Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2011.
Der FAZ-Redakteur Lorenz Jäger vermittelt in einem am 11. Dezember 2009 erschienenen Beitrag über »die letzten Fortschrittsgläubigen« aufschlussreiche Einblicke in die ideologisch-finanziellen Allianzen zwischen säkularen Humanisten und ihren multinationalen Geldgebern.
In Deutschland haben sich die Blogger der »Achse des Guten« dem Programm der amerikanischen Neokonservativen verschrieben: einer Mischung aus Antiislamismus und Skepsis gegen die angebliche Hysterie des Klimawandels. Warum »Skeptiker«, die sich in der Tradition der Aufklärung sehen, gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Klimaforschung polemisieren, versteht man erst, wenn man einen Blick auf die Firmen wirft, von denen sie finanziert werden. Federführend unter diesen Skeptikern sind der Chefredakteur der Zeitschrift »Cicero« Wolfram Weimer und Michael Miersch, der im selben Magazin veröffentlicht. Mit kaustischer Schärfe machen die Autoren Bemühungen um Umweltschutz als »Ökologismus« verächtlich, in dem sie nichts als die Hysterie verbissener Feinde des Fortschritts sehen. An ihrer Seite steht das Magazin »Novo«, in dem einer der führenden Berufsanschwärzer der Anthroposophie seine Karriere begann. Thomas Deichmann denunziert darin die Klimabewegten als »Apokalypseprofis« und »Wanderprediger des Weltuntergangs«. Alle, die nicht ihre Ansichten teilen, werden von den Skeptikern als dümmliche Gutmenschen lächerlich gemacht.
Ein genauerer Blick auf die Netzwerke der Skeptiker enthüllt Erstaunliches. Gehen wir vom britischen Magazin »Spiked« aus, dem einflussreichsten Organ dieser Richtung, dem Vorbild und Kooperationspartner des deutschen »Novo«. »Spiked« ist aus der trotzkistischen Publikation »Living Marxism« hervorgegangen. Chefideologe der »Revolutionary Communist Party«, die bei der Geburt dieser Publikation Pate stand und bis heute ihr Guru, ist der gebürtige Ungar Frank Furedi. Der ehemalige Marxist glaubt daran, dass alles Heil aus der Industrie kommt und verteidigt mit Zähnen und Klauen einen blinden Fortschrittsglauben. Vom Klassenkampf hingegen hat er sich verabschiedet, denn inzwischen wird er von einer anderen Klasse unterstützt: von Unternehmen wie IBM, O2, der Society of Chemical Industry, dem Finanzdienstleister Bloomberg, Schweppes und Cadbury. Mit von der Partie bei »Spiked« ist Furedis Frau Ann, die im »Institute of Ideas« mitwirkt, einer von Ex-Trotzkisten aufgebauten Denkfabrik. Ihre Hauptbeschäftigung ist jedoch die Verhinderung von Reproduktion, steht sie doch dem British Pregnancy Advisory Service vor, dem bedeutendsten Anbieter von Abtreibungen in Großbritannien. Es ist nicht verwunderlich, dass auch das Magazin »Spiked« Abtreibung bedingungslos befürwortet. Der »Advisory Service« betreut 50.000 Kundinnen im Jahr. Zu seinem Angebot gehört auch die Sterilisierung.
Das »Institute of Ideas« setzt sich auch für die Gentechnik ein, was angesichts seiner großindustriellen Förderer nicht erstaunt, gehört doch zu ihnen die Dachorganisation »CropLife«, die Firmen wie BASF, Bayer CropScience, Dow Agrosciences, Dupont und Monsanto vertritt, lauter Global Player, die für die ehemaligen Marxisten und Trotzkisten eigentlich Anathema sein müssten.
Das »Institute of Ideas« ist mit dem »Science Media Center« verbunden. Dessen Leiterin, Fiona Fox, gehörte ebenfalls der Revolutionären Kommunistischen Partei an. Dieses Zentrum wiederum wird von Bayer, BP, Exxon, Shell, Coca Cola, Chemical Industries Association, Colgate-Palmolive, L’Oréal, Philips, Unilever, Siemens, Du Pont, Eli Lilly und Vodafone unterstützt.
Sehen wir uns die deutschen Pendants dieser zu Propagandabütteln von Lebenstechnologiefirmen mutierten Extrotzkisten an. Das Magazin »Novo« setzt sich seit seiner Gründung 1992 angeblich für »Fortschritt, Humanismus und eine bessere Zukunft durch mehr Wachstum und Freiheit für alle« ein. Zwar lässt es über seine Geldgeber nichts verlauten, die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die Sache hier ähnlich liegt wie bei »Spiked«. Jedenfalls bekennt sich »Novo« zu »Spiked« und der »Achse des Guten«. Viele Blogger dieser Achse schreiben auch in »Novo«, unter anderem Dirk Maxeiner, Michael Miersch, David Harnasch, Vera Lengsfeld, Cora Stephan und Vince Ebert. Maxeiner und Miersch sind jüngst durch eine Polemik gegen die ökologische Landwirtschaft hervorgetreten (»Biokost und Ökokult«), die das »linke« Standardargument von deren völkisch-nazistischer Herkunft breitwalzte.
»Novo«-Chef Thomas Deichmann schreibt aber auch gerne für die linksradikale, »antideutsche« Internetplattform »Jungle World«, und denunziert hier die Öko-Bewegung und die Kritiker am Monsanto-Mais als »rechte Nationalisten, buntgemischte USA-Kritiker, dazu Verteidiger der deutschen Scholle, allerlei esoterisch-okkulte Fortschrittsmuffel und Stammtischspezialisten fast aller Parteien«. Angesichts der Herkunft von »Novo« aus der Frankfurter Unigruppe »Linkswende« ist Deichmanns Engagement bei »Jungle World« nicht überraschend.
Der zum Kapitalismusgläubigen konvertierte Frank Furedi veröffentlicht in »Novo« und »Cicero«. Auch Thomas Deichmann lässt sich in »Cicero« abfällig über Greenpeace aus und ist, wie Wolfram Weimer, ein weiterer Autor von »Cicero«, mit der »Achse des Guten« verlinkt. Der Chefredakteur der Schweizer »Weltwoche« wiederum, Roger Köppel, verlinkt seine Zeitung mit der »Achse des Guten«. Die »Weltwoche« veröffentlicht regelmäßig Beiträge von Henryk M. Broder, einem der Hauptbeiträger der »Achse des Guten«.
Was Köppel und Weimer verbindet, ist ihr bedingungsloses Bekenntnis zum Kapitalismus, den sie von allen Umweltschutzauflagen befreien möchten und eine militante Idee des »Westens«, den sie gegen den »reaktionären« Islam in Stellung bringen. Die Klimaskeptiker sind Technokraten, die ihre einstigen Geldquellen im Osten mit solchen im Westen vertauscht haben. Haben sie früher gegen den Kapitalismus gekämpft, so befürworten sie ihn heute blindlings. Geblieben ist der missionarische Eifer, mit dem alle Andersdenkenden ins Abseits gestellt werden.
Aber die Wirklichkeit ist vielschichtig. Bei aller Freude über diese Enthüllungen sollte der Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass Lorenz Jäger im Dunstkreis einer ganz anderen Allianz publiziert. Er veröffentlicht seine Bücher über Freimaurerei und das Symbol des Hakenkreuzes im österreichischen Karolinger Verlag, der eine »Bibliothek der Reaktion« herausgibt und mit der Edition Antaios zusammenarbeitet, in der nicht nur die Schriften des deutschen »Vordenkers der Neuen Rechten« Karlheinz Weißmann erscheinen, sondern auch eine ganze Palette von Neuauflagen erzkonservativer Autoren der Weimarer Zeit.