Orwellexikon. Bestiarium der Vorurteile und Dysfunktionen der akademischen Welt

Zuletzt aktualisiert am 19. April 2020.

Monstrosität

Allseits verhasste Monstrosität: Rote Baseballmütze auf dem Kopf des amerikanischen Präsidenten. Bestiarium der Vorurteile.

Ein erstes Bestiarium der Vorurteile und ideologischer Neologismen des 20. Jahrhunderts, das Werk Lingua Tertii Imperii (LTI), veröffentlichte 1947 der Philologe Victor Klemperer, der die Einsichten Walter Lippmanns auf die Sprachpolitik des Nationalsozialismus anwandte.

Die öffentliche Meinung wurde Klemperer zufolge von der schwarzen Propaganda nicht durch langatmige argumentative Erörterungen manipuliert, sondern durch die ständige Wiederholung von Euphemismen und Stereotypen. Der Sprachgebrauch richtete sich an strukturierenden Prinzipien aus, von der Biologisierung und Emotionalisierung über die Hierarchisierung bis zur Heroisierung.

Über die Heroisierung heißt es im Vorwort des Buches: »Durch zwölf Jahre ist der Begriff und ist der Wortschatz des Heroischen in steigendem Maße und immer ausschließlicher auf kriegerischen Mut, auf verwegene todverachtende Haltung in irgendeiner Kampfhandlung angewandt worden. Nicht umsonst hat die Sprache des Nazismus das neue und seltene Adjektiv neuromantischer Ästheten: ›kämpferisch‹ in allgemeinen Umlauf gesetzt und zu einem seiner Lieblingsworte gemacht. Kriegerisch war zu eng, ließ nur an die Dinge des Krieges denken, war wohl auch zu offenherzig, verriet Streitlust und Eroberungssucht. Dagegen kämpferisch! Es bezeichnet in einer allgemeineren Weise die angespannte, in jeder Lebenslage auf Selbstbehauptung durch Abwehr und Angriff gerichtete, zu keinem Verzicht geneigte Haltung des Gemütes, des Willens. Der Missbrauch, den man mit dem Kämpferischen getrieben hat, passt genau zu dem übermäßigen Verschleiß an Heroismus bei schiefer und falscher Verwendung des Begriffes«.[1]

Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen

Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen. – Bestiarium der Vorurteile.

Aber das Notizbuch eines Philologen ist weit mehr und weit weniger als ein Wörterbuch, es ist ein Tagebuch, ein Psycho- und Mentogramm einer Nation, die durch das Charisma eines Getriebenen in eine kollektive Psychose versetzt worden war und dem Wahnsinnsdelirium nur durch die ultimative Katastrophe zu entkommen vermochte.[2] Und es ist eine eingehende Studie darüber, zu welch absurden Auswüchsen ein Purismus führt, der, wie der heutige, alles aus der gesprochenen und geschriebenen Sprache auszumerzen versucht, was nicht politisch korrekt ist. Denn die Zeit des Nationalsozialismus war die erste deutsche Blütezeit der politischen Korrektheit, die nicht einmal vor der Namengebung zurückschreckte, sondern auch in dieser den Angehörigen des »guten« Volkskörpers die richtige völkische Gesinnung (Haltung) abverlangte.[3]

Auf Orwells 1949 erschienene Grammatik der totalitären Sprache (Neusprech), die ihr Anschauungsmaterial aus der stalinistischen Vorhölle bezog, muss hier nicht näher eingegangen werden. Dazu sei auf den früher erschienenen Beitrag Orwells Grammatik 2.0. verwiesen. Nur soviel dazu: Jede totalitäre Ideologie ist auf kulturelle Hegemonie angewiesen und zu dieser gehört unzweifelhaft die Herrschaft über die Sprache. Die Herrschaft über die Köpfe ist sogar ungleich wichtiger, als die Herrschaft über die Hände. Nicht die Sabotage am Arbeitsplatz ist das Problem, sondern die Sabotage an der Ideologie. Die Moskauer Schauprozesse wurden nicht gegen Werktätige geführt, die dem kollektiven Produktionsprozess wegen zweier linker Hände oder einer noch nicht überwundenen bürgerlichen Gesinnung im Wege standen, sondern gegen überzeugte Kommunisten, Angehörige der Parteielite, deren Sabotage rein intellektueller Art war. Sie hatten Gedankenverbrechen begangen. Und auch wenn nicht: Sie bezichtigten sich freiwillig derselben, erklärten sich für schuldig, selbst wenn sie unschuldig im Sinne der Anklage waren. Revisionismus, Abweichlertum, Trotzkismus, waren Abweichungen von der Parteilinie und solche Abweichungen waren das schlimmste aller Verbrechen. Deswegen legt auch die Gedankenpolizei in Orwells Dystopie den größten Wert darauf, dass Winston seine Verbrechen einsieht, dass er lernt, versteht und schließlich akzeptiert. Nur wenn das Opfer sich »freiwillig« unterwirft und sich zu der Wahrheit bekennt, die ihm früher als Irrtum erschien, hat die Ideologie ihren Sieg errungen.

Etwas Ähnliches wie Klemperer und Orwell versuchte Manfred Kleine-Hartlage mit seinem Buch Die Sprache der BRD (zuletzt 2019), das an seine Problemstellung mit lexikalischer Gründlichkeit herangeht und 145 »Unwörter« abhandelt, die aus seiner Sicht für die politisch-mediale Nomenklatura der Merkelrepublik von zentraler Bedeutung sind. Auch dieses Buch ist eine Fallstudie zur Phänomenologie kollektiver Psychosen.

»Die öffentliche Sprache«, schreibt Kleine-Hartlage in der Einleitung seines ebenso bissigen wie erhellenden Buches, »zeigt seit etlichen Jahren eine deutliche Tendenz zur Zunahme stereotyper Floskeln, Phrasen und – meist inoffiziellen – Sprachregelungen, an denen sich die immer stärkere Verengung des ideologischen Spektrums ablesen lässt, das innerhalb der meinungsbildenden Eliten noch als akzeptabel gilt.«[4]

Kennzeichnend für diese Sprachregelungen ist die geradezu systematische Umdeutung herkömmlicher Wortbedeutungen in ihr Gegenteil. Nicht ganz zu Unrecht sieht der Autor in diesen Umdeutungen eine Form der Lüge. Das »Elitenkartell«, das diese Umdeutung vorantreibt, bedient sich dabei einer Reihe sprachpolitischer Techniken, die alle dem Zweck dienen, politische und begriffliche Pluralität zugunsten des Projekts eines neuen totalitären Regimes auszumerzen, das auf der Ebene der EU oder des transatlantischen Bündnisses errichtet werden soll, das allerdings eher die Züge von Huxleys Schöner neuer Welt trägt und nicht jene von Ozeanien.

Zu diesen Techniken gehören: die Orwellsche Verdrehung, die demonstrativen Konformismus zu »Zivilcourage«, völkerrechtswidrige Angriffskriege zu »humanitären Interventionen« und Intoleranz zu »Toleranz« erklärt; trojanische Pferde, Worte, die etwas anderes beinhalten, als die Hörer glauben, etwa wenn von »Europa« geredet wird, aber die EU gemeint ist, oder wenn Kritiker unkontrollierter Einwanderung als »Rassisten« bezeichnet werden; Ohrwürmer, Wörter, die fragwürdige oder falsche Tatsachenbehauptungen enthalten und durch endlose Wiederholung an Überzeugungskraft gewinnen sollen (Klimawandel, Klimaleugner); tantenhafte Beschönigungen, die den Souverän mit »Einlullfloskeln« und süßlichen Phrasen über die gegen ihn betriebene Interessenpolitik hinwegtäuschen (»Willkommenskultur«, »gesamtgesellschaftliche Aufgabe«, »bunt«); das Reframing, die Ablenkung der Aufmerksamkeit vom eigentlichen Gegenstand durch Wechsel des Referenzrahmens und des Bezugspunktes; die Steigerung dieses Reframings in der Anti-Sprache, die sich zur Verschleierung der eigenen Interessen des jeweiligen, negativ besetzten Komplementärbegriffs bedient (man ist »gegen Rassismus«, um sich nicht für Masseneinwanderung aussprechen zu müssen, »Antifaschist«, um sich nicht als Bolschewist bekennen zu müssen usw.); Geßlerhutbegriffe, durch deren Verwendung bzw. Vermeidung ideologische Konformität demonstriert wird (gebotene Worte wie »Geflüchtete«, »Studierende«, verbotene wie »Neger« oder »Zigeuner«); Pawlowsche Glöckchen, deren Nennung die stets gleichartigen, erwünschten Abwehrreaktionen hervorruft (»Antisemit«, »Rassist«, »Antieuropäer«, »Rechter»); verschleiernde Anglizismen (»Gendermainstreaming« statt »Geschlechtergleichmacherei«) und Totschlagworte (das ultimative Beispiel hierfür ist »Nazi«).

Lee Jussim: Social Perception and Social Reality

Lee Jussim: Social Perception and Social Reality. – Bestiarium der Vorurteile.

Lee Jussim, ein Professor für Sozialpsychologie an der Rutgers Universität New Jersey, dessen Buch Social Perception and Social Reality: Why Accuracy Dominates Bias and Self-Fulfilling Prophecy einige Mythen der Vorurteilsforschung entzauberte, hat nun das Projekt gestartet, ein solches Lexikon der Unworte im akademischen Sprachgebrauch zu schaffen.[5] Sein Ansatz ist allerdings von Anfang an ein ironischer: es geht ihm nicht darum, tatsächlich verwendete Worte zu analysieren und ihren ideologischen Missbrauch zu entlarven, sondern darum, neue Worte für grassierende Dysfunktionen des wissenschaftlichen Bewusstseins und der akademischen Rederituale zu erfinden, die durch ihre Ähnlichkeit mit in Gebrauch befindlichen rhetorischen und ideologischen Courants die Lächerlichkeit jener Dysfunktionen und Rituale sichtbar machen sollen. Leider sind manche seiner Lemmata spezifisch für den englischen Sprachraum und daher unübersetzbar, die meisten jedoch sollten Gebildeten auch hierzulande verständlich sein.

Absagefurcht [Cancelophobia]: Die Furcht, Opfer einer Absage zu werden, auf die in der Regel Selbstzensur folgt.

Adminomanie: Durch eine tiefgreifende Blindheit für ihre unbeabsichtigten Nebenwirkungen bedingte Wahnvorstellung, das Leben der Menschen könnte durch die Vermehrung administrativer oder bürokratischer Eingriffe verbessert werden. Betroffen sind vor allem Verwaltungen akademischer Institutionen, die aufgrund dieser Manie zunehmend ihr Interesse an der Einhaltung verfahrensrechtlicher Grundsätze wie der Unschuldsvermutung verlieren, und Menschen wegen Vergehen bestrafen, die sie entweder nicht begangen haben oder für die es nur fragwürdige Beweise gibt.

Alliesheimer-Krankheit [unübersetzbares Wortspiel mit »allies«, »Verbündete«]: Zustand des selektiven Gedächtnisverlusts, der dazu führt, dass Betroffene die Grundsätze der Gleichheit und Inklusion, zu welchen sie sich ansonsten bekennen, vergessen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, sich mit jenen zu verbünden, die sie beim Versuch unterstützen, andere zu stigmatisieren, zu bestrafen oder einem Scherbengericht zu unterziehen.

Allwissenheitswahn: Unfähigkeit, zwischen der Auffassung: »Meine Argumente sind so überzeugend, dass nur ein vollkommener Idiot ihre Überzeugungskraft nicht erkennen kann« und der anderen: »Auch wenn ich glaube, dass meine Argumente bestechend sind, vermochten sie jemanden, der sie bestreitet, nicht zu überzeugen, obwohl er sie verstanden und Ernst genommen hat« zu unterscheiden.

Anfallsartige Epistemologische Dysphorie: Ein unerklärlicher, plötzlicher Rückfall in emotionalen Imperialismus, Nazinoia und Subjektophilie bei Personen, die ansonsten mit wissenschaftlichen Methoden, Logik, Mathematik, Statistik und analytischem Denken vertraut sind. Gelegentlich begleitet von Trumpsession und Trumpulsionen, und auftretend in Form von Gleichheitseinschüchterung, Reductio ad Hitlerum und selbstgerechter Empörungssucht.

Anspruchsdenken-Dysphorie: Eine pathologische Verwechslung von »Dingen, die ich will« mit »Dingen, auf die ich Anspruch habe«. Manchmal führt diese Dysphorie zu rhetorischen Forderungen nach Rechten, die nirgendwo kanonisiert sind.

Athletischer Genozid: Eliminierung all jener potentiellen Teilnehmer an Sportwettkämpfen, die bei ihrer Geburt von Ärzten oder anderen Erwachsenen als weiblich identifiziert wurden, weil sie nicht erfolgreich mit jenen konkurrieren können, die bei ihrer Geburt von Ärzten oder anderen Erwachsenen als männlich identifiziert wurden, sich jedoch selbst als weiblich identifizieren.

Bigotterieleugnung[6]: Die Behauptung, nur Weiße könnten Rassisten sein.

Binärophobie: Furcht davor, dass manche Dinge tatsächlich binär sein könnten.

Biomentophobie: Die Furcht, die Biologie könnte den Geist (mens) oder das Bewusstsein beeinflussen.

Blankofemophobie: Vorurteil gegen weiße Frauen, das sich in Äußerungen zeigt, die Ablehnung von Ansichten, Haltungen oder Verhaltensweisen weißer Frauen zum Ausdruck bringen, z.B.: »Weiße Frau, Weiße-Frau-Spielen« (»White woman, white womening«).[7]

Brexistentielle Furcht: Die irrationale Furcht, der Brexit werde das Ende der Welt, die wir kennen, herbeiführen.

Brophobie [unübersetzbares Wortspiel mit »bro« für »Kumpel«]: Furcht vor Männern, die sich miteinander unterhalten, besonders in sozialen Medien, in denen es keinerlei Hindernisse dafür gibt, dass sich andere ohne Rücksicht auf ihre demographische Identität beteiligen.

Cathy-Newmanismus: Jene, die von diesem zur Verblödung führenden Zustand betroffen sind, erweisen sich als außerstande, auf die Äußerungen eines anderen vernünftig zu antworten. Ein eindeutiger Beweis für das Vorhandensein dieses Zustandes ist, dass man die Äußerungen eines anderen mit eigenen Worten so umformuliert, dass die Umformulierung ihnen weit extremere Ansichten oder noch viel lächerlichere Behauptungen unterstellt, als sie tatsächlich von sich gegeben haben. Gleichzeitig bringt man seinen Unglauben und seine Empörung darüber zum Ausdruck, dass der Gesprächspartner ebenjene lächerlichen Behauptungen vorgebracht habe, die er nie geäußert, die man ihm vielmehr unterstellt hat. »Was sie also wirklich sagen, ist (gefolgt von einer lächerlichen Karikatur).« Bekannt wurde diese Geistesverfassung durch ein legendäres Interview, das Cathy Newman im Channel 4 mit Jordan B. Peterson führte.

Cisandrophobie: Furcht vor heterosexuellen Männern und Vorurteile gegen sie.

Dekontextophilie: Eine ungesunde Neigung, andere ohne Berücksichtigung des Kontextes zu zitieren.

Definitionsfalle: Die Vermeidung von Definitionen oder die willkürliche Umdeutung von Begriffen, um politischen Argumenten zum Durchbruch zu verhelfen.

Diaphobie: Die Furcht vor einem zivilisierten Dialog mit seinen Gegnern bzw. die Ablehnung eines solchen.

Dogmawarnfeuer: Signale, die erforderlich sind, um den ideologisch akzeptablen Status für die eigene In-Group aufrechtzuerhalten. Besonders unter Akademikern verbreitet, die häufig gezwungen sind, solche Warnfeuer zu entfachen, wenn sie sich mit konservativen Kollegen unterhalten, in ebensolchen Zeitschriften publizieren oder Daten veröffentlichen, die dem Narrativ der sozialen Gerechtigkeit widersprechen.

Elitophilie: Eine ungesunde Verliebtheit in akademische oder intellektuelle Eliten, insbesondere in ihre Ideen oder Hervorbringungen.

Emotionaler Imperialismus: Der befremdliche Glaube, die eigenen Gefühle müssten maßgeblich für das Verhalten anderer sein.

Epistemologische Dichotomanie: Falsche Interpretation von komplexen Sachverhalten und solchen, die allgemein als dichotomisch betrachtet werden.

Epistemologische Infragestellung: Eine Form der intellektuellen Belästigung, die Erklärungen oder Forderungen einschließt, einer Ansicht dürfe kein Glauben geschenkt werden, nicht wegen logischer Gründe oder Beweisen, die ihre Falschheit bezeugten, sondern weil man den Vertreter dieser Ansicht aufgrund tatsächlicher oder eingebildeter Vergehen auf gänzlich anderen Gebieten für unglaubwürdig hält. Sie äußert sich oft in Form haltloser Unterstellungen oder eines Kontaktschuldvorwurfs. Siehe auch Gleichheitseinschüchterung.

Equalitarianismus: Ein dogmatischer, quasi-religiöser Glaube an die Gleichheit aller Gruppen in allen wesentlichen Eigenschaften, in der Regel begleitet vom Glauben, die einzige akzeptable Ursache von Gruppenunterschieden sei Diskriminierung sowie von Empörung über jeden, der dies bestreitet.

Europhobie: Furcht vor Europäern und ihren Nachfahren und Vorurteil gegen sie sowie gegen Praktiken oder Ideen, die ihren Ursprung in Europa hatten.

Evopsychophobie: Furcht vor der evolutionären Psychologie, insbesondere vor der Möglichkeit, soziale Gruppen (wie Männer oder Frauen) könnten im Lauf der Evolution unterschiedliche psychische Eigenschaften und Verhaltensformen entwickelt haben.

Lügen-Immundefizit-Bazillus-Syndrom (LIBS): Eine Autoimmunerkrankung, bei der die Schutzmembran, die nach Wahrheit suchende psychische oder soziale Systeme einhüllt, sich entzündet und sich selbst angreift, wodurch die Fähigkeit, zwischen Wahrheit und Propaganda, Lüge und Erfindung zu unterscheiden, beeinträchtigt oder zerstört wird.

Genetophobie: Furcht vor genetischen Erklärungen für Verhalten, Kompetenzen, Eigenschaften und Neigungen des Menschen. Zeigt sich oft in Form des Glaubens an das unbeschriebene Blatt[8] und den Umweltdeterminismus.

Gleichheitseinschüchterung [Equalitimidation]: Eine Form intellektueller Belästigung, die durch Beschimpfungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Stigmatisierung und Kontaktschuldvorwürfe gekennzeichnet ist, die jene zum Schweigen bringen sollen, die sich einschränkenden, übergriffigen oder moralisch verpflichtenden Regierungs- und Verwaltungsvorschriften widersetzen könnten; oder auch: wissenschaftliche, intellektuelle und akademische Rhetorik, die darauf abzielt, bestimmten Interpretationen der sozialen Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.

Heterophobie: Angst vor heterosexuellen Männern und Frauen und Vorurteile gegen sie.

Hierophobie: Furcht vor jeder Form von Hierarchie und Vorurteile gegen sie.

Identitätskolonialismus: Die irrige Annahme, man habe eine Ahnung davon, was andere Gruppenmitglieder denken oder wollen, nur weil man vorgibt, die angeblichen Interessen dieser Gruppe zu vertreten (die eigene eingeschlossen), und die damit verbundene Idee, die eigenen Ansichten seien für andere irgendwie repräsentativ.

Impliziter ASW[9]-Wahn: Von diesem Wahn Befallene leiden an der unausgesprochenen Überzeugung, sie könnten die Gedanken anderer lesen. Würde diese Überzeugung ausgesprochen, wirkte sie verrückt. Wie kann sie also diagnostiziert werden? Häufig äußert sie sich in Form von Anklagen gegen andere, diese seien unehrlich oder unernst; oder durch die Annahme, man kenne die »wahren Motive« seines Gegenübers. Dieser Wahn kann überall auftreten, besonders gefährdet sind jedoch Twhackademiker und Twokademiker.

Invertierte Epistemologie: Epistemische Dichotomanie gegenüber deutlichen Unterscheidungen; Binärophobie vor dichotomen Begriffssystemen.

IQphobie: Furcht vor Intelligenzmessungen, weil man glaubt, nur Nazis und Eugeniker täten dies.

Istophobie: Furcht davor, als -ist bezeichnet zu werden (Rassist, Sexist, Faschist usw.), in der Regel begleitet von Selbstzensur.

Kafkafalle: Ein rhetorischer Kunstgriff, der die Beteuerung von Unschuld als Schuldbeweis interpretiert. Beispiel: Wenn man verneint, ein Rassist zu sein, beweist dies, dass man einer ist.

Lexophobie, unvollständige: Furcht, jemanden zu verletzen, wenn man ein falsches Wort sagt. Auch wenn dieser Zustand manchmal sogar gesunde Menschen befällt, kann er durch Vorurteilsüberwachungssysteme, Verhätschelung[10] Gleichheitseinschüchterung und emotionalen Imperialismus gravierend verschlimmert werden.

Marxismusleugner: Jemand, der gewohnheitsmäßig ignoriert oder vergisst, dass Marxismus und Kommunismus zu sozialen Katastrophen gigantischen Ausmaßes führten, wann immer sie die Vorherrschaft in einem Land ausübten, oder der behauptet, dies sei »kein wirklicher Marxismus« gewesen, oder der die Relevanz der brutalen Geschichte dieser Ideologien abstreitet. Diese Symptome gehen häufig mit anderen einher, wie der Verschleierung marxistischer Ideen oder Ideologien durch sozialwissenschaftliche Neologismen (z.B. »Systemrechtfertigungstheorie«), überwältigenden Narrativen, den besten Absichten und Heilsversprechen für tatsächliche Ungerechtigkeiten (siehe Narraphilie).

Meritophobie: Furcht vor der Beurteilung von Menschen aufgrund ihrer Leistungen und Ablehnung aller, die dies tun.

Narraphilie: Verhängnisvolle Vorliebe für überwältigende Narrative, verbunden mit einer rücksichtslosen Missachtung der Wahrheit oder von Beweisen.

Nazinoia: Wahnhafte Neigung, hinter Ideen oder Verhaltensweisen, die man ablehnt, Nazis zu sehen und jeden, der den Brexit befürwortet oder rechts von Bernie Sanders und Jeremy Corbin steht, zu bezichtigen, er sei ein Nazi, Faschist, Anhänger der weißen Vorherrschaft oder rechtsextrem.

Ockhams intersektionale Werkzeugkiste: Eine Sammlung wirkungsvoller rhetorischer Kunstgriffe, die geeignet sind, die Intersektionalität, die kritische Theorie und die soziale Gerechtigkeit voranzubringen. Siehe auch Kafkafalle, Ockhams Schuhlöffel, Ockhams Trompete, Problematicus panoramicus und Subjektophilie.

Ockhams Schuhlöffel: Wird benötigt, um Daten an das eigene Narrativ anzupassen, egal, wie sehr sie widerstreben.

Ockhams Trompete: Die Leugnung aller möglichen Alternativen zu Vorurteilen als Erklärungen für Ungleichheit und die triumphale Verkündigung, Vorurteile seien allgegenwärtig.

Phobophobie: Furcht davor, als »-phob« (islamophob, transphob, homophob usw.) bezeichnet zu werden. Geht für gewöhnlich mit Selbstzensur einher.

Phrenologische Flatulenz: Die Unfähigkeit, wiederkehrende empörte Ausrufe solcher Worte wie »Phrenologie!« oder »Phrenologe!« zu unterdrücken, wenn man mit einem Werk über Intelligenz und IQ konfrontiert wird, besonders mit wissenschaftlichen Untersuchungen über Gruppendifferenzen und Intelligenz. Ursache dafür ist gewöhnlich ein phrenologischer Reflux.

Phrenologischer Reflux: Unfähigkeit, Intelligenzforschung geistig zu verdauen, insbesondere Studien zu Gruppendifferenzen oder zur genetischen Grundlage individueller Intelligenzunterschiede. Hauptsymptom ist die phrenologische Flatulenz.

Poes Dysphorie: Unfähigkeit, den Witz in einer Parodie zu erkennen. Zeigt sich die Dysphorie als Unvermögen, Parodien der eigenen Partei als solche zu erkennen, aber über solche der gegnerischen Partei in schallendes Gelächter auszubrechen, ist die Ursache vermutlich in einer Zerrüttung des Gehirns durch Ideologie zu suchen. Mit Poes Gesetz verwandt (der Unfähigkeit, Wahrheit und Parodie besonders in sozialen Medien zu erkennen).

Problematicus Panoramicus: Einzigartige Fähigkeit, alles, was ein Einzelner oder eine Gruppe jemals gedacht, getan oder besessen hat, als problematisch darzustellen, häufig verbunden mit der Bezugnahme auf Artikel, die Kreuzgutachten (peer reviews) durchlaufen haben oder in »Qualitätsmedien« erschienen sind.

Pseudowissenschafts-Wahn: Wahnvorstellung, die eine Person dazu verleitet, zu glauben, ein Werk, das sie missbilligt oder anderweitig ablehnt, werde dadurch entwertet, dass sie es als »Pseudowissenschaft« oder »Parawissenschaft« bezeichnet, im Unterschied zu Werken, die sie selbst schätzt oder denen sie zustimmt.

Quackademiker: Eine Person in einer höheren Bildungseinrichtung, die nicht auf Studenten losgelassen werden sollte.

Rassession [racebsion]: Die monomane, anhaltende, sowohl verwirrte als auch verwirrende Überzeugung, alles sei auf Rasse zurückzuführen. Siehe das 1619-Projekt der New York Times.

Reductio ad Hitlerum: Die Behandlung von Ideen und Argumenten, die man ablehnt, als Ausdruck von Nazismus, Faschismus oder Weißem Überlegenheitsanspruch. Siehe Godwin’s Gesetz oder Nazinoia.

Rigorus Mortus Selectivus: Die Zerstörung der Sozialwissenschaft durch selektive Anwendung ihrer wissenschaftlichen Prinzipien oder Methoden (siehe hier). Tritt häufig in Form der Verurteilung von Publikationen auf, die man aufgrund scheinbar wissenschaftlicher Maßstäbe ablehnt, die man auf Werke, die man gutheißt, niemals anwendet.

Rotmützenphobie: Die Furcht vor und die Schmähung von Trumpanhängern (die rote Baseballmützen tragen).

Selbstgerechte Empörungssucht [Righteous Outragophilia]: Besessenheit vom Bedürfnis, die eigene Rechtschaffenheit unter Beweis zu stellen, indem man sich über andere moralisch empört, weil sie sich den eigenen subjektiven Meinungen nicht anschließen oder weil sie reale, häufiger jedoch erdichtete, kleinere oder größere Vergehen begangen haben (sollen).

Subjektophilie: Krankhafte Bevorzugung der subjektiven Erfahrung, die angeblich über alle anderen Formen der Empirie triumphiert. Z.B., die Berufung auf die »gelebte Erfahrung«, die angeblich jede Diskussion beendet.

Tautologische Rüstung: Die Verdrehung von Ursache und Wirkung, um sich moralisch unangreifbar zu machen.

»Warum glaubst Du an X?« »Weil ich ein guter Mensch bin.«

»Warum bist Du ein guter Mensch?« »Weil ich an X glaube.«

Triggeritis: Emotionale Ausbrüche und Nervenzusammenbrüche, weil man Worte oder Ideen liest oder hört, die das eigene Befinden beeinträchtigen.

Trollusion: Eine pathologische Tendenz, alle, die einem nicht zustimmen, für Trolle zu halten, ihnen mangelnde Sensibilität vorzuwerfen oder zu unterstellen, sie hätten aus »schlechten Absichten« gehandelt. Siehe auch impliziter ASW-Wahn.

Trumpsession: Ein zu Verblödung führender Zustand, der unter Akademikern und progressiven Aktivisten verbreitet ist und mit der Angewohnheit einhergeht, Trump oder seine Anhänger für als schlimm empfundene Ereignisse verantwortlich zu machen. Dieser Zustand tritt in diesem Artikel zutage, der den weißen Herrschaftsanspruch für den schwarzen Antisemitismus verantwortlich macht. Zitat: »Besonders, wenn arme Schwarze sich antisemitisch äußern, ist der weiße Überlegenheitsanspruch und der Kapitalismus daran schuld«.

Trumpulsion: Ein weiterer zur Verblödung führender Zustand, der ebenfalls unter Akademikern und progressiven Aktivisten verbreitet ist und sich darin äußert, dass man sich mit nichts anderem beschäftigen kann, als Trump.

Twhackademie: Irre akademische Ideen, die über Twitter verbreitet werden. Ein Twhackademiker ist ein Akademiker, der über Twitter irre Ideen verbreitet.

Twitterphobia deficientus: Unzureichend entwickelte Sensibilität dafür, dass andere Nachrichten, die man auf Twitter absondert, anders verstehen könnten, als man selbst.

Twokademie: Akademische Betroffenheitspredigten (»grandstanding«) über Benachteiligungen (grievances) auf Twitter. Ein Twokademiker ist jemand, der sich auf Twitter in solchen Betroffenheitspredigten ergeht.

Undo-Prozess [unübersetzbares Wortspiel mit »due process«, einem gesetzlich geregelten Gerichtsverfahren]: Rücksichtslose Missachtung des gesetzlich geregelten Verfahrens bei allen, die irgendwelcher demographiebezogener Vergehen beschuldigt werden (z.B. Belästigung, Benachteiligung oder Diskriminierung).

Unidentifizierte Fliegende Irrtümer (UFI): Unidentifizierte Fliegende Irrtümer bezeichnen ungefähre und nicht näher benannte »Irrtümer« in Publikationen, gegen die man ist oder die man nicht mag. Es gibt eine Epidemie von UFIs in Petitionen empörter Protestschwärmer, die fordern, dass Veröffentlichungen zurückgezogen werden, einfach weil sie den Schwärmen nicht gefallen.

Veritophobie: Furcht vor Wahrheit und Beweis.

Vorurteilsvorurteil [Bias bias]: Vorurteil, das überall Vorurteile sehen lässt. Zeigt sich häufig darin, dass man entweder Vorurteile unterstellt, wo keine vorhanden sind, vorhandene Vorurteile übertreibt oder Vorurteile, die von Studien in begrenzten sozialen Nischen oder spezifischen Kontexten nachgewiesen wurden, unzulässig verallgemeinert.

Whackademie: Irre Ideen, die aus der akademischen Welt stammen.

Wokademie [von »woke«, politisch erweckt]: Betroffenheitspredigten über akademische Benachteiligungen.

Wokanniblismus: [von »woke« und Kannibalismus]: Eine kohlehydratarme, proteinreiche Ernährung, die in der Hauptsache darin besteht, die eigenen Verbündeten aufzuessen.


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Anmerkungen:


  1. Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen, Berlin 1947, S. 14 f. 
  2. »Ein gläubiger Fanatiker, ein Wahnsinniger, entwickelt oft im Dienst seines Wahns die größte Schlauheit, und erfahrungsgemäß gehen die ganz großen und dauernden Suggestionen nur von solchen Betrügern aus, die sich selber betrügen«, heißt es dazu in Klemperers Notizbuch.
  3. Zur Manie, Straßennamen umzubenennen, die ebensowenig eine heutige Erfindung ist, schreibt Klemperer: »Der Wille zur Tradition wiederum tritt hervor, wo er sich bei Straßenbenennungen deutschtümlich betätigen kann. Die ältesten und unbekanntesten Ratsherren und Bürgermeister werden ausgegraben und schulmeisterlich genau an die Straßenschilder geschrieben.« Ebd., S. 128. Man überlese nicht, dass ausdrücklich von einer deutschen Blütezeit die Rede ist. Die Parallelerscheinungen im historisch älteren Herrschaftsbereich des Kommunismus inspirierten Orwell zu seinem Buch 1984. – Vielsagend der Eintrag vom 25. August 1933 in Klemperers Notizbuch: »Alles hat Angst. Mein Deutsches Frankreichbild war mit Quelle und Meyer verabredet und sollte zuerst in der Neuphilologischen Monatsschrift erscheinen, die der Rektor oder Professor Hübner redigiert, ein durchaus maßvoller und braver Schulmann. Vor ein paar Wochen schrieb er mir in bedrücktem Ton, ob ich nicht von der Veröffentlichung der Studie wenigstens bis auf weiteres absehen wollte; es gebe im Verlag ›Betriebszellen‹ […], und man möchte doch gern die gute Fachzeitschrift erhalten, und den politischen Leitern liege das eigentliche Fachinteresse ferner … Darauf wandte ich mich an den Verlag Diesterweg, für den meine ganze sachliche und stark materialhaltige Arbeit gefundenes Fressen sein musste. Rascheste Ablehnung; als Grund wurde angegeben, die Studie sei ›rein rückwärts gerichtet‹ und lasse ›die völkischen Gesichtspunkte vermissen‹. Die Publikationsmöglichkeiten sind abgeschnitten – wann wird man mir das Maul verbinden?« Ebd., S 56 f.
  4. Manfred Kleine-Hartlage, Die Sprache der BRD. 145 Unwörter und ihre politische Bedeutung, Erw. Auflage Steigra 2019, S. 9 f. Diese Auflage ist nicht bei amazon erhältlich. 
  5. https://t1p.de/orwelexicon
  6. Das Cambridge Dictionary definiert »bigotry« als das Vertreten von unvernünftigen [nicht rational begründbaren] Überzeugungen [Meinungen] und als damit verbundene Ablehnung von Menschen, die anderer Meinung sind oder einen anderen Lebensstil bevorzugen. Diese »bigotry« wird zwei Bedeutungsfeldern zugeordnet: »religious« und »racial« – es gibt demnach eine religiöse und eine rassische Bigotterie und ebenso eine zweifache Bigotterieleugnung.
  7. Beispiel aus dem realen Leben in der Skeptic Review.  
  8. »Blank slate«, Anspielung auf einen gleichnamigen Buchtitel Steven Pinkers
  9. ASW = Außersinnliche Wahrnehmung.
  10. »Coddling«, Anspielung auf das Buch The Coddling of the American Mind von Jonathan Haidt und Greg Lukianoff.

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