Zuletzt aktualisiert am 23. Dezember 2024.
Vor über zweitausend Jahren spielte sich in einem kleinen Ort in Palästina (Judäa) eine unerhörte Szene ab. Drei Könige aus dem Morgenland suchten einen unscheinbaren Stall auf, in dem ein Neugeborenes lag. Und die Könige beugten ihre Knie. Sie legten ihre Kronen dem Kind zu Füßen und brachten ihm symbolische Gaben dar, die enthielten, was sie an Weisheit und Güte angesammelt hatten: Weihrauch, Myrrhe und Gold.

Sandro Botticelli, Die Anbetung der Magier
Ob sich diese Szene historisch so zugetragen hat, ist unerheblich. Von ihr ging jedenfalls eine Wirkung aus, die die Jahrtausende durchstrahlte, und die Kulturen, die von ihr berührt wurden, grundlegend umwälzte. Wilde, stolze Germanen, unbeugsame Slawen, rauflustige Pikten und Skoten, eroberungsfreudige Wikinger und Dänen und viele mehr begannen in den folgenden Jahrhunderten ebenso wie die drei Könige – in Augenblicken, wo sie ihrem Blut- und Rachedurst entsagten – auf das Kind in der Krippe hinzublicken und fromm zu werden. Und die Szene spielte sich vor einem dunklen Kontrast ab, der ebenfalls das Bewusstsein der Menschheit für Jahrtausende prägte: dem betlehemitischen Kindermord.
Die Weisen aus dem Morgenland waren angereist, geleitet von einem Stern, der ihnen den Weg wies und über der Krippe, in der das Kind lag, stillstand. Sie blickten in den Himmel und fanden auf der Erde, was sie suchten: das Licht, das ihnen den Anbruch einer neuen Zeit ankündigte. Könige waren im Altertum keine »Volksvertreter«, sondern Träger einer charismatischen Macht, eben der Königsmacht, die in der Regel darauf zurückgeführt wurde, dass sie von Gott erfüllt waren. Sie leiteten diese Macht nicht aus der Zustimmung des Volkes ab, sondern sie verkörperten als Könige dieses Volk. Sie waren so etwas wie das höhere Ich des Volkes und ihr Schicksal war das Schicksal ihres Volkes. Deutlich zeigen diesen Anspruch Passagen des Alten Testamentes, in denen sich die Erzengel der Völker, deren Träger die Könige sind, kämpfend gegenüberstehen.
Wie es um diese Ansprüche auch bestellt sein mochte: sie bestanden – und entsprachen dem Selbstverständnis der Herrscher insbesondere des orientalischen Altertums und ihrer Untertanen. Wer fremde Städte eroberte, bemächtigte sich als erstes der Tempel und ihrer Kultbilder, in welchen die göttliche Macht, die eine Gemeinschaft durchwirkte, präsent war. Bonifatius fällte die heilige Eiche der Chatten, um ihre moralische Widerstandskraft zu brechen, indem er bewies, dass der Gott, den er frevelte, ihm nichts anhaben konnte. Die Macht der Sterne wirkte in den Königen und durch sie und in beiden waltete, ebenso wie in den Tempeln und Standbildern das Göttliche. Mit diesem Bewusstsein bekundeten die Alten nicht nur ihre Ansicht von der göttlichen Abkunft des Menschen, sondern auch davon, dass er auf der Erde von Göttern geleitet wird und sein Handeln nur dann königlich und damit des Menschen würdig ist, wenn es von ihnen inspiriert wird. Um so gräulicher hob sich das Handeln des Herodes vor dieser golddurchwirkten Folie ab.
Was aber war so besonders an der Szene in der Krippe? Ein neugeborenes, unschuldiges Kind, zur Welt gekommen in einem ärmlichen Stall, das keinerlei erkennbare Anzeichen königlicher Würde trug, sondern eigentlich namenlos und unbekannt in einem entlegenen Winkel der Welt in Erscheinung trat, wurde von Trägern der höchsten Würde und Weisheit, die das Altertum kannte, geehrt und angebetet. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen Spross ihrer eigenen Lenden, einen zum Träger des Königscharismas bestimmten Nachfolger, sondern um ein fremdes Kind. Ein Fremdling unter Fremden, geboren unter den prekärsten Umständen, bar jedes Abzeichens der Würde, unbekannter Herkunft, wurde von den Gottkönigen aufgesucht, um ihn vor aller Welt als Träger einer göttlichen Mission auszuzeichnen. Und das Ereignis dieser Auszeichnung fand auch noch im Verborgenen statt, denn die Ankunft des Kindes und seine Erhöhung wurde vor dem von der Angst um seinen Machtverlust getriebenen Herodes geheim gehalten.
Nun war es keineswegs so, dass die drei Könige dem Kind ihre Würde oder ihr Charisma übertrugen, sondern sie erkannten und anerkannten, dass es eine Würde in sich trug, die die ihrige bei weitem überstieg. Wunderbar bringt dies das alte Weihnachtslied zum Ausdruck, das einer der Könige anstimmt:
»Psallite unigenito,
Christo Dei filio,
psallite Redemptori,
Domino puerulo,
iacenti in praesepio.«
»Lobpreiset den eingeborenen Sohn Gottes,
Christus, den Erlöser,
den kindlichen Herrn,
der da liegt vor Euren Augen!«
Was die Könige ihren Lobpreis anstimmen ließ, war nicht, dass einem von ihnen ein Sohn geboren war, sondern der ganzen Menschheit. Das Göttliche hatte Einzug in die Menschenseele gehalten. Darin lag aus ihrer Sicht die Königswürde des Kindes. Darin liegt die königliche Würde des Menschen, dass mit jedem Kind, das geboren wird, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Stand, seinem Geschlecht oder sonstigen Äußerlichkeiten, etwas Göttliches auf der Erde Einzug hält und sie wieder an den Himmel, seine wahre Heimat, anschließt.
Die mit dem Menschen geborene göttliche Würde war es, die mit dem Christentum Einzug in die Geschichte hielt. Diese Erkenntnis: dass jedes Kind ein Sohn oder eine Tochter des himmlischen Vaters ist, war die Geburtsstunde des Christentums. Wenn man von allen möglichen dogmatischen Streitfragen absieht, ist das der entscheidende Punkt. Und diese Würde, die höchste Würde, die im Zusammenschluss des Irdischen mit dem Himmlischen in jedem einzelnen Menschen liegt, wird jedem Kind in die Wiege gelegt. Sie ist so erhaben und einzigartig, dass selbst Könige ihr Knie vor einem neugeborenen Kind beugen, dass sie ihm die Summe ihrer Weisheit und Macht zu Füßen legen und es anbeten. Anbetungswürdig ist das Kind in seiner Unschuld, ein engelsgleicher Bote einer anderen Welt im Diesseits, in all seiner Unbeholfenheit. Seiner selbst nicht mächtig, und unausgereift ist es, und doch fähig zu aller Vollkommenheit, die der Mensch erreichen kann.
Jahrhunderte, ja Jahrtausende, hallte dieses Motiv durch die Geschichte, fand sich in Kirchen, auf Mosaiken und Fresken, auf Gemälden und in Erzählungen. Seht her, sagten diese Bilder: Gott, der Vater, der Schöpfer aller Dinge, hat Einzug in den Menschen gehalten, er hat ihn zu seinem Sohn auserkoren, er gab ihm die Zügel der Herrschaft in die Hand. Er sagte zu ihm: Bisher habe ich die Geschicke der Welt geleitet, nun aber ist die Welt, die von mir geschaffen wurde, alt geworden, nimm Du sie in die Hände und bilde sie fort, Deiner Würde, die Du von mir empfangen hast, gemäß. Bringe mein Bild, das Dir eingeboren ist, in all Deinem Handeln, Deinem Sinnen und Trachten, Deinem Denken und Tun zum Ausdruck und Du wirst ein wahrer König auf Erden sein. Ein König, der sich vor dem Kleinsten und Unscheinbarsten beugt, weil es dasselbe Bild meiner Größe, meiner Weisheit, meiner Macht in sich trägt, wie Du.
Was taten die Weisen aus dem Morgenland, indem sie vor dem Jesuskind im Stall ihr Knie beugten, ihm ihre Gaben darbrachten und ihre Hymnen auf es anstimmten? Sie dankten ab! Sie übergaben ihm ihre Weisheit, ihre Gerechtigkeit und ihre Schönheit, die Frucht der Arbeit von Jahrtausenden, und zogen sich danach in den Orient, in die Verborgenheit zurück. Sie demonstrierten: Ab heute ist nicht mehr mächtig, wer über Viele herrscht, sondern mächtig ist, wer dem Geringsten dient, wer sich vor dem Schwachen niederbeugt, wer in jedem einzelnen Menschenkind das Göttliche aufleuchten sieht und seinen freien Willen würdigt.
Denn mit der Königswürde ging doch stets die Autonomie, die Selbstherrschaft einher. Frei wiedergegeben bedeutet Autonomie: »Ich bin das Gesetz, mein eigener Gesetzgeber«. In alten Zeiten konnte der König alle Entscheidungen treffen, war sein Wille Gesetz. Er war Herr über Leben und Tod. Aber diese Machtfülle der Könige war nun in den einen eingezogen, der von diesem Tage ab für alle stand.
Die Könige verzichteten freiwillig auf ihre Herrschaft, ihre Macht und legten sie in die Hände der vielen, die nach dem Einen kommen würden. Die Geburt des Jesuskindes, die Anbetung der Könige war auch die Geburtsstunde der Demokratie. Wo einst der eine König geherrscht hatte, der über die Vielen bestimmte, sollten nun die vielen aufgrund ihrer vom himmlischen Vater selbst verliehenen Autonomie mitherrschen, sich selbst beherrschen. Denn nur wer sich selbst beherrscht, vermag gerechte Herrschaft auszuüben. Demokratie beruht auf dem Prinzip der Selbstbeherrschung, so wie früher die Königsherrschaft auf dem Prinzip der Fremdbeherrschung.
Dass mit dem Sohn Gottes zugleich die Demokratie im eigentlichen Sinn geboren wurde, ist eine Lehre aus der Weihnachtsgeschichte. Es sollte Jahrtausende dauern, bis dieser Same aufging, bis er sich in der Geschichte der abendländischen Völker, die nach und nach das Christentum aufnahmen, bemerkbar machte. Aber der Gedanke, die Überzeugung oder besser: das Lebensgefühl, setzte sich mit Anbruch der Neuzeit immer mehr durch, gegen alle tradierten Ansprüche auf Königsherrschaft, die nach dem Ereignis in Palästina eigentlich Anachronismen waren und in der Zeit des Absolutismus und des Gottesgnadentums ihre letzten Gefechte gegen den mächtigsten politischen Gedanken des Christentums ausfochten.
Es ist kein Zufall, dass mit diesem historischen Übergang von der autokratischen Fremdherrschaft zur Autonomie der Vielen, die sich selbst beherrschen, ein Motiv einhergeht: das Motiv des freiwilligen Herrschaftsverzichts, der Demut. Jahre nach seiner Geburt brachte Jesus es selbst in seinen Lehren zum Ausdruck: »Was Du dem Geringsten meiner Brüder angetan hast, das hast Du mir getan.« »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.« Groß ist nicht mehr der Herrscher im Glanze seines Hofstaats, der auf dem Thron sitzt und über ein Heer von Knechten und Leibeigenen wie über Vieh verfügt, groß ist, wer den Knechten dient, selbst zum Knecht wird (Knechtsgestalt annimmt) und auch das Leid, bis hin zum Tod. Denn nur, wer stirbt, kann auch auferstehen. »Wer nicht stirbt, eh er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.« So sagten später Mystiker.
Auch das ist eine Besonderheit des Christentums, auch sie klingt bereits in der Geburtsstunde Jesu an: Gott kann Mensch werden, aber nur, wer sterben kann, ist wirklich Mensch, denn Götter sind unsterblich. Sie mögen vorübergehend Menschengestalt annehmen oder in Menschengestalt erscheinen, aber sie werden nicht Mensch im tiefsten Sinn dieses Wortes, das heißt, sterblich.
Wie revolutionär, weltumwälzend diese Vorstellung dem Altertum erschien, davon machen wir uns heute keine Vorstellung mehr, zumal heute, wo wir jeden Begriff des Göttlichen und damit auch des Menschlichen zu verlieren drohen. Die Skeptiker hielten die Idee, dass ein Gott sterben könne, für absurd. Ihnen hielt Paulus entgegen: Ich glaube es, gerade, weil es absurd ist. Man muss es aber nicht glauben, wenn man auf das kleine Kind, das Neugeborene hinsieht, und in ihm das Göttliche erkennt, das mit ihm auf der Erde erscheint. Wer nicht in jedem einzelnen Menschenkind, das die Erde betritt, das Abbild des himmlischen Vaters erkennt, der wird nie ein Verständnis für die Würde des Menschen erlangen, der ist untauglich für die Moderne, für die Demokratie, der wird immer glauben, er müsse andere beherrschen, weil sie angeblich nicht reif seien oder zu dumm für die Selbstherrschaft. Diese Überzeugung, die leider zu viele autoritär gestimmte Politiker selbst in den besten Demokratien (wieder vermehrt) hegen, bezeugt ihre Antimodernität. Volksherrschaft, die Herrschaft der Vielen über sich selbst, kann als durch wenige gelenkte oder regulierte Demokratie nicht funktionieren. »Wer sein eigen Selbst nicht zu bemeistern weiß, bemeistert gar zu gern des andern Selbst«, wusste Goethe. Der autoritäre Staat, der die Freiheiten, die er garantieren soll, beschränkt oder abzuschaffen versucht, ist seines Namens nicht wert. Er macht sich damit keinen Staat. Der Staat im modernen Sinn, im Sinn der Demokratie, der Volksherrschaft, bezieht seine Legitimation und Legitimität aus der Zustimmung der Vielen, die sie ihm jederzeit entziehen können, wenn er seiner Aufgabe, den Vielen zu dienen, nicht mehr gerecht wird. Das ist die wahre Liquidität von Demokratie. Verlieren die Autoritäten (die beliehenen Hoheiten) die Zustimmung des Souveräns, dann werden sie illiquide. Sie gehen bankrott. Im übertragenen und auch wörtlichen Sinn.
Das Stichwort »Bankrott« führt uns zu Herodes zurück, dem vierten König im Szenenbild der Geburtsgeschichte. Herodes ist ein in jeder Hinsicht bankrotter Herrscher. Er ist vor allem moralisch bankrott. Seine Herrschaftsmittel sind rohe Gewalt, aber auch List und Lüge. Er erfährt von der bevorstehenden Geburt eines Kindes, das seine Herrschaft gefährden könnte, da es jede traditionelle Königsherrschaft durch eine neue Art von Herrschaft ablösen soll. Aber Herodes hat die Würde des Königtums und damit die Würde des Menschen nicht verstanden. Er ist das Inbild der retardierenden Macht. Es ist gleichgültig, auch an dieser Stelle sei es gesagt, ob sich seine Geschichte historisch genau so zugetragen hat oder nicht. Entscheidend ist die urbildliche Bedeutung und die Wirkmacht der Erzählung in den folgenden Jahrtausenden.
Herodes steht in der Geburtsgeschichte für Usurpation. Ein Usurpator ist ein unrechtmäßiger Herrscher, jemand, der die Herrschaft an sich gerissen hat, obwohl sie ihm nicht zusteht. Mag er sie auch ererbt oder durch politische Intrigen erlangt haben, er hat sein Recht auf Herrschaft verwirkt, weil er es missbraucht hat. Er hat nicht begriffen, dass mit der Geburt Christi eine neue Zeit angebrochen ist, eine Zeit, in der sich Herrscher nicht mehr auf ihr Geburtsrecht oder auf die bloßen Insignien der Macht berufen dürfen. Eine Zeit, in der sie sich vor einer neuen Moral rechtfertigen müssen und zu leicht befunden werden, wenn sie ihr nicht gerecht werden. Die Erwartung, die die neue Zeit an die Könige stellt, ist die, die die drei Weisen aus dem Morgenland, im Gegensatz zu Herodes, erfüllen. Die Könige sollen zu Dienern der Beherrschten werden, sie sollen auf die Fülle ihrer Macht verzichten, sie sollen erkennen, dass es an der Zeit ist, ihre Autokratie aufzugeben, zugunsten der Vielen, die bis dahin von ihnen beherrscht wurden. Diese neue Wahrheit tritt mit der Geburt Jesu in die Geschichte ein. Seht her, lehrt uns diese Geburt: Mit jedem Menschen wird ein König geboren. Ihm müsst ihr dienen, ihm müsst ihr euch unterordnen, sein Königtum müsst ihr anerkennen, wenn ihr mit der Zeit gehen wollt. Da Herodes in dieser Tatsache aber nur eine Gefährdung seiner Macht, seiner Herrschaft und seines Reiches sieht, generiert sie die Angst und die Angst gebiert die Lüge und die Gewalt. Getrieben von Angst um seine Macht wird Herodes zum Kindermörder. Sein Handeln zeugt von der tiefen Missachtung, die er der mit Christus geborenen Menschenwürde entgegenbringt.
Er ist in der Tat der erste Antichrist, der die Ausbreitung des neuen Herrschaftsprinzips in dieser Welt mit allen Mitteln verhindern will. Er will die Menschwerdung Gottes verhindern, er will verhindern, dass die Gottessohnschaft in jedem einzelnen Menschen zum Bewusstsein kommt und ihre soziale Wirkmacht entfaltet. Er will diese neue Zeit nicht, denn er hat es sich in der alten zu bequem eingerichtet. Er will nicht verzichten, sondern festhalten. Er will nicht dienen, sondern weiterhin herrschen. Die Gotteskindschaft ist ihm ein Greuel, denn sie stellt sein ganzes geborgtes Dasein in Frage. Auf Kosten anderer bereichert er sich, zum Schaden der Freiheit anderer genießt er die seine. Er umschmeichelt die Weisen aus dem Morgenland mit Lügen und versucht, sie mit falschen Versprechungen dazu zu bringen, ihm den Geburtsort des Gotteskindes zu verraten. Aber ein Engel warnt sie davor. So schickt er seine Häscher aus und lässt alle Neugeborenen umbringen. Der Richtige, so denkt er sich, wird schon dabei sein. Weit gefehlt! Auch den Eltern gelingt, von einem Engel Gottes gewarnt, rechtzeitig die Flucht.
Wer sich gegen den Geist der christlichen Freiheit, gegen die Selbstermächtigung des Menschen-Ich stellt, der richtet sich moralisch zugrunde. Er geht einen Bund mit dem Teufel ein und seine Seele ist verloren und mit ihr all das, was er zu retten versuchte, indem er auf die falschen Einflüsterungen hörte. Bombastisch verfällt mit ihm das alte Herrschaftsprinzip. Der König wird in ihm zum Usurpator. Jeder König ist seitdem ein Usurpator, mag er sich auch christlich nennen oder vom Papst eingesetzt werden, der die Würde des Menschen missachtet und mit Füßen tritt. Auch losgelöst von Königsherrschaft muss sich jede Form der Herrschaft in der neuen Zeit an den moralischen Maßstäben messen, die mit der Geburt Christi in der Welt aufgerichtet worden sind. Soweit das Christentum reicht, überall brennt diese Flamme der Achtung vor der Würde des Menschen in den Herzen. Mag es auch Jahrtausende dauern, bis das Bewusstsein dieser Würde in der Masse angekommen ist, schließlich setzt es sich doch durch. Mag sie auch noch so viele Rückschläge erleiden, auch und gerade in der Ära der Demokratien (man denke nur an die zur Tyrannei von Mehr- oder Minderheiten entarteten Demokratien der Neuzeit), am Ende wird sie doch triumphieren.
Nicht umsonst heißt es im deutschen Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« Das klingt so, als hätten die Weisen aus dem Morgenland, die vor dem Kind in Betlehem knieten, diese Sätze geschrieben. Und in der Tat, den Verfassern des Grundgesetzes mag an dieser Stelle ein tieferes Verständnis des Christentums die Feder geführt haben. Die Sätze sind der moralische Maßstab jedes staatlichen Handelns, bindend für jede intermediäre Gewalt. Und sie sind ohne Zweifel zutiefst christlich. In diesem Sinne ist die Bundesrepublik ein »christlicher« Staat, der seine Voraussetzungen nicht selber schaffen kann. Auch durch die Grundrechtsgarantien, die allen anderen Bestimmungen vorgelagert sind. Um so entsetzlicher ist es, dass sich in der Coronazeit eine parlamentarische Mehrheit dafür gefunden hat, so tief in diese Grundrechte einzugreifen, dass manche Kritiker behaupten, sie bestünden nicht einmal mehr auf dem Papier. In der Coronazeit wurde der bundesrepublikanische Staat – trotz des Grundgesetzes – so übergriffig, wie nie zuvor in seiner relativ kurzen Geschichte. Er scheiterte nicht am Kalten Krieg, nicht an den Studentenrevolten und dem linksradikalen Terror der 1960 und -70er Jahre, nicht an der friedlichen Revolution 1989, nicht an der Wiedervereinigung oder den ökonomischen Krisen im neuen Jahrtausend, aber er scheiterte grandios an der Herausforderung einer Pandemie, die keine war. Und bis heute scheint dieses Scheitern nicht so weit ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen zu sein, dass sich eine Mehrheit dafür findet, diese schreckliche Zeit mit all ihren Verletzungen der menschlichen Würde aufzuarbeiten. Im Gegenteil: Mit jedem Gerichtsurteil gegen sogenannte Coronakritiker, gegen mutige Ärzte oder Krankenschwestern, gegen Richter, die sich den systematischen Würdeverletzungen des Coronastaates entgegenstellten, scheint sich dieser Zustand der Usurpation zu perpetuieren. Und er verlängert sich mit jedem Tage, an dem Opfern der neuartigen Technologie, die irreführend als »Impfung« bezeichnet wurde, keine Gerechtigkeit widerfährt.
Wohl am schlimmsten wurden durch die sogenannten Coronamaßnahmen (Lockdowns, Freiheitseinschränkungen, Zwangsquarantänen, Maskenpflicht, teilweise Impfpflicht) die Schwächsten unserer Gesellschaft ihrer Würde beraubt: die Alten, Behinderten und die Kinder. Ihnen besonders gilt der Satz des Grundgesetzes von der Unantastbarkeit der Menschenwürde, da sie sich am schlechtesten gegen Übergriffe des Staates wehren können. Aber wie so häufig und trotz wortreicher gegenteiliger Beteuerungen, haben die Schwächsten der Gesellschaft keine politische Lobby. Ja, in der Coronazeit wurden sie sogar durch eine niederträchtige Propaganda, an der sich Staat und Medien gleichermaßen beteiligten, instrumentalisiert, um Angst und Unterwerfung zu erzeugen. Herrschaft durch Angst, durch Lügen und Drohungen. Wir kennen das; auch aus der Geburtsgeschichte. Wer die eigene Entmündigung durch staatliche Instanzen, die tatsächlich die Existenz mündiger Bürger voraussetzen, aus deren Zustimmung sie ihre ganze Legitimation und Legitimität schöpfen, nicht als zutiefst irritierend und illegitim empfindet, ja, ihr sogar noch zustimmt, hat weder das Fundament der bundesrepublikanischen Staatlichkeit, das Christentum, noch das Grundgesetz auch nur annähernd verstanden. Wer die Missachtung der Menschenwürde durch die Coronamaßnahmen und die daraus folgende exekutive und judikative Praxis als verantwortlicher Politiker oder Journalist oder Richter rechtfertigt und angesichts all der zutage getretenen Widersprüche und Ungereimtheiten immer noch verteidigt, hat sich jeder Legitimität beraubt. Mag er aufgrund der derzeitigen politischen Konstellationen auch keinen irdischen Richter finden: der himmlische ist ihm gewiss.
Für all diejenigen aber, die wissen, dass sie sich in dieser Welt nicht allein gegen Wesen aus Fleisch und Blut zur Wehr setzen müssen, sondern »gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis, die über die Erde herrschen, gegen das Heer der Geister in der unsichtbaren Welt, die hinter allem Bösen stehen« (Paulus), hält die Weihnachtsgeschichte eine frohe Botschaft bereit, die von den himmlischen Heerscharen den Hirten auf dem Felde verkündet wurde, deren freie Übersetzung lautet: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die sein Wohlgefallen finden, da sie die Würde des Menschen ebenso wie ihre eigene in jedem Einzelnen achten und schützen«.
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