Himmel und Hölle im Menschen

Zuletzt aktualisiert am 10. Dezember 2015.

Mohammad Khan Karim Kirmani

Mohammad Khan Karim Kirmani (1809-1870)

Der zweite Nachfolger Ahmad al-Ahsa’is in der Leitung der Schaichi-Schule war Hāddsch Muhammad Karīm-Khān Kirmāni (1809-1870). Sein Vater, der Gouverneur von Kerman und Belutschistan, ein Cousin des damals regierenden Schahs, gründete in Kerman eine noch heute seinen Namen tragende Madrasa. Karīm-Khān Kirmāni verfasste im Laufe seines Lebens über 270 Bücher. In einer autobiografischen Skizze berichtet er, seine Maxime sei es gewesen, über jedes Buch, das er gelesen habe, selbst ein Buch zu schreiben. Sein universeller Geist und die Reichweite seiner Interessen veranlasste Corbin, ihn mit Goethe zu vergleichen. Seine in Persisch und Arabisch verfassten Werke umfassen eine ganze Enzyklopädie: Philosophie, schīitische Theosophie, spirituelle Deutung des Koran und des hadīth, Medizin, Optik, Physik, Astronomie, Theorie des Lichtes, Musik, Farbenlehre, Alchemie und okkulte Wissenschaften. Es folgen Auszüge aus seinem Werk Irschād al-ʿawāmm (»Spirituelle Anleitungen für die Gläubigen«, gedruckt 1935, übersetzt aus Corbins Buch »Spiritual Body and Celestial Earth«).

Manches gibt es in dieser Welt, das dem Körper des Menschen zufällig anhaftet, das ihm nicht von Natur aus innewohnt oder dessen integraler Bestandteil ist. Du solltest verstehen, dass dieses Zufällige nicht mit dem Leib auferstehen muss. Allein der individuelle, urbildliche Leib wird von den Toten auferstehen; diesen allein betreffen alle »Belohnungen« und »Strafen«. Dieser urbildliche, individuelle Leib erhält sich durch alle Entwicklungsstadien, von der frühesten Kindheit bis ins höchste Alter. Oder besser, er ist schon im Samen und in allen folgenden Stadien anwesend: im Embryo, dem Augenblick der Geburt, beim ersten Atemzug usw. Dieser Körper besitzt eine räumliche Ausdehnung, Farbe, Gestalt und einen inneren Aufbau, wie die anderen Körper auch, aber als Urbild bleibt er durch alle Veränderungen hindurch mit sich identisch, während all die zufälligen Eigenschaften dieser Welt unwesentlich sind, kommen und gehen. Dieser individuelle urbildliche Leib ist der Leib der Auferstehung, von dem es heißt, er trete ins Paradies oder die Hölle ein. …

Das Paradies des wahrhaft Gläubigen ist sein eigener Leib. Seine tugendhaften Handlungen sind seine Bäume, klaren Gewässer, Schlösser und Huri. Die Hölle des Ungläubigen ist ebenfalls sein eigener Leib; seine hasserfüllten Handlungen sind seine Feueröfen, seine Monster, seine Schlangen, Hunde, Drachen usw. Du wirst vielleicht glauben, ich verwandelte unter dem Vorwand einer spirituellen Auslegung alles in Allegorien. Du wirst dich vielleicht fragen, wie der Leib eines Gläubigen, dieser Leib von geringer Größe, sein Paradies sein kann, wenn dem Gläubigen ein Paradies versprochen wird, das tausendmal größer ist als diese Welt? Und wie der Leib des Ungläubigen seine Hölle sein kann, wenn die Hölle unermesslich ist und Abgründe und feurige Berge enthält? Gott möge es verhindern, dass ein Philosoph ohne Vernunft und Sinn spricht! Merke also auf, um die Realität und wahre Bedeutung dessen zu begreifen, wovon wir reden.

Du weißt bereits, dass der wahrhaft Gläubige einen Leib besitzt, der auch gewisse zufällige Eigenschaften an sich trägt. Alles, was man auf dieser Erde mit physischen Augen sehen kann, ist zufällig, eine bloße Färbung und Erscheinung, die durch verschiedene Stufen hindurchgehen, die entstehen und vergehen, ohne dass es ein integraler Bestandteil des essentiellen oder urbildlichen Leibes wäre. Dieser Leib, den du jetzt mit Augen siehst, mit seiner materiellen Ausdehnung, ist der zufällige Leib; er ist kein integraler Bestandteil des wesentlichen Leibes. Der wesentliche oder urbildliche Leib von Zayd zum Beispiel, wird durch seine Erkenntnis, sein Verständnisvermögen, sein spirituelles Bewusstsein, sein moralisches Verhalten geformt; denn je mehr sein spirituelles Bewusstsein entwickelt ist, je edler sein moralischer Charakter, um so edler wird auch sein wesentlicher Leib sein. Nun, je edler dieser Leib wird, um so mehr nimmt er an Größe zu. So also ist die Größe des Paradieses des wahrhaften Adepten durch seine Erkenntnis, sein spirituelles Bewusstsein und sein moralisches Verhalten bestimmt. Je »gnostischer«, gläubiger und vollkommener er ist, um so größer erscheint sein Paradies und so mehr wächst sein urbildlicher Leib. Der Umfang des Paradieses eines Gläubigen kann siebenmal größer sein, als diese irdische Welt; bei einem anderen zehnmal größer, bei einem weiteren eine Million mal größer. Ein jeder schafft sich einen Aufenthaltsort, der dem Maß seiner spirituellen Kraft entspricht.

Deswegen ist der wesentliche oder urbildliche Leib des gläubigen Adepten in der Tat die Erde seines Paradieses, ebenso, wie der Leib des Ungläubigen die Erde seiner Hölle ist. Die Begrenztheit dieses Ortes, sein schäbiger Schmutz, seine verdichtete Finsternis, das Leiden, das ihm dort widerfährt, stehen in direktem Verhältnis zu seinem Unglauben und seiner Entfremdung vom einen Gott. Verstehe, was ich sagen will! Niemand vermag sich selbst zu entkommen, aus sich herauszutreten; niemand wird zu jemand anderem; nichts wird zu etwas anderem als es bereits ist.

Rede dir nicht ein, dass der Zustand, den ich gerade beschrieben habe, nicht jener ist, von dem wir durch die göttliche Offenbarung Kenntnis erlangt haben. Ich rufe Gott als Zeugen an! Das Paradies bietet Huris, Schlösser, grüne Gewächse und klare Gewässer in Fülle – wie es im offenbarten Buch beschrieben wird – aber nicht so, wie deine Fantasie sie dir vormalt! Wir sind nicht die Gemeinschaft der Fantasie; wir sind die Gemeinschaft des Propheten, wir folgen dem Buch der Tradition. Oder bemerkst du nicht, dass du, wenn du das Wort »Baum« im Koran liest, dir diesen Baum genauso vorstellst, wie die Bäume, die du um dich herum siehst? Nun, es gibt einen Vers, der erklärt: »Ihre Früchte sind unten« (69:23), was bedeutet, dass die Kronen der Bäume im Paradies unten sind. Seine Heiligkeit, das Oberhaupt der Gläubigen, unser erster Imām, bemerkt dazu: »Die Bäume im Paradies wachsen anders herum, als die Bäume hier auf der Erde. Die Bäume im Paradies haben ihre Wurzeln oben und ihre Zweige unten.« Und wenn du die Worte »klare Gewässer« hörst, dann stellst du dir einen Fluss wie in dieser Welt vor, während es heißt, der Tasnīm (83:27) ströme von oben in die Wohnstätten der Menschen im Paradies herab. Daher muss ich diese Fragen in Übereinstimmung mit dem offenbarten Buch und unserer Tradition behandeln, und nicht so, wie unsere Fantasie es wünscht.

Deshalb erkläre ich, dass der wesentliche oder urbildliche Leib des gläubigen Adepten selbst sein Paradies ist. Er weilt in seinem eigenen Paradies, auch schon in dieser Welt, ebenso wie in der Welt, die da kommen wird. Der urbildliche Leib des Ungläubigen ist seine Hölle; er wohnt in seiner eigenen Hölle, in dieser Welt so gut als in jener, die da kommen wird. Hast du nicht gehört, dass gesagt wurde, der »Ton«, aus dem der wahrhaft Gläubige gemacht ist, sei aus der Erde des Paradieses entnommen, während der »Ton« des Ungläubigen aus der Erde seiner Hölle stammt? Einem jeden kann nur gegeben werden, was er aufzunehmen vermag und was von derselben Art ist, wie der »Ton«, aus dem er gemacht wurde. Niemand wird Belohnung oder Bestrafung zuteil, die über das Maß seiner Möglichkeiten hinausgeht. Am ersten Tage schon wurde einem jeden der letzte Tag gegeben. Wenn er in der vorirdischen Welt, der Welt der geistigen Keimgründe, ein gläubiger Adept war, dann war er schon dort einer Belohnung würdig und ihm wurde ein entsprechender Anteil der Erde des Paradieses gegeben. Und wenn er Strafe verdiente, dann wurde ihm ein entsprechender Anteil der Erde der Hölle gegeben. Kein wahrhaft Gläubiger wird in dieser Welt noch gläubiger, als er es schon in jener war. Kein Ungläubiger wird ungläubiger, als er es schon in jener war. Einem jeden wird gegeben, was seinem Glauben oder Unglauben gebührt.

Nachdem dies klargestellt ist, müssen wir hinzufügen, dass das Paradies acht Ebenen enthält und die Hölle sieben. Viele wahrhaft Gläubige befinden sich auf der ersten Ebene des Paradieses; viele auf der zweiten Ebene und so bis zur achten hinauf. Ebenso befinden sich viele Ungläubige im ersten Kreis der Hölle, andere im zweiten, und so weiter bis zum siebenten. Der Grund dafür ist, dass der Herr der Welten »acht Hände voll Himmel« in den urbildlichen Leib des Gläubigen eingefügt hat, acht »Hände voll« von jener Urstofflichkeit, aus denen die Himmel dieses Kosmos bestehen. Sein Leib enthält eine »Handvoll« von jenem Stoff, aus dem der erste Himmel (des Mondes) besteht und sein Ätherleib (rūh, pneuma) wurde aus dieser Handvoll geformt; eine Handvoll des Stoffes des zweiten Himmels (des Merkur), aus dem auch seine meditative Kraft besteht; seine Kraft der Imagination wurde aus einer Handvoll des dritten Himmels (Venus) geformt; eine Handvoll des vierten Himmels (der Sonne) bildete seinen »wesenseigenen« Leib; eine Handvoll des fünften Himmels (Mars) bildete seine Vorstellungskraft; eine Handvoll des sechsten Himmels (Jupiter) seine Erkenntniskraft; eine Handvoll des siebten Himmels (Saturn) seinen individuellen Geist; eine Handvoll des achten Himmels (Fixsternhimmel) bildete sein Herz. Und schließlich enthält sein Leib eine Handvoll des Stoffes, aus dem der Thron besteht (das Empyreum), aus diesem wurde sein wesentliches, grundlegendes Sein gebildet.

Wenn nun der Gläubige seinem Ätherleib folgt, und sich in ihm nichts Höheres manifestiert, dann befindet er sich auf der ersten Ebene des Paradieses. Wenn er seiner meditativen Kraft folgt, auf der zweiten Ebene usw. Welcher Wesensschicht er folgt, die sich in ihm manifestiert und seinen spirituellen Rang bestimmt, davon hängt die Ebene des Paradieses ab, auf der er sich befindet. Jede höhere Ebene ist gegenüber der darunter liegenden wie der gewaltige Horizont, der sich in der Wüste ausbreitet, verglichen mit dem Ort, an dem du gerade stehst. Die unterste Ebene des Paradieses ist immer noch siebzigmal größer als unsere gesamte irdische Welt.

Ebenso enthält der Leib des Ungläubigen »sieben Handvoll Erde«, sieben Handvoll der Kreise der Hölle (Siddschīn). Die erste gehört zur Erde des Todes, die zweite zur Erde der eingeborenen Neigungen, die dritte zur Erde der Natur, die vierte zur Erde der Lust, die fünfte zur Erde des Zorns, die sechste zur Erde der Verirrung, die siebente zur Erde der Greuel. Wenn also die Quelle des negativen Verhaltens des Ungläubigen die erste »Handvoll Erde« ist und die zweite sich in ihm nicht manifestiert, dann bewohnt er den ersten Kreis der Hölle. Wenn die Quelle die zweite Handvoll ist, und die dritte sich nicht manifestiert, bewohnt er den zweiten Kreis der Hölle. Und so weiter: je weiter man absteigt, um so enger und jämmerlicher wird es. So folgt ein jeder seiner grundlegenden Natur bis er zu seinem Ursprung zurückkehrt …

Wisse, dass jedes Geschöpf zwei Antlitze oder Dimensionen besitzt; das eine ist das göttliche Antlitz, das andere ist das Antlitz der Selbstsucht. Mit »göttlichem Antlitz« ist nicht gemeint, dass die Geschöpfe Gott sind, sondern dass sie ein Antlitz Gott zuwenden, der das Licht, das Gute, die Vollkommenheit ist, denn ein jedes Geschöpf trägt einen Abdruck des göttlichen Willens in sich, aus dem es hervorgegangen ist, und da der göttliche Wille Licht, das Gute und die Vollkommenheit ist, ähnelt der Abdruck natürlich dem, was diesen Abdruck hinterlassen hat. Das andere Antlitz des Geschöpfes ist jenes, das es sich selbst zuwendet und hier findet sich Dunkelheit, Unvollkommenheit und das Böse. Alle Geschöpfe besitzen diese zwei Antlitze. Je näher sie aber dem göttlichen Urgrund stehen, um so mehr quellen sie von Licht über und um so geringer ist der Anteil der Dunkelheit in ihnen. Je weiter sie von diesem Urgrund entfernt sind, um so dichter wird die Finsternis und um so schwächer das Licht. Auf der einen Seite ist alles Licht auf der Ebene, wo es dem göttlichen Urgrund am nächsten steht; dort ist die Dunkelheit nur ein Hauch, ihre Wirkung erschöpft; sie ist nur ein Wassertropfen im Ozean. Auf der anderen Seite ist alles Finsternis auf der Ebene, die am weitesten vom göttlichen Urgrund entfernt ist; dort bleibt nur ein Atom des Lichtes übrig.

Licht und Finsternis kann man sich als zwei sich überschneidende Dreiecke vorstellen, wie im folgenden Diagramm. Das obere Dreieck ist das Dreieck des Lichtes; die obere Basis dieses Dreiecks ist das Licht, das dem göttlichen Urgrund am nächsten steht; an einem Punkt wird es von der Spitze des Dreieckes der Finsternis berührt.schema

Die Basis des unteren Dreiecks – des Dreiecks der Finsternis – ist vom göttlichen Urgrund denkbar weit entfernt; an einer Stelle wird es von der Spitze des Dreiecks des Lichtes berührt. Aber je mehr man absteigt, um so mehr nimmt das Licht ab und die Finsternis zu, bis am unteren Ende die Finsternis vorherrscht; es bleibt nur die Spur eines Atoms des Lichtes. Mit der aufsteigenden Bewegung schwindet die Finsternis und das Licht nimmt zu, bis man den Punkt der größten Nähe zum göttlichen Urgrund erreicht … In der Mitte befinden sich Licht und Finsternis im Gleichgewicht. Dadurch kann man verstehen, dass in einem Geschöpf, das aus einer »Handvoll Stoff« aus dem oberen Zentrum geformt ist, das Licht über die Dunkelheit herrscht, während in einem Geschöpf, das aus einem »Handvoll Stoff« aus dem unteren Zentrum geformt ist, die Dunkelheit herrscht.

Die vollendete Tat ist ihre eigene Belohnung und die Belohnung ist die vollendete Tat. Wie auch immer, man muss hinzufügen, dass in dieser Welt Taten und Handlungen äußerlich sichtbar sind, während sie in der anderen Welt eine ganz andere Form annehmen. Manche nehmen die Gestalt von Schlössern an, andere die Gestalt von Huris, Pflanzen, Bäumen, Flüssen, Vögeln, Kamelen oder Pferden. All diese Dinge sind Eigenschaften und Qualitäten des Menschen selbst; sie sind die äußeren Manifestationen seines inneren Wesens. Denn alle sind in jener anderen Welt, wo sie zu seiner Umgebung werden und seine Belohnung darstellen … Früher haben wir beschrieben, wie Taten und Handlungen diese Formen annehmen, und manchmal zu Mineralen, manchmal zu Pflanzen, zu Huris und Gefährten im Paradies werden, oder im anderen Fall, zu seinen Gefährten in der Hölle …

Wenn gesagt wird, dass das Paradies im Himmel und die Hölle auf der Erde ist, dann deswegen, weil der Mensch zwei Dimensionen besitzt: eine Dimension des Lichtes und eine Dimension der Finsternis. Seine Dimension des Lichtes ist der Himmel seines Wesens; seine Dimension der Finsternis ist die Erde seines Wesens. Jede fromme Handlung eines Menschen entspringt seiner Dimension des Lichtes. Dann ist er ganz und gar Licht, himmlisch, ätherisch. Dagegen kommen sein Verrat und seine Weigerung aus der Dimension der Finsternis; er ist dann ganz und gar dunkel, irdisch, dicht und undurchsichtig. Wenn es also heißt, das Paradies sei im Himmel, dann deswegen, weil es die Dimension des Lichtes und des Guten ist, die Dimension, durch die wir uns dem Göttlichen annähern; dagegen ist die Hölle auf der Erde, weil sie die Dimension der Finsternis und des Bösen ist, die Dimension der größten Entfremdung vom Göttlichen.

Nun, das Paradies schließt acht Ebenen ein; die Hölle sieben. Jede dieser Ebenen enthält verschiedene umgrenzte Gebiete oder Gehäuse; allerdings gibt es eine Ebene des Paradieses, die keine unterschiedlichen Gebiete enthält. Insgesamt gibt es in der anderen Welt 29 solche Gehäuse; 15 sind ursprünglich, 14 von diesen abgeleitet.

Für den Menschen gibt es 15 Ebenen; acht gehören der Dimension des Lichtes an, die als ʿIllīyūn bezeichnet wird; sieben andere der Dimension der Finsternis, die als Siddschīn bezeichnet wird. Eine Ebene der Dimension des Lichtes ist die Heimat jener »Handvoll Himmel« im Menschen, die dem achten Himmel entstammt (dem Fixsternhimmel), aus dem das Herz des Menschen geschaffen wurde. Die zweite gehört zum Himmel des Saturn, aus dem sein individueller Geist geschaffen wurde. Die dritte zum Jupiter, aus dem seine Erkenntniskraft stammt. Die vierte zum Mars, aus dem seine Vorstellungskraft gebildet wurde. Die fünfte zur Sonne, aus der sein »wesenseigener« Leib stammt. Die sechste zur Venus, aus der seine Imaginationskraft hervorgeht. Die siebente zum Merkur, dem er seine Meditationskraft verdankt. Die achte schließlich gehört zum Mond, aus dem die Lebenskraft des Menschen hervorgeht. Das sind die acht Ebenen der Wohnstätten des Lichtes des Menschen; diese sind seine lichte und göttliche Dimension; sie bilden seinen inneren Himmel, den Himmel im Menschen.

Mit Ausnahme der ersten »Handvoll Himmel« entsprechen diesen sieben »Handvoll Erde«, die im Menschen entspringen oder in einer der sieben Erden. Eine Handvoll entspringt der ersten Erde: aus ihr geht die äußere physische Erscheinung des Menschen hervor. Die zweite der zweiten Erde, aus der die angeborenen Neigungen des Menschen hervorgehen usw. Die dritte Erde bildet die Grundlage des physischen Temperamentes des Menschen. Die vierte die Grundlage der Lust, die fünfte die Grundlage der Raserei, die sechste die Grundlage der Verirrung, die aus der Entfremdung von Gott besteht; aus der siebenten wurde das Böse im Menschen geschaffen. Diese sieben Kategorien entsprechen den sieben Kategorien des Himmels. Dem achten Himmel entspricht nichts auf Erden, da es nur sieben Erden gibt, so wie es auch nur sieben Himmel gibt; denn der sogenannte achte Himmel ist in Wirklichkeit kein Bestandteil der Himmel; er ist eine der Schwellen des göttlichen Geheimnisses, des Unsichtbaren. Ebenso wie auch der Thron, das Empyreum, eine der Schwellen des göttlichen Geheimnisses ist und kein Bestandteil der himmlischen Sphären.

Auf diese Weise haben das Universum der sieben Himmel und der sieben Erden ihre wechselseitigen Entsprechungen im Menschen. Natürlich bedeutet der Ausdruck ein »Handvoll Himmel« nicht, dass ein materieller Teil aus diesen Himmeln entnommen wurde. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, in welchem Ausmaß der Mensch an den Seelen der sieben Himmel teilhat, die in ihm sind (jener Teil des seelisch-geistigen Organs eines jeden Himmels, der ihm zuteil geworden ist). Die esoterische, seelisch-geistige Realität all dieser Himmel ist in der denkenden Seele der Welt zu suchen. Nun ist der Mensch aber die Ausstrahlung dieser Seele; sein ganzes Wesen bildet dieses Urbild ab. Deshalb trägt er auch eine »Handvoll« der esoterischen Realität eines jeden Himmels in sich.

Die Menschen unterscheiden sich grundlegend nach ihren spirituellen Wohnorten. Sie befinden sich keineswegs alle auf derselben Ebene. Wenn wir sagen, im Menschen befinde sich eine Handvoll von jedem Himmel, dann trifft dies nur auf den vollkommenen Menschen zu. Ebenso, wenn wir sagen, er trage eine Handvoll von jeder Erde in sich, trifft dies nur auf jenen zu, der den Zustand des vollkommenen Bösen erreicht hat. Der Durchschnittsmensch mag nur eine Handvoll eines einzelnen Himmels in sich tragen; ein anderer eine Handvoll von zwei Himmeln, ein anderer von drei oder vier usw. Von sechs oder sieben, wenn er zum Volk des Lichtes und des Guten gehört. Wenn er aber zum Volk der Finsternis und des Bösen gehört, kann er nur eine Handvoll einer Erde in sich tragen, oder eine Handvoll von mehreren Erden.

Wenn nun im Menschen eine »Handvoll Himmel« ist und er sein Leben dank diesem dem frommen Dienst am Göttlichen widmet, dann werden all seine Handlungen und Taten am Tage der Auferstehung gesammelt und in anderer Form auf jener Ebene erscheinen, die dem zugehörigen »Handvoll Himmel« entspricht. Wenn diese Handvoll zum Beispiel zum ersten Himmel gehört, dann werden all seine Handlungen von der Qualität des ersten Himmels geprägt sein. Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Himmel usw. Wer die Qualität eines bestimmten Himmels in sich trägt, wird diese in seinen Handlungen zum Ausdruck bringen. Wer zwei verschiedene Himmel in sich trägt, wird auch diese zwei Himmel widerspiegeln. Wer sieben Himmel in sich trägt, wird sieben Himmel zum Ausdruck bringen. Natürlich sind die Handlungen, die aus der Handvoll des zweiten Himmels entspringen edler, als jene, die aus dem ersten Himmel entspringen. Die also, die aus dem siebten Himmel entspringen, sind die edelsten von allen. Siehst du nicht, dass der individuelle Geist (nous) edler ist, als die Seele, und dass ebenso edler ist, was dem Geist entspringt, als was der Seele entspringt, so wie die Seele ihrerseits edler ist, als deine physische Natur? Und so verhält es sich für jeden Himmel und seine jeweiligen Qualitäten.

Die »Himmel deines Wesens« sind also diese (die »acht Wohnstätten des Lichtes« deines Wesens). Das Paradies eines jeden entspricht vollkommen seiner Natur. Es besteht aus den Handlungen und Taten eines Menschen, die in der anderen Welt in der Form von Huris, Schlössern und grünen Bäumen erscheinen werden. Deswegen ist das Paradies eines jeden im Himmel seines Wesens; es ist vollumfänglich sein eigenes Paradies, niemand anders hat daran teil. Wie Gott in seinem Buch gesagt hat: »Und darin wird alles sein, was die Herzen begehren und woran die Augen sich ergötzen« (43:71). Es gibt eine Ebene des Paradieses, die der Aufnahmebereitschaft und dem Verhalten jedes einzelnen entspricht. Einer wohnt im ersten Himmel, ein anderer im zweiten usw.

Die acht Schwellen des Paradieses stellen acht weitere Ebenen dar. Ein jeder tritt über eine Schwelle ein, die seinem spirituellen Rang und den Werken entspricht, die er vollbracht hat. Wie der erste Imām sagt: »Das Paradies hat acht Schwellen. Der Prophet und seine Imāme treten über eine dieser Schwellen. Die Imāme der Familie des Propheten über eine andere Schwelle. Unsere schīitischen Adepten und unsere Freunde über fünf weitere Schwellen. Gewöhnliche Muslime, die Zeugnis für den einen Gott abgelegt haben und in ihrem Herzen kein Atom des Hasses gegen uns, die wir zur Heiligen Familie gehören, genährt haben, treten über die letzte Schwelle ein.«

Ein jeder von uns kehrt also in jenen Himmel zurück, aus dem der »Ton« genommen wurde, aus dem er gebildet ist und zu dem er gehört. Seine Handlungen und Taten werden in diesem Himmel gesammelt und dort werden sie ihm in anderer Form, der Form der Auferstehung, erscheinen. All seine Handlungen bilden seine Umgebung, sie werden zu seinem Paradies. Daher steigen die Werke des gerechten Mannes auf, bis sie ihren Himmel erreicht haben, weil sie aus diesem Himmel entsprungen sind; dieser ist ihr Ursprung und ihre wahre Realität; umgekehrt steigen böse Handlungen zur Erde herab, bis sie bei der Erde ihres Ursprungs angelangen, dem Kreis der Hölle, aus dem sie hervorgegangen sind und in den sie zurückkehren … Acht Ebenen des Paradieses gibt es, wie gesagt. Die achte gehört dem Propheten und den zwölf Imāmen. Es ist das »Paradies der Geborgenheit« (53:15), der »Garten Eden« (18:30), die in jenem achten Himmel zu finden sind, welcher der »Lotusbaum am äußersten Ende« (53:14) genannt wird. Da der achte Himmel zur allerheiligsten Seele der Welt gehört, deren Kind die Seele des Menschen ist und da die Seele der Welt der »Ort« der Erkenntnis ist, hat diese Seele viele Zweige. Sie ist der Baum und der Lotus, der als »Lotus am äußersten Ende« bezeichnet wird. Dort befindet sich das »Paradies der Geborgenheit«, das den Propheten gehört. Das »Dach« dieses Paradieses ist der Thron, wie ein hadīth sagt: »das Dach des Paradieses ist der Thron des Barmherzigen«.

Nun, für diese Ebene gibt es keinen Gegensatz, da es zum Propheten und den Imāmen, ontologisch gesprochen, keinen Gegensatz gibt. Ontologisch erscheinen Gegensätze nur auf der Ebene unserer Existenz, das heißt, auf der Ebene der Schīiten und der wahrhaft Gläubigen. Deshalb ist auch der Widersacher im wahren ontologischen Sinn der Gegner der Schīiten oder der Adepten der heiligen Imāme. Aber sie selbst, das heißt, die Propheten und Imāme, haben keinen Gegensatz oder Gegner im wahren Sinn des Wortes, weil die Gegner unter ihnen stehen. Ontologisch stehen sie auf der universellen Ebene, auf der alles ganz wird und was ein Ganzes darstellt, kann keinen Gegensatz haben. Alles, was nur Teil oder teilbar ist, kann auch einen Gegensatz haben. Deswegen steht dieser Ebene des Paradieses auf der Seite der Hölle kein Gegenstück gegenüber. Im Gegensatz dazu haben die anderen sieben Ebenen – die zu den wahrhaft Gläubigen und den Muslimen im allgemeinen in Beziehung stehen – Gegenstücke auf seiten der Hölle.

Manche Autoren ordnen diese acht Ebenen des Paradieses wie folgt an: die Paradiesesgärten (18:107) im achten Himmel; die hochgelegenen Gärten (69:22); die Gärten der Wonne (10:9); die Gärten von Eden (18:25), denen nichts auf seiten der Hölle entspricht; die Gärten der Stätte der Sicherheit (44:51); die Gärten der Ewigkeit (50:33); die Gärten der Zuflucht (32:19); die Gärten des Ortes des Friedens (6:127). Die Kreise der Hölle werden von manchen Autoren wie folgt angeordnet: Hölle (Gehenna, 3:169); das flammende Feuer (70:15); das verzehrende Feuer (104:4-5); die Feuerschale (67:5); das verwüstende Feuer (74:26-27); der Glutofen (79:39); der Abgrund (101:6). Andere Autoren behaupten, der Glutofen sei die höchste Ebene, die Hölle (Gehenna) die tiefste, aber ich kenne keinen hadīth, der diese Anordnung unterstützt, auch wenn all diese Namen im Buch und in der Tradition erscheinen.

Kurz: ebenso wie es im vollkommenen Menschen sieben »Handvoll Himmel« gibt, die aus den sieben Himmeln stammen, so gibt es im »vollkommen bösen Menschen« sieben »Handvoll Erde«, die aus den sieben Erden stammen, während die durchschnittlichen Menschen unterschiedliche Teile aus beiden Welten in sich tragen.

Die sieben Ebenen des Paradieses strahlen auf sieben unterschiedliche Arten, d.h., ein jeder Himmel in der Art, die ihm entspricht, so wie das Strahlen der Sonne ihrem Wesen entspricht. Diese sieben Arten des Lichtes bilden sieben Gehäuse oder Hüllen für die sieben Paradiese. Aber das achte Paradies besitzt keine Hülle, da es allumfassend ist und ganz macht. Nun, was ganz macht, unterscheidet sich von allem, was nur eine Teilfunktion erfüllt und einen Teil des Lichtes enthält. Alles, was aus dem Licht des wahrhaft Gläubigen hervorstrahlt und für das Paradies geeignet ist, hat seine Heimat in diesen umgrenzten Gebieten oder Gehäusen, und nicht im eigentlichen Paradies, da das Licht, das von einer Quelle ausstrahlt, nicht dasselbe ist, wie die Quelle des Lichtes …

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