Attacke gegen Wokoharam

Zuletzt aktualisiert am 4. Juni 2022.

Eine Attacke gegen Wokoharam unternehmen 120 Wissenschaftler, darunter Mediziner, Psychologen, Pädagogen und Vertreter anderer Professionen mit einem offenen Beschwerdebrief an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es geht um die »Transgenderideologie«. Dem offenen Brief legen die Wissenschaftler, darunter rund 30 Professoren und Dutzende von Doktoren, ein 50-seitiges Dossier bei, das dokumentiert, wie die von ihnen kritisierte Ideologie von den öffentlich-rechtlichen Medien offensiv propagiert wird, insbesondere in Sendereihen, die sich an Kinder und Jugendliche richten.

Attacke gegen Wokoharam

Bildschirmfoto des Aufrufs

Das Dossier betrachtet ein breites Spektrum an Sendungen von großen Programmen wie ARD und ZDF bis hin zu Social-Media-Formaten wie »Quarks« oder »reporter«.

Die Kritik der Autoren und Unterzeichner richtet sich gegen die Themenauswahl der öffentlich-rechtlichen Sender, die sie für »einseitig, ideologisch motiviert und unausgewogen« halten. Bereits die Themenwahl – insbesondere der Social-Media-Angebote des ÖRR – spiegle nicht die Realität wider. So scheine etwa das »eher seltene Phänomen genderdysphorischer Jugendlicher omnipräsent«.

Kritisiert wird von den Autoren des Dossiers und den Unterzeichnern des offenen Briefes auch die »mangelnde Qualität der handwerklichen Arbeit«. In Interviews würden »weder kritische Nachfragen gestellt, noch Behauptungen durch die Redaktion auf Wahrheit überprüft«. In Reportagen komme »reihenweise nur eine Seite zu Wort«. Infografiken würden »von Lobbyverbänden übernommen«. Die Begutachtung zeige: Journalistische Genres würden »als Verpackung für […] woke-ideologische Meinungsmache genutzt«.

Nicht nur das gesamte Programm der öffentlich-rechtlichen Sender sei »ideologisch ausgerichtet«, es würden auch schlichtweg Falschinformationen über naturwissenschaftliche Tatsachen verbreitet.

Einige ausgewählte Beiträge werden im Dossier detaillierter betrachtet, z.B. eine Quarks-Sendung aus dem Jahr 2018, die von den Autoren »als Urquelle zweier Grund-Fehler« identifiziert wird: Erstmals sei in ihr durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk »umfassend die wissenschaftliche Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit geleugnet« und durch eine »undefinierte und unbelegte Idee eines Geschlechterspektrums« ersetzt worden. Die Sendung habe außerdem den »Irrglauben, man könne im falschen Körper geboren werden (weil man etwa trotz männlichen Körpers angeblich ein ›weibliches Gehirn‹ oder eine ›weibliche Geschlechtsidentität‹ habe) als wissenschaftliche Tatsache präsentiert«.

Viele weitere im Dossier behandelte Sendungen hätten diese Fehler übernommen und so über die Jahre ein »regelrechtes Zerrbild der Realität geschaffen, das auf widerlegbaren Falschinformationen« fuße.

Als Beispiel für die Art der Analyse hier die kritische Auseinandersetzung Prof. Steinhoffs mit der erwähnten Quarks-Sendung vom 10. April 2018 aus dem publizierten Dossier.

Quarks – Junge oder Mädchen?

Quarks vom 10.4.2018: Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt.

Kommentar Prof. Steinhoff; die Zeitangaben nicht auf die Sekunde korrekt.

Gleich am Anfang der Sendung wird behauptet: »Neuere Forschung zeigt, dass es nicht nur weiblich und männlich, sondern auch ganz viel dazwischen gibt.«

Für diese Behauptung bleibt die Sendung jedweden Beleg schuldig. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Sendung nie eine Definition von »Geschlecht« liefert. Bevor man aber behauptet, dass es derer mehr als zwei gibt, sollte man erst einmal klären, wovon man redet – wenn man nicht weiß, was man zählen will, kann man es nicht zählen.

Der deutsche Duden und die internationale Biologie sind da weiter und liefern klare Definitionen von Frau/Mann wie auch von männlich/weiblich:

Der Duden definiert dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend Frauen als erwachsene Personen weiblichen Geschlechts. Des Weiteren ist demselben Duden zufolge das weibliche Geschlecht das »gebärende Geschlecht« und das männliche das »zeugende, befruchtende Geschlecht«. Die Biologie fasst dies noch genauer und definiert Geschlecht als Entwicklungsrichtung eines Organismus hin auf die Produktion einer bestimmten Art von anisogametischen (ungleichartigen) Keimzellen. Die Rede von der »Richtung« trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass aus verschiedenen Gründen (Präpubertät, Menopause, Entwicklungs- oder Funktionsstörungen) nicht jedes Individuum eines Geschlechts auch tatsächlich die entsprechenden Keimzellen produzieren wird – die bloße Ausrichtung auf deren Produktion genügt. Es gibt genau zwei Keimzellenarten: große (Eizellen) und kleine (Spermien). Mithin gibt es zwei Geschlechter, weiblich und männlich[1] (im Original des Dossiers Anmerkung 15). Frauen sind folglich erwachsene Menschen, deren Körper Entwicklungsschritte zur Produktion von Eizellen aufweisen. Bei Männern sind es Spermien.

Gehirnstrukturen, Verhaltensweisen, sexuelle Orientierung, Aussehen, Hormone und selbst Chromosomensätze (die Gleichung »Wesen mit XX-Chromosomen = weibliches Wesen« ist falsch) liegen hingegen der biologischen Unterscheidung von weiblichen und männlichen Organismen ausdrücklich nicht zugrunde. Daher sprechen die eingebildeten oder tatsächlichen Varianzen oder Spektrumhaftigkeiten der Ersteren nicht gegen den binären Charakter der Letzteren. Verschiedene Chromosomensätze und hormonale Einflüsse etwa sind lediglich ein Mechanismus, der in Organismen die Entwicklung in Richtung der Produktion von kleinen oder großen Keimzellen verursacht, aber es ist diese gerichtete Entwicklung selbst, der das Geschlecht definiert, nicht der sie verursachende Mechanismus (der zwischen verschiedenen Arten erheblich differieren kann und innerartlich nicht in jedem individuellen Fall denselben Effekt zeitigt). Dies bedeutet auch, dass Individuen mit biologischen Störungen der sexuellen Entwicklung (sogenannte Intersexualität) in keiner Weise den geschlechtlichen Dualismus in Frage stellen. Sie lassen sich meist eindeutig dem einen oder dem anderen Geschlecht zuordnen und immer eindeutig keinem dritten, da es keinen dritten Keimzellentyp gibt.

Daraus folgt, dass die einzige Art, wie »neuere Forschung« zeigen könnte, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, darin bestünde, dass sie die Existenz zumindest eines dritten anisogametischen Keimzellentyps nachweist. Tatsächlich hat neuere Forschung nicht nur gezeigt, dass es einen solchen dritten Keimzellentyp nicht gibt, sondern auch, dass es ihn aus evolutionsbiologischen Gründen gar nicht geben kann[2] (im Original Anmerkung 16)

Der Moderator Ranga Yogeshwar fragt (die hier angegebenen Minutenzahlen sind nicht immer ganz exakt):

1.05

»Doch was, wenn …. aus Mädchen oder Junge weder ein Mädchen noch ein Junge wird?«

Als Beleg für diesen Fall, wird sodann die intersexuelle Person Lynn D. angeführt, die sich selbst als »Zwitter« bezeichnet und von der Yogeshwar behauptet, sie sei »weder Mann noch Frau.« (5.35)

Es wurden jedoch unter Menschen keine sogenannten »echten Zwitter« überzeugend nachgewiesen. Im übrigen sind echte Zwitter doppelgeschlechtliche (nicht drittgeschlechtliche) Organismen, das heißt, Organismen, die beide Geschlechter gleichzeitig haben, also männlich und weiblich sind. Daraus folgt, dass Yogeshwars Behauptung im Lichte der oben angegebenen Definition von »Frau« und »Mann« falsch ist. Lynn D. wäre, wäre sie ein echter Zwitter, keineswegs weder Mann noch Frau, sondern beides.

Nun könnte man sich entscheiden, die Begriffe »Mann« und »Frau« anders zu definieren, nämlich so, dass man per definitionem nicht beides sein kann: Etwa: »Frauen sind erwachsene Menschen, deren Körper Entwicklungsschritte zur Produktion von Eizellen aber nicht zugleich auch von Spermien aufweisen.« In diesem Sinne von Frau (und entsprechend Mann) wäre dann ein menschlicher echter Zwitter in der Tat weder das eine noch das andere. Trotzdem würde dies an der Zweigeschlechtlichkeit nichts ändern. »Mann« und »Frau« sind schließlich keine reinen Geschlechtsbegriffe (denn sie beziehen sich neben dem Geschlecht auch auf Alter und Spezies). Die einzigen beiden Geschlechtsbegriffe sind »männlich und weiblich.«

Im weiteren Verlauf der Sendung stellt Yogeshwar die folgende Behauptung auf:

»Unser Geschlecht steht ja eigentlich von Beginn an fest, denken wir immer, stimmt aber nicht, denn gleich werden Sie sehen, dass wir am Anfang unserer Entwicklung eigentlich beides sind.«

Diese Behauptung ist falsch. Als vermeintlichen Beleg der Behauptung offeriert die Sendung eine weitere falsche Aussage, nämlich über einen 30 Tage alten Embryo. Er wird nämlich erklärt: »Zu diesem Zeitpunkt haben alle Embryos weibliche und geschlechtliche Geschlechtsanlagen. Sie sind also intersexuell.«

Wenn mit »beiden Geschlechtsanlagen« gemeint ist, dass sie das Potential haben, sich in die eine oder andere Richtung zu entwickeln, dann ist diese Aussage immer noch falsch. (Die Sendung suggeriert, dass die Aussage richtig sei, da die Entwicklung »durch ein komplexes Zusammenspiel aus Hormonen und Genen« bestimmt sei. Aber natürlich ist eben dieses Zusammenspiel im Embryo bereits angelegt.) Selbst aber, wenn die Aussage richtig wäre, so offenbarte das »also« in »Sie sind also intersexuell« immer noch einen Fehlschluss. Denn Intersexualität ist medizinisch als Störung der geschlechtlichen Entwicklung definiert (daran hat sich auch in der gegenwärtig gültigen ICD 11, der International Classification of Diseases, nichts geändert). Nun erklärt aber der Einspieler selbst über die geschlechtliche Entwicklung ganz richtig (7.18): »Sie beginnt etwa in der sechsten bis siebten Woche.« Richtig. Also deutlich später als nach nur 30 Tagen. Wenn also Intersexualität eine Störung (oder auch angeblich nur eine »Variante«) der geschlechtlichen Entwicklung darstellt, kann es schwerlich Intersexualität geben, bevor die Entwicklung überhaupt begonnen hat. Somit ist der 30 Tage alte Embryo also weder intersexuell noch beidgeschlechtlich, sondern vielmehr nicht-geschlechtlich.

In der Tat scheint der Versuch, Intersexualität fälschlich zum Anfangszustand zu erklären, allein dem ideologischen Willen geschuldet, Intersexualität nicht als Störung der geschlechtlichen Entwicklung zu konzeptualisieren, sondern stattdessen zum normalen Ausgangszustand zu verklären, aus dem sodann die Differenzierung zu männlich und weiblich erfolgt. Diese Ideologie ist biologisch völlig haltlos.

Diese Haltlosigkeit hält Yogeshwar nicht davon ab, nach dem Einspieler zu erklären:

10.20

»Was sich in immer mehr Studien zeigt, ist, dass unsere klassischen Vorstellungen von Geschlechtern völlig falsch sind. Es gibt eben nicht nur die zwei, sondern es gibt ein Kontinuum, und es ist gar nicht so einfach, sich selbst einzuordnen. Ist man eher mehr weiblich, ist man eher männlich?«

Welche Studien das sein sollen, und inwiefern sie das gezeigt haben, bleibt unklar. Dies liegt wiederum daran, dass die Sendung verabsäumt hat, begrifflich zu klären, was unter Geschlecht zu verstehen ist und mithin, wovon sie redet. Dass Moderatoren, die keinen klaren Begriff von Geschlecht haben, Schwierigkeiten haben, sich in einem solchen einzuordnen, mag sein. Über mehr begriffliche Klarheit verfügende Personen haben diese Schwierigkeiten nicht.

11.10

Yogeshwar fährt fort: »Aber die Frage ist, sind wir, wir als Gesellschaft, bereit anzuerkennen, dass es mehr Geschlechter gibt als nur klassisch weiblich und männlich.«

Nochmals: Zunächst einmal stellt sich die Frage, was ein Geschlecht überhaupt ist. Erst nachdem man diese Frage beantwortet hat, lässt sich die weitere Frage, wie viele es davon gibt, überhaupt erst sinnvoll stellen. Im Lichte der biologischen Definition aber sollten »wir als Gesellschaft« keineswegs bereit sein, mehr als zwei Geschlechter anzuerkennen, denn dies hieße, etwas Falsches anzuerkennen. Auch Wissenschaftssendungen sollten dies unterlassen. Stattdessen sollten sie ihre Zuschauer mit klaren Begrifflichkeiten korrekt informieren. Die hier besprochene Sendung tut dies nicht.

11.30

Die Sendung fährt mit einem weiteren Einspieler fort, in dem Erwachsene mit Babys spielen, über deren Geschlecht sie durch entsprechende Kleidung der Babys in die Irre geführt werden. Die Off-Stimme des Einspielers erklärt: »Das Auto für den Jungen, die Puppe fürs Mädchen. Wie früh prägen wir Kinder mit solchen Geschlechtsvorstellungen. … Schnell zeigt sich, die Auswahl des Spielzeugs folgt fast immer den Geschlechterklischees.«

Nichts an dem Experiment erlaubt irgendwelche Aufschlüsse darüber, wie wir Kinder »prägen« – das heißt, inwiefern unser Verhalten Einfluss auf diese hat. Nicht das Verhalten der Kinder wird untersucht, sondern das der Erwachsenen.

13.29

Eine der Versuchspersonen wird von einer Reporterin gefragt: »Mir ist aufgefallen, dass in der Situation, wenn er etwas unruhig wurde, da hast du dann ganz schnell zum Auto gegriffen. Hatte das einen bestimmten Grund?

Die Antwort der befragten Person ist zunächst: »Ich habe selber zwei Jungs, und ich habe auch mit anderen Sachen zum Beispiel gespielt, aber immer die Autos waren im Vordergrund.«

Die Versuchsperson erklärt hier also aufgrund ihrer Erfahrung mit ihren männlichen Kindern, dass diese Autos bevorzugen.

Die Psychologin Sabine Pauen will es besser wissen: »Die Erwachsenen denken immer, die Kinder sind glücklich, wenn sie das Spielzeug kriegen, das zu ihrem Geschlecht passt. Aber eigentlich … gar nicht unbedingt der Fall, die finden alles toll.«

Dafür hat das Experiment schon allein deswegen keinen Beleg geliefert, weil es diese Frage nicht untersucht hat. Andere Studien haben dies, und sie zeigen, dass sich männliche Babys und Kleinkinder von weiblichen im Durchschnitt in ihren Interessen sowie in ihren Präferenzen in Sachen Spielzeug unterscheiden. Dafür scheint es eine angeborene Komponente zu geben (siehe etwa hier und hier). Später in der Sendung, wenn es um die Unterschiede zwischen »männlichen« und »weiblichen Gehirnen« geht, werden angeborene Unterschiede sogar eingeräumt (ab Minute 35.10). Hier jedoch passte das offenbar nicht in die sozialkonstruktivistische Schablone.

14.45

Prof. Sabina Pauen meint zudem: »Das zeigt uns ja, wie viele Erwartungen wir eigentlich im Hinterkopf haben, wenn wir einem Menschen begegnen, obwohl wir noch nicht viel von ihm wissen, aber wir ordnen ihn dann in eine Kategorie ein und denken, jetzt haben wir was verstanden, und dann sind wir ganz überrascht.«

Überrascht waren die Versuchspersonen allein über das Geschlecht der Kinder, da sie über deren Geschlecht irregeführt wurden. Dass sie hingegen irgendwelchen Grund hatten, bezüglich der durchschnittlichen Verhaltensunterschiede zwischen Jungen und Mädchen überrascht zu sein, hat das Experiment, wie bereits ausgeführt, nicht gezeigt. Überraschend sind hier also allein Pauens unbegründete, pauschale Aussagen.

Prof. Pauen sagt des Weiteren: »Wir nehmen niemanden neutral wahr, wir denken eigentlich immer diese Kategorie dazu. Und dann laufen natürlich eine ganze Palette von Gedanken im Hinterkopf ab, was typisch dafür ist.«

Und dann fragt die Reporterin: »Was müsste sich ändern?«

16.40

Pauen antwortet: »Ich glaube, insgesamt wäre es wichtig, dass wir alle wirklich diese Entspanntheit kriegen, denn wir selber haben auch immer die weibliche und die männliche Seite in uns, und in verschiedenen Phasen des Lebens möchten wir die vielleicht auch anders ausleben.«

Erstens ist die Einteilung der Welt in Kategorien für Menschen überlebenswichtig, denn sie erlauben uns das Verhalten von Objekten und von Personen vorherzusagen oder zumindest Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Was Pauen unter einer »weiblichen « bzw. »männlichen Seite« versteht, erklärt sie übrigens so wenig wie die Sendung insgesamt.

16.50

Nach dem Einspieler erklärt Yogeshwar: »Für uns ist eben die einfachste Kategorie, die einfache Aufteilung in Junge oder Mädchen. Dabei strebt die Natur nach Vielfalt.«

Als Beispiele nennt Yogeshwar Meeresschildkröten, bei denen das Geschlecht nicht über Chromosomen bestimmt wird, sondern von der Umgebungstemperatur der abgelegten Eier abhängt, sowie den Schafskopflippfisch, bei dem das Weibchen sein Geschlecht ändern kann. Man kann das gern »Vielfalt« nennen, aber es ist keine geschlechtliche Vielfalt. Bei beiden Spezies gibt es genau zwei Geschlechter.

In einem weiteren Einspieler werden sodann asexuelle Fortpflanzungsarten und auch Wimpertierchen mit ihren angeblich sieben »Geschlechtern« angeführt. Asexualität (wie schon der Name nahelegt) hat mit der Frage, wie viele Geschlechter es gibt, nichts zu tun. Wimpertierchen wiederum sind isogametische Organismen, und man sollte ihre sieben isogametischen sogenannten Paarungstypen nicht mit den Geschlechtern im eigentlichen Sinne bei anisogametischen Spezies verwechseln. Bei diesen gibt es nur zwei Geschlechter.

27.50

Später sagt Yogeshwar: »Am Anfang unserer Sendung stand unsere These, zwischen Frauen und Männer gibt es ganz viel dazwischen, es gibt eine Art Kontinuum, und das zeigt sich auch an der Hormonentwicklung.«

28.40

Und er fragt: »Eine Frau mit dem Testosteronspiegel eines Mannes, ist das überhaupt noch eine Frau?« Da Yogeshwar verabsäumt hat, zu definieren, was eine Frau ist, kann er diese Frage nicht einmal sinnvoll stellen. Glücklicherweise liefern uns jedoch der Duden und die Biologie die oben angegebenen klaren Definitionen, und so können wir ebenso klar antworten: Ja, ist sie.

33.23

Yogeshwar: »Der Fall Dutee Chand zeigt uns, wie schwer es ist, einen Anhaltspunkt zu finden, der uns verrät, welches Geschlecht jemand hat. Sind es die Hormone? Sie scheinen nicht auszureichen. Die Chromosomen? Auch sie können ein anderes Geschlecht haben als die äußeren Geschlechtsorgane. Doch es gibt vielleicht noch ein Organ, das bei unserem Geschlecht eine Rolle spielt: das Gehirn. Welches Geschlecht hat das Gehirn?«

Im Licht der oben angegebenen tatsächlichen biologischen Definition ist der »Anhaltspunkt« jedoch tatsächlich völlig klar: Es sind die Keimzellen. Die werden von der Sendung jedoch nicht ein einziges Mal erwähnt. Das ist ein Armutszeugnis. Im Licht der biologischen Definition ist im Übrigen auch völlig klar, wie schon hervorgehoben, dass Hormone, Chromosomen und Gehirnstrukturen für die Frage, welches Geschlecht ein Organismus hat, völlig irrelevant sind. Relevant ist die Entwicklungsrichtung hin auf die Produktion einer Art von anisogametischen Keimzellen: Eizellen oder Spermien. Daraus folgt auch, dass Chromosomen, Hormone oder Gehirne nicht selbst ein Geschlecht haben.

37.02

Die Sendung meint der Frage nach dem »Geschlecht des Gehirns« über das Phänomen der Transsexualität nachgehen zu können und definiert transsexuelle Menschen aus dem Off wie folgt (immerhin: jetzt bietet die Sendung einmal eine Definition, beim Geschlecht leider nicht, obgleich dies das Thema der Sendung war): »Ihre Geschlechtsidentität stimmt nicht mit dem Geschlecht überein, das bei ihrer Geburt festgestellt wurde.«

Was freilich eine »Geschlechtsidentität« sein soll, definiert die Sendung nicht. Damit ist sie nicht allein, aber das macht es nicht besser. (Sogenannte genderkritische Feministinnen halten diesen Begriff für Unsinn.)

Die Stimme aus dem Off erklärt schließlich mit großer Fröhlichkeit:

»Das Gehirn hat also nicht ein Geschlecht, sondern ist eine Mischung aus männlich und weiblich und ganz viel dazwischen.«

Aus den schon genannten Gründen ist diese Aussage falsch. Das Gehirn hat nämlich überhaupt kein Geschlecht. Natürlich macht es Sinn, zu erforschen, welche durchschnittlichen Unterschiede es zwischen den Gehirnen von männlichen und weiblichen Menschen gibt, genauso wie es Sinn macht, zu erforschen, welche Unterschiede es zwischen dem durchschnittlichen Wahlverhalten oder Kriminalitätsmustern von männlichen und weiblichen Menschen gibt. Aber wenn man ein Wahlverhalten oder ein Kriminalitätsmuster »männlich« oder »weiblich« nennt, ist dies natürlich eine metaphorische Sprechweise, keine buchstäbliche. Ein Wahlverhalten hat im buchstäblichen Sinne kein Geschlecht. Denn wenn es eins hätte, könnte ein männliches Wahlverhalten sich mit einem weiblichen Wahlverhalten paaren und lauter Wahlverhaltensnachwuchs zur Welt bringen. Das kann es aber nicht. Ein Geschlecht hat also lediglich der das Wahlverhalten an den Tag oder der über das Gehirn verfügende biologische Gesamtorganismus, nicht Gehirne, Chromosomen, Verhaltensweisen, sexuelle Orientierungen oder Hormone. Von einer Wissenschaftsendung sollte man erwarten können, zwischen wissenschaftlich buchstäblicher Rede und poetisch metaphorischer unterscheiden zu können. Quarks ist dazu offenbar nicht imstande.

38.19

Zum Ende der Sendung erklärt Yogeshwar: »Man kann z.B. so wie ich als Mann durchaus weiblich denken.« Wie macht er das? Denkt er dann hin in Richtung auf die Produktion großer Keimzellen oder denkt er an Sex mit George Clooney? Aus den schon genannten Gründen ist diese Aussage Yogeshwars bestenfalls metaphorisch, tatsächlich aber wohl schlicht Unsinn.

Der Schluss schließlich lautet: »Das klare Fazit: Es gibt eben nicht nur männlich und weiblich, es gibt mehr. Doch was sind die Konsequenzen davon? … Ich gebe zu, das Thema Intersexualität ist sensibel, das ist kein Mainstreamthema, doch es ist wichtig. Denn Aufklärung heißt ja auch manchmal, Kategorien in Frage zu stellen und einen neuen Blick auf unsere Welt zu wagen.«

Das klare Fazit: Die Sendung hat verabsäumt, überhaupt zu definieren, was sie unter Geschlecht versteht, hat von der biologischen wie auch der Dudendefinition offenbar noch nie gehört, kann buchstäbliche Verwendungen von Begriffen nicht von metaphorischen unterscheiden und verdreht biologische Fakten zugunsten ideologischer Voreingenommenheiten.

Aufklärung hat etwas mit Klarheit zu tun. Bevor wir »Kategorien in Frage« stellen, sollten wir sie erst einmal klar fassen. Denn allein klare Begrifflichkeiten ermöglichen den ebenso klaren wissenschaftlichen Blick auf die Welt. Unklare Begrifflichkeiten hingegen führen zu Obskurantismus und Esoterik. Die Sendung beweist dies eindrücklich. Sie klärt nicht auf, sie verdunkelt.

Soweit die Analyse. Am Dossier wirkten mit: die Diplom-Biologin Dr. Antje Galuschka, Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen; die Tierärztin und Professorin für Mikrobielle Immunologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Ilse Jacobsen; die Doktorandin der Biologie Marie-Luise Vollbrecht; Uwe Steinhoff, Professor und Head am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong; die Diplom-Biologin Rieke Hümpel; der Biochemiker und Arzneimittelforscher Dr. Michael Hümpel; Dr. Alexander Korte, Leitender Oberarzt an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der seit 2004 Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie behandelt, unabhängiger medizinischer Sachverständiger zu den Entwürfen des Transgendergesetzes.

Der offene Brief

Wie erwähnt, publizierten die Initiatoren einen Beschwerdebrief, der die Veröffentlichung des Dossiers begleitet. Er folgt im Wortlaut.


Wir Wissenschaftler und Ärzte fordern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf, biologische Tatsachen und wissenschaftliche Erkenntnisse wahrheitsgemäß darzustellen. Wir fordern eine Abkehr von der ideologischen Betrachtungsweise zum Thema Transsexualität und eine faktenbasierte Darstellung biologischer Sachverhalte nach dem Stand von Forschung und Wissenschaft.

Wir, die Unterzeichner, beobachten als Wissenschaftler seit langem, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Darstellungen der »queeren« Transgenderideologie zu eigen macht und dabei naturwissenschaftliche Tatsachen leugnet.

Ausgangspunkt ist stets die Falschbehauptung, es gäbe nicht nur ein männliches und weibliches Geschlecht, sondern eine Vielfalt von Geschlechtern bzw. Zwischenstufen zwischen Mann und Frau. Der klar umrissene Begriff des Geschlechts, das die anisogame Fortpflanzung ermöglicht, wird vermengt mit psychologischen und vor allem soziologischen Behauptungen, mit dem Ergebnis, dass konzeptionelle Unklarheit entsteht.

Die Begriffsverwirrung und die damit einhergehende Bedeutungsverschiebung zielen letztlich auf die Durchsetzung von politischen Forderungen ab.

Das Thema »Trans« wird durch die Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an Kinder und Jugendliche herangetragen mit dem Ergebnis, dass sich die Zahl der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Kinder und Jugendlichen in weniger als zehn Jahren verfünfundzwanzigfacht hat.

In TV-Sendungen, Rundfunkbeiträgen und auf den Social-Media-Kanälen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird dieser Trans-Hype geschürt und es wird der »Weg in den richtigen Körper« als kinderleichter Schritt geschildert. Es geht um Mädchen, die sich chirurgisch Brüste und Gebärmutter entfernen lassen und um den Einsatz von Pubertätsblockern, die vorübergehend verhindern, dass sich die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln. Die möglichen, teils irreversiblen körperlichen und psychischen Folgen solcher Maßnahmen werden nicht geschildert.

Vielmehr zielt die Berichterstattung darauf ab, den Behauptungen von Queer-/Trans-Lobbygruppen Gehör zu verschaffen, wonach man das biologische Geschlecht wechseln könne, indem man sich sozial als dieses Geschlecht identifiziere. Hier wird vorgearbeitet für die von Grünen und FDP geplante Reform des Transsexuellengesetzes, wonach künftig jeder seinen Geschlechtseintrag durch einen Sprechakt ändern können soll und mit vollendetem vierzehnten Lebensjahr Kinder auch gegen den Willen ihrer Eltern über eine hormonelle und operative Anpassung an das Gegengeschlecht entscheiden können sollen.

Wir als Wissenschaftler wenden uns entschieden gegen die Vorstellung, dass Frauen und Männer nur soziale Konstrukte oder gefühlte Identitäten sind. Wir sehen Errungenschaften der Frauenbewegung bedroht, weil jeder Mann sich fortan durch eine Erklärung zur Frau deklarieren und in deren Schutzzonen eindringen kann. Maßnahmen zur Frauenförderung werden ebenso ausgehöhlt wie ihr Schutz vor Gewalt. Kindern wird noch vor vollendeter Geschlechtsreife während der Pubertät eine Entscheidung auferlegt, deren Folgen sie nicht überblicken können.

Wir zeigen in diesem Dossier wie massiv der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Wissenschaft ignoriert, falsche Behauptungen verbreitet und fortwährend gegen den Medienstaatsvertrag verstößt:

  • Die Berichterstattung folgt nicht anerkannten journalistischen Grundsätzen, sie ist weder unabhängig noch sachlich.
  • Behauptungen werden vor ihrer Verbreitung nicht mit Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft geprüft.
  • Es wird fortwährend gegen die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung verstoßen, es gibt in der Trans-Berichterstattung weder Meinungsvielfalt noch ein ausgewogenes Angebot. Vielmehr werden auf Instagram Abbildungen und Handreichungen von Trans-Verbänden ungeprüft übernommen und Kindern anempfohlen.
  • In den Jugendsendungen und Social-Media-Kanälen wird immer wieder gegen die Forderung des Medienstaatsvertrags nach Achtung der Würde des Menschen und Schutz sittlicher und religiöser Überzeugungen verstoßen. Schamgrenzen werden eingerissen. Pornographische Darstellungen werden ohne Altersüberprüfung für Kinder und Jugendliche bereitgestellt.

Wir fordern ein sofortiges Umsteuern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das hier zusammengetragene Material spricht für sich und ist nur die Spitze eines Eisbergs. Unsere Dokumentation zeigt falsche Darstellungen und tendenziöse Berichterstattung, Begriffsverschiebungen und Begriffsverwirrungen. In den Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden Wissenschaftler und Kritiker nicht gehört, fragwürdigen »Experten« (politisch aktiven Betroffenen und deren sog. Alliierten) hingegen wird viel Raum gegeben. Es fehlt an kritischen Nachfragen, es entsteht ein Zerrbild der Realität, das auf widerlegbaren Falschinformationen fußt – und damit werden Kinder und Jugendliche selbst in einer früher harmlosen »Sendung mit der Maus« indoktriniert.

Wir fordern nicht nur die Redaktionen und Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Umsteuern auf, sondern richten unseren Appell auch an die Kontrollinstanzen der Rundfunk- und Fernsehräte und an die Politik: Setzen Sie sich aktiv dafür ein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sachangemessen, neutral, wahrheitsgemäß und mit Achtung der Würde der Menschen berichtet!


Die Liste der Erst- und Mitunterzeichner kann hier eingesehen werden.

Download des Dossiers hier.

Anmerkungen:

  1. Siehe etwa Jussi Lehtonen und Geoff A. Parker, »Gamete competition, gamete limitation, and the evolution of two sexes«, Molecular Human Reproduction 20(12) (2014), S. 1161–1168. Douglas J. Futuyma, Evolutionary Biology, Third Edition. Sinauer Associates, Sunderland 1998: »ANISOGAMOUS organisms have large (eggs) and small (sperm) gametes, defining male and female sexual functions.« Astrid Kodric-Brown and James H. Brown, »Anisogamy, sexual selection, and the evolution and maintenance of sex«. Evolutionary Ecology 1 (1987), S. 95-105, hier S. 98: »The essence of maleness and femaleness is the production of either small, mobile or large, nutritive gametes, respectively.“ Und hier die deutsche Biologin und Nobelpreisträgerin Prof. Christiane Nüsslein-Volhard: »… bei allen höheren Tieren und Pflanzen gibt es zwei Geschlechter.Beide produzieren Zellen, die nur der Fortpflanzung dienen, und Keimzellen genannt werden. Dabei sind die Eizellen, die schließlich in den Embryo übergehen, groß und unbeweglich, während die kleinen Spermienzellen in oft ungeheuren Überschüssen produziert werden. Die Produzenten der Eizellen werden weiblich, die der Spermien männlich genannt.« Ebenso unterhaltsam wie lehrreich und leicht zugänglich ist der Blog der Entwicklungsbiologin Emma Hilton: https://fondofbeetles.wordpress.com/2019/07/22/from-humans-to-asparagus-females-are-females/. Für eine philosophische Explikation des biologischen Geschlechtsbegriffs siehe Alex Byrne, »Is Sex Binary? The answer offered in a recent New York Times opinion piece is more confusing than enlightening«, https://medium.com/arc-digital/is-sex-binary-16bec97d161e, abgerufen am 27. April 2021. Siehe auch Uwe Steinhoff, »Auf den Leim gegangen« sowie »Tessa oder Markus Ganserer
  2. Lehtonen und Parker, »Gamete competition, gamete limitation, and the evolution of two sexes«.

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