Der Streit um die Herdenimmunität

Zuletzt aktualisiert am 6. Juni 2021.

Dass die WHO ihre Definition des Pandemiebegriffs im Mai 2009 geändert hat, dürfte so allgemein bekannt wie umstritten sein. Inzwischen gehört auch die Herdenimmunität zu den umkämpften Konzepten der Epidemiologie. Im Streit um die Herdenimmunität stehen sich zwei Fraktionen gegenüber, die sich gegenseitig vorwerfen, »unwissenschaftliche« und »unethische Konzepte« zu vertreten. Doch werfen wir einen Blick zurück.

Der Streit um die Herdenimmunität

Screenshot aus Game of Thrones. Jon Snow sieht dem ewigen Winter entgegen. © HBO.

Seit 2003 fand sich, wie Peter Doshi, Mitherausgeber des British Medical Journal (BMJ), in einem 2011 veröffentlichten WHO-Bulletin schrieb[1], auf der Pandemic-Preparedness-Netzseite der Weltgesundheitsorganisation die folgende Aussage: »An influenza pandemic occurs when a new influenza virus appears against which the human population has no immunity, resulting in several simultaneous epidemics worldwide with enormous numbers of deaths and illness.«[2] Zu deutsch: »Eine Grippe-Pandemie tritt auf, wenn ein neues Grippevirus erscheint, gegen das die Menschheit keine Immunität besitzt, was zu mehreren gleichzeitigen Epidemien mit einer enormen Zahl von Toten und Erkrankungen weltweit führt.«

Diese Definition (oder Beschreibung) stand nicht nur in der Webpräsenz der WHO, sondern fand sich auch in zahlreichen Dokumenten, die die Organisation während dieser Zeit publizierte.[3]

»Am 4. Mai 2009«, so Doshi weiter, »knapp einen Monat bevor die H1N1-Pandemie[4] ausgerufen wurde, wurde die Webseite aufgrund der Nachfrage eines Journalisten geändert.[5] Die Worte ›mit einer enormen Zahl von Toten und Erkrankungen weltweit‹ wurden entfernt, und in der neuen Fassung hieß es lediglich: ›An influenza pandemic may occur when a new influenza virus appears against which the human population has no immunity.‹ [Eine Grippe-Pandemie kann eintreten, wenn ein neues Grippevirus erscheint, gegen das die Menschheit keine Immunität besitzt.] Monate später sollte der Europarat diese Änderung als Beweis dafür zitieren, dass die WHO ihre Definition der Grippe-Pandemie geändert hatte, um eine Pandemie ausrufen zu können, ohne die Schwere der Erkrankungen, die durch H1N1 hervorgerufen wurde, nachweisen zu müssen.«[6][7]

Tatsächlich erklärte die WHO die Schweinegrippe am 11. Juni 2009 zur Pandemie. Zu diesem Zeitpunkt war die Zahl der Todesopfer laut Margaret Chan, der Direktorin der Weltgesundheitsorganisation, gering. Die WHO beobachtete oder erwartete, wie Chan 2010 erklärte, auch »keine plötzliche oder dramatische Zunahme von Zahl und Schwere der Infektionen«.[8] Aufgrund der alten Beschreibung oder Definition hätte keine Schweinegrippe-Pandemie ausgerufen werden können. Der Vorwurf, die Weltgesundheitsorganisation habe die Pandemiedefinition geändert, »um sie (zum Vorteil der Pharma-Industrie) mit einem weniger schweren Ereignis in Einklang zu bringen« wurde von der Generaldirektorin in ihrer Stellungnahme zurückgewiesen.[9] Gleichwohl wurde durch die Streichung der Bedingung »einer enormen Zahl von Toten und Erkrankungen weltweit« die Schwelle zur Ausrufung einer Pandemie deutlich abgesenkt.

Definition der Herdenimmunität

Nunmehr erleben wir ein Déjà-vu. Diesmal geht es allerdings nicht um die Pandemie-Definition, sondern um einen Streit über die Herdenimmunität.

Der Begriff setzt die Betrachtung einer Bevölkerungsgruppe (Population) als Herde voraus und verrät seine Herkunft aus der Veterinärmedizin. So fragwürdig die Anwendung des Begriffs auf menschliche Populationen auch ist, erklärt er doch die empirische Beobachtung, dass die Ausbreitung mancher viraler Erkrankungen nach einer gewissen Zeit zurückgeht. In Wikipedia findet sich derzeit noch die klassische Definition: »Herdenimmunität (von englisch herd immunity) bezeichnet in der Epidemiologie eine indirekte Form des Schutzes vor einer ansteckenden Krankheit, der entsteht, wenn ein hoher Prozentsatz einer Population bereits immun geworden ist – sei es durch Infektion oder durch Impfung –, sodass sich die Ausbreitungsmöglichkeiten des Erregers innerhalb der Population insgesamt vermindern. Daraus ergibt sich indirekt ein erhöhter Schutz auch für die nicht-immunen Individuen.«[10]

Herdenimmunität ist eine Folge der individuellen Immunität, ohne diese könnte es auch jene nicht geben. Zugrunde liegt der Idee der individuellen Immunität die darwinistische Vorstellung[11], dass uns stärker macht, was uns nicht umbringt – oder, aus der Sicht des Virus gesprochen – dass es in dessen Interesse ist, seinen Wirt am Leben zu lassen. Denn wenn er diesen tötet, kann er sich selbst nicht mehr verbreiten und damit auch nicht mehr vermehren. An Viren, die wir überleben, lernen wir, gleichartige oder verwandte Viren ebenfalls zu überleben, mit anderen Worten, wir werden immun gegen sie – es sei denn, wir erliegen der »Antigen-Erbsünde«.[12] Durchlaufen genügend Menschen diese Erfahrung, hört das Virus auf, pandemisch zu sein und wird endemisch, es lebt in einer Population und diese mit ihm, in einem labilen Gleichgewicht, die für beide Seiten von Vorteil ist, den »Krankheitserreger« und den Wirt. Dieses erworbene (adaptive) Gleichgewicht, ein Teil unseres Immungedächtnisses, überträgt sich zum Teil durch die Vererbung des Viroms auch auf die nachwachsenden Generationen (Nestschutz). Je mehr Menschen mit individueller Immunität es gibt, um so weniger werden krank und können andere anstecken. Durch die Ausbreitung der individuellen Immunität nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass wir überhaupt noch jemandem begegnen, der uns anstecken könnte.

Die Weltgesundheitsorganisation hat am 12. Oktober ihre Definition dieses Kernbegriffs der Immunologie geändert. Herdenimmunität soll nicht mehr auf natürlichem Wege erworben werden – indem Infektionskrankheiten durchlebt und überlebt werden –, sondern nur noch durch Impfungen, denn im Unterschied zum natürlichen Weg, der zu Immunität aufgrund einer Erkrankung führt, haben Impfungen laut ihrem Generaldirektor den Vorteil, dass sie nicht krank machen!

Hier ein Bildschirmfoto der WHO-Netzseite vom 9. Juni 2020 mit den ursprünglichen Ausführungen über die Herdenimmunität:

Der Streit um die Herdenimmunität

»Was ist Herdenimmunität?

Herdenimmunität ist der indirekte Schutz vor einer Infektionskrankheit, die entweder durch Impfung oder aufgrund früherer Infektionen entsteht. Das bedeutet, dass selbst Menschen, die nicht infiziert wurden oder bei denen die Infektion keine Immunantwort hervorgerufen hat, geschützt sind, weil Menschen in ihrer Umgebung, die immun sind, als Puffer zwischen ihnen und einer infizierten Person wirken. Die Schwelle für das Erreichen einer Herdenimmunität bei COVID-19 ist noch unklar.«

Ein Screenshot vom 24. Dezember 2020 zeigt die Revision der bisherigen Definition (mit Datum vom 13.11.2020). Nun sieht es so aus, als ob der Mensch auf natürlichem Wege überhaupt keine Immunität mehr erwerben kann oder darf, sondern nur noch durch die Segnungen der Pharmaindustrie, sprich durch Impfungen.

Was ist Herdenimmunität

»Was ist Herdenimmunität?

›Herdenimmunität‹, auch bekannt als ›Immunität der Bevölkerung‹, ist ein Begriff, der für Impfungen gebraucht wird, und besagt, dass eine Bevölkerung vor einem bestimmten Virus geschützt sein kann, wenn eine bestimmte Schwelle der Durchimpfung erreicht ist.

Herdenimmunität wird erreicht, indem man Menschen vor einem Virus schützt und nicht, indem man sie dem Virus aussetzt. (…)«

Herdenimmunität soll mittels Durchimpfung erreicht werden, indem man Menschen vor einem Virus schützt, nicht, indem man sie diesem aussetzt. Impfungen funktionieren aber genauso: sie setzen Menschen einem abgeschwächten Krankheitserreger aus, um das Immunsystem zu sensibilisieren oder wie die WHO schreibt, zu »trainieren«. Sie greifen auf dasselbe natürliche System zurück, das auch ohne Impfungen vor Krankheitserregern schützt.

»Impfungen trainieren unsere Immunsysteme, Antikörper zu bilden, was auch geschehen kann, wenn wir einer Krankheit ausgesetzt sind, aber – und dies ist der entscheidende Unterschied – Impfungen wirken, ohne uns krank zu machen

Es scheint, als hätte die WHO noch nie etwas von Impfnebenwirkungen oder unerwünschten Impffolgen wie anaphylaktischen Schocks, Narkolepsie, dem Guillain-Barré-Syndrom oder der myalgischen Enzephalomyelitis gehört.

»Je mehr Menschen in einer Gemeinschaft geimpft werden«, fährt der Text fort, »um so weniger bleiben vulnerabel und um so weniger Möglichkeiten bleiben, ein Pathogen von Person zu Person zu übertragen. Die Möglichkeit der Verbreitung eines Pathogens in einer Gemeinschaft zu verringern, schützt jene, die aufgrund anderer schwerwiegender Krankheiten nicht geimpft werden können. Dies nennt man ›Herdenimmunität‹.

Herdenimmunität existiert, wenn ein hoher Prozentsatz der Population geimpft ist, was es Infektionskrankheiten erschwert, sich zu verbreiten, weil es nur noch wenige gibt, die infiziert werden können. (…)

Der Prozentsatz der Bevölkerung, der über Antikörper verfügen muss, um Herdenimmunität zu erreichen, ist je nach Krankheit unterschiedlich. Herdenimmunität gegen Masern zum Beispiel erfordert eine Durchimpfung von 95% der Bevölkerung. Die restlichen 5% sind aufgrund der Tatsache geschützt, dass sich die Krankheit unter den Geimpften nicht verbreiten kann. Bei Kinderlähmung beträgt der Prozentsatz um die 80 %.

Das Erreichen von Herdenimmunität durch sichere und wirksame Impfungen verringert Krankheitsfälle und rettet Leben.«

Die Ansprache des Generaldirektors der WHO vom 12. Oktober, auf die der Text verweist[13], zeigt den Hintergrund der neuen Definition. In ihr setzt sich Ghebreyesus mit etwas auseinander, was er als »Strategie der Herdenimmunität« bezeichnet. Genauer betrachtet, propagiert er jedoch selbst eine »Strategie der Herdenimmunität«, die im Gegensatz zu der anderen, die er ablehnt, durch systematische Impfungen erreicht werden soll. Die andere »Strategie«, die nicht auf Impfkampagnen setzt, verwirft er als »unethisch«, »unwissenschaftlich« und »gefährlich«. In Wahrheit dreht sich der Streit um die Frage, auf welchem Weg Herdenimmunität am besten zu erreichen ist. Oder welcher dieser Wege mit den geringsten Schäden verbunden ist.

»Es gab in letzter Zeit einige Diskussionen über das Konzept der Herdenimmunität, die dadurch erreicht werden soll, dass man dem Virus freien Lauf lässt. Herdenimmunität ist ein Konzept, das für Impfungen gebraucht wird und besagt, dass eine Population vor einem Virus dadurch geschützt werden kann, dass eine bestimmte Impfschwelle erreicht wird […]

Noch nie in der Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens wurde die Herdenimmunität als Antwortstrategie auf einen Ausbruch benutzt, erst recht nicht bei einer Pandemie. Sie ist wissenschaftlich und ethisch problematisch […]

Das Virus unkontrolliert zirkulieren zu lassen heißt, unnötige Infektionen, Leiden und Tod zuzulassen […]

Ein gefährliches Virus, das wir nicht völlig verstehen, frei zirkulieren zu lassen, ist schlicht unethisch. Es ist keine Option.«

Auf welche Diskussionen spielte Ghebreyesus in seiner Stellungnahme an?

Die Great Barrington Deklaration

Offensichtlich war sie eine Reaktion auf die »Great Barrington Declaration«, die am 4. Oktober 2020 von drei Epidemiologen veröffentlicht wurde, die in Harvard (Martin Kulldorf), Oxford (Sunetra Gupta) und Stanford (Jay Bhattacharya) forschen und lehren. Inzwischen haben der Deklaration, die ihren Namen vom Sitz des American Institute for Economic Research, dem Ort der Unterzeichnung, erhalten hat, rund 39.400 Ärzte, 13.045 Gesundheitswissenschaftler und 709.500 »besorgte Bürger« zugestimmt. Man kann diese Unterzeichner nicht einfach alle als »Coronaleugner« abtun.

Die drei Wissenschaftler haben sich in der Erklärung für einen gezielten Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen und gegen einen generellen Lockdown[14] ausgesprochen, da dieser weit verheerendere Auswirkungen auf die Gesellschaft und die öffentliche Gesundheit habe, als die Krankheit, gegen die er gerichtet sei. Zu diesen Auswirkungen gehörten, so die Verfasser, niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der seelischen Verfassung der Bevölkerung, Nebenwirkungen, die in den kommenden Jahren zu signifikanter Übersterblichkeit führen könnten. Die arbeitende Bevölkerung und die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft würden von diesen Folgen am härtesten getroffen. Kinder von der Schule fernzuhalten, sei eine schwerwiegende Ungerechtigkeit. Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis eine ausreichende Durchimpfung erreicht sei, werde irreparable Schäden verursachen.

Mittlerweile, so die Autoren, sei bekannt, dass besonders alte und gebrechliche Menschen gefährdet seien, an COVID-19 zu sterben. Je mehr sich in der Bevölkerung Immunität aufbaue, um so stärker seien auch die gefährdeten Personengruppen geschützt. Schließlich werde die Herdenimmunität erreicht. Diese könne durch Impfungen zwar unterstützt werden, sei aber nicht von ihnen abhängig. Ziel müsse daher sein, die Mortalität und den sozialen Schaden zu minimieren, bis diese Herdenimmunität erreicht sei.

Unter Abwägung von Nutzen und Schaden bestehe der »einfühlsamste Ansatz« zum Erreichen der Herdenimmunität darin, jenen, die ein minimales Sterberisiko hätten, ein normales Leben zu ermöglichen, damit sie durch natürliche Infektion Immunität aufbauen könnten, während die am stärksten Gefährdeten gezielt geschützt werden müssten (»focused protection«). Daher sollte sich das Gesundheitswesen darauf konzentrieren, Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu ergreifen. Solche Maßnahmen könnten darin bestehen, in Pflegeheimen Personal mit erworbener Immunität einzusetzen und häufige PCR-Tests bei Mitarbeitern und Besuchern durchzuführen. Personalwechsel könnten minimiert werden. Rentner sollten sich Lebensmittel nach Hause liefern lassen und Familienmitglieder eher draußen als in geschlossenen Räumen treffen.

Teile der Bevölkerung, die keines besonderen Schutzes bedürften, also deren Großteil, könnten bei Beachtung dieser Vorsichtsmaßnahmen sofort wieder ein normales Leben führen. Einfache Hygienemaßnahmen wie Händewaschen und Zuhausebleiben im Krankheitsfall seien zu ihrem Schutz ausreichend. Schulen und Universitäten dürften wieder zum Präsenzunterricht übergehen, Sport könne wieder aufgenommen werden. Junge Menschen mit geringem Risiko dürften wieder normal arbeiten, Restaurants und Geschäfte öffnen, Kunst, Musik und andere kulturelle Aktivitäten wieder aufgenommen werden. Selbst stärker gefährdete Menschen könnten an diesen Aktivitäten teilnehmen, wenn sie dies wünschten.

Das John Snow Memorandum

Gegen diese Vorschläge erhob sich umgehend Widerspruch. Das »unabhängige« Science Media Center, zu dessen größten Spendern 2019/20 AstraZeneca, Sanofi, GlaxoSmithKline, der Wellcome Trust und das UKRI[15] gehören, sammelte Gegenstimmen von »Experten«. Die US-amerikanische Gesellschaft für Infektionskrankheiten, zu deren größten Spendern laut letzter Übersicht (2018) Pfizer, Gilead, Biofire Diagnostics, ViiV Healthcare und Genentech gehörten[16], veröffentlichte eine kritische Pressemitteilung, nach der »Herdenimmunität keine Antwort auf Pandemien« sei. 31 Autoren[17] veröffentlichten in der Zeitschrift Lancet am 14. Oktober das »John Snow Memorandum«, in dem sie eine Strategie, die auf (natürlich erworbene) Herdenimmunität setze, als »gefährlichen Irrweg« bezeichneten. Mit »John Snow« ist nicht etwa der letzte Held gemeint, der in Game of Thrones den Mächten des ewigen Winters Widerstand leistet[18], sondern ein britischer Pionier der Epidemiologie aus dem 19. Jahrhundert. Federführend bei der Abfassung des Memorandums war Deepti Gurdasani, der an der vom britischen Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie finanzierten Organisation UKRI zu Gesundheitsdaten forscht und an der Queen Mary Universität London Maschinelles Lernen unterrichtet.

Die Autoren vertreten die These, eine »unkontrollierte Übertragung«[19] des Virus unter jüngeren Menschen werde zu erheblichen Gesundheitsschäden und zum Tod vieler Menschen führen. Die Epidemie könne nicht auf bestimmte Gruppen der Gesellschaft beschränkt werden. Es sei höchst unethisch, große Teile der Bevölkerung zu isolieren.[20] Auch junge Menschen seien von COVID-19 betroffen, möglicherweise über Jahre. Unklar sei, wie lange die Immunität anhalte.[21] Das Konzept der Herdenimmunität basiere auf lebenslangem Immunschutz, wenn aber nach einiger Zeit eine erneute Infektion möglich sei, könne sich das Virus endemisch ausbreiten und gefährdete Bevölkerungsgruppen dauerhaft bedrohen.[22] Vom Verzicht auf Einschränkungen befürchten die Autoren einen Anstieg der Erkrankungen, der die Gesundheitssysteme überfordern werde. Nur entschlossenes und rasches Handeln könne die weitere Ausbreitung verhindern. Wirksame Maßnahmen zur Unterdrückung und Kontrolle der Übertragung seien zwingend erforderlich.

Die meisten Autoren des Memorandums kommen aus dem angelsächsischen Raum, zehn von ihnen sind mit SAGE[23], der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe der britischen Regierung für Notfälle, assoziiert. Die Liste der Interessenkonflikte der Autoren, die in der Lancet-Publikation benannt werden, jedoch keinerlei Einfluss auf die Position der Autoren haben sollen, ist beachtlich: Adam Hamdy berät Ligandal, ein Biotechnologieunternehmen, das auf genetische Medizin unter Verwendung von Nanopartikeln spezialisiert ist (unbezahlte beratende Funktion) »außerhalb der eingereichten Arbeit«. Florian Krammer arbeitet zusammen mit Pfizer an Tiermodellen zu SARS-CoV-2 und mit der Universität von Pennsylvania an mRNA-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2. Er hat auch Patentrechte in Bezug auf und für SARS-CoV-2 angemeldet, die ihn als Erfinder benennen (anhängig). Paul Kellam meldet persönliche Honorare von Kymab, einem weiteren biopharmazeutischen Unternehmen, das auf die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern spezialisiert ist, »außerhalb der eingereichten Arbeit«; für Kellam ist außerdem ein Patent »Monoklonale Antikörper zur Behandlung und Vorbeugung der Infektion durch SARS-CoV-2 (Kymab)« anhängig und er ist wissenschaftlicher Berater der Serology Working Group (Public Heath England), der Testing Advisory Gruppe (Ministerium für Gesundheit und Soziales) und der Vaccines Task Force (Department for Wirtschaft, Energie und Industriestrategie). Marc Lipsitch hat Honorare von Bristol-Meyers Squibb und Sanofi Pasteur »außerhalb der eingereichten Arbeit« erhalten. Martin McKee ist Mitglied von Independent SAGE und Forschungsdirektor des Europäischen Observatoriums für Gesundheitssysteme und Politik, das den COVID Health Systems Response Monitor verwaltet. Devi Sridhar gehört der COVID-19-Beratergruppe der schottischen Regierung an, hat an SAGE-Treffen teilgenommen und ist Mitglied der Royal Society DELVE-Initiative, die an SAGE mitwirkt. Charles Swanton berichtet über Zuwendungen von BMS, Ono-Pharmaceuticals, und Archer Dx (Zusammenarbeit bei Minimal Residual Disease Sequenzierungstechnologien), »außerhalb der eingereichten Arbeit« sowie persönliche Honorare von Bristol Myers Squibb, Roche-Ventana, Ono Pharmaceutical, GlaxoSmithKline, Novartis, Celgene, Illumina, MSD, dem Sarah Canon Research Institute, Genentech, Bicycle Therapeutics, und Medicixi, »außerhalb der eingereichten Arbeit« und persönliche Honorare und Aktienoptionen von GRAIL und Achilles Therapeutics, »außerhalb der eingereichten Arbeit« sowie Aktienoptionen von Epic Biosciences und Apogen Biotechnologies »außerhalb der eingereichten Arbeit«. Gavon Yamey leitet das Center for Policy Impact in Global Health an der Duke University, das von der Bill & Melinda Gates Stiftung Zuschüsse für politische Forschung erhält, die auch Analysen zur COVID-19-Kontrolle umfasst. Die restlichen 23 Autoren deklarieren keine konkurrierenden Interessen »innerhalb der eingereichten Arbeit«.

Die Verfasser der Great Barrington Deklaration entgegneten mittlerweile auf den Vorwurf, sie verfolgten eine Strategie der Herdenimmunität: »Diejenigen, die solche Behauptungen in den Medien aufstellen, haben entweder (1) die Deklaration nicht gelesen, (2) verstehen die Grundprinzipien der Epidemiologie von Infektionskrankheiten nicht, oder (3) entstellen unsere Botschaft zur öffentlichen Gesundheit absichtlich für politische Zwecke. Bei COVID-19 führen alle Strategien zur Herdenimmunität, so dass es unsinnig ist, einen bestimmten Ansatz als ›Herdenimmunitätsstrategie‹ zu bezeichnen, so wie es bei Piloten keinen Sinn macht, von einer ›Schwerkraftstrategie‹ für die sichere Landung eines Flugzeugs zu sprechen. Die Erklärung befürwortet eine Strategie, die die Sterblichkeit minimiert, bis die Herdenimmunität erreicht ist. Das geschieht, indem man die Anzahl der älteren Hochrisikopersonen in der Gruppe, die infiziert wird, minimiert, während man sie unter denjenigen maximiert, die noch nicht infiziert sind, wenn die Herdenimmunität erreicht ist.«[24]

Die Oxford-Epidemiologin Sunetra Gupta, eine der Verfasserinnen der Great Barrington Erklärung, schreibt über die Herdenimmunität: »Die Entwicklung von Immunität durch natürliche Infektion ist ein übliches Merkmal vieler Krankheitserreger, und es ist anzunehmen, dass Covid-19 keine Tricks in petto hat, um sie zu verhindern […]. Die Herdenimmunität ist eine kontinuierliche Variable, die zunimmt, wenn Menschen immun werden und abnimmt, wenn sie ihre Immunität verlieren oder sterben. […] Wir haben noch keine sehr klare Vorstellung davon, was dieser Schwellenwert für Covid-19 ist, da die Landschaft, in der es sich ausbreitet, Menschen umfasst, die dafür empfänglich sind, Menschen, die eine Immunität dagegen aufgebaut haben, und Menschen, die eine Immunität gegen andere Coronaviren haben. […] Hinweise darauf, dass die Schwelle der Herdenimmunität erreicht ist, ergeben sich aus den Zeitsignaturen von Epidemien in verschiedenen Teilen der Welt, wo die Todes- und Infektionskurven dazu neigen, bei fehlendem Eingreifen zu ›sinken‹ oder bei gelockerten Eingriffen unten zu bleiben (im Vergleich zu anderen Orten, wo das Gegenteil geschah). […] Es ist wichtig zu bedenken, dass das Erreichen der Schwelle der Herdenimmunität nicht zur Ausrottung der Krankheit führt. Stattdessen entspricht sie einem Gleichgewichtszustand, in dem die Infektionen in der Gemeinschaft auf niedrigem Niveau verharren. Dies ist die Situation, die wir bei den meisten Infektionskrankheiten tolerieren (z. B. bei der Grippe, die jedes Jahr weltweit 650.000 Menschen tötet). Die Situation kann durch Impfungen erheblich verbessert werden, aber es ist sehr schwierig, die Krankheit auch mit einem guten Impfstoff zu eliminieren.

Wir sind natürlich auch in der Lage, das Vorhandensein des Virus zu testen, und dies wird mit großer Intensität in den ›Test and trace‹-Strategien versucht. Der so genannte PCR-Test ist jedoch von begrenztem Wert, da er uns nicht sagen kann, ob jemand infektiös ist und die Krankheit weitergeben kann, ob er das Virus hat, es aber nicht weitergeben kann, oder ob das Virus vom Immunsystem zerstört wurde und nur noch Fragmente übrig sind. Das bedeutet, dass wir Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf der Grundlage von fragmentarischen Informationen und in einer sich verändernden Umgebung treffen müssen, und deshalb sind Annahmen darüber, wie viele Menschen infiziert wurden und immun sind, so wichtig.« Und über die Great Barrington Erklärung: »Die Great Barrington Erklärung schlägt eine Lösung vor, wie wir angesichts dieser Unsicherheit vorgehen können. Sie schlägt vor, dass wir die Eigenschaft dieses Virus ausnutzen, dass es der großen Mehrheit der Bevölkerung keinen großen Schaden zufügt, um ihr zu erlauben, ihr normales Leben wieder aufzunehmen, während wir diejenigen abschirmen, die anfällig für schwere Krankheiten und Tod sind.

Unter diesen Umständen wird die Immunität in der allgemeinen Bevölkerung ein Niveau erreichen, das ein so geringes Infektionsrisiko für die gefährdete Bevölkerung darstellt, dass sie ihr normales Leben wieder aufnehmen kann. All dies kann über einen Zeitraum von sechs Monaten geschehen, so dass dieser Plan zum gezielten Schutz keine dauerhafte Absonderung der gefährdeten Personen vom Rest der Bevölkerung erforderlich macht. […] Die Great Barrington Erklärung wurde in den Medien und online von anderen Akademikern angegriffen, da sie Teil einer libertären Verschwörung sei […] oder auf ›Pseudowissenschaft‹ beruhe; andere, die versuchen, weniger diffamierend zu sein, sagen, unsere Ansichten seien die von ›Randgruppen‹. Die große Anzahl von seriösen Wissenschaftlern aus Top-Institutionen, die sich an der Diskussion beteiligen, legt das Gegenteil nahe. Es gibt echte, gutbegründete Meinungsverschiedenheiten, die ausgesprochen und diskutiert werden müssen – die Auswirkungen auf die Welt sind zu bedeutend, dass wir uns nicht erlauben können, diese Diskussion nicht ernsthaft zu führen«.[25]

Am 6. November 2020 veranstaltete das Journal der American Medical Association (JAMA) eine sehenswerte Onlinediskussion zum Thema »Herdenimmunität als Strategie in der Corona-Pandemie« zwischen Jay Bhattacharya, einem der Verfasser der Great Barrington Declaration und Marc Lipsitch, einem Mitverfasser des John Snow Memorandums.

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Mehr Informationen

Ein Großteil der Verantwortlichen für Gesundheitspolitik hat sich in den letzten Wochen dafür entschieden, die Gesellschaften in einen erneuten Lockdown zu schicken, in der Hoffnung, die Schnellzulassung problematischer Impfungen und deren massenhafte Applikation werde dazu beitragen, jene Schwelle der Herdenimmunität zu erreichen, die eine dauerhafte Eindämmung ermöglicht. Zu den wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Folgen der Lockdowns kommen so noch die möglichen, unbekannten mittel- und langfristigen Schäden hinzu, die diese Impfungen hervorrufen könnten. Eine als »Fakenews« diffamierte Befürchtung besteht darin, dass sie sich negativ auf die menschliche Fruchtbarkeit auswirken. Natürlich gibt es dazu derzeit keinerlei Daten. BioNTech/Pfizer schreibt in der Packungsbeilage zu seinem mRNA Impfstoff BNT162b2 zum Thema Schwangerschaft und Fruchtbarkeit: »Studien zur Reproduktionstoxizität bei Tieren wurden nicht abgeschlossen. COVID-19 mRNA-Impfstoff BNT162b2 wird während der Schwangerschaft nicht empfohlen. Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte eine Schwangerschaft vor der Impfung ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sollte Frauen im gebärfähigen Alter geraten werden, eine Schwangerschaft für mindestens 2 Monate nach der zweiten Dosis zu vermeiden.« Zum Stillen: »Es ist nicht bekannt, ob der COVID-19 mRNA-Impfstoff BNT162b2 durch die Muttermilch übertragen wird. Ein Risiko für das Neugeborene/den Säugling kann nicht ausgeschlossen werden. COVID-19 mRNA-Impfstoff BNT162b2 sollte während der Stillzeit nicht angewendet werden.

Es ist nicht bekannt, ob COVID-19 mRNA-Impfstoff BNT162b2 einen Einfluss auf die Fertilität hat.«[26]


Nachtrag:

In nature communications wurde Ende November die Auswertung der wohl größten bisher durchgeführten Studie zu SARS-Cov-2 veröffentlicht. Bei ihr wurden zwischen dem 14. Mai und dem 1. Juni 2020 9,89 Millionen Einwohner der Agglomeration Wuhan getestet, 92,9% der Gesamtbevölkerung. Wuhan befand sich vom 23. Januar bis 8. April im Lockdown. Die im Screening-Programm verwendeten Testkits wurden von der Regierung zur Verfügung gestellt. Es handelte sich um Kits, die in China und anderen Ländern weit verbreitet eingesetzt wurden. Außerdem wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, um möglicherweise falsch negative Ergebnisse zu minimieren. Am Testprogramm wirkten rund 50.000 Ärzte und Krankenschwestern mit sowie 1451 Labormitarbeiter in 63 Testlaboren.

9,86 Millionen der Getesteten hatten vor der Studie keine COVID-19-Erkrankung, gegenüber 34.424 zuvor schon einmal Erkrankten. Bei der Massentestung wurde kein einziger neuer Fall von COVID-19 entdeckt, dafür 300 asymptomatische Fälle mit positivem Testergebnis. 107 Personen mit positivem Testergebnis gehörten der Gruppe der bereits einmal Erkrankten an.

Bei einer Überprüfung der Positivbefunde durch Antikörpertests wurden bei 190 Personen Antikörper (IgG) festgestellt. Mit anderen Worten: Bei 63,3% konnte die Infektion bestätigt werden, bei 36,7% war der PCR-Test falsch positiv. Bei den 300 asymptomatischen Fällen wurden insgesamt 1.174 Kontaktpersonen überprüft. Keine einzige von diesen war positiv.

Die Quintessenz der Studie kann wie folgt zusammengefasst werden: Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass positiv Getestete, die asymptomatisch sind, SARS-CoV-2 übertragen. Die Falschpositivrate der verwendeten PCR-Tests betrug nicht 1% oder 1,5%, sondern sagenhafte 36,7%.

Nachzulesen hier: Post-lockdown SARS-CoV-2 nucleic acid screening in nearly ten million residents of Wuhan, China


Hinweise:

Great Barrington Deklaration (deutsche Fassung) | »Experten«stimmen im Science Media Center | Pressemitteilung der Infectious Diseases Society of America | Beitrag von 31 Wissenschaftlern im Lancet | John Snow Memorandum Netzseite | Pressebriefing des Generaldirektors der WHO zur Herdenimmunität


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Anmerkungen:


  1. Siehe Peter Doshi, The elusive definition of pandemic influenza, Bulletin of the World Health Organisation 2011; 89:532-538. doi: 10.2471/BLT.11.086173. http://158.232.12.119/bulletin/volumes/89/7/11-086173/en/
  2. Pandemic preparedness [Internet]. Geneva: World Health Organization; 2003 Feb 2. Erreichbar unter: http://web.archive.org/web/20030202145905/http://www.who.int/csr/disease/influenza/pandemic/en/ [überprüft am 24.12.2020]
  3. Doshi 2011., S. 2.
  4. Gemeint ist die »Schweinegrippe-Pandemie«, die nicht stattfand.
  5. E. Cohen, When a pandemic isn’t a pandemic. Atlanta: CNN.com/health[Internet]. 4. Mai 2009. Erreichbar unter: http://edition.cnn.com/2009/HEALTH/05/04/swine.flu.pandemic/index.html. [überprüft am 24.12.2020]
  6. The handling of the H1N1 pandemic: more transparency needed. Council of Europe; 2010 Jun 7. Erreichbar unter: https://pace.coe.int/en/files/12463 [überprüft am 24.12.2020].
  7. Siehe Peter Doshi, The elusive definition of pandemic influenza, Bulletin of the World Health Organisation 2011; 89:532-538. doi: 10.2471/BLT.11.086173. http://158.232.12.119/bulletin/volumes/89/7/11-086173/en/ [überprüft am 24.12.2020]
  8. Margaret Chan (WHO): Schreiben an BMJ vom 8. Juni 2010; https://www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-barrington-declaration-an-open-letter-arguing-against-lockdown-policies-and-for-focused-protection/ [überprüft am 24.12.2020]
  9. Margaret Chan (WHO): Schreiben an BMJ vom 8. Juni 2010; https://www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-barrington-declaration-an-open-letter-arguing-against-lockdown-policies-and-for-focused-protection/ [überprüft am 24.12.2020]
  10. https://de.wikipedia.org/wiki/Herdenimmunität. [Zugriff 24.12.2020].
  11. Das »Kriegsvokabular« des permanenten Kampfs ums Überleben und des Überlebens der Stärkeren durchzieht die gesamte Virologie und Immunologie. Das »Immunsystem als körpereigenes Abwehrsystem« »gegen Krankheitserreger« – vergleichbar Reagans SDI-Raketenabwehrschild–, »Antigene, virale Attacken, Eindringlinge, Antikörper, Fresszellen, Killerzellen, Abtötung, Vernichtung, Verteidigungslinien im Kampf gegen Infektionen, Immunabwehr, Ausrottung (von Erregern)« sind Metaphern, die zum Vokabular jedes Immunologen gehören und inzwischen in die Alltagssprache eingedrungen sind. Autoren, die sich um mutualistische Metaerzählungen bemühen, sind eher Exoten, wie z.B. Karin Mölling, die in ihrem Buch Viren. Supermacht des Lebens schreibt: »Der Mensch ist ein Superorganismus, ein komplexes Ökosystem. Gesunde Menschen bestehen aus etwa 1012 Zellen insgesamt und sind besiedelt von 1014 Bakterien und noch 100-mal mehr Viren. Unser Erbgut wird ergänzt durch das 150-fache an zusätzlichem Erbgut von Mikroorganismen, die uns besiedeln. Virale und bakterielle Sequenzen sind selbst in unser Erbgut hinein vorgedrungen. Da bleibt nicht viel ›Menschliches‹ übrig. Bakterien sind unser zweites Gnom. Diese Definition ist schon generell akzeptiert. Dann kommen noch die Viren hinzu, sie sind unser drittes Genom. Schließlich gibt es noch Millionen von Pilzen. Sind sie unser viertes Genom? In diesem Ökosystem herrscht kein permanenter Krieg, kein Wettrüsten, sondern eine Balance, eine Koevolution, die zu Anpassungen geführt hat. Doch wehe, wenn äußere Einflüsse die Balance zerstören. Meistens ist der Mensch der Verursacher– dann entstehen Krankheiten. Viren und Bakterien sind Opportunisten, sie sind Nutznießer von ungewöhnlichen Situationen, von Schwächen des Wirts. Nur diese Formulierung lasse ich gelten – Kriegsvokabular nicht.« S. 40 f. An anderer Stelle schreibt sie über die Störungen dieses Ökosystems: »Normalerweise besteht ein Gleichgewicht, eine Balance zwischen Mikroorganismen und Mensch, Tier und Pflanze. Wie bilden eine Einheit, ein Ökosystem. […] Das Gleichgewicht dieses komplexen Ökosystems kann entgleisen – und die Ursachen sind oft von uns Menschen verursacht, meistens durch Kriege, oft durch Armut, Hunger, fehlende Hygiene, Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur. Letztlich lassen sich alle diese Ereignisse auf zwei Probleme zurückführen: auf Bevölkerungsdichten und Mobilität.« S. 34. Woher stammt die Überzeugung von der prästabilierten Harmonie der Natur bzw. des Ökosystems, des Gleichgewichts, zu dem der Mensch ebenso gehört, wie alle anderen Lebensformen? Und was berechtigt dazu, ihn im gleichen Atemzug zum »äußeren Einfluss« zu erklären, der dieses Gleichgewicht als einziger zu zerstören vermag?
  12. Dieser an Augustinus erinnernde Begriff bezieht sich auf die Beobachtung, dass das Immunsystem bei der Wiederbegegnung mit nur geringfügig veränderten Viren nicht mehr so stark reagiert, wie bei der Erstbegegnung. Die Theorie der Antigenerbsünde besagt, dass gegen bestimmte Epitope gerichtete, bereits vorhandene Antikörper des Immungedächtnisses die Aktivität »naiver« B-Zellen unterdrücken, was zu einer Abschwächung der Immunantwort und damit zu einem langwierigeren Krankheitsverlauf führt.
  13. https://www.who.int/director-general/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid-19—12-october-2020 [überprüft am 24.12.2020]
  14. Der Begriff des »Lockdown« stammt aus dem Strafvollzug. Ein solcher besteht in der vollständigen Abriegelung von Gefängnisinsaßen voreinander und von der Außenwelt, um Aufstände oder Revolten zu beenden.
  15. United Kingdom Research and Innovation – https://www.ukri.org/about-us/who-we-are/
  16. https://www.idsociety.org/globalassets/idsa/about-idsa/2018-grants-and-contributions.pdf [überprüft am 24.12.2020]
  17. Nisreen A. Alwan, Rochelle Ann Burgess, Simon Ashworth, Rupert Beale, Nahid Bhadelia, Debby Bogaert, Jennifer Dowd, Isabella Eckerle, Lynn R Goldman, Trisha Greenhalgh, *Deepti Gurdasani, Adam Hamdy, William P Hanage, Emma B Hodcroft, Zoë Hyde, Paul Kellam, Michelle Kelly-Irving, Florian Krammer, Marc Lipsitch, Alan McNally, Martin McKee, Ali Nouri, Dominic Pimenta, Viola Priesemann, Harry Rutter, Joshua Silver, Devi Sridhar, Charles Swanton, Rochelle P. Walensky, Gavin Yamey, Hisham Ziauddeen. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32153-X/fulltext
  18. Trotzdem mag die naheliegende Assoziation beabsichtigt sein, auch wenn sich ersterer »Jon« Snow schreibt.
  19. Zu »unkontrollierter Übertragung« ist anzumerken, dass die Übertragung von SARS-Cov-X längst nicht mehr kontrollierbar ist.
  20. Entsprechend müsste es noch unethischer sein, die gesamte Bevölkerung zu isolieren, wie dies in einem allgemeinen Lockdown geschieht. Zu den zwölf Irrtümern der Lockdown-Befürworter siehe den Artikel von Phillip W. Magness, Twelve Times the Lockdowners Were Wrong.
  21. Dies gilt auch für Impfungen, bei denen nicht einmal zugesichert wird, dass sie Immunität herbeiführen. Vielmehr sollen sie nur zu milderen Krankheitsverläufen beitragen. Ob die Krankheitsverläufe ohne Impfung möglicherweise schwerer gewesen wären, lässt sich nach erfolgter Impfung natürlich nicht mehr feststellen. Siehe Peter Doshi, Pfizer and Moderna’s »95% effective« vaccines – let’s be cautious and first see the full data, https://blogs.bmj.com/bmj/2020/11/26/peter-doshi-pfizer-and-modernas-95-effective-vaccines-lets-be-cautious-and-first-see-the-full-data/. Zu relativer und absoluter Risikoreduktion: Der Impfstoff ist zu 90% wirksam, https://www.rwi-essen.de/unstatistik/109/ sowie die eingängige grafische Aufbereitung hier: https://www.wodarg.com/impfen/
  22. Dies gilt genauso für die propagierten Impfungen. Abgesehen davon, dass sie keine Immunität bewirken sollen, ist auch nicht klar, was genau sie bewirken und wie lange sie überhaupt wirken. Sicher ist jedenfalls, dass sie keine 95%-ige Effektivität besitzen, sondern eine Effektivität, die unter 1% liegt (= Absolute Risikoreduktion). Siehe dazu Doshi und die Hinweise in Anmerkung 21.
  23. Eine fundamentale Kritik an SAGE von Michael Yeadon findet sich hier: https://lockdownsceptics.org/what-sage-got-wrong/
  24. https://gbdeclaration.org/frequently-asked-questions/
  25. https://unherd.com/2020/10/matt-hancock-is-wrong-about-herd-immunity/
  26. https://www.gov.uk/government/publications/regulatory-approval-of-pfizer-biontech-vaccine-for-covid-19/information-for-healthcare-professionals-on-pfizerbiontech-covid-19-vaccine

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2 Kommentare

  1. Beim Lesen diesen ausgezeichneten Beitrag bekam ich die Idee, dass wir uns, also die Menschheit, in einem schweren Geisteskampfes befinden zwischen den Kräften des neuen Christentums und die des neuen Arabismus, so wie dies Rudolf Steiner in seinen drei Vorträge über das Karma der anthroposophischen Bewegung und der Anthroposophischen Gesellschaft am 18., 19, und 20. Juli 1924 zu Arnheim auseindergesetzt hat. Ich habe dies etwas näher ausgeführt in meinem Antrag “In Liebe das neue Christentum der Welt verbinden wollen zur Heilung der Menschheit und Erde” an die letzte Generalversammlung der Allgemeinen Abthroposophischen Gesellschaft am 31. Oktober im Goetheanum zu Dornach. Der Antrag wurde zwar vom Vorstand als Anbefehlung angenommen, aber nicht behandelt. Der ausführlich begründete Text ist mit anderen relevanten Artikel nachzulesen auf dem unten angegeben Blog.

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