Zuletzt aktualisiert am 23. Mai 2019.
In ihrem lesenswerten Artikel über »Darwins Jim Knopf«, der am 13. Dezember in der FAZ erschienen ist, weist Julia Voss darauf hin, dass Michael Ende in seinem Denken am meisten von Rudolf Steiners Essay »Darwinismus und Sittlichkeit« beeinflusst worden sei. Jim Knopf stellt nach Julia Voss eine Gegengeschichte zur nationalsozialistischen Interpretation des Darwinismus dar. Darwins Lehre von Wandel, Zufall und Variation mutierte im Nationalsozialismus zu einer Erzählung von Zucht, Herrschaft und Hierarchie. »Jim Knopf und die wilde Dreizehn«, vielen aus den Aufführungen der Augsburger Puppenkiste bekannt, ist ein Schlüsselroman, in dem einige der schönsten Mythen der Menschheit aus den Fängen des Bösen befreit werden.
»Lummerland«, schreibt Julia Voss, »die Drachen, die Völker, ihre Heimat Atlantis, werden den Nationalsozialisten entwendet. Die Mischwesen siegen, und alles darf sich mit allem verbinden. Rasse, Schande und Tod werden von Lukas, Jim, dem Riesen Tur Tur, Prinzession Lisi oder Sursulapitschi überwunden, eine neue Evolution wird in Gang gesetzt.«
Bei dem Text, der Ende am meisten beeinflusste, »Darwinismus und Sittlichkeit«, handelt es sich nicht um einen Essay Steiners, sondern um ein Kapitel der »Philosophie der Freiheit«. Dieses Buch stellt die philosophische Grundlegung der Anthroposophie dar. Das Kapitel XII: »Die moralische Phantasie«, trägt den in Klammern gesetzten Untertitel »Darwinismus und Sittlichkeit«. In ihm führt Steiner den Gedanken aus, dass der ethische Individualismus die Krönung des Gebäudes ist, das Darwin und Haeckel für die Naturwissenschaft errichtet haben. Er ist eine »vergeistigte Entwicklungslehre«, auf das sittliche Leben übertragen. Mit anderen Worten: der moralischen Verbesserung der Menschheit sind keine Grenzen gesetzt, weil sie sich auch in dieser Hinsicht zu entwickeln vermag. Steiner reicht Lessing hier die Hand.
Der Text findet sich in der Rudolf-Steiner-Bibliothek auf anthroweb.info im Internet