Zuletzt aktualisiert am 10. März 2020.
Umgrenzung der Fragestellung
In Rudolf Steiners Buch »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« haben wir es mit der ersten öffentlichen, ausführlichen Darstellung des esoterischen Schulungsweges der Anthroposophie nach der Jahrhundertwende zu tun. Das Buch erschien zunächst ab Juli 1904 in der Zeitschrift »Lucifer-Gnosis« als eine Folge von Aufsätzen. Die Veröffentlichung der Aufsatzfolge war im September 1905 abgeschlossen. 1909 erschienen die Aufsätze das erste Mal in Buchform. Die Veröffentlichung des Buches als Aufsatzfolge und die spätere Buchedition werfen interessante, zum Teil philologische Interpretationsfragen auf. Insbesondere die Veränderungen, die Rudolf Steiner von der Zeitschriften- zur Buchedition vorgenommen hat, sind lohnende Gegenstände der Untersuchung. [2] Darüber hinaus könnte sich der relativ lange Abstand zwischen der Veröffentlichung der einzelnen Teile des späteren Buches auf die Form und den Inhalt der Darstellung ausgewirkt haben. Es ist denkbar, dass Rudolf Steiner die Reaktionen der Leser in seine weiteren Aufsätze eingearbeitet hat. Auch dieses Zwiegespräch zwischen Verfasser und Lesern in den Jahren 1904 und 1905 bzw. 1909 wäre ein lohnenswerter Gegenstand einer Untersuchung. Diese Veränderungen sollen aber nicht Thema der vorliegenden Studie sein.
Hier geht es vielmehr darum, die erste Darstellung des esoterischen Schulungsweges in der Zeit nach der Jahrhundertwende in den philosophischen Horizont der »Philosophie der Freiheit« einzuschreiben und zu untersuchen, ob sich zwischen beiden Darstellungen dieses Weges eine Brücke schlagen lässt. Während die Beiträge über den »Esoterischen Schulungsweg der Anthroposophie im Frühwerk Rudolf Steiners« [3] versucht haben, die Möglichkeit eines Übergangs von der Philosophie zur Anthroposophie (Theosophie) aufzuzeigen, indem sie darauf hinwiesen, dass sich bereits im philosophischen Werk Steiners theosophische Ideen finden, soll hier das Umgekehrte geschehen: »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« soll in die philosophische Sprache soweit möglich rückübersetzt werden, um auch von dieser Seite her die Möglichkeit eines widerspruchslosen ideellen Übergangs darzulegen.
Grundcharakter des Werkes
In »Wie erlangt man…?« wird der in der »Philosophie der Freiheit« entwickelte Freiheitsgedanke auf die seelische Organisation des Menschen angewandt. Wie wir gesehen haben [4], schließt die Freiheitsidee den Gedanken der Vergeistigung der Naturform des Menschen ein. »Freisein heißt, die dem Handeln zugrundeliegenden Vorstellungen (Beweggründe) durch die moralische Phantasie von sich aus bestimmen zu können … Ich bin nur dann frei, wenn ich diese Vorstellungen selbst produziere.« [5] Diese Produktion moralischer Phantasievorstellungen ist bereits ein Ergebnis der Vergeistigung der seelischen Organisation. Die moralische Phantasie leitet ihre Phantasievorstellungen aus den moralischen Intuitionen ab. Sie stützt sich nicht auf die naturhafte Seelenkraft des Vorstellens und verlässt sich nicht auf deren unbewusstes Wirken, sondern wirkt gesetzmäßig und bewusst. Dies ist nur möglich, wenn die Phantasie von ihrer leibgebundenen Form befreit und zu einer leibfreien Tätigkeit erhoben wird. Die moralischen Phantasievorstellungen sind leibfrei, weil das Prinzip, von dem sie hervorgebracht werden, leibfrei ist. Die Wirklichkeit der Freiheit ist durch die Tätigkeit der moralischen Phantasie für die Seele des Menschen erreicht. Er hat in seiner Seele die Freiheit realisiert, weil in ihr ein Geschehen stattfindet, das nicht von unbewussten Kräften bewirkt wird, sondern vom mit den moralischen Intuitionen verbundenen Ich.
In einem Nachwort zu »Wie erlangt man …?«, das 1918 verfasst wurde, weist Steiner ausdrücklich auf diese Leibfreiheit des Denkens und der von ihm durchdrungenen Seelenvorgänge hin. »Wer … solches [das reine, in sich beruhende Gedankenleben] erlebt hat, für den ist es Erfahrung geworden, dass überall, wo im Seelenleben Denken waltet, in dem Maße, als dieses Denken andere Seelenverrichtungen durchdringt, der Mensch in einer Tätigkeit begriffen ist, an deren Zustandekommen sein Leib unbeteiligt ist. … man kann im inneren Erleben sich seelisch dazu aufraffen, den denkerischen Teil des Innenlebens auch abgesondert von allem andern für sich zu erfahren. Man kann aus dem Umfange des Seelenlebens etwas herauslösen, das nur in reinen Gedanken besteht. In Gedanken, die in sich bestehen, aus denen alles ausgeschaltet ist, was Wahrnehmung oder leiblich bedingtes Innenleben geben. Solche Gedanken offenbaren sich durch sich selbst, durch das, was sie sind, als ein geistig, ein übersinnlich Wesenhaftes. Und die Seele, die mit solchen Gedanken sich vereinigt, indem sie während dieser Vereinigung alles Wahrnehmen, alles Erinnern, alles sonstige Innenleben ausschließt, weiß sich mit dem Denken selbst in einem übersinnlichen Gebiet und erlebt sich außerhalb des Leibes.« (S. 153/4)
Soll aber die in der Seele ergriffene Freiheit auch durch die menschlichen Handlungen in der sinnlichen Wahrnehmungswelt realisiert werden, muss die moralische Intuition und ihre Individualisierung in Vorstellungsform in eine (äußerlich) wahrnehmbare Individualisierung übergehen. Dies geschieht durch die moralische Technik und die moralische Tat. Durch die moralische Technik verschränkt sich die Freiheitsintuition mit den Erkenntnisintuitionen, die den geistigen Gehalt des Lebensschauplatzes enthalten. Dadurch schließt sich das individuelle Freiheitswesen des Menschen mit den sinnlich wahrnehmbaren Weltgegebenheiten zusammen. Die Modifikation, die die moralischen Phantasievorstellungen im Zwiegespräch mit den von der moralischen Technik geschöpften Erkenntnisintuitionen erhalten, geht aus rein ideellem Erleben hervor. Durch das Zwiegespräch mit den Gesetzmäßigkeiten des Lebensschauplatzes und der jeweiligen Schicksalssituation fügt die moralische Technik die Schöpfungen des individuellen Freiheitswesens in den allgemeinen Lebenszusammenhang der Welt ein. Die moralische Produktivität eines Menschen zeigt sich darin, was für Antworten er auf die Fragen der Welt und seines eigenen Schicksals findet. [6]
Durch die moralische Technik vergeistigt der Mensch aber mehr als nur seine Seele. Er greift in die Tiefenkräfte seiner Lebensorganisation ein, wenn er nicht aus Instinkten und Automatismen handelt, sondern aus den Einsichten, die ihm das Zwiegespräch der moralischen Phantasie mit der moralischen Technik vermittelt. [7| Die moralische Tat schließlich stellt eine Wahrnehmungstatsache dar, die geistförmig ist. Insofern sie ein Abbild der moralischen Intuition ist, erscheint in ihr der Mensch als Wahrnehmungsobjekt in geistiger Form. Genau in diesem Sinn ist die moralische Tat, die Offenbarung des freien Menschen, das Urschöne. Durch sie vergeistigt der freie Mensch auch seine physische Organisation.
Von dieser hier angedeuteten Vergeistigung der Naturform des Menschen spricht bereits die »Philosophie der Freiheit«. Sie ist nichts anderes als der esoterische Schulungsweg in philosophischer Form. Die entsprechenden Sätze seien hier noch einmal zitiert: »Es ist in dem Wahrnehmungsobjekt Mensch die Möglichkeit gegeben, sich umzubilden, wie im Pflanzenkeim die Möglichkeit liegt, zur ganzen Pflanze zu werden. Die Pflanze wird sich umbilden wegen der objektiven, in ihr liegenden Gesetzmäßigkeit; der Mensch bleibt in seinem unvollendeten Zustande, wenn er nicht den Umbildungsstoff in sich selbst aufgreift, und sich durch eigene Kraft umbildet.« (S. 170)
Dem Ausdruck Umbildungsstoff kommt in diesem Zusammenhang keineswegs bloß metaphorische Bedeutung zu. Die Seele des Menschen, seine Lebenskräfte und die geistigen Kräfte seiner physischen Organisation bilden in der Tat den Stoff, der durch das ideelle Bildeprinzip, mit dem das denkende Ich sich verbindet, umgestaltet wird. Der Mensch selbst, als seelisches und leibliches Naturwesen, wird zum Stoff, der durch das Ich mit seinen moralischen Intuitionen geformt, gestaltet und umgestaltet wird. Man könnte statt von Umbildung auch von Selbsterziehung sprechen.
»Wie erlangt man…?« macht nun mit diesem Gesichtspunkt der Umbildung der menschlichen Organisation Ernst und stellt den Weg dieser Umbildung mit Hilfe einer bestimmten Technik dar. Diese Technik könnte man als »moralische Technik« bezeichnen. In der Tat kann man die Übungsanweisungen von »Wie erlangt man…?« als Individualisierung der Freiheitsintuition betrachten, die durch die Anwendung dieser Intuition auf die Organisation des Menschen zustande kommt. Diese Individualisierung muss, wie alle Handlungsvorstellungen der moralischen Technik, die gesetzmäßige Beschaffenheit des Wahrnehmungsgebietes berücksichtigen, das umgestaltet werden soll. In diesem Fall handelt es sich um das Wahrnehmungsgebiet, das der Mensch als Naturwesen darstellt. Der Mensch als Naturwesen ist Ausdruck überindividueller, gesetzmäßig wirkender Bildekräfte. Sein Leib ist – abgesehen von geschlechtlichen Unterschieden – Exemplar einer Gattung. Dem Leibe nach sind alle Menschen gleich. (Der Gattungszugehörigkeit widerspricht nicht, dass der individuelle Leib auch das Produkt eines Familienerbstroms und der pränatalen Wirksamkeit der geistigen Individualität des Menschen ist. Spezifische oder individuelle Differenzen bereichern die Gattung, führen aber nicht über sie hinaus.) Als Kulturwesen ist der einzelne Mensch zwar stärker individualisiert, diese Individualisierung setzt aber etwas Allgemeines voraus, das allen gemeinsam ist. Dieses Allgemeine ist die »seelische Organisation«, die nicht nur individuell, sondern eben auch allgemein ist. Individuell ist sie, weil jeder Mensch seine eigene Seele besitzt, allgemein ist sie, weil jeder Mensch eine Seele besitzt. Dem Typischen in Leib und Seele liegen allgemeine Gesetze zugrunde, die von Psychologie oder Anthropologie erforscht werden. Die Frage, wie kann die seelische und die leibliche Organisation des Menschen durch die Intuition der Freiheit umgebildet werden, lässt sich – bei aller Individualisierung des Allgemeinmenschlichen – allgemein beantworten. Mit anderen Worten: die Verwirklichung der Idee der Freiheit in dieser leiblichen und seelischen Organisation verläuft gesetzmäßig, da Leib und Seele gesetzmäßig gestaltet sind. Die Einsicht in die Gesetzmäßigkeit der Umgestaltung ergibt sich aus der Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit des »Wahrnehmungsgebietes« Mensch. Das Buch »Wie erlangt man…?« enthält demnach moralische Phantasievorstellungen über die Umbildung des Menschen als Natur- und Kulturwesen, die von dessen Autor aufgrund seiner Erkenntnis der gesetzmäßigen Beschaffenheit des Menschen entwickelt worden sind.
»Wie erlangt man…?« beginnt mit dem Satz: »Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann.« Der Gedanke der Ausbildung von Erkenntnisfähigkeiten ist uns seit den Goetheschriften Steiners vertraut. Er findet sich auch im siebten Kapitel der »Philosophie der Freiheit«, das zeigt, dass das menschliche Erkennen seinem Wesen nach Entgrenzung ist, was die Konsequenz einschließt, dass es quantitativ und qualitativ unbegrenzt erweitert werden kann. Die Frage ist, wie sieht der hier beschriebene Schulungsweg im Einzelnen aus und lässt sich eine Übereinstimmung dieses Weges mit dem philosophisch-esoterischen Schulungsweg erkennen?
Vier Bedingungen
Unter der Überschrift »Bedingungen« werden zunächst allgemeine Voraussetzungen beschrieben, die der Schüler dieses Weges erfüllen muss. Charakterisiert werden zwei Bedingungen: der Schüler muss sich auf den Pfad der Verehrung begeben und sein inneres Leben entwickeln.
Was ist mit dem Pfad der Verehrung gemeint? Es handelt sich nicht etwa um Verehrung gegenüber Menschen, sondern um die Verehrung von Wahrheit und Erkenntnis. Wer keine Ehrfurcht vor Wahrheit und Erkenntnis zu empfinden vermag, wird in seiner Seele nicht die rechte Andachtsstimmung ausbilden, die erforderlich ist, um die subtilen Seelenvorgänge zu beobachten, die mit der Umbildung der seelischen Organisation einhergehen.
Die »Philosophie der Freiheit« spricht von dieser Verehrung als der Erhebung in die Welt der reinen Gedanken, als der Liebe zur Intuition, zur Idee. Die Kraft der Liebe, die im Denken fließt, ist die Kraft, durch die der erkennende Mensch sich mit der Welt der Intuitionen verbindet. Durch seine Liebe zur Idee befähigt er sich zur Erkenntnis und zum Ergreifen moralischer Intuitionen. Wer seine Erkenntnisintuitionen liebt, wird ihnen auch im Handeln die Treue halten. Wer die Intuitionen, die ihm in seinem Denken zugänglich sind, missachtet oder gar verachtet, wird ihnen auch in seinem Handeln keine bindende Kraft zuschreiben. Er wird sich für frei halten, wenn er von Begierden oder Trieben bewegt wird. Wahrheit hingegen ereignet sich im Erleben der Idee, die dem Menschen der Wahrnehmungswelt gegenüber aufgeht und Erkenntnis ist eine ureigene Leistung des Denkens, das gegenüber den Welterscheinungen tätig wird. Allein aus der Verbindung der denkenden Seele mit der Wahrheit, die ein Ergebnis des Erkennens ist, kann wahre Devotion [8] hervorgehen. Allein die Erkenntnis vermag zwischen wahrer und falscher Verehrung zu unterscheiden. »Betont muss werden, dass es sich beim höheren Wissen nicht um Verehrung von Menschen, sondern um eine solche gegenüber Wahrheit und Erkenntnis handelt.« [9] Das Gegenbild dieser Verehrung ist das »richtende Urteil«, die »Unehrerbietigkeit«, die »abfällige Kritik«, nicht gegenüber Menschen, sondern gegenüber Wahrheit und Erkenntnis, könnte man ergänzen, aber auch gegenüber Menschen, insofern in ihnen Wahrheit und Erkenntnis lebt. Diese Seelenhaltungen stehen der Liebe zur Idee entgegen.
Betroffen von diesem Verdikt ist nicht die Kritik als Fähigkeit zwischen Wahrheit und Irrtum, wahrer und falscher Devotion zu unterscheiden, denn diese ist ja Voraussetzung für jede Erkenntnis und Wahrheitsfindung. Es handelt sich also keineswegs darum, dass derjenige, der sich auf den Pfad der Verehrung begibt, jegliche kritische Unterscheidungsfähigkeit unterdrücken soll. Im Gegenteil: die Entwicklung von Verehrung für Wahrheit und Erkenntnis steigert sogar die Wahrnehmungsfähigkeit für Irrtum und Unwahrheit. Zu welchen Handlungen diese gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit den Menschen veranlasst, ist eine andere Frage.
Als zweite Bedingung wird die Entwicklung des inneren Lebens genannt. Auch diese Bedingung bezieht sich auf den gedanklichen Umgang des Menschen mit sich selbst und mit seiner Umwelt. Ein reiches Innenleben entwickelt der, der seine Erfahrungen gedanklich verarbeitet, d.h. die Summe seiner Intuitionen vermehrt. Die Summe seiner Intuitionen kann man aber nur vermehren, wenn man seine Intuitionsfähigkeit, also seine Fähigkeit, »sich zum Gedankengehalt der Welt zu erheben«, ausbildet.
»Ein Mensch, der von einem Eindruck der Außenwelt zum andern jagt, der stets nach »Zerstreuung« sucht, findet nicht den Weg zur Geheimwissenschaft. … Erst was wir im Innern erleben, gibt uns den Schlüssel zu den Schönheiten der Außenwelt … Die Außenwelt ist in allen ihren Erscheinungen erfüllt von göttlicher Herrlichkeit; aber man muss das Göttliche erst in seiner Seele selbst erlebt haben, wenn man es in der Umgebung finden will.« [10] Hier kehrt der »gedankenlose Reisende« der »Philosophie der Freiheit« wieder. »Ein Mensch, dem jedes Intuitionsvermögen fehlt, ist nicht geeignet, sich Erfahrung zu erwerben. Er verliert die Gegenstände wieder aus seinem Gesichtskreise, weil ihm die Begriffe fehlen, die er zu ihnen in Beziehung setzen soll … Der gedankenlose Reisende … [ist] unfähig, sich eine reiche Erfahrung zu erwerben.« [11] Dabei geht es nicht darum, die gewonnenen Intuitionen aufzuhäufen, sondern sie durch die moralische Produktivität umzusetzen. Die Ideenwelt entwickelt, wenn sich das erkennende Ich mit ihr verbindet, eine eigene Dynamik: sie drängt zur Verwirklichung. Sie zwingt den Menschen zwar nicht, aber der Mensch empfindet selbst das Bedürfnis, ihr durch seine Tätigkeit zum Dasein zu verhelfen. Der erkennende Mensch will seine Handlungen an seinen Erkenntnissen ausrichten. Das heißt, er will nicht Schätze in sich aufhäufen, um sein Wissen zu bereichern, sondern er sucht Erkenntnis, um reifer zu werden »auf dem Wege der Menschenveredelung und Weltentwicklung«. Man kann die Summe der philosophischen Erörterungen Steiners über den aus Erkenntnis Handelnden deshalb ohne weiteres in den kurzen Satz zusammenfassen: »Jede Idee, die dir nicht zum Ideal wird, ertötet in deiner Seele eine Kraft; jede Idee, die aber zum Ideal wird, erschafft in dir Erkenntniskräfte.« [12]
Die Entwicklung der Fähigkeit, Erkenntnisintuitionen zu gewinnen, führt auch zu einer größeren Wirksamkeit der moralischen Intuitionsfähigkeit. Der zitierte Satz aus »Wie erlangt man…?« ist eine Umformulierung des letzten Satzes der »Philosophie der Freiheit« (in der 1. Auflage am Ende des ersten Kapitels): »Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen, sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.« (S. 271) Dieser Satz ist nicht so zu verstehen, dass man sich der Idee gegenüberstellen soll, um sich von ihr zu verabschieden, vielmehr kann man durch die Gegenüberstellung seine freie Zuwendung zu ihr um so stärker entfalten. Genau dies ist aber mit der Erhebung der Idee zum Ideal gemeint. Erst wer sich der Idee erlebend gegenüberstellen kann, kann diese auch aus freiem Wollen zum Ideal erheben. Er soll seine Ideale nicht von anderen empfangen, sondern er soll selbst Ideen zu Idealen erheben. Man kann aber nur Ideen zu Idealen erheben, wenn sie sich nicht selbst zu Idealen machen. Das heißt, man muss sie erst im Gegenüberstehen erleben und seine Freiheit ihnen gegenüber erleben, um sich aus Freiheit in ihren Dienst stellen zu können. Man handelt dann aus Liebe zum selbstgeschöpften Ideal. Machen sich Ideen unter Umgehung der menschlichen Freiheit selbst zu Idealen, dann werden sie zu Idolen.
Im ersten Kapitel von »Wie erlangt man…?« werden schließlich – unter der Zwischenüberschrift »Innere Ruhe« – zwei weitere Bedingungen genannt: die Fähigkeit, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und die Ausbildung eines meditativen Lebens. In diesem Abschnitt werden zwei Bedingungen genannt, die einen Ausgleich zu den beiden vorangehenden schaffen. Dadurch wird der Gefahr, dass durch eine falsch verstandene Form von Verehrung oder durch eine falsch verstandene Form von Erkenntnisleben eine seelische Einseitigkeit entsteht, vorgebeugt.
Der Schüler soll lernen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Das kann er aber nur, wenn er Selbstbeobachtung und Selbstkritik übt und wenn er diese Fähigkeit der Beobachtung und Unterscheidung auch auf den Inhalt seiner Lebenserfahrung anwendet. Der Schüler soll sein eigenes Leben vom Standpunkt der Intuition betrachten. Denn der Standpunkt der Intuition oder des Denkens ist der einzige höhere Standpunkt, den wir uns selbst als Wahrnehmungsobjekt gegenüber einnehmen können. Aus dem Leben in der Welt der Intuitionen kann sich auch die Einsicht in den Unterschied des Wesentlichen vom Unwesentlichen ergeben. Woraus sollte sich diese Unterscheidung sonst ergeben? Wer sich der Welt gegenüber auf den Wahrnehmungsstandpunkt stellt, ist nicht dem Wesen der Dinge, sondern deren Erscheinung hingegeben. Wer aber den ideellen Kern der Dinge durch sein Denken erfasst, hat das Wesen der Dinge erfasst. Dies gilt auch für die Betrachtung des eigenen Wesens. Was an ihm Erscheinung ist, das stellt sich dem bloßen Wahrnehmen oder Erleben dar. Das Denken aber ist imstande, das Wesen und damit das Wesentliche der Dinge zu erfassen.
Dementsprechend geht es bei der inneren Ruhe darum, sich aus seinem Alltagsleben »vollständig« herauszureißen, das was man sonst erlebt, »von einem höheren Gesichtspunkt aus« anzusehen, »die eigenen Erlebnisse und Taten so anzuschauen, so zu beurteilen, als ob man sie nicht selbst, sondern als ob sie ein anderer erlebt oder getan hätte«, darum, die innere Ruhe »des Überblicks« zu erlangen. [13]
Diese Beurteilung der eigenen Erlebnisse und Taten ist nur möglich aufgrund von Selbstbeobachtung und Selbstkritik, ja, sie ist nichts anderes als Selbstbeobachtung und Selbstkritik. Die Selbstbeobachtung, die die »Philosophie der Freiheit« von ihrem Schüler spätestens ab dem dritten Kapitel verlangt, wird hier ebenso gefordert, wie die begriffliche Durchdringung der Beobachtungen, die man an seinem eigenen Wesen macht, d.h. deren Erkenntnis. Wer sich selbst beobachtet, steht sich wie ein Fremder gegenüber und wer die Beobachtungen, die er an sich macht, begrifflich durchdringt, gelangt zur Selbsterkenntnis, d.h. er stellt sich auf den höheren Standpunkt der Intuition. Selbstbeobachtung geht in Selbsterkenntnis und Selbstkritik über und mündet in die Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen.
Die Übung von Selbstbeobachtung und Selbstkritik (der kritischen Unterscheidungsfähigkeit) stellt eine wesentliche Ergänzung zur Übung der Verehrung gegenüber Wahrheit und Erkenntnis dar. Denn während die Übung der Verehrung das Ich zum Aufblick in die Welt der Intuitionen führt, leitet die Übung der Selbstkritik es dazu an, den Blick aus der Welt der Intuitionen auf die eigene leiblich-seelische Organisation zurückzuwenden und diese kraft der gewonnenen Intuitionen zu erkennen. Dadurch schützt sich der Schüler vor Überheblichkeit und Irrtümern, die aus einer mangelnden Selbsterkenntnis hervorgehen könnten und entwickelt einen gesunden spirituellen Realismus. In der wechselseitigen Ergänzung dieser beiden Übungen ist im Grunde der gesamte esoterische Schulungsweg enthalten.
Während die Fähigkeit der Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen eine Ergänzung der Verehrungsübung darstellt, bildet die Entwicklung des meditativen Lebens eine Ergänzung zur Bereicherung des seelischen Lebens durch Intuitionen. Könnte man die Forderung nach Vermehrung der Intuitionen noch dahingehend missverstehen, dass es sich um eine bloße Wissensvermehrung handle, verlangt die Ausbildung des meditativen Lebens eine qualitative Vertiefung des Lebens in diesen Intuitionen. Auch diese beiden Übungen stehen also in einem Ergänzungsverhältnis. Erst muss sich aber der Schüler überhaupt Intuitionen aneignen, wenn er sein Erleben dieser Intuitionen vertiefen will. Unter Meditation versteht Steiner zunächst nichts anderes als das Leben der Seele in Gedanken. Der Mensch muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen, um in ihr leben zu können. Der Geheimschüler »ist zunächst ganz in eine Gedankenwelt versenkt. Er muss für diese stille Gedankenarbeit ein lebendiges Gefühl entwickeln. Er muss lieben lernen, was ihm der Geist da zuströmt. Bald hört er dann auch auf, diese Gedankenwelt als etwas zu empfinden, was unwirklicher sei als die Dinge des Alltags, die ihn umgeben. Er fängt an, mit seinen Gedanken umzugehen, wie mit den Dingen im Raume. Und dann naht für ihn der Augenblick, in dem er das, was sich ihm in der Stille innerer Gedankenarbeit offenbart, als viel höher, wirklicher zu fühlen beginnt, als die Dinge im Raume. Er erfährt, dass sich in Gedanken nicht bloße Schattenbilder ausleben, sondern, dass durch sie verborgene Wesenheiten sprechen … Solches Leben der Seele in Gedanken, das sich immer mehr erweitert zu einem Leben in geistiger Wesenheit, nennt die Gnosis, die Geisteswissenschaft Meditation (beschauliches Nachdenken). Diese Meditation ist das Mittel zu übersinnlicher Erkenntnis.« [14] Meditation ist also das Leben der Seele in Gedanken. Die Seele gibt sich den denkend hervorgebrachten Intuitionen hin. Je mehr sie sich ihnen hingibt und in der Hingabe mit ihnen verbindet, um so wesenhafter werden die Intuitionen für sie. Begriffe sind Wesenheiten. Durch sie spricht sich der Weltengrund in der denkenden Seele aus. Diese Einsicht der Goetheschriften kehrt hier als Bestandteil der okkulten Schulung wieder.
Das Wesentliche an der hier beschriebenen Meditation ist, dass es sich um einen Gedankenprozess der Seele handelt. Allein im Denken ist das Ich selbsttätig. Im Fühlen und Begehren wirken sich Gesetzmäßigkeiten und Kräfte aus, die nicht dem unmittelbaren Einfluss des Ich unterliegen. Deswegen kann eine Schulung der übersinnlichen Erkenntnisfähigkeiten nur vom Denken ausgehen. Dieser Gesichtspunkt wird auch von der im Jahr 1904 veröffentlichten Theosophie betont. [15]
Der Meditierende soll nicht in Gefühlen schwelgen, sondern »klar, scharf, bestimmt sollen sich seine Gedanken gestalten … Er soll sich … mit hohen Gedanken durchdringen … Er soll zum Ausgangspunkte die Schriften nehmen, die selbst solcher Offenbarung in der Meditation entsprossen sind.« (S. 29)
Die Gedankenmeditation ist der Weg, auf dem das Wissen »zum sich selbst beherrschenden, realen Organismus« (»Philosophie der Freiheit«) werden kann. Durch die denkende Vertiefung mit ungeteilter Aufmerksamkeit, durch das Sich-Versenken in ideelle Zusammenhänge und das denkende Leben in diesen Zusammenhängen werden die Ideen »Lebensmächte«, zunächst Mächte im Leben der Seele.
Im bereits erwähnten Nachwort zu »Wie erlangt man …?« von 1918 wird die Meditation als Erleben des Denkens beschrieben. Hier heißt es: »Für die hier gemeinte Seelenbetätigung ist es außerordentlich bedeutsam, in voller Klarheit das Erleben des reinen Denkens zu durchschauen. Denn im Grunde ist dieses Erleben selbst schon eine übersinnliche Seelenbetätigung. Nur eine solche, durch die man noch nichts Übersinnliches schaut. Man lebt mit dem reinen Denken im Übersinnlichen; aber man erlebt nur dieses auf eine übersinnliche Art; man erlebt noch nichts anderes Übersinnliches. Und das übersinnliche Erleben muss sein eine Fortsetzung desjenigen Seelen-Erlebens, das schon im Vereinigen mit dem reinen Denken erreicht werden kann. Deshalb ist es so bedeutungsvoll, diese Vereinigung richtig erfahren zu können. Denn von dem Verständnisse dieser Vereinigung aus leuchtet das Licht, das auch rechte Einsicht in das Wesen der übersinnlichen Erkenntnis bringen kann. Sobald das Seelen-Erleben unter die Bewusstseinsklarheit, die im Denken sich auslebt, heruntersinken würde, wäre sie für die wahre Erkenntnis der übersinnlichen Welt auf dem Irrwege. Sie würde erfasst von den Leibesverrichtungen; was sie erlebt und hervorbringt, ist dann nicht Offenbarung des Übersinnlichen durch sie, sondern Leibesoffenbarung im Bereich der untersinnlichen Welt.« (S. 156)
»Zurichtung« der Erkenntniswerkzeuge
Da das Erkenntniswerkzeug der nicht-sinnlichen Erkenntnis die seelisch-geistige Organisation des Menschen ist, muss diese Organisation ausgebildet, umgestaltet oder wie Steiner sich manchmal ausdrückt, »zugerichtet« werden. Diese Umgestaltung geht vom gedankenklaren Ichbewusstsein aus. Sie beschränkt sich aber nicht auf die Kräfte des Denkens, sondern bezieht die übrigen Seelenkräfte mit ein, ja geht sogar über diese hinaus. Die Schulung, die sich auf die Kräfte der Seele bezieht, ruft eine Umgestaltung des Vorstellens, Fühlens und Wollens hervor. Sie führt zur Fähigkeit der Imagination. Darüber hinaus greift die Schulung aber auch in die Gewohnheits- und Lebensorganisation (das Gefüge der Lebensbildekräfte) ein, die als Träger von Trieben, Gewohnheiten, Erinnerungen und Sinnen zu einem übersinnlichen Erkenntnisorgan umgeformt werden kann. Diese Umformung der Lebensorganisation führt zur Inspiration. Auch auf die geistigen Kräfte der physischen Organisation als Träger der Instinkte und der physischen Sinnesorgane, die für die Spaltung der geistigen Welteinheit und die Unterdrückung des ideellen Anteils der Wahrnehmungen verantwortlich sind, erstreckt sich die Schulung. Durch die Aufhebung der Wirksamkeit der Sinnesorgane gelangt der Schüler zum Bewusstsein der Intuition, in dem er zu einer wesenhaften Erkenntnis des geistigen Weltzusammenhangs durchstößt.
Von Imagination, Inspiration und Intuition ist in »Wie erlangt man…?« dem Namen nach nicht die Rede. Diese Ausdrücke führt Steiner erst ab 1905 in den Aufsätzen ein, die später im Buch »Die Stufen der höheren Erkenntnis« [16] zusammengefasst wurden. Der Sache nach charakterisiert aber Steiner diese drei Stufen der höheren Erkenntnis im Zusammenhang mit den einzelnen Übungen und ihrer Auswirkung auf das Gefüge der menschlichen Organisation.
Die Darstellung des Schulungsweges beruht auf einer okkulten Psychologie, die in der »Philosophie der Freiheit« bzw. den Goetheschriften, insbesondere den »Grundlinien …« bereits strukturell präsent ist, ohne dort im Einzelnen ausgestaltet zu werden. Diese okkulte Psychologie bezieht Beobachtungen an der seelischen Organisation und an der Bildekräfteorganisation des Menschen ein, die nicht aus deren allgemeinen Begriffen abgeleitet werden können. Dies gilt insbesondere von den noch zu behandelnden Wahrnehmungsorganen im seelischen Organismus des Menschen, den sog. Lotosblumen oder Chakren. Deren Vorhandensein und deren Beschaffenheit zeigt sich zwar in seinen Auswirkungen auch im gewöhnlichen Bewusstsein, der genauere strukturelle Aufbau des seelischen und auch des Bildekräfteorganismus ist aber eine Beobachtungstatsache und kein begriffliches Konstrukt. So liegt die Tätigkeit der 2blättrigen Lotosblume zwischen den Augenbrauen dem Wirken des Ich in der Bildekräfteorganisation zugrunde, die Tätigkeit der 16blättrigen in der Kehlkopfgegend dem menschlichen Vorstellungsleben, die Tätigkeit der 12blättrigen in der Herzgegend den Erlebnissen des Fühlens, die Tätigkeit der 10blättrigen in der Nabelgegend den Erlebnissen des Wollens und die Tätigkeit der 6blättrigen dem Wirken des Ich in der Seele des Menschen. [17] In diesen Organen spiegelt sich die Seinsverfassung des Menschen und deren systematischer Aufbau ist ontologisch begründet.
Zwischenbemerkung
Wenden wir uns jetzt der Darstellung des Schulungsweges zu. Für diese Untersuchung ist das Kapitel von besonderem Interesse, das die eigentlichen methodischen Ausführungen enthält: das Kapitel »Über einige Wirkungen der Einweihung«. Zu den vorangehenden Kapiteln seien aber doch einige Bemerkungen erlaubt.
Die Darstellung des Stufenweges der Einweihung hat einen deutlich symbolisch-imaginativen Charakter. Die sieben Einweihungsstufen (1. Feuerprobe, 2. Okkulte Schrift, 3. Wasserprobe, 4. Luftprobe, 5. Eid des Schweigens, 6. Vergessenheitstrunk und 7. Gedächtnistrank) kehren in späteren Ausführungen Steiners nicht wieder. Weder in der »Theosophie« (1904) werden diese sieben Stufen erwähnt, noch in den »Stufen der höheren Erkenntnis« (1905-1908), noch in der »Geheimwissenschaft im Umriss« (1910), die eine andere Gliederung enthält (1. Studium, 2. Imagination, 3. Okkulte Schrift [entsprechend der Inspiration], 4. Intuition, 5. Erkenntnis der Verhältnisse von Mikrokosmos und Makrokosmos, 6. Einswerden mit dem Makrokosmos, 7. die vorangehenden Erlebnisse und Stufen als Grundstimmung der Seele). Gerade in das Kapitel über die sieben Stufen der Einweihung sind aber einige bemerkenswerte Darstellungen zur Lebenseinweihung eingefügt, die hier nicht übergangen werden sollen. [18]
Lebenseinweihung
Steiner beschreibt, wie der Einzuweihende auf seinem Weg gewisse Proben zu bestehen hat und weist auf die Bedeutung einer Vorbereitung dieser Proben im gewöhnlichen Leben hin. Die Bedeutung dieser Vorbereitung im gewöhnlichen Leben nimmt mit jeder Probe zu. In der Schilderung dieser drei Proben finden sich deutliche Anklänge an die seelisch-geistige Verfassung desjenigen, der sich dem Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« unterzieht.
Die Feuerprobe – die erste – zielt darauf ab, eine »wahrere Anschauung« von den »leiblichen Eigenschaften der leblosen Körper, der Pflanzen, Tiere und des Menschen« (S. 55) zu erlangen. Der Schüler kann diese Probe nicht bestehen, wenn er nicht bereits im gewöhnlichen Leben gewisse seelische Eigenschaften erworben hat, die sich in dieser Probe bewähren müssen. Dazu Rudolf Steiner: »Für manche Menschen ist das gewöhnliche Leben selbst schon ein mehr oder weniger unbewusster Einweihungsprozess durch die Feuerprobe. Es sind das diejenigen, welche durch reiche Erfahrungen von solcher Art durchgehen, dass ihr Selbstvertrauen, ihr Mut und ihre Standhaftigkeit in gesunder Weise groß werden und dass sie Leid, Enttäuschung, Misslingen von Unternehmungen mit Seelengröße und namentlich mit Ruhe und in ungebrochener Kraft ertragen lernen. Wer Erfahrungen in dieser Art durchgemacht hat, der ist oft schon, ohne dass er es deutlich weiß, ein Eingeweihter.« (S. 55)
Wer sich im Sinne der »Philosophie der Freiheit« um die Zurückdrängung der leiblich-seelischen Organisation im Denken und um die Verwirklichung seiner moralischen Intuitionen bemüht, weiß aus Erfahrung, welche Widerstände sich gegen dieses Bemühen aus der eigenen Organisation und aus der Umgebung aufbäumen. Je größer das Bemühen, um so größer werden auch die Widerstände. Wem der äußere Erfolg ohne größere Anstrengung zufliegt, wer sich im Glanze allgemeiner Zustimmung sonnen kann, sollte dies als Zeichen dafür nehmen, dass er sich nicht gegen die von der allgemeinen Entropie bestimmte Bewegungsrichtung der Welt bewegt, sondern mit dieser. Freiheit kann nur gegen den Widerstand der allgegenwärtigen Trägheitskräfte verwirklicht werden. Die Erlebnisse des Scheiterns, der Misserfolgs, des Leides und der Enttäuschung sind für die Einweihung grundlegend. Wer sich durch Misserfolg und Scheitern von der Treue zu seinen moralischen Intuitionen abbringen lässt, wird nicht imstande sein, die Feuerprobe zu bestehen. Wer aber aus der Liebe zu seiner Intuition eine größere Befriedigung schöpft, als aus deren endgültiger Verwirklichung (siehe das 13. Kapitel der »Philosophie der Freiheit«), hat eine wesentliche Voraussetzung zum Bestehen der Feuerprobe erfüllt. Selbstvertrauen, Mut und Standhaftigkeit können nur aus einem geistigen Grund der Seele erfließen, der sich selbst trägt. Dieser sich selbst tragende geistige Seelengrund ist das intuitive Ideen-Erleben. In den Ideen vermag die Seele zu ruhen, auch wenn sich die Vergänglichkeit der Wahrnehmungswelt um sie herum offenbart. Auch wenn alles Vergängliche im Feuer der Vernichtung verzehrt wird, in ihrem Feuer der Begeisterung, in ihrer Liebe zur Idee trägt die Seele eine Kraft in sich, die allen Mächten des Untergangs und des Todes standhält.
Für die zweite Probe – die Wasserprobe – gilt Ähnliches. Bei ihr handelt es sich darum, dass der Schüler sich »frei und sicher in der höheren Welt bewegen kann.« (S. 58) Bei dieser Probe fehlt dem Menschen die »Stütze durch die äußeren Verhältnisse«. »Im gewöhnlichen Leben wird der Mensch durch Antriebe von außen zu seinen Handlungen bewogen. Er arbeitet dieses oder jenes, weil ihm die Verhältnisse diese oder jene Pflichten auferlegen.« (S. 58) Jetzt aber handelt es sich darum, eine gegenteilige Fähigkeit auszubilden. »Wer sich die Fähigkeit erworben hat, hohen Grundsätzen und Idealen mit Hintansetzung der persönlichen Laune und Willkür zu folgen, wer versteht, die Pflicht auch immer da zu erfüllen, wo die Neigungen und Sympathien gar zu gerne von dieser Pflicht ablenken wollen, der ist unbewusst schon mitten im gewöhnlichen Leben ein Eingeweihter. … Ja, es muss sogar gesagt werden, dass ein gewisser schon im Leben unbewusst erlangter Grad von Einweihung in der Regel durchaus notwendig sein wird, um die zweite Probe zu bestehen.« (S. 59/60)
Der Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« führt zur Einsicht in den Wert des Lebens jenseits von Lust und Unlust (13. Kapitel der »Philosophie der Freiheit«). Das dreizehnte Kapitel der »Philosophie der Freiheit« handelt von der Wasserprobe im Absatz 46. »Die sittlichen Ideale entspringen aus der moralischen Phantasie des Menschen. Ihre Verwirklichung hängt davon ab, dass sie von dem Menschen stark genug begehrt werden, um Schmerzen und Qualen zu überwinden. Sie sind seine Intuitionen, die Triebfedern, die sein Geist spannt; er will sie, weil ihre Verwirklichung seine höchste Lust ist. Er hat es nicht nötig, sich von der Ethik erst verbieten zu lassen, dass er nach Lust strebe, um sich dann gebieten zu lassen, wonach er streben soll. Er wird nach sittlichen Idealen streben, wenn seine moralische Phantasie tätig genug ist, um ihm Intuitionen einzugeben, die seinem Wollen die Stärke verleihen, sich gegen die in seiner Organisation liegenden Widerstände, wozu auch notwendige Unlust gehört, durchzusetzen.« (S. 232)
Wer seine moralischen Ideale selbst schöpft, empfängt sie nicht von außen. Er führt nicht Befehle oder Anweisungen aus, die ihm andere geben. Triebfeder seines Handelns sind nicht die in seiner seelischen oder Lebensorganisation wirkenden undurchschauten Kräfte, seine einzige Triebfeder ist das reine Denken, das praktische Apriori, aus dem die Intuitionen hervorgehen, die den Inhalt seines Wollens bilden. Er handelt nicht aufgrund äußerer oder innerer, undurchschauter Anlässe, sondern er handelt aus der ideell-geistigen Welt heraus, in der er durch sein intuitives Denken verankert ist. Wer intuitiv mit der Ideenwelt verbunden ist und aus seinem Ideenerleben seine moralischen Intuitionen schöpft, vermag sich in dieser Welt frei und sicher zu bewegen. Er wird seinen moralischen Idealen auch folgen, wenn persönliche Laune und Willkür, Neigungen und Sympathien sich gegen diese Ideale aufbäumen, denn er liebt, was er sich selbst befiehlt, über alles.
Die dritte Probe schließlich – die Luftprobe – wird auch auf dem Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« vorbereitet. Bei dieser dritten Probe befindet sich der Schüler in einer Lage, in der ihn »nichts zum Handeln veranlasst. Er muss ganz allein seinen Weg finden. … Nichts und niemand kann ihm jetzt die Kraft geben, die er braucht, als nur er selbst. Fände er diese Kraft nicht in sich selbst, so stände er sehr bald wieder da, wo er vorher gestanden hat … Es kommt darauf an, Geistesgegenwart in dieser Lage zu beweisen. … Um nicht untätig zu bleiben, darf der Mensch sich nicht selbst verlieren. Denn nur in sich selbst kann er den einzigen festen Punkt (Hervorhebung L.R.) finden, an den er sich zu halten vermag.« (S. 61)
Diesen festen Punkt findet der Schüler der »Philosophie der Freiheit« im Erleben des Denkens. Zu dieser Erfahrung führt das dritte Kapitel des Buches. Der Denkende erfasst sich »innerhalb des Weltinhaltes« in seinem Denken als in seiner »ureigensten Tätigkeit«. (»Philosophie der Freiheit«, S. 46) Das Ich gibt seinem Dasein »den bestimmten, in sich beruhenden Inhalt der denkenden Tätigkeit.« (Ebenda, S. 47) »Für jeden …, der die Fähigkeit hat, das Denken zu beobachten – und bei gutem Willen hat sie jeder normal organisierte Mensch –, ist diese Beobachtung die allerwichtigste die er machen kann. … Es ist ein fester Punkt gewonnen … « (Hervorhebung L.R.). Wiederum hebt Steiner die Bedeutung der Vorbereitung auf diese Probe im gewöhnlichen Leben hervor. »Und nicht weniger als in den anderen Fällen ist auch für diesen Punkt das gewöhnliche Leben für viele Menschen schon eine Geheimschule. Personen, die es dahin gebracht haben, dass sie, vor plötzlich an sie herantretende Lebensaufgaben gestellt, ohne viel Bedenken eines raschen Entschlusses fähig sind, ihnen ist das Leben eine solche Schulung. Die geeigneten Lagen sind diejenigen, wo ein erfolgreiches Handeln sofort unmöglich wird, wenn der Mensch nicht rasch eingreift. Wer rasch bei der Hand ist, zuzugreifen, wenn ein Unglück in Sicht ist, während durch einige Augenblicke der Zögerung das Unglück bereits geschehen wäre, und wer eine solche rasche Entschlussfähigkeit zu einer bleibenden Eigenschaft bei sich gemacht hat, der hat unbewusst die Reife für die dritte Probe erworben.« (S. 62)
Das Wesen des freien Handelns besteht darin, sich nicht von der Erinnerung bestimmen zu lassen, sondern gegenüber den einzelnen Wahrnehmungssituationen die moralischen Maximen zu produzieren, die für den jeweiligen Fall leitend sein können. »Zur Voraussetzung hat eine solche Handlung die Fähigkeit der moralischen Intuition. Wem die Fähigkeit fehlt, für den einzelnen Fall die besondere Sittlichkeitsmaxime zu erleben, der wird es nie zum wahrhaft individuellen Wollen bringen.« (»Philosophie der Freiheit«, S. 158)
Das erinnerungsbestimmte Handeln ist unfrei, weil es auf dem Umweg über die Vorstellung durch die Wahrnehmung bestimmt wird. Das Handeln aus Erinnerungsvorstellungen ist unspontan. Es entspringt nicht aus der Gegenwart des Geistes, sondern aus der Vergangenheit des Geistes. In unseren Erinnerungen leben die vergangenen Zustände und Handlungen unseres Geistes fort. Wenn wir aufgrund von Erinnerungsvorstellungen handeln, werden wir durch unsere eigene Vergangenheit bestimmt und nicht durch unsere Zukunft, die sich in den moralischen Intuitionen, den Sittlichkeitsmaximen ausspricht, die wir dem besonderen Fall gegenüber erleben. Das Wesen der Freiheit ist Spontaneität. Rasche Entschlüsse können nur aus der Selbstgegenwärtigkeit des Geistes hervorgehen. Diese Selbstgegenwärtigkeit des Geistes wird aber durch die Beobachtung seiner Tätigkeit geübt.
Man sieht anhand dieser Andeutungen, in welchem Ausmaß die einzelnen Stufen der Einweihung in den Schriften Steiners vor der Jahrhundertwende vorgebildet sind. Man erkennt daraus aber auch, dass es sich beim okkulten Schulungsweg nicht um eine obskur-mystische Veranstaltung handelt, sondern um einen nüchternen Vorgang, der auf der Vertiefung der seelischen Beobachtung beruht, und damit auf einer Vertiefung des modernen Wissenschaftsprinzips. In der Geistesschulung der »Philosophie der Freiheit« bzw. von »Wie erlangt man…?« wird lediglich das Lebensprinzip der Bewusstseins-Seele ins Selbstbewusstsein erhoben.
Praktische Gesichtspunkte und weitere Bedingungen
Das anschließende Kapitel »Praktische Gesichtspunkte« stellt sieben weitere allgemeine Anforderungen dar, die sich auf die Hygiene der Seele beziehen. Es schildert die Bedeutung verschiedener seelischer Eigenschaften für die Vertiefung der seelischen Beobachtung. Sie stellen, zusammen mit den bereits erwähnten, die methodologischen Bedingungen für die Praxis der seelischen Beobachtung dar. Erwähnt werden: Geduld (im Hinblick auf die zu erwartenden Beobachtungen), Schweigen von Verlangen und Begierde (nach höherer Erkenntnis), Schweigen von Neugierde (in bezug auf bestimmte Beobachtungen und Erkenntnisinhalte), Erziehung des Wunschlebens (die Wünsche dürfen auf den Verlauf der Beobachtung keinen Einfluss nehmen), Bekämpfung von Affekten (für diese gilt dasselbe wie für die Wünsche), Entwicklung von Milde und Takt (die Fähigkeit, sich auf die Gedanken anderer unter Ausklammerung der eigenen Vorurteile einzulassen, immanente Kritik), Achtung fremder Seelenregungen bei Schweigen der eigenen.
Das Kapitel »Bedingungen der Geheimschulung« wiederum nennt sieben Anforderungen, die sich auf die sieben Wesensglieder des Menschen beziehen, die aus der »Philosophie der Freiheit« implizit und aus der »Theosophie« explizit bekannt sind. (Durch die moralische Phantasie wird die menschliche Seele vergeistigt: das Geist-Selbst entwickelt sich; durch die moralische Technik die Bildekräfteorganisation: der Lebens-Geist bildet sich aus; durch die moralische Tat die physische Organisation: der Geistes-Mensch entsteht). Auf diese drei unteren und drei oberen Wesensglieder, deren Mitte das Ich bildet, beziehen sich die geschilderten Bedingungen. Die Voraussetzung der Gesundheit auf den physischen Leib; die Bedingung, sich als Glied des ganzen Lebens zu fühlen, auf die Bilde- oder Lebenskräfte; die Forderung, die Realität der Gedanken und Gefühle anzuerkennen, auf die Seele des Menschen; die Aufforderung, zu begreifen, dass das wahre Wesen des Menschen unsichtbar ist, auf das Ich, das dieses wahre Wesen darstellt; die Standhaftigkeit im Entschluss bezieht sich auf das Geist-Selbst des Menschen, aus dem alle Entschlüsse entspringen; das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber allem, was dem Menschen zukommt, auf den Lebens-Geist, der der Träger der Schicksalsbeziehungen und des sich aus dem Handeln bildenden neuen Schicksalsgeflechtes ist (man bedenke den Zusammenhang des Lebens-Geistes mit der moralischen Technik); die Synthese aller vorangegangenen Eigenschaften und ihre Anwendung, um dem Leben ein einheitliches Gepräge zu geben, auf den Geistes-Menschen, in dem sich die Idee des Menschen in ihrer Totalität ausgestaltet.
Das Methodenkapitel von »Wie erlangt man …?«
Im nun folgenden Kapitel »Über einige Wirkungen der Einweihung« nimmt die Darstellung des Schulungsweges im Hinblick auf die Ausgestaltung der Organe in der seelischen und in der Bildekräfteorganisation eine strengere systematische Form an. [19]
Von diesen Organen der übersinnlichen Wahrnehmung gilt grundsätzlich dasselbe, was vom Denken gilt: es sind tätige Organe, die etwas hervorbringen, was auf seinen eigenen Gesetzen beruht. Die Inhalte des Denkens beruhen auf ihren eigenen Gesetzen, sie kämen aber nicht zur Erscheinung, wenn das denkende Ich sie nicht tätig verwirklichen würde. Diese Eigentümlichkeit des Denkens heben bereits die »Grundlinien …« hervor: »Wir müssen uns zweierlei vorstellen: einmal, dass wir die ideelle Welt tätig zur Erscheinung bringen, und zugleich, dass das, was wir tätig ins Dasein rufen, auf seinen eigenen Gesetzen beruht.« (S. 52) Analog wirken auch die Chakren, die hellseherischen Organe der Seele: sie bringen durch ihre Tätigkeit Inhalte hervor, die auf ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit beruhen. Die imaginativen Wahrnehmungen sind demnach prinzipiell ebensowenig subjektive Artefakte, wie die Gedankeninhalte und die sich aus den Gedankeninhalten ergebenden Verknüpfungen.
Zur Erweckung der Hellsicht, also der Imaginationsfähigkeit, ist die Ausbildung von vier Organen in der Seele erforderlich. Genannt werden die bereits erwähnten Chakren: das 16blättrige, das 12blättrige, das 10blättrige und das 6blättrige. Um diese Chakren auszubilden, sind Übungen durchzuführen, die im Einzelnen beschrieben werden. Diese Übungen spiegeln die Funktionen der Chakren im gewöhnlichen Seelenleben wieder und ergeben sich logisch aus diesen. Das Kehlkopfchakra liegt den Vorstellungs- und Denkkräften der Seele zugrunde, das Herzchakra den Kräften des Fühlens, das Nabelchakra den Kräften des Wollens und das Chakra in der Kreuzbeinregion dem die drei Seelenkräfte harmonisierenden Wirken des Ich.
Das Kehlkopfchakra führt zur Erkenntnis der Gedankenart anderer Seelenwesen, sowie zu einer tieferen Einsicht in die wahren Gesetze der Naturerscheinungen, also in das, was in der Natur selbst gedankenartig ist. Die Wahrnehmungen, die es vermittelt, sind Wahrnehmungen von gesetzmäßig bewegten Formen und ideellen Gestalten.
Das Herzchakra führt zur Wahrnehmung der Gesinnungsart anderer Seelenwesen und zur Beobachtung tieferer Kräfte von Pflanze und Tier. Es vermittelt die Wahrnehmung von Seelenwärme und Seelenkälte.
Das Nabelchakra ermöglicht eine tiefere Einsicht in die Talente und Fähigkeiten anderer Seelen sowie die Wahrnehmung verborgener Kräfte und Eigenschaften von Naturwesen. Die Art seiner Wahrnehmungen ist mit den sinnlichen Wahrnehmungen von Licht und Farbe vergleichbar.
Das Kreuzbeinchakra schließlich eröffnet einen Verkehr der Seele mit Wesen höherer Welten, insofern sie sich in der Seelenwelt offenbaren. Die Wahrnehmungen dieses Chakras sind also ich-artig. Die Wesen offenbaren sich als Wesen mit eigenem Leben und Selbständigkeit, als individuelle Geistwesen in imaginativer Form. Entsprechend der Grundfunktion des jeweiligen Chakras in der menschlichen Seele beziehen sich die einzelnen Gruppen von Übungen auf die Seelenkräfte, die mit der Tätigkeit dieser Chakren zusammenhängen.
Kehlkopfchakra
Bei den Übungen des Kehlkopfchakras handelt es sich um die Übungen des sogenannten achtgliedrigen Pfades, die erstmals im Palikanon beschrieben worden sind. Es sind Übungen, die dem Ich eine Herrschaft über die Kräfte des Vorstellens oder Denkens vermitteln sollen. In der Imagination soll das Vorstellen von seiner leibgebundenen Form in eine leibfreie Form übergeführt werden. Folgende Übungen dienen der Vorbereitung dieser Fähigkeit des leibfreien Vorstellens oder Imaginierens.
- Das rechte Vorstellen bezieht sich auf die Art und Weise, wie der Mensch seine Vorstellungen bildet. Er hat auf seine Vorstellungen zu achten. Eine jede Vorstellung soll für ihn Bedeutung gewinnen. Die Vorstellungen, die er aufnimmt, sollen Botschaft und Kunde der Außenwelt für ihn sein. Das ganze Vorstellungsleben des Menschen soll ein treuer Spiegel der Außenwelt sein. Unrichtige Vorstellungen sollen aus der Seele entfernt werden. Der Mensch soll in seine Vorstellungsbildung und den Umgang mit seinen Vorstellungen Sorgfalt, Bewusstheit und Wachsamkeit bringen.
- Das rechte Entschließen bezieht sich auf die Art und Weise, wie der Mensch zu seinen Entschlüssen gelangt. Er soll selbst zum Unbedeutendsten sich nur aus gegründeter, voller Überlegung entschließen. Er soll alles gedankenlose Handeln, alles bedeutungslose Tun von der Seele fernhalten. Er soll zu allem, was er tut, wohlerwogene Gründe haben. Diese Übung bezieht sich also auf die Disziplin der Vorstellungsbildung im Hinblick auf die eigenen Entschlüsse. Der Schüler soll Sorgfalt, Bewusstheit und Wachsamkeit gegenüber allem Entschließen entwickeln.
- Das rechte Reden bezieht sich auf die Art und Weise, wie man seinen Vorstellungen durch die Sprache Ausdruck verleiht. Auch diese Übung ist eine Übung, die sich auf die Disziplin des Vorstellens und Denkens bezieht. Es soll nur, was Sinn und Bedeutung hat, von den Lippen des Übenden kommen. Er soll alles Reden um des Redens willen vermeiden. Das wahllose, bunte Durcheinanderreden soll er sich abgewöhnen. Im Verkehr mit anderen Menschen soll sein Reden bedeutsam sein. Er soll sich nicht dem Verkehr mit anderen Menschen entziehen, sondern jedem gedankenvoll und wohlüberlegt Rede und Antwort stehen. Er soll niemals unbegründet reden. Er soll nicht zu viel und nicht zu wenig Worte machen. All diese Anforderungen kann nur derjenige erfüllen, der die sprachliche Äußerung seiner Vorstellungen und Gedanken ebenso beherrscht, wie die Bildung der Vorstellungen selbst. Sorgfalt, Bewusstheit und Wachsamkeit muss in den Umgang des Menschen mit seinen Gedanken einziehen, wenn er sie aussprechen will. Er muss jeden einzelnen Gedanken prüfen, ob er den strengen Anforderungen auch gerecht wird.
- Das rechte Handeln bezieht sich auf die Art und Weise, wie man den eigenen Gedanken und Vorstellungen gemäß handelt. Das Handeln soll in Übereinstimmung mit der Umwelt und den Mitmenschen gebracht werden. Störende, im Widerspruch mit der Umgebung stehende Handlungen sollen unterlassen werden. Der Übende soll sich durch sein Tun harmonisch in die Umgebung, in seine Lebenslage einfügen. Er soll durch seine Handlungen den äußeren Anlässen bestmöglich entsprechen. Die Wirkungen der von ihm selbst veranlassten Handlungen soll er auf das gründlichste erwägen. Auch diese Übung hängt ohne Zweifel vom gedanklichen Umgang des Menschen mit sich selbst und seiner Umwelt ab. Wie soll er sein Handeln in Übereinstimmung mit seiner Umwelt bringen, wenn er nicht zuerst Vorstellungen darüber ausbildet, wie ein solches im Einklang mit der Umwelt stehendes Handeln aussehen könnte? Wie soll er den von außen kommenden Anlässen durch sein Handeln bestmöglich entsprechen, ohne diese Anlässe und das, was sie von ihm fordern, zuerst erkennend zu durchdringen? Die gedankliche Disziplin muss durch diese Übung auch den Ausdruck des Denkens im äußeren Handeln ergreifen.
- Das rechte Leben bezieht sich darauf, das gesamte Leben an seiner Erkenntnis auszurichten. Der Schüler soll versuchen, natur- und geistgemäß zu leben. Um natur- und geistgemäß leben zu können, muss er aber erst erkennen, was natur- und geistgemäß ist. Voraussetzung für das rechte Leben ist also das rechte Vorstellen (Übung 1). Er soll nicht übergeschäftig und nicht lässig sein, ebensowenig hastig oder träge. Was für den Einzelnen Übergeschäftigkeit oder Lässigkeit ist, muss er selbst herausfinden. Hier gibt es keinen allgemeinen Maßstab. Auch darüber muss sich der Übende erst deutliche Vorstellungen ausbilden. Er soll das Leben als Mittel zur Arbeit ansehen und sich nicht sinnentleertem Genuss hingeben. Gesundheitspflege und Gewohnheiten soll er diesem Grundsatz gemäß einrichten. Er soll insgesamt ein harmonisches Leben anstreben. Auch diese Bedingungen setzen eine entsprechende Vorstellungsbildung über das voraus, was sie fordern. Der Übende wird somit durch die Übung des rechten Lebens auf seine Vorstellungsbildung, auf die gedankliche Durchdringung seiner Wahrnehmungswelt zurückgewiesen. Das ganze Leben soll er mit der Klarheit des Gedankens, mit Sorgfalt, Bewusstheit und Wachsamkeit durchdringen.
- Das rechte Streben bezieht sich auf die Art und Weise, wie man sein Streben an seiner Erkenntnis ausrichtet. Man soll seine Fähigkeiten und sein Können prüfen und sich dieser Selbsterkenntnis gemäß verhalten. Die Forderung der Selbsterkenntnis ist nur erfüllbar, wenn man sich selbst als Wahrnehmungsobjekt ebenso gedanklich durchdringt, wie dies bei der Übung des rechten Handelns gegenüber der Umgebung nötig ist. Der Übende soll nichts Unerreichbares erstreben und nichts ihm Erreichbares nicht erstreben. Er muss zuerst erkennen, was für ihn tatsächlich erreichbar und was tatsächlich für ihn unerreichbar ist. Er muss zu einer wirklichkeitsgemäßen Einschätzung seiner Fähigkeiten und seiner Unfähigkeiten gelangen. Er soll sich Ziele setzen, die mit den großen Menschheitsidealen zusammenhängen, seine Aufgabe im Ganzen begreifen. Er soll danach streben, seine Obliegenheiten immer besser und vollkommener zu erfüllen. Ohne Erkenntnis der großen Menschheitsideale und ohne Ausgestaltung konkreter Vorstellungen (moralischer Phantasievorstellungen) wird ihm dies nicht gelingen. Die geschilderte Disziplin bezieht sich demnach auf die Art und Weise, wie man sein eigenes Streben erkennend durchdringt.
- Das rechte Denken bezieht sich auf die Art und Weise, wie man sein Leben denkend verarbeitet. Man soll möglichst viel vom Leben lernen. Alles soll einem Anlass sein, Erfahrungen zu sammeln, die nützlich für das Leben sind. Fehler sollen Anlass sein, sie das nächste Mal zu vermeiden. Man soll sich nicht in unproduktivem Grübeln oder skrupulöser Zerknirschung ergehen, sondern die durchlebten Erfahrungen denkend durchdringen, um an ihnen Einsichten zu gewinnen. Man soll auch andere beobachten, um aus ihrem Handeln, aus ihren Erfolgen und Misserfolgen zu lernen. Man soll bei jeder Handlung seinen Erfahrungsschatz sorgfältig zu Rate ziehen und nichts ohne Berücksichtigung der eigenen Erfahrung tun. Das eigene Leben soll mit der Klarheit des Gedankens durchdrungen werden, so dass die Bewusstheit und Achtsamkeit auf die Gestaltung dieses Lebens ausstrahlt.
- Das rechte Sich-Versenken bezieht sich auf die Art und Weise, wie man sein gesamtes Sein gedanklich vertieft. Man soll von Zeit zu Zeit Blicke in sein Inneres tun, sich in sich selbst versenken und sorgsam mit sich zu Rate gehen. Man soll seine Lebensgrundsätze bilden und an seinen Erfahrungen prüfen, seine Kenntnisse in Gedanken durchlaufen, seine Pflichten erwägen, über Inhalt und Zweck des Lebens nachdenken. Auf diese Weise wird man sich allmählich die Fähigkeit erwerben, sein gesamtes Leben vom Standpunkt des intuitiven Denkens zu betrachten und zu beurteilen.
Herzchakra
Während es sich bei den Übungen des achtgliedrigen Pfades um Übungen handelt, durch die das Ich Herrschaft über die Kräfte seines Vorstellens und Denkens erlangen kann, geht es bei den Übungen des Herzchakras um die Kräfte des Fühlens. Die sechs für dieses Chakra charakterisierten Eigenschaften beziehen sich ganz offensichtlich darauf, wie das Ich mit seinen Gefühlserlebnissen umgeht. Da es zunächst nicht möglich ist, unmittelbar auf die Kräfte des Fühlens einzuwirken, erfolgt die Umgestaltung dieses Seelenorgans über die Beobachtung des Einflusses der Gefühlserlebnisse auf andere Seelenvorgänge. Durch die Steigerung der Aufmerksamkeit gegenüber dem Einfluss, den die Gefühlserlebnisse auf die Vorgänge des Denkens haben, lassen sich diese zunehmend von Sympathien und Antipathien unabhängig machen. Die Befreiung des Vorstellens und Denkens von den Kräften der Sympathie und Antipathie wiederum wirkt auf die Erlebnisse des Fühlens zurück. Demgemäß handelt es sich bei den sechs Eigenschaften, die zur Ausbildung des Herzchakras entwickelt werden müssen, um Eigenschaften, durch die das Ich Herrschaft über sein Fühlen erlangt. Durch die Entwicklung dieser Eigenschaften wird zugleich das leibfreie Fühlen, das den substantiellen Inhalt der Inspiration bildet, vorbereitet. Die seelische Imagination dieses substantiellen Gehaltes ist eine Vorstufe des inspirativen Bewusstseins in der Imagination.
- Als erste Eigenschaft wird die Gedankenkontrolle genannt. Bei dieser geht es um die innere Beherrschung des Gedankenverlaufs. Man soll irrlichterierende Gedanken, die rein assoziativ verknüpft werden, vermeiden. Man soll unlogische Gedanken anderer sogleich ins Rechte denken. Man soll sich aber nicht lieblos einer Umgebung, die durch unlogisches Denken geprägt ist, entziehen, und auch nicht alles Unlogische sofort (äußerlich) korrigieren. Man soll still in seinem Innern die von außen einstürmenden Gedanken in logische, sinngemäße Richtung bringen und in seinem eigenen Denken diese Richtung einhalten. Inwiefern die Übung der Gedankenkontrolle mit dem Einfluss von Sympathie und Antipathie auf das Denken zu tun hat, kann deutlich werden, wenn man sich vergegenwärtigt, was den Menschen daran hindert, seinen Gedankenverlauf innerlich zu beherrschen. Man wird, wenn man die Aufmerksamkeit darauf lenkt, bemerken, in welchem Umfang der gewöhnliche Gedanken- und Gesprächsverlauf tatsächlich von Gefühlen der Sympathie und Antipathie beeinflusst wird. Statt dass sich der Verlauf eines Denkprozesses oder auch eines Gesprächs aus dem Inhalt der Vorstellungen und Begriffe ergibt, um die es eigentlich geht, ist der Vorgang der Vorstellungsverknüpfung in hohem Grade von den Sympathien und Antipathien abhängig, die die Beteiligten jeweils den Vorstellungen gegenüber entwickeln, die in ihrem Bewusstsein auftreten. Man könnte geradezu behaupten, dass das Wesen des assoziativen Denkens darin besteht, dass sich die Vorstellungsverknüpfung aus den Sympathien und Antipathien ergibt, die der Mensch den Vorstellungsinhalten gegenüber entwickelt. Auch der Verlauf wissenschaftlicher Diskussionen ist vielfach davon abhängig, dass die Beteiligten gegenüber bestimmten Gedanken oder gar gegenüber bestimmten Personen Antipathien oder Sympathien empfinden. Die Übung der Gedankenkontrolle dient dazu, den Gedankenverlauf aus dem Inhalt der verknüpften Vorstellungen und nichts anderem zu entwickeln. – Das dritte Kapitel der »Philosophie der Freiheit« beinhaltet ebendiesen Übungsweg.
- Als zweite Eigenschaft wird die Kontrolle der Willensimpulse oder Handlungen erwähnt. Auch hier geht es darum, über einen Umweg das Wirken von Sympathie und Antipathie, von Lust und Unlust in der Seele zu beobachten. Der Übende soll Folgerichtigkeit in sein Handeln bringen. Er soll alle Unbeständigkeit und Disharmonie aus seinem Handeln vertreiben. Die einzelnen Handlungen sollen logisch auseinander hervorgehen. Wiederum kann deutlich werden, welchen Einfluss Gefühlserlebnisse auf das Handeln des Menschen haben, wenn man sich vergegenwärtigt, was uns daran hindert, dass unser Handeln beständig, logisch konsequent und in sich stimmig ist. Bei dieser Beobachtung zeigt sich, dass wir gegen Vorstellungen von Handlungen oder diese Handlungen selbst die mannigfaltigsten Antipathien oder Sympathien entwickeln können. Diese Antipathien gehören zu den stärksten Widerständen, die unser Seelenorganismus gegen die Verwirklichung von moralischen Intuitionen aufzubringen vermag. Aber die Sympathien für bestimmte Handlungsformen aufgrund der Lust, die wir an ihnen erleben, kann zu einem ebenso starken Hindernis in der Selbsterziehung werden. Bei der Kontrolle der Willensimpulse geht es nicht darum, das rechte Handeln zu üben, sondern darum, den Einfluss der Emotionen auf das Handeln zurückzudrängen. Beim Versuch, diesen Einfluss zurückzudrängen, werden diese aber erst richtig beobachtbar. – Insbesondere das neunte Kapitel der »Philosophie der Freiheit« führt zu vergleichbaren Beobachtungen an der seelischen Organisation.
- Mit der dritten Eigenschaft wird nun das Gefühlsleben selbst zu einem Gegenstand der Übung. Die Ausdauer ist nichts anderes als eine Kontrolle der Gefühle. Man soll sich bei der Übung der Ausdauer nicht durch diese oder jene Einflüsse von einem Ziel abbringen lassen, das man sich gesteckt hat, solange man dieses Ziel als richtig erkennen kann. Hindernisse, die sich auftürmen, sollen uns auffordern, sie zu überwinden und nicht uns von der Verwirklichung unserer Ziele abhalten. Mit anderen Worten: bei der Übung der Ausdauer geht es darum, sich nicht an Lust und Unlust zu orientieren, sondern an seinen Einsichten. Wenn wir uns durch Hindernisse von unseren Zielen abbringen lassen, dann allein deswegen, weil diese Hindernisse Unlust in uns hervorrufen. Lassen wir uns von dieser Unlust leiten, übernimmt ein Gefühl die Kontrolle über uns. Dasselbe gilt, wenn wir uns von einem Ziel durch die Vorstellung eines Lustgefühls abbringen lassen, das ein Abbruch unseres Bemühens verspricht. Auch dann übernimmt ein Gefühl die Kontrolle über uns und nicht umgekehrt. – Das dreizehnte Kapitel der »Philosophie der Freiheit« (»Der Wert des Lebens«) führt ebenfalls zu den hier beschriebenen Beobachtungen.
- Die vierte Eigenschaft ist die Positivität, Duldsamkeit oder Toleranz. Alle überflüssige Kritik gegenüber dem Unvollkommenen, Bösen und Schlechten soll man unterdrücken. Man soll zu begreifen suchen, was einem widerfährt und sich gegenüber den Erlebnissen nicht seinen Emotionen überlassen. Man soll dem Schlechten, Bösen verständnisvolle Anteilnahme entgegenbringen. Das Ungemach soll man als notwendig hinnehmen und versuchen, die Sache zum Guten zu wenden. Andere Meinungen soll man nicht vom eigenen Standpunkt aus betrachten, sondern sich in die Lage der anderen versetzen. Naturgemäß entwickelt der Mensch demjenigen gegenüber, was ihm als schlecht, böse oder widrig erscheint, keine Sympathien, sondern Antipathien. Die Aufgabe, diesen Gegebenheiten gegenüber Positivität zu üben, führt uns zu einer Beobachtung der Gefühle der Antipathie, die die gekennzeichneten Gegebenheiten in unserer seelischen Organisation hervorrufen. Wir sollen nun nicht nur Sympathien und Antipathien unterdrücken, sondern anstelle von unmittelbar auftretenden Antipathien willkürlich erzeugte Sympathien setzen. Sympathien können wir aber nur auf dem Umweg über Vorstellungen in uns hervorrufen. Bei der Übung der Positivität geht es also darum, auf dem Umweg über das Vorstellungsleben unwillkürlich auftretende Gefühlserlebnisse durch willkürlich erzeugte zu ersetzen. Auf diese Weise gewinnt der Übende in einem höheren Maß Einfluss auf sein Gefühlsleben. Er beginnt die Fähigkeit zu entwickeln, über sein Vorstellen und Denken willentlich auf sein Gefühlsleben Einfluss zu nehmen. – Zu dieser Fähigkeit führt auch ein meditativer Umgang mit dem fünften Kapitel der »Philosophie der Freiheit« (»Das Erkennen der Welt«), das uns dazu anleitet, objektgeprägte Vorstellungen zu bilden.
- Die fünfte Eigenschaft ist die Eigenschaft der Unbefangenheit gegenüber den Erscheinungen des Lebens. Der Übende soll jedem Wesen, jeder Erscheinung mit Vertrauen entgegentreten. Er soll in jedem Augenblick bereit sein, seine Meinung, seine Ansicht an einer neuen zu prüfen und diese, falls nötig, zu berichtigen. Er soll empfänglich für alles sein. Er soll auf die Wirksamkeit des eigenen Tuns vertrauen. Zaghaftigkeit und Zweifelsucht soll er aus seiner Seele verbannen. Er soll auf die Kraft der eigenen Absichten vertrauen und sich durch Misserfolge nicht entmutigen lassen. Wie gegenüber dem Schlechten und Widrigen neigen wir auch gegenüber dem, was unseren bereits gebildeten Vorstellungen widerspricht dazu, Antipathien zu entwickeln, währenddem wir von einer naturgemäßen Sympathie zu den Vorstellungen erfüllt sind, die wir uns bereits gebildet haben. In dieser Sympathie zum Bekannten und Altvertrauten drückt sich die Neigung der Seele zur Trägheit und Bequemlichkeit aus. Neuartiges, Unvertrautes ruft in uns Misstrauen und Zweifel hervor. Wenn wir uns von Misstrauen und Zweifel gegenüber dem Unvertrauten leiten lassen, übt wiederum das Gefühlsleben auf unser Vorstellen einen Einfluss aus. Im Gegensatz dazu sollen wir uns von der Sympathie zu den vertrauten Vorstellungen befreien und dem Neuen und Unvertrauten gegenüber Hingabe und Unbefangenheit entwickeln. Die Befangenheit ergibt sich aufgrund der Sympathie zu unseren Erinnerungsvorstellungen. Indem wir uns von der verborgenen Sympathie zu unseren Erinnerungsvorstellungen und damit der vergangenen Form unseres Seins befreien, werden wir erst fähig, unsere eigene Zukunft, die uns aus der Welt des Unvertrauten und Fremden entgegenkommt, zu einem Teil unseres Wesens zu machen. Unbefangenheit setzt demnach die Befreiung des Menschen von unbewussten Sympathien und Antipathien voraus. – Nichts anderes übt der Schüler der »Philosophie der Freiheit«, der mit dem Inhalt des sechsten Kapitels (»Die menschliche Individualität«) meditativ umgeht, leitet uns dieses doch dazu an, im Erkennen der Wirklichkeit die Verwirklichung unserer Individualität zu erleben.
- Die letzte Eigenschaft verlangt von uns, alle vorangehenden Übungen in Zusammenhang zu bringen und sie sich gegenseitig ergänzen zu lassen. Dadurch erlangen wir ein Lebensgleichgewicht (Gleichmut). Die Eigenschaft des Gleichmuts beruht darauf, dass wir eine gleichmäßige Grundstimmung des seelischen Lebens erhalten, ob Leid oder Freude uns trifft. Wir schwanken nicht mehr zwischen »himmelhoch jauchzend« »zu Tode betrübt« und sind gegen Glück und Unglück gleichermaßen gewappnet. Die Eigenschaft des Gleichmuts steht ohne Zweifel in direkter Beziehung zu den Gefühlskräften der Seele. – Sie entspricht der Beschäftigung mit dem achten Kapitel der »Philosophie der Freiheit« (»Die Faktoren des Lebens«), das dazu führt, ein Gleichgewicht des seelischen Lebens zu entwickeln, das die Einseitigkeit der Gefühlsmystik und der Willensmetaphysik vermeidet.
Nabelchakra
Das 10blättrige Chakra in der Nabelgegend wird entwickelt durch drei Beherrschungen und durch die Meditation. Die drei Beherrschungen stellen uns vor die Aufgabe, die Sinneseindrücke, das Gedankenleben und das Gefühlsleben in die vollkommene Herrschaft unseres Willens zu bringen. Bis in die Wortwahl hinein kommt die Bedeutung des Willens für die drei Beherrschungen zum Ausdruck. Steiner bezeichnet die hier erforderliche Beherrschung als Selbstzucht. Durch die Vertiefung in die drei Beherrschungen wird zugleich das leibfreie Wollen vorbereitet, das den substantiellen Inhalt des intuitiven Bewusstseins im engeren Sinne bildet. Das seelisch-imaginative Erleben dieser Willenskräfte stellt eine Vorstufe der Intuition im imaginativen Bewusstsein dar.
- Das Beherrschen der Sinneseindrücke macht notwendig, dass man sich zum Herrn macht über das, was von der Außenwelt auf einen einwirkt. Eindrücke, die man nicht empfangen will, darf man auch wirklich nicht empfangen. Man muss willentlich darüber entscheiden können, was man wahrnimmt und was nicht. Was man sieht, muss man sehen wollen. Man muss alles gedankenlose Herumhören und Herumsehen vermeiden. Man darf im größten Trubel nichts hören, wenn man nicht will. Man muss sich für alle unbewussten Wahrnehmungseindrücke mit einem seelischen Panzer umgeben. – Dieser Beherrschung der Sinneseindrücke entspricht das Erleben, das der Schüler der »Philosophie der Freiheit« ausbildet, wenn es ihm gelingt, auf der Stufe der Verschmelzung, der vierten Stufe in der Entfaltung des Denkwillens, sein Beobachtungsbewusstsein zu betätigen.
- Das Beherrschen des Gedankenlebens verlangt dasselbe in bezug auf die Denkvorgänge. Man muss sich einen Gedanken vorsetzen und diesen frei weiterdenken. Man darf nur das denken, was man ganz bewusst, in völliger Freiheit, an ihn angliedern kann. Will man Gedanken mit anderen Gedanken verknüpfen, muss man sich sorgfältig besinnen, ob diese Verknüpfung wirklich gewollt ist. Beliebige Einfälle weist man ab. Die Willkür und Freiheit des Denkens setzen die Beherrschung des Denkens durch den Willen voraus. – Der Beherrschung des Gedankenlebens entspricht in der Entfaltung des Denkwillens auf dem Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« die Beobachtung der Hervorbringung des Denkens durch den Denkenden. Allein dadurch, dass der Denkende seine Denkvollzüge mit seiner Beobachtungsfähigkeit (Aufmerksamkeit) durchdringt, erlangt er eine Herrschaft über sie.
- Das Beherrschen des Gefühlslebens verlangt vom Übenden, dass er unwillkürlich auftretende Antipathien (oder Sympathien) bekämpft, und diese durch eine bewusste, d.h. willentlich bewirkte Beziehung zu dem betreffenden Ding ersetzt. – Der Beherrschung des Gefühlslebens entspricht in der Entfaltung des Denkwillens die Stufe des Übergangs der Begriffe in die Wahrnehmungsgegebenheiten. Auf dem Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« muss der Übende sich darum bemühen, die Individualisierung des Begriffs durch die Wahrnehmungen mit seinem Bewusstsein zu durchdringen und diese ebenso willentlich zu bewirken, wie er die Hervorbringung des Begriffs durch seine Denkakte willentlich bewirkt.
- Die Meditation schließlich soll gemäß den weiter oben beschriebenen Anweisungen erfolgen. – Ihr entspricht im Schulungsweg der »Philosophie der Freiheit« die zweite Stufe der Entfaltung des Denkwillens, die Beobachtung. Denn in der Beobachtung versenkt sich der Übende in die Begriffe, die aus seinen Denkakten hervorgehen und praktiziert im Anschauen ihrer ideellen Bewegungen die Gedankenmeditation.
Kreuzbeinchakra
Zur Ausbildung der 6blättrigen Lotosblume ist ein vollkommenes Gleichgewicht zwischen Leib, Seele und Geist und die vollkommene Beherrschung des ganzen Menschen durch das Selbstbewusstsein erforderlich. Die Beschreibung des Übungsweges mündet mit der Darstellung dieser Eigenschaften in die Beschreibung des freien Geistes. Beim freien Geist (bei demjenigen, der die 6blättrige Lotosblume ausbildet) befinden sich »Leib, Seele und Geist in vollkommener Harmonie«. »Die Verrichtungen des Leibes, die Neigungen und Leidenschaften der Seele, die Gedanken und Ideen des Geistes müssen in einen vollkommenen Einklang miteinander gebracht werden. Der Leib muss so veredelt und geläutert werden, dass seine Organe zu nichts drängen, was nicht im Dienste der Seele und des Geistes geschieht. Die Seele soll durch den Leib nicht zu Begierden und Leidenschaften gedrängt werden, die einem reinen und edlen Denken widersprechen. Der Geist aber soll nicht wie ein Sklavenhalter mit seinen Pflichtgeboten und Gesetzen über die Seele herrschen müssen; sondern diese soll aus eigener freier Neigung den Pflichten und Geboten folgen. Nicht wie etwas, dem er sich widerwillig fügt, soll die Pflicht über dem Geheimschüler schweben, sondern wie etwas, das er vollführt, weil er es liebt. Eine freie Seele (Hervorhebung L.R.), die im Gleichgewichte zwischen Sinnlichkeit und Geistigkeit steht, muss der Geheimschüler entwickeln.« (S. 96/7)
Übergang zur Inspiration und Intuition
Hat der Schüler seinen seelischen Organismus soweit durchgebildet, dass er mit seinem Ich (seinem Selbstbewusstsein) das Wirken der Seelenkräfte vollkommen beherrscht, dann kann er dazu übergehen, die Organe in seinem Bildekräfteleib zu entwickeln. Die Chakren oder Seelenkräfte bilden sich in der Bildekräfteorganisation ab. Sie haben im strukturellen Aufbau des Bildekräfteleibes ihre Entsprechung. Durch die Handhabung der Bildekräfte als Wahrnehmungsorgan ergreift das Ich auch die existentielle Grundlage seines Fühlens und befreit den diesem innewohnenden Geistgehalt von der Gebundenheit an die Leibesorganisation. Dadurch erhebt es sich auf die Stufe des geistigen Hörens oder der Inspiration. Durch die Beherrschung der geistigen Wahrnehmungsorgane im Bildekräfteleib erlangt der Mensch das inspirative Bewusstsein, das darauf beruht, dass das Ich die Strömungen des Bildekräfteleibes zu beeinflussen und zu lenken vermag. Mit der Inspiration, dem inneren Wort, vermag der Seher das durch die Imagination Geschaute zu deuten und zu verstehen.
Der Weg zur Entwicklung der Inspiration verläuft konsequenterweise wiederum absteigend an der Leiter der Chakren entlang. Durch die Übung der Unterscheidung des Wesens von der Erscheinung, die sich auf das Denken bezieht, und auf die jetzt zurückgegriffen wird, bildet der Schüler einen vorläufigen Mittelpunkt der Bewegungen der Bildekräfte im Kopf. Durch die richtige Schätzung des Wahren und Wirklichen, die auf dem Ergreifen der Gefühlskräfte durch das Ich beruht, verlegt er den Mittelpunkt der Bildekräfte in den Kehlkopf. Diese Verlegung des Mittelpunktes in den Kehlkopf ist damit verbunden, dass die Bildekräfteorganisation eine vom Ich durchdrungene Abgeschlossenheit erlangt, die sie befähigt, die aus dem Kosmos auf sie eindringenden Bildekräfte wahrzunehmen. Die daran anschließende Vorbereitung des Ätherorgans im Herzen, die durch die Übung der sechs Eigenschaften erreicht wird und auf dem Ergreifen der Willenskräfte beruht, erlangt der Übende die Fähigkeit, den Bildekräfteleib zu lenken. Die Reifung dieses ätherischen Herzorgans durch das Verlangen nach Befreiung und die Liebe zur inneren Freiheit führt schließlich zur umfassenden Ausgestaltung des inspirativen Bewusstseins.
Dieses geht durch den Gebrauch der zweiblättrigen Lotosblume in der Stirnregion in das intuitive Bewusstsein über. Durch das intuitive Bewusstsein, zu dessen Entwicklung in »Wie erlangt man…?« keine Übungen mehr beschrieben werden, wird das höhere Selbst des Menschen geboren, er erlangt eine Wesenserkenntnis höherer (hierarchischer) Wesenheiten, eine Erkenntnis der Gesetze von Reinkarnation und Karma und eine Einsicht in das Dasein und Wirken der großen Eingeweihten.
Durch die Intuition als Stufe der höheren Erkenntnis erlangt der Eingeweihte seine in sich geschlossene Totalexistenz im Universum. Er erlebt den Geistgehalt des Universums nicht mehr nur als intuitiven Inhalt in einer herabgelähmten Form, sondern in einer intuitiven Form. Er erkennt nicht mehr Teile aus Teilen und wie in einem Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht. Die Intuition beruht darauf, dass das menschliche Ich die Wirksamkeit der Sinnesorgane, deren Träger die physische Organisation ist, außer Kraft setzt. Dadurch erscheint die geistige Einheit der Welt nicht mehr in eine Mannigfaltigkeit von zusammenhangslosen Einzelheiten auseinandergerissen, sondern dem geistigen Auge wird diese wesenhafte, geistige Einheit der Welt zugänglich. Mit der Schilderung der Intuition schließt sich die Darstellung von »Wie erlangt man …?« mit dem letzten Kapitel der »Philosophie der Freiheit« zusammen, das des Menschen Totalexistenz im Universum als Verwirklichung der Erkenntnisidee beschreibt. »Seine in sich geschlossene Totalexistenz im Universum kann der Mensch nur finden durch intuitives Denkerlebnis. Das Denken zerstört den Schein des Wahrnehmens und gliedert unsere individuelle Existenz in das Leben des Kosmos ein. Die Einheit der Begriffswelt, welche die objektiven Wahrnehmungen enthält, nimmt auch den Inhalt unserer subjektiven Persönlichkeit in sich auf. Das Denken gibt uns von der Wirklichkeit die wahre Gestalt, als einer in sich geschlossenen Einheit, während die Mannigfaltigkeit der Wahrnehmungen nur ein durch unsere Organisation bedingter Schein ist. … Das gemeinsame Urwesen, das alle durchdringt, ergreift … der Mensch in seinem Denken. Das mit dem Gedankeninhalt erfüllte Leben in der Wirklichkeit ist zugleich das Leben in Gott.« (S. 246-250)
Anmerkungen:
1) Eine immer noch lesenswerte Zusammenfassung des Schulungsweges der Anthroposophie stellt das Buch von P. E. Schiller: Der anthroposophische Schulungsweg: Ein Überblick, Dornach 1979 u.ö. dar. Auf dieses Buch soll hier ebensowenig eingegangen werden, wie auf die Publikation von Florin Lowndes: Die Belebung des Herzchakra: Ein Leitfaden zu den Nebenübungen Rudolf Steiners, Stuttgart 1996 oder das Chakrawerk von Willi Seiss. Der vorliegende Aufsatz verfolgt eine andere Fragestellung.
2) Als Beispiel soll nur erwähnt werden, dass in der ersten Fassung der Ausdruck »Kundalinifeuer« vorkam, der später nicht mehr verwendet wurde. Inzwischen liegt eine kritische Edition der verschiedenen Ausgaben vor. Siehe Christian Clement: Rudolf Steiner: Schriften. Kritische Ausgabe / Band 7: Schriften zur Erkenntnisschulung, Stuttgart-Bad Canstatt 2015
3) Siehe »Der esoterische Schulungsweg im Frühwerk Rudolf Steiners« I und II.
4) Im Beitrag »Der esoterische Schulungsweg der Anthroposophie im Frühwerk Rudolf Steiners – II«.
5) Rudolf Steiner: Die »Philosophie der Freiheit«, GA 4, Dornach 1973, S. 202.
6) Zur moralischen Phantasie vgl. den gehaltvollen Beitrag von G. Röschert »Situationsethik und moralische Phantasie«, der eine bedeutsame Erweiterung des Anwendungsgebietes dieses Begriffs erschlossen hat. Veröffentlicht in: Rudolf Steiners »Philosophie der Freiheit« – Eine Menschenkunde des höheren Selbst: Beiträge zur Philosophie der Freiheit – Rudolf Steiner – 100 Jahre nach ihrem Erscheinen, Stuttgart 1994, S. 103-159.
7) Vgl. zum Ganzen meinen Aufsatz: »Moralische Intuition, moralische Phantasie, moralische Technik«, im »Jahrbuch für anthroposophische Kritik« 1996.
8) Rudolf Steiner: »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?«, Dornach 1975 (tb), S. 16.
9) Ebenda, S. 17.
10) Ebenda, S. 20.
11) Rudolf Steiner: »Die Philosophie der Freiheit«, GA 4, Dornach 1973, S. 108.
12) Vgl. »Wie erlangt man …?«, S. 21.
13) Ebenda, S. 23/4.
14) Ebenda, S. 28.
15) Rudolf Steiner: »Theosophie«, Dornach 1961, S. 174f. » … der Mensch ist ein Gedankenwesen. Und er kann seinen Erkenntnispfad nur finden, wenn er vom Denken ausgeht. … Man kann gar nicht stark genug betonen, wie notwendig es ist, dass derjenige die ernste Gedankenarbeit auf sich nehme, der seine höheren Erkenntnisfähigkeiten ausbilden will. Diese Betonung muss umso dringlicher sein, als viele Menschen, welche zum ›Seher‹ werden wollen, diese ernste, entsagungsvolle Gedankenarbeit geradezu geringachten. Sie sagen, das ›Denken‹ kann mir doch nichts helfen; es kommt auf die ›Empfindung‹, das ›Gefühl‹ oder Ähnliches an. Demgegenüber muss gesagt werden, dass niemand im höheren Sinne (das heißt wahrhaft) ein ›Seher‹ werden kann, der nicht vorher sich in das Gedankenleben eingearbeitet hat. Es spielt da bei vielen Personen eine gewisse innere Bequemlichkeit eine missliche Rolle. Sie werden sich dieser Bequemlichkeit nicht bewusst, weil sie sich in eine Verachtung des ›abstrakten Denkens‹, des ›müßigen Spekulierens‹ und so weiter kleidet. … Zum Seher gehört absolute Gesundheit des Seelenlebens. Es gibt nun keine bessere Pflege dieser Gesundheit als das echte Denken. Ja, es kann diese Gesundheit ernstlich leiden, wenn die Übungen zur höheren Entwicklung nicht auf dem Denken aufgebaut sind.«
16) Rudolf Steiner: »Die Stufen der höheren Erkenntnis«, Dornach 1959 u.ö., GA 12.
17) Man beachte, dass die Reihenfolge eine andere ist. Zuerst wird die seelische Organisation ausgebildet: der Weg verläuft absteigend von der 16blättrigen über die 12blättrige und 10blättrige zur 6blättrigen Lotosblume. Danach kommt Steiner auf die 2blättrige zu sprechen, durch die das Ich auf die ätherische Organisation einzuwirken beginnt, was eine höhere Stufe der geistigen Erkenntnis markiert. Siehe dazu weiter unten.
18) Dass die systematische Ordnung in den vorangehenden Kapiteln nicht vollständig durchgehalten wird, zeigt sich auch an folgendem. Das Kapitel Vorbereitung enthält die Schilderung zweier Übungen zur Imagination und zweier Übungen zur Inspiration. Imaginationsübungen sind die Übungen, die sich auf die Beschäftigung mit Werden und Vergehen und auf das Behandeln von Gedanken und Gefühlen als Tatsachen beziehen. Inspirationsübungen sind die Übungen, die sich mit der Welt der Töne und mit den Offenbarungen der Sprache beschäftigen. Entgegen der Erwartung schildert das Kapitel über die Einweihung nicht Übungen der Intuition, sondern wiederum Imaginationsübungen. Und zwar sind es folgende: 1. die vergleichende Meditation von Kristall, Pflanze und Tier bezieht sich auf die Imagination des Ätherischen; 2. die Samenkornmeditation, als Meditation des Entstehens, bezieht sich auf die Imagination des Ätherischen; 3. die Fruchtmeditation, als Meditation des Vergehens, bezieht sich auf die Imagination des Ätherischen; 4. die Begierdemeditation (ein Mensch in Begierde) bezieht sich auf die Imagination des Astralischen; 5. die Befriedigungsmeditation (ein Mensch in Befriedigung) bezieht sich ebenfalls auf die Imagination des Astralischen. – Intuitionsübungen werden in diesen Kapiteln, soweit ich sehe, nicht beschrieben.
19) Auf die an das Methodenkapitel anschließenden Darstellungen über die Spaltung der Persönlichkeit während der Geheimschulung sowie den kleinen und großen Hüter der Schwelle kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. (Siehe dazu meinen Beitrag »Schwellenerlebnisse der Seele« in: Straube/Hasselberg: »Schwellenerlebnisse, Grenzerfahrungen«, Stuttgart 1994, S. 309-342). Es ließe sich aber zeigen, dass das Kapitel über die Spaltung der Persönlichkeit eine ideelle Metamorphose des achten Kapitels der »Philosophie der Freiheit« ist, das die Differenzierung der Faktoren des seelischen Lebens behandelt, das Kapitel über den kleinen Hüter eine Metamorphose des dritten Kapitels in Verbindung mit dem dreizehnten, und das Kapitel über den großen Hüter der Schwelle eine Metamorphose des fünften Kapitels in Verbindung mit dem zwölften.
Vorheriger Beitrag: Der esoterische Schulungsweg der Anthroposophie im Frühwerk Rudolf Steiners – II