.

Mysterium von Golgatha

Nun, viel mehr als zweitausend Jahre nach dieser luziferischen Inkarnation kam dann das Mysterium von Golgatha. Man kann sagen: Die Menschen, unter denen sich der Impuls des Mysteriums von Golgatha ausbreitete, waren in ihrem Denken, in ihrem Empfinden doch noch ganz durchdrungen von dem, was der Luziferimpuls in ihr Denken, Fühlen und Empfinden hineingetragen hatte. Und es kam jetzt das ganz anders Geartete, eben der Christus-Impuls, in die Entwickelung der zivilisierten Menschheit hinein. Was dieser Christus-Impuls innerhalb der zivilisierten Menschheit bedeutet, davon haben wir ja oftmals gesprochen.

Der Christus-Impuls wurde – das will ich heute nur erwähnen – aufgenommen von den Gemütern, die so geartet waren, wie ich sie heute charakterisiert habe. Man möchte sagen: In dasjenige, was von Luzifer als das Beste den Menschen gegeben war, leuchtete der Christus-Impuls hinein.

Und aufgenommen wurde der Christus-Impuls in den ersten christlichen Jahrhunderten so, dass man sagen könnte: Mit dem, was die Menschen von Luzifer aufgenommen hatten, verstanden sie den Christus.

Solchen Dingen muss man unbefangen gegenüberstehen, sonst wird man nie die besondere Artung der Aufnahme des Christus-Impulses in den ersten Jahrhunderten wirklich verstehen können.

Materialismus der Theologie

Als dann der luziferische Impuls immer mehr und mehr aus den Gemütern der Menschen verschwand, da waren die Menschen auch immer weniger und weniger imstande, den Christus-Impuls wirklich richtig in sich aufzunehmen. Bedenken Sie doch nur, vieles ist materialistisch geworden im Lauf der neueren Zeit. Aber wenn Sie sich fragen: Was ist denn am meisten materialistisch geworden? – da bekommen Sie die Antwort: Ein großer Teil der modernen christlichen Theologie.

Denn es ist einfach der stärkste Materialismus, dem sich ein großer Teil der modernen christlichen Theologie hingibt, indem diese moderne christliche Theologie nicht mehr den Christus in dem Menschen Jesus von Nazareth sieht, sondern nur noch den Menschen Jesus von Nazareth, den »schlichten Mann aus Nazareth«, den Mann, den man verstehen kann, wenn man wenig sich hinaufschwingen will zu irgendeinem höheren Verständnis. Je mehr man den Menschen Jesus von Nazareth als einen bloßen gewöhnlichen Menschen annehmen konnte, der nur eben in die Reihe der anderen berühmten historischen Persönlichkeiten gehört, desto mehr gefiel das einer gewissen materialistischen Richtung der modernen Theologie. Vom Übersinnlichen des Ereignisses von Golgatha will diese moderne Theologie wenig, recht wenig anerkennen.

Inkarnation Ahrimans

Die luziferischen Einschläge im Menschheitsempfinden gingen nach und nach in der menschlichen Seele unter. Dafür aber wird in der neueren Zeit immer stärker und stärker – und es wird stärker und stärker werden gegen die nächste Zukunft und auch gegen die weitere Zukunft hin – dasjenige, was wir den ahrimanischen Impuls nennen.

Der ahrimanische Impuls ist herrührend von anderen übersinnlichen Wesenheiten als es die Christus-Wesenheit ist, als es die luziferische Wesenheit ist. Aber sie ist eben auch eine übersinnliche, wir könnten auch sagen eine untersinnliche Wesenheit – darauf kommt es nicht an –, und ihr Einfluss wurde insbesondere in dem fünften nachatlantischen Zeitraum mächtig und immer mächtiger. Und wenn wir die Verwirrungen der letzten Jahre ins Auge fassen, dann werden wir finden, dass die Menschen namentlich durch die ahrimanischen Mächte in solche Verwirrungen gebracht worden sind.

Geradeso wie es eine Inkarnation Luzifers im Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends gegeben hat, wie es die Christus-Inkarnation gegeben hat zur Zeit des Mysteriums von Golgatha, so wird es einige Zeit nach unserem jetzigen Erdendasein, etwa auch im 3. nachchristlichen Jahrtausend, eine westliche Inkarnation des Wesens Ahriman geben.

So dass man diesen Verlauf der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit zwischen nahezu sechs Jahrtausenden nur richtig versteht, wenn man ihn so auffasst, dass an dem einen Pol eine luziferische Inkarnation steht, in der Mitte die Christus-Inkarnation, an dem anderen Pol die Ahrimaninkarnation.

Luzifer ist diejenige Macht, die im Menschen alle schwärmerischen Kräfte, alle falsch-mystischen Kräfte aufregt, alles dasjenige, was den Menschen über sich selber hinaufheben will, was gewissermaßen physiologisch das menschliche Blut in Unordnung bringen will, um den Menschen außer sich zu bringen. Ahriman ist diejenige Macht, die den Menschen nüchtern, prosaisch, philiströs macht, die den Menschen verknöchert, die den Menschen zum Aberglauben des Materialismus bringt.

Und das menschliche Wesen ist ja im wesentlichen die Bemühung, das Gleichgewicht zu halten zwischen der luziferischen und der ahrimanischen Macht; und der gegenwärtigen Menschheit hilft der Christus-Impuls, um dieses Gleichgewicht herzustellen. Also im Menschen sind fortwährend diese zwei Pole vorhanden, der luziferische und der ahrimanische. Aber geschichtlich finden wir, dass das Luziferische überwog in gewissen Strömungen der Kulturentwickelung der vorchristlichen Zeit und bis in die ersten Jahrhunderte der nachchristlichen Zeit hinein, dass dagegen Ahriman seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wirkt und immer stärker und stärker wird, bis eine wirkliche Inkarnation des Ahriman unter der westlichen Erdenmenschheit stattfinden wird.

Vorbereitung der Inkarnation

Nun ist das Eigentümliche, dass solche Dinge lange vorbereitet werden. Die ahrimanischen Mächte bereiten die Entwickelung der Menschheit so vor, dass, wenn einstmals innerhalb der westlichen Zivilisation, die dann kaum noch Zivilisation zu nennen sein wird in unserem Sinne, Ahriman in Menschengestalt erscheint, so wie einstmals Luzifer in China in Menschengestalt erschienen ist, wie Christus Jesus in Menschengestalt erschienen ist in Vorderasien, die Menschheit Ahriman verfallen kann.

Es hilft nichts, über diese Dinge sich Illusionen hinzugeben. Ahriman wird erscheinen in Menschengestalt. Es wird sich nur darum handeln, wie er die Menschen vorbereitet findet: ob seine Vorbereitungen dazu helfen, dass er die ganze Menschheit, die sich heute die zivilisierte nennt, zu seinen Anhängern hat, oder ob er die Menschheit so findet, dass sie ihm Widerstand leisten kann. Es hilft heute nichts, sich über diese Dinge Illusionen hinzugeben.

Die Menschen fliehen heute gewissermaßen die Wahrheit, die man ihnen ja in ganz ungeschminkter Gestalt doch nicht geben kann, weil sie sie verlachen, verspotten, verhöhnen würden. Aber wenn man sie ihnen so gibt, wie es jetzt durch die Dreigliederung des sozialen Organismus versucht wird, dann wollen sie, in ihrer Masse wenigstens, sie auch noch nicht haben.

Aber das, dass man die Dinge nicht haben will, das ist gerade eines der Mittel, deren sich die ahrimanischen Mächte bedienen können, damit Ahriman dann, wenn er in Menschengestalt erscheint, eine möglichst große Anhängerschaft auf der Erde haben werde. Gerade dieses Sich-Hinwegsetzen über die wichtigsten Wahrheiten, das wird Ahriman die beste Brücke bauen für das Gedeihliche seiner Inkarnation.

Denn, sehen Sie, es hilft nichts anderes, die richtige Stellung zu finden gegenüber dem, was da in der Menschheitsentwickelung sich abspielen wird durch Ahriman, als unbefangen die Kräfte kennenzulernen, durch die das Ahrimanische wirkt, und auch die Kräfte kennenzulernen, durch welche die Menschheit sich wappnen kann, um nicht versucht und verführt zu werden durch die ahrimanischen Mächte.

Und deshalb wollen wir heute einmal einen Blick wenigstens von einzelnen Ausgangspunkten aus auf diejenigen Dinge werfen, welche fördern würden die Anhängerschaft zu Ahriman, und die insbesondere jetzt benützt werden von den ahrimanischen Mächten aus der übersinnlichen Welt herunter, aber durch die Menschengemüter hindurch, um diese Anhängerschaft möglichst groß zu machen.

Wissenschaftliche Illusion, herrschende Paradigmen, Denkkollektive

Und da ist eines der Mittel: Nicht zu durchschauen, welche Bedeutung gewisse Denk- und Vorstellungsarten, die namentlich in der neueren Zeit herrschend geworden sind, für den Menschen eigentlich haben. Sie wissen, welch großer Unterschied zwischen der Art und Weise besteht, wie sich ein Mensch fühlte im ganzen Kosmos, sagen wir, in der ägyptischen Zeit, noch in der Griechenzeit, und wie er sich fühlt seit dem Beginne der Neuzeit, seit dem Ablauf des Mittelalters.

Vergegenwärtigen Sie sich einen richtig unterrichteten alten ägyptischen Menschen. Er wusste, dass er nicht nur leiblich zusammengesetzt ist aus den Ingredienzien, die hier auf dieser Erde vorkommen und die verkörpert sind im Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich. Er wusste, dass in seine Wesenheit als Mensch hereinwirkten die Kräfte, die er oben in den Sternen sah. Er fühlte sich als ein Glied des ganzen Kosmos. Er fühlte den ganzen Kosmos nicht nur belebt, sondern beseelt und durchgeistigt, und in seinem Bewusstsein lebte etwas von den geistigen Wesenheiten des Kosmos, von der Seelenhaftigkeit des Kosmos, von dem Leben des Kosmos.

Das alles ist im Laufe der neueren Menschheitsgeschichte verlorengegangen. Der Mensch blickt heute von seiner Erde auf zu der Sternenwelt, die ihm erfüllt ist von Fixsternen, Sonnen, Planeten, Kometen und so weiter. Aber womit verfolgt er all dasjenige, was da draußen im Weltenraum zu ihm herunterschaut? Er verfolgt es mit Mathematik, höchstens noch mit Mechanik. Dasjenige, was um die Erde herum liegt, ist entgeistigt, entseelt, sogar entlebendigt.

Es ist im Grunde genommen ein großes Mechanisches, das nur begriffen wird mit Hilfe von mathematisch-mechanischen Gesetzen. Mit Hilfe von mathematisch-mechanischen Gesetzen begreifen wir es großartig! Gewiss wird gerade der Geisteswissenschafter gut würdigen können, was ein Galilei, was ein Kepler und andere geleistet haben. Aber dasjenige, was in das Menschenverständnis, in das Menschenbewusstsein eindringt durch die Lehren dieser Großen der Menschheitsentwickelung, das zeigt das Weltenall nur wie einen großen Mechanismus.

Was das heißt, kann nun eigentlich nur der den Tatsachen nach in Betracht ziehen, der in der Lage ist, den Menschen in seiner vollständigen Wesenheit zu verfolgen. Astronomen, Astrophysiker haben gut reden, indem sie das Weltenall als einen Mechanismus hinstellen, der durch mathematische Formeln sich begreifen und errechnen lässt.

Das wird ja der Mensch glauben in der Zeit, da er vom Morgen an aufgewacht ist, und bis zum Abend, wo er wieder einschläft.

Aber in jenen unterbewussten Tiefen, die der Mensch mit seinem Wachbewusstsein nicht erreicht, die aber doch zu seinem Dasein gehören, und in denen er zwischen dem Einschlafen und Aufwachen lebt, da fließt anderes in die Seele des Menschen ein über das Weltenall! Da lebt in der menschlichen Seele ein Wissen, das zwar dem wachen Bewusstsein nicht bewusst ist, das aber unten in den Tiefen der Seele lebt und die Seele gestaltet, ein Wissen vom Geiste, vom Leben der Seele, vom Leben des Kosmos. Und wenn der Mensch auch in seinem Wachbewusstsein nichts weiß von dem, was da in Gemeinschaft mit Geist, Seele und Leben des Weltalls vom Einschlafen bis zum Aufwachen vor sich geht – in der Seele sind die Dinge, sie leben darinnen.

Und manches in den Zwiespalten des modernen Menschen, die so große sind, rührt von der Disharmonie her zwischen dem, was die Seele vom Einschlafen bis zum Aufwachen über das Weltenall erlebt, und dem, was das wache Bewusstsein heute anerkennen will als Weltanschauung über dieses Weltenall.

Wenn Sie den ganzen Geist und Sinn der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft nehmen, was sagt er Ihnen über solche Dinge?

Er sagt Ihnen: Ja, großartig und gewaltig ist dasjenige, was der Galileismus, der Kopernikanismus in die Menschheit hineingebracht haben, aber nicht eine absolute Wahrheit, ganz und gar nicht eine absolute Wahrheit, sondern ein Aspekt vom Weltenall, eine Seite von einem gewissen Gesichtspunkte aus!

Es ist nur auf den Hochmut des modernen Menschen zurückzuführen, dass die Leute heute sagen: Ptolemäisches Weltensystem – Kinderei; das haben die Menschen gehabt, wie sie noch Kinder waren. Wir haben es »so herrlich weit gebracht«, »bis an die Sterne weit«, und wir werten das nun für etwas Absolutes. – Es ist ebensowenig etwas Absolutes, wie das Ptolemäische System etwas Absolutes war, es ist ein Aspekt.

Und nur dann wird man ihm gerecht – das sagt Ihnen die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft –, wenn man weiß, dass alles das, was der Mensch so, ich möchte sagen, an bloßer Weltmathematik, an bloßer Weltschematik mechanischer Art aufnimmt, ihm nicht absolute Wahrheit liefert, sondern Illusionen über das Weltenall.

Die Illusionen brauchen wir, weil die Menschheit in ihren verschiedenen Entwickelungsstadien verschiedene Formen von Erziehung durchgeht. Zur neuzeitlichen Erziehung brauchen wir einfach diese Illusionen mathematischer Art über das Weltenall. Wir müssen sie uns aneignen, aber wir sollten wissen, es sind Illusionen. Und erst recht sind es Illusionen, wenn wir sie fortsetzen hinein in dasjenige, was uns alltäglich umgibt, wenn wir anstreben, nach der atomistischen Lehre oder der Molekularlehre selbst eine kleine Art von Astronomie in den Substanzen der Erde zu verfolgen. Gerade wenn man den richtigen Gesichtspunkt gegenüber der ganzen modernen Wissenschaft, soweit diese Wissenschaft so denkt, einnehmen will, muss man erkennen, dass das alles Illusionswissen ist.

Vereinseitigung

Nun hat Ahriman, damit sich für ihn am fruchtbarsten seine Inkarnation gestalten werde, das größte Interesse daran, dass die Menschen sich in dieser Illusionswissenschaft, die ja im Grunde genommen unsere ganze heutige Wissenschaft ist, vervollkommnen, dass sie aber nicht darauf kommen, dass es eine Illusionswissenschaft ist.

Ahriman hat das allergrößte Interesse, den Menschen Mathematik beizubringen, aber ihnen nicht beizubringen, dass die mathematisch-mechanischen Anschauungen nur Illusionen über das Weltenall sind. Ahriman hat das größte Interesse daran, Chemie, Physik, Biologie und so weiter, so wie sie heute unter den Menschen vertreten und zur bewunderten Anschauung gemacht werden, dem Menschen beizubringen, aber ihn glauben zu machen, dass das absolute Wahrheiten sind, dass das nicht gleichsam nur Gesichtspunkte sind, Photographien von einer Seite. Wenn man einen Baum fotografiert von einer Seite, so kann er richtig fotografiert sein, aber man hat doch keine ganze Anschauung davon. Wenn Sie ihn von vier Seiten fotografieren, so können sie allenfalls eine Anschauung von ihm bekommen.

Dieses zu verbergen vor der Menschheit, dass man es in der heutigen intellektuell-rationalistischen Wissenschaft mit ihrem Anhängsel, einer abergläubischen Empirie, mit einer großen Illusion, mit einer Täuschung zu tun hat, dieses nicht anzuerkennen, daran hat Ahriman das allergrößte Interesse. Er würde den größten Erfolg haben können, den stärksten Triumph erleben können, wenn es zuwege gebracht werden könnte, dass jener wissenschaftliche Aberglaube, der heute alle Kreise ergreift, und nach dem die Menschen sogar ihre Sozialwissenschaft einrichten wollen, bis ins 3. Jahrtausend hinein herrschen würde, und wenn Ahriman dann als Mensch zur Welt kommen könnte innerhalb der westlichen Zivilisation und den wissenschaftlichen Aberglauben finden würde.

Notwendigkeit der Illusion

Aber ziehen Sie aus dem, was ich jetzt gesagt habe, nur ja keine falschen Schlüsse. Ein falscher Schluss wäre es, die Wissenschaft der Gegenwart zu meiden. Das ist der allerfalscheste Schluss, den Sie ziehen könnten. Man soll sie kennenlernen. Man soll gerade alles dasjenige, was von dieser Seite her kommt, kennenlernen, aber mit dem vollen Bewusstsein: ein Illusionsaspekt, ein für unsere Menschheitserziehung notwendiger Illusionsaspekt wird uns dadurch gegeben.

Nicht dadurch, dass wir etwa meiden die Wissenschaft der Gegenwart, bewahren wir uns vor Ahriman, sondern dadurch, dass wir sie in ihrer wahren Gestalt kennenlernen. Denn diese Wissenschaft muss uns eine äußere Illusion geben von dem Weltenall. Wir brauchen diese äußere Illusion. Glauben Sie nur nicht, dass wir diese äußere Illusion nicht brauchen. Wir müssen sie dann nur von ganz anderer Seite her durch die Geistesforschung mit wahrer Wirklichkeit erfüllen, müssen von dem illusionären Charakter zu der wahren Wirklichkeit aufsteigen.

Sehen Sie sich zahlreiche meiner Vortragszyklen gerade auf das hin an, was ich heute Ihnen sage, so werden Sie finden, wie überall versucht worden ist, voll einzugehen auf die Wissenschaft unserer Zeit, aber das alles hinaufzuheben bis zu der Sphäre, wo man einsehen kann, wieviel das gilt. Sie können ja auch nicht wünschen, dass der Regenbogen vor Ihnen verschwindet, weil Sie ihn als eine Lichtillusion, als eine Farbenillusion erkennen. Sie werden ihn nicht verstehen, wenn Sie ihn nicht in seinem illusionären Charakter durchschauen.

So ist es aber mit alledem, was Ihnen gegenwärtige Wissenschaft für Ihr Vorstellungsvermögen von der Welt gibt. Sie gibt nur Illusionen, und man muss den Illusionscharakter erkennen. Dann kommt man gerade dadurch, dass man sich durch diese Illusionen erzieht, zur Wirklichkeit der Welt. Das ist das eine Mittel, das Ahriman hat, um seine Inkarnation möglichst wirksam zu machen: die Menschen bei dem wissenschaftlichen Aberglauben zu halten.

Spaltung in Gruppen

Das andere Mittel, das zweite Mittel, das er hat, ist: alles das zu schüren, was die Menschen heute in Gruppen, in kleine Gruppen zerteilt, die sich gegenseitig befehden. Sie brauchen bloß in der Gegenwart auf das Parteiwesen, auf das sich befehdende Parteiwesen hinzusehen, und Sie werden finden – wenn Sie nur unbefangen sind, können Sie das anerkennen –, dass diese sich befehdenden Parteien eigentlich aus der bloßen Menschennatur heraus wahrhaftig nicht zu erklären sind. Wenn die Menschen einmal ehrlich gerade diesen sogenannten Weltkrieg aus den menschlichen Disharmonien werden erklären wollen, dann werden sie eben einsehen, dass sie mit dem, was sie in der physischen Menschheit finden, ihn nicht erklären können. Gerade da zeigt es sich so deutlich, wie außersinnliche Mächte hereingewirkt haben, gerade ahrimanische Mächte!

Marxismus

Aber diese ahrimanischen Mächte sind ja überall wirksam, wo sich Disharmonien zwischen Menschengruppen bilden. Worauf beruht denn das meiste, was hier in Betracht kommt? Gehen wir von einem ganz charakteristischen Beispiel aus. Das moderne Proletariat hat seinen Karl Marx gehabt. Lernen Sie genau erkennen, wie die Lehre von Karl Marx sich im modernen Proletariat ausgebreitet hat, und sehen Sie sich die schier ins Endlose gehende, ins Unermessliche gehende Literatur des Marxismus an. Die heute sonst übliche Art von wissenschaftlicher Betrachtung finden Sie darin in ausgesprochenstem Maße angewendet, alles streng bewiesen, so streng bewiesen, dass auch schon manche Leute, von denen man es gar nicht angenommen hätte, auf den Marxismus hereingefallen sind.

Wie war denn eigentlich das Schicksal des Marxismus? Zunächst, nicht wahr, breitete sich der Marxismus im Proletariat aus. Von der Universitätswissenschaft wurde er streng abgewiesen. Heute sind schon eine Anzahl von Universitätswissenschaftern da, die sich der Logik des Marxismus nicht mehr entziehen, die ihn anerkennen, die gar nicht mehr aus ihm herauskommen können, weil es sich in der Literatur allmählich herausgestellt hat, dass die Schlussfolgerungen sehr fein stimmen, dass man mit der gegenwärtigen wissenschaftlichen Gesinnung und Vorstellungsart diesen Marxismus ganz fein säuberlich beweisen kann.

Die bürgerlichen Kreise haben nur keinen Karl Marx gehabt, der ihnen das Gegenteil bewiesen hätte; denn genau ebenso wie man beweisen kann den ideologischen Charakter von Recht, Sitte und so weiter, die Theorie vom Mehrwert und die materialistische Geschichtsforschung vom marxistischen Standpunkt aus, so kann man von allen diesen Dingen ganz genau ebenso exakt das Gegenteil beweisen. Es wäre durchaus möglich, dass ein bürgerlicher, ein Bourgeois-Marx genau das Gegenteil in derselben strengen Weise bewiesen hätte. Und da ist nicht einmal irgendein Humbug oder Schwindel dabei. Die Beweise würden restlos klappen.

Wirklichkeitsfremder Intellekt

Woher kommt denn das? Das kommt davon her, dass das gegenwärtige menschliche Denken, der gegenwärtige Intellekt in einer solchen Schicht des Seins liegt, dass er bis zu den Realitäten nicht herunterreicht. Und daher kann man das eine beweisen und sein Gegenteil beweisen, ganz streng das eine und sein Gegenteil beweisen. Es ist heute möglich, auf der einen Seite streng den Spiritualismus zu beweisen und ebenso streng den Materialismus zu beweisen. Und man kann gegeneinander kämpfen mit denselben guten Standpunkten, weil der heutige Intellektualismus in einer oberen Schicht der Wirklichkeit ist und nicht in die Tiefen des Seins hinuntergeht.

Parteimeinungen

Und so ist es auch mit den Parteimeinungen. Wer das nicht durchschaut, sondern sich einfach aufnehmen lässt durch seine Erziehung, Vererbung, durch seine Staats- und anderen Lebensverhältnisse in einen gewissen Parteikreis, der glaubt, wie er meint, ehrlich an die Beweiskraft desjenigen, was in dieser Partei ist, in die er hineingerutscht ist, hineingeschlittert ist, wie man in der deutschen Sprache zuweilen auch sagt. Und dann, dann kämpft er gegen einen anderen, der in eine andere Partei hineingeschlittert ist. Und der eine hat ebensogut recht wie der andere.

Das ruft über die Menschheit hin ein Chaos und eine Verwirrung hervor, die nach und nach immer größer und größer werden können, wenn die Menschheit das nicht durchschaut. Und diese Verwirrung ist wiederum eine solche, die die ahrimanische Macht benützt, um den Triumph ihrer Inkarnation vorzubereiten, immer stärker und stärker die Menschen hineinzutreiben in das, was sie so schwer einsehen können, dass man heute etwas beweisen kann und ebenso das Gegenteil mit gleich guten intellektuellen oder heute wissenschaftlichen Gründen.

Darauf kommt es heute an, dass wir anerkennen: beweisbar ist alles, und dass wir deshalb auf solche Beweise, wie sie heute in der Wissenschaft geschmiedet werden, hinsehen. Nur innerhalb der Naturwissenschaft, des strengen Naturwissens selbst, da zeigt sich an den Tatsachen die Wirklichkeit. Aber auf keinem anderen Felde darf man gelten lassen dasjenige, was sich intellektuell beweisen lässt.

Nur dann, wenn wir dahinterkommen, dass das menschliche Wissen, die menschliche Erkenntnis tiefer gesucht werden müssen – wie es durch anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft geschieht – als in jener Schicht, in welcher die Kraft unserer Beweise entspringt, entrinnt man der Gefahr, in die man hineinkommt, wenn man die ahrimanische Verführung gelten lässt, die nun den Menschen gerade immer tiefer und tiefer in diese Dinge hineintreiben will.

Vererbung, Blutsverwandtschaft, Spaltung in Clans und Ethnien

Daher benützt Ahriman in unserer Zeit, um die Menschen durcheinanderzubringen, auch alles dasjenige, was aus den alten Vererbungsverhältnissen stammt, denen der Mensch im Grunde genommen schon entwachsen ist im fünften nachatlantischen Zeitraum.

Alles, was von alten Vererbungsverhältnissen stammt, das benützt die ahrimanische Macht, um die Menschen in Gruppen disharmonisch einander entgegenzustellen. Alles, was von alten Familien-, Rassen-, Stammes-, Volksunterschieden kommt, das benützt die ahrimanische Macht, um unter den Menschen Verwirrung zu stiften. Freiheit jedem einzelnen Volksstamm, auch dem kleinsten – es war ein schönes Wort. Aber die Worte sind immer schön, welche die den Menschen gegnerischen Mächte gebrauchen, um unter den Menschen Verwirrung zu stiften, um solche Dinge zu erreichen, wie sie Ahriman für seine Inkarnation erreichen will.

Wenn Sie heute fragen: Wer reizt denn die Völker gegeneinander? Wer bringt Fragen herauf, wie sie heute die Menschheit dirigieren? – so lautet die Antwort: Die ahrimanische Verführung, die in den Menschen hineinspielt!

Und die Menschen lassen sich auf diesem Gebiete sehr leicht täuschen. Sie wollen nicht eingehen auf jenes Hinuntersteigen in die Unterschichten, wo die Realitäten sind.

Initiierte, Priester, Ökonomen, Bankiers

Denn sehen Sie, Ahriman bereitet gut sein Ziel vor: Eben seit der Reformation und Renaissance stieg ja in der modernen Zivilisation als der tonangebende Herrschertypus der ökonomische Mensch herauf. Das ist eine wirklich geschichtliche Tatsache. Wenn Sie in alte Zeiten zurückgehen, sogar in diejenigen, die ich Ihnen heute als die luziferischen charakterisieren musste, wer waren denn die Herrschertypen? Initiierte!

Die ägyptischen Pharaonen, die babylonischen Herrscher, die Herrscher Asiens, sie waren Initiierte. Dann kam der Priestertypus herauf als Herrschertypus. Und der Priestertypus herrschte im Grunde genommen bis zur Reformation und Renaissance. Seit jener Zeit herrscht der ökonomische Typus Mensch. Die Herrscher, die sind ja nur die Handlanger der ökonomischen Menschen.

Man soll durchaus nicht glauben, dass die Herrscher der modernen Zeit etwas anderes waren als die Handlanger der ökonomischen Menschen. Und alles das, was sich in Gesetz und Recht ergeben hat – man studiere es nur durchgreifend –, das ist einfach eine Folge desjenigen, was ökonomische Menschen gedacht haben.

Erst im 19. Jahrhundert kommt herauf an die Stelle des ökonomischen Menschen der bankiermäßig denkende Mensch, und erst im 19. Jahrhundert wird ganz und gar diejenige Ordnung geschaffen, die eigentlich durch die Geldwirtschaft alle übrigen Verhältnisse zudeckt. Man muss diese Dinge nur einsehen können, muss sie richtig empirisch, erfahrungsgemäß verfolgen können.

Das alles, was ich im zweiten öffentlichen Vortrag hier (25.10.1919, GA 332a) gesagt habe, das ist tief wahr. Man möchte nur, dass das in allen Einzelheiten verfolgt würde. Gerade wenn man es in allen Einzelheiten verfolgen wird, dann wird man sehen, wie gründlich wahr diese Dinge sind. Aber gerade indem die Herrschaft des bloßen »Zeichens für die gediegenen Güter« [= Geld] heraufgekommen ist, ist wiederum ein wesentliches Mittel für die ahrimanische Täuschung der Menschheit heraufgekommen.

Vorherrschaft der ökonomischen Rationalität

Und wenn der Mensch nicht durchschaut, dass er der durch den ökonomischen Menschen und der durch den Bankier hervorgerufenen ökonomischen Ordnung den Rechtsstaat und den Geistesorganismus entgegensetzen muss, dann wird wiederum in diesem Nichtdurchschauen Ahriman ein wesentliches Mittel finden, um seine Inkarnation, das heißt den Triumph seiner Inkarnation, die gewiss kommt, in der entsprechenden Weise vorzubereiten.

Das sind solche Mittel, die Ahriman benützen kann bei einer gewissen Sorte von Menschen. Es gibt aber heute auch noch eine andere Sorte von Menschen – oftmals sind die beiden Sorten in einem Menschen vermischt –, die auch noch von einer anderen Seite her Ahriman seine Wege zum Triumphe erleichtert.

Viertelwahrheiten

Sehen Sie, es ist tatsächlich so, dass ganze Irrtümer im wirklichen Leben nicht so schlimm sind, wie halbe und Viertelwahrheiten. Denn ganze Irrtümer werden bald durchschaut. Halbe und Viertelwahrheiten aber verführen die Menschen, so dass sie mit ihnen leben und sich diese halben und Viertelwahrheiten ins Leben hineinfinden und im Leben die furchtbarsten Verheerungen anrichten.

Halluzination des Christus aus dem Evangelium

Es gibt heute Menschen, welche nicht die Einseitigkeit der galileisch-kopernikanischen Weltanschauung einsehen oder welche wenigstens den Illusionscharakter nicht durchschauen oder die zu bequem sind, sich auf sie einzulassen. Wir haben eben dargelegt, wie unrecht das ist. Aber es gibt heute auch Menschen, zahlreiche Menschen, die eine gewisse Halbwahrheit, eine sehr bedeutsame Halbwahrheit für sich bekennen und sich nicht einlassen auf die nur bedingte Berechtigung dieser Halbwahrheit.

Denn so sonderbar es für viele Menschen ist: So wie es eine einseitige Art ist, die Welt kennenzulernen durch die galileisch-kopernikanische Wissenschaft, überhaupt durch die heutige Universitätswissenschaft materialistischer Art, so ist es auf der anderen Seite eine Einseitigkeit, die Welt kennenzulernen bloß durch das Evangelium und abzulehnen jedes andere Eindringen in die wahre Wirklichkeit als durch das Evangelium.

Das Evangelium war jenen Menschen gegeben, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums lebten. Heute zu glauben, dass das Evangelium das ganze Christentum geben könne, das ist eben eine halbe Wahrheit, daher auch ein halber Irrtum, der die Menschen wiederum benebelt und der daher Ahriman die besten Mittel in die Hand liefert, um sein Ziel, den Triumph seiner Inkarnation, zu erreichen.

Wie zahlreich sind heute die Menschen, die glauben, aus christlicher Bescheidenheit heraus zu sprechen, aber in Wahrheit aus einem furchtbaren Hochmut heraus sagen: Oh, wir brauchen keine geistige Wissenschaft. Die Einfachheit, die Schlichtheit des Evangeliums, die führt uns zu dem, was der Mensch von der Ewigkeit braucht.

Es ist zumeist ein furchtbarer Hochmut, der in dieser scheinbaren Bescheidenheit sich ausspricht. Diesen Hochmut, ihn kann Ahriman im angedeuteten Sinne sehr gut benützen.

Denn vergessen Sie nicht, was ich im Beginne dieser heutigen Betrachtungen auseinandergesetzt habe, dass in der Zeit, in die das Evangelium hineingefallen ist, die Menschen in ihrem Denken, Empfinden und Anschauen, in ihrem ganzen Anschauen noch luziferisch durchdrungen waren und dass sie mit einer gewissen luziferischen Gnosis das Evangelium verstehen konnten. Aber die Evangeliumauffassung in diesem alten Sinne ist heute nicht möglich.

Konfessionen

Heute auf das bloße Evangelium zu pochen, namentlich so, wie es den Menschen überliefert ist, das gibt keine wirkliche Christus-Auffassung. Daher ist heute nirgends weniger eine wahre Christus-Auffassung verbreitet als in den Glaubensbekenntnissen, in den Konfessionen. Man muss heute schon das Evangelium geisteswissenschaftlich vertiefen, wenn man zu einer wirklichen Auffassung des Christus kommen will.

Da ist es interessant, die einzelnen Evangelien zu verfolgen und auf ihren wahren Inhalt zu kommen. Das Evangelium so zu nehmen, wie es ist, wie es heute zahlreiche Menschen nehmen und wie es namentlich zahlreichen Menschen gelehrt wird, es zu nehmen, das ist nicht ein Weg zu Christus, das ist ein Weg von Christus weg. Daher kommen die Konfessionen immer mehr und mehr weg von Christus.

Wozu gelangt, wer heute das Evangelium und nur das Evangelium nehmen will, ohne geisteswissenschaftliche Vertiefung des Evangeliums, zu welcher Art von Christus-Auffassung gelangt er? Er kommt zuletzt zu einem Christus, wenn er wirklich das Evangelium nimmt. Aber was ist das Äußerste, wozu er kommt? Das ist nicht eine Realität des Christus, zu der heute eben nur die Geisteswissenschaft hinführen kann. Das, wozu das Evangelium führt, ist eine zwar richtige, aber doch nur eine Halluzination vom Christus, ein wirkliches inneres Bild – meinetwillen nennen Sie es auch Vision –, ein wirkliches, inneres Bild, aber nur ein Bild.

Es gibt durch das Evangelium heute den Weg, zu einer wahren Halluzination, zu einer wahren Vision von dem Christus zu kommen, aber nicht zu der Realität des Christus. Das ist gerade der Grund, warum die moderne Theologie so materialistisch geworden ist.

Die Leute, die sich mit dem Evangelium bloß theologisch befasst haben, die haben geprüft: Was können wir aus diesem Evangelium herausbringen? Und sie sagten sich zuletzt doch: Nach unserer Anschauung so etwas ähnliches, wie das, was wir herausbringen, wenn wir den Paulus vor Damaskus prüfen. Und dann kommen diese Theologen, die eigentlich das Christentum begründen sollten, es aber untergraben, indem sie sagen: Nun, Paulus war eben krank, eine nervenkranke Person, die vor Damaskus eine Vision hatte.

Es handelt sich eben darum, dass gerade so, wie man durch das Evangelium selbst nur zu der Halluzination, nur zu der Vision kommen kann, die aber ein innerlich richtiges Bild ist, damit aber nicht eine Realität ergreift, man einzusehen hat, dass man durch das alleinige Evangelium nicht zu dem wirklichen Christus kommt, sondern zu einer Halluzination des Christus. Denn den wirklichen Christus muss man heute suchen durch alles das, was man aus der Geist-Erkenntnis der Welt gewinnen kann.

Daher bilden für Ahriman, wenn er in der modernen Zivilisation in Menschengestalt erscheinen wird, gerade diejenigen den Anfang einer Herde, die heute nur auf das Evangelium schwören und jede Art von wirklicher Geist-Erkenntnis ablehnen möchten aus den Konfessionen und aus den Sekten heraus, die nicht lernen wollen, die abweisen wollen alles dasjenige, was geistige Anstrengung zu konkretem Erkennen verursacht. Aus diesen Kreisen heraus werden sich ganze Scharen für die Anhängerschaft des Ahriman entwickeln.

Das beginnt alles zu werden. Das ist da, das wirkt in der heutigen Menschheit. In das spricht derjenige hinein, der heute mit der Erkenntnis der Initiationswissenschaft zu Menschen spricht, ob über soziale, ob über andere Fragen. Er weiß, wo die gegnerischen Mächte liegen, dass sie im Übersinnlichen vor allem leben, dass die Menschen die armen Verführten sind, und dass im Grunde genommen der Appell an die Menschheit der ist: Man mache sich frei von all den Dingen, die eine so große Versuchung bilden, hin zum Triumphe des Ahriman beizutragen.

Mancherlei Menschen haben so etwas gefühlt. Aber der Mut ist noch nicht überall vorhanden, wirklich mit dem Christus-, dem Luzifer- und Ahrimanimpuls, die historische Impulse sind, in jener durchdringenden Weise sich auseinanderzusetzen, wie es notwendig ist und wie es von anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft betont werden muss. Man möchte nicht weit genug gehen, auch wenn man ahnt, was notwendig ist.

Sehen Sie sich einmal an Beispielen an, wo einmal auftaucht irgendeine Erkenntnis davon, wie es notwendig ist, die weltliche materialistische Wissenschaft mit ihrem ahrimanischen Charakter zu durchdringen mit dem Christus-Impuls, wie es notwendig ist auf der anderen Seite, das Evangelium aufzuhellen dadurch, dass man es geisteswissenschaftlich erklärt. Sehen Sie sich an, wie viele Menschen sich durchringen dazu, wirklich mit geisteswissenschaftlicher Erkenntnis nach der einen und nach der anderen Seite hinzuleuchten.

Allein dadurch wird die Menschheit die richtige Stellung zu der irdischen Inkarnation Ahrimans gewinnen, dass sie diese Dinge durchschaut und dass sie auch den Mut und den Willen und die Energie hat, um auf der einen Seite in die weltliche Wissenschaft mit dem Geiste hineinzuleuchten und auf der anderen Seite das Evangelium aufzuhellen ebenfalls mit diesem Geiste. Sonst kommen immer die Halbheiten heraus.

Denken Sie daran, wie zum Beispiel ein immerhin aufgeklärter Mensch, aber ein solcher, der hineinschaut in die moderne religiöse Entwickelung, wie der Kardinal Newman, als er in Rom als Kardinal eingekleidet wurde, es offen in seiner Rede aussprach, dass, wenn die christlich-katholische Lehre weiter bestehen solle, eine neue Offenbarung notwendig sei.

Wir brauchen aber nicht eine neue Offenbarung. Die Zeit der Offenbarungen im alten Sinne ist vorüber. Wir brauchen eine neue Wissenschaft, die vom Geiste durchleuchtet ist. Aber den Mut müssen die Menschen haben zu einer solchen neuen Wissenschaft.

»Lux mundi«

Denken Sie an eine literarische Erscheinung wie »Lux mundi« (Information zu Lux Mundi, PDF Download), die am Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre ausgegangen ist von gewissen Mitgliedern der Englischen Hochkirche, von angesehenen Theologen der Englischen Hochkirche, Aufsätze, überall durchdrungen von dem Bestreben, eine Brücke zu bauen von der weltlichen Wissenschaft hinüber zu dem Dogmeninhalt. Überall, ich möchte sagen, ein Herüber- und Hinüberzappeln, nirgends ein kühnes Ergreifen der weltlichen Wissenschaft, nirgends ein Durchleuchten dieser Wissenschaft mit dem Geiste, ein unbefangenes Hinschauen auf das Evangelium und dann sagen: Das Evangelium allein tut es heute nicht, es muss aufgeklärt, es muss erhellt werden.

Das aber ist notwendig für die heutige Menschheit, nach beiden Seiten hin den Mut zu bewahren und zu sagen: Die weltliche Wissenschaft allein, sie führt zur Illusion, das Evangelium allein, es führt zur Halluzination. Der Mensch findet den Mittelweg zwischen Illusion und Halluzination allein in dem geistgemäßen Ergreifen der Wirklichkeit. Das ist dasjenige, worauf es ankommt.

Solche Dinge müssten heute durchschaut werden. Ganz illusionär würde die bloße weltliche Wissenschaft die Menschen machen. Sie würden zuletzt im Grunde genommen nur mehr Närrisches vollbringen. Es wird heute schon genügend Närrisches vollbracht, denn sicherlich war die Weltkriegskatastrophe eine große Narrheit. Aber viele Menschen waren dabei, die durchaus durchdrungen waren mit heutiger weltlicher Wissenschaft.

Und wenn Sie sehen, wie sogleich merkwürdige Seelenerscheinungen zum Vorschein kommen, wenn durch irgendwelche Sekten zum Beispiel eines der vier Evangelien in den Vordergrund gestellt wird, dann werden Sie leichter begreifen, was ich heute auch über das Evangelium gesagt habe.

Sehen Sie einmal, wie stark hinneigt zu allerlei Halluzinatorischem und dergleichen solch eine Sekte wie die, die bloß auf das Johannes-Evangelium hört, oder eine andere, die bloß auf das Lukas-Evangelium hört. Das einzige Glück, dass jedes Evangelium in seiner Einseitigkeit noch nicht das große Unheil angerichtet hat, liegt darin, dass es vier Evangelien gibt, die äußerlich einander widersprechen. So dass die Menschen dadurch, dass sie vier Evangelien vor sich haben, nicht in die Richtung des einen verfallen, nicht in der Richtung des einen zu weit gehen, sondern das andere daneben haben. An einem Sonntag wird ihnen aus dem einen, am anderen Sonntag aus dem anderen Evangelium vorgelesen, und dadurch hebt sich die Kraft des einen durch die Kraft des anderen auf.

Es liegt eine große Weisheit darin, dass diese vier Evangelien auf die Kulturwelt gekommen sind und die Menschen dadurch nicht, wie es bei vielen Anhängern von Sekten der Fall ist, dazu kommen, der Strömung zu verfallen, die den Menschen überkommt, wenn bloß ein Evangelium auf ihn wirkt. Wenn bloß ein Evangelium auf ihn wirkt, dann tritt es besonders klar hervor, dass zuletzt das Wirken des einen Evangeliums ausläuft in Halluzinatorisches.

Ja, es ist notwendig, dass man heute manches von subjektiver Neigung abstreift, manches von dem, was man gern hat und von dem man glaubt, dass es fromm ist oder dass es gescheit ist. Es handelt sich heute für die Menschheit vor allen Dingen um Allseitigkeit und um den Mut zur Allseitigkeit. […]

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