Zuletzt aktualisiert am 22. November 2020.
Der Inkarnation Ahrimans entgegen (3). – Der dritte in der Reihe der hier publizierten Vorträge wurde von Steiner am 4. November 1919 in Bern gehalten. Auch er beschäftigt sich mit der künftigen Inkarnation Ahrimans im dritten Jahrtausend nach Christus im »Westen« und der Vorbereitung der Menschheit auf diese Inkarnation.
Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Vorträgen findet sich in diesem eine eingängige Schilderung der Inkarnation Luzifer und ihrer näheren Umstände. Auch zu Ahriman enthält dieser Vortrag einige bemerkenswerte Ergänzungen, z.B. den Hinweis darauf, dass Wege gefunden werden, die menschliche Intelligenz durch bestimmte Nahrungsmittel zu optimieren. Durchgehend wird außerdem betont, dass sich die Menschheit als Ganze in einer absteigenden (rückläufigen) physischen Entwicklung befindet und dass dieser Niedergang nicht aufgehalten werden, sondern nur durch eine parallel verlaufende seelisch-geistige, spirituelle Entwicklung ausgeglichen werden kann. (Dieser dritte Vortrag ist enthalten in GA 193).
Ein weiterer Vortrag, der die bisherigen Darstellungen präzisiert bzw. amplifiziert, wird folgen. Hinzuzufügen ist, dass Steiner all diese Vorträge extemporierte, das heißt, nicht aus einem vorgefassten Manuskript ablas. Die Zwischenüberschriften stammen von mir (L.R.)
Die Menschheit ist in absteigender physischer Entwicklung begriffen, nur spirituell ist ein Aufstieg möglich

Ahriman im Ensemble des Menschheitsrepräsentanten
Die Entwickelungsphase der Menschheit, die mit einem besonderen Charakter in unseren Zeiten beginnt – selbstverständlich kann man von jeder Zeit sagen, dass eine bestimmte Entwickelungsphase der Menschheit beginnt, man muss dann nur charakterisieren, wie geartet diese Entwickelungsphase ist –, lässt sich etwa so charakterisieren, dass in der Hauptsache alles, was die Menschheit zu erleben haben wird in der ferneren Erdenzeit, in der physischen Welt, eine Art Abstieg sein wird, ein Rückgang, eine rückläufige Entwickelung. Diejenige Zeit ist bereits überschritten, in welcher die Menschheit durch die immer veredelter und veredelter auftretenden physischen Kräfte vorwärtskommt.
Die Menschheit wird in der nächsten Zeit auch vorwärtskommen, aber nur durch spirituelle Entwickelung, durch eine Entwickelung, welche sich erhebt über die Vorgänge des physischen Planes. Die Vorgänge des physischen Planes werden nicht solche sein, dass die Menschheit, wenn sie sich nur ihnen hingeben will, eine Befriedigung aus ihnen wird schöpfen können.
Apokalyptische Zeiten stehen bevor
Dasjenige, was ja innerhalb unserer Geisteswissenschaft längst angedeutet worden ist, was wir charakterisiert finden können in dem Vortragszyklus über die Apokalypse: dass zugesteuert wird dem »Krieg aller gegen alle«, das sollte vom gegenwärtigen Zeitpunkt an durchaus als etwas sehr, sehr Ernstes und Bedeutsames aufgefasst werden. Es sollte so aufgefasst werden, dass es nicht bloß eine theoretische Wahrheit bleibt, sondern dass es auch im Handeln, im ganzen Verhalten der Menschen zum Ausdruck kommt. Gerade der Umstand, dass die Menschen – wenn ich mich trivial ausdrücken soll – von der Entwickelung des physischen Planes in der Zukunft wenig Freude haben werden, wird sie veranlassen, immer mehr und mehr einzusehen, wie die Weiterentwickelungen von den geistigen Kräften kommen müssen.
Voll durchschauen wird man diese Tatsache nur, wenn man einen größeren Zeitraum der Menschheitsentwickelung ins Auge fasst und gewissermaßen die Nutzanwendung auf dasjenige macht, was in der Zukunft der Menschheit immer mehr und mehr wird begegnen müssen.
Man wird einsehen, zu welchem Ziele diejenigen Kräfte der Menschheit hinsteuern, die sich da äußern werden in den, ich möchte sagen, wie rhythmisch auftretenden kriegerischen Verheerungsprozessen, von denen die gegenwärtige Kriegskatastrophe nur der Anfang ist. Es ist ja eine kindliche Vorstellung, wenn man glauben würde, dass durch irgend etwas, was sich anschließt an diese kriegerische Katastrophe, irgendwelche dauernden Friedenszeiten über die Menschheit auf dem physischen Plan kommen werden. Das wird nicht der Fall sein.
Dasjenige aber, was kommen muss über die Erde, das muss eine spirituelle Entwickelung sein. Ihren Geist, ihre Richtung, ihren Sinn wird man einsehen, wenn man einen verhältnismäßig längeren Zeitraum vor dem Mysterium von Golgatha überblickt, wenn man dann ins Auge fasst einiges von dem Sinn des Mysteriums von Golgatha und wenn man dann versucht, die Weiterwirkung gerade des Mysteriums von Golgatha in der zukünftigen Entwickelung der Menschheit geistig etwas anzuschauen.
Heidnische Kultur – Kosmotheismus
Wir haben das Mysterium von Golgatha von den verschiedensten Gesichtspunkten aus betrachtet. Wir wollen heute zu diesen Gesichtspunkten einen anderen hinzufügen, indem wir ein wenig dasjenige charakterisieren, was an Menschheitszivilisation dem Mysterium von Golgatha, sagen wir, bis in das 3. Jahrtausend etwa vor unserer Zeitrechnung vorangegangen ist, was dann bis in die Zeit der christlichen Entwickelung hinein gedauert hat und was man, wie Sie ja wissen, bezeichnet als die heidnische Kultur. In diese heidnische Kultur hat sich wie eine Oase die ganz anders geartete jüdisch-hebräische Kultur hineingestellt, aus der dann das Christentum hervorgegangen ist.
Die heidnische Kultur können wir verstehen, wenn wir uns klar darüber werden, dass sie im Wesentlichen eine Kultur war der Erkenntnis, der Anschauung, des Handelns aus umfassenderen Kräften heraus, als es die irdischen Kräfte sind. Man kann sagen: Durch die hebräisch-jüdische Kultur ist eigentlich erst der Menschheit das moralische Element eingeimpft worden. Das moralische Element führte kein abgesondertes Dasein in der heidnischen Kultur. Dafür aber war diese alte heidnische Kultur so beschaffen, dass der Mensch sich als ein Glied des ganzen Kosmos fühlte.
Das muss man ganz besonders ins Auge fassen. Der Mensch, der als Angehöriger der alten heidnischen Kultur auf der Erde stand, fühlte sich als ein Glied des ganzen Kosmos. Er fühlte, wie die Kräfte, die in dem Sternenlauf wirken, sich fortsetzen in seine eigenen Handlungen hinein, oder besser gesagt, in die Kräfte, die in seinen Handlungen wirken. Was später als Astrologie galt, was bis in unsere Zeiten noch als Astrologie gilt, das ist nur, ich möchte sagen, ein Abglanz, sogar ein sehr irreführender Abglanz dessen, was alte Weisheit war, die heruntergeholt wurde aus Sternenläufen und die zu gleicher Zeit die Vorschriften für das menschliche Handeln abgab.
Man versteht diese alten Kulturen nur dann, wenn man vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft aus ein wenig Licht auf das wirft, was eigentlich im äußeren Sinne Menschheitsentwickelung im 4., 5. vorchristlichen Jahrtausend war. Wir sprechen selbstverständlich bald vom zweiten, bald vom ersten nachatlantischen Zeitraum, aber wir tun nicht gut, wenn wir uns das Menschendasein auf der Erde in diesem 5., 6., 7. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung auch gar zu sehr ähnlich vorstellen unserem jetzigen Menschendasein.
Mithras als Imagination des heidnischen Seelenlebens
Es ist durchaus richtig, dass die Menschen in diesen alten Jahrtausenden, insofern sie auf der Erde herumwandelten, eine Art instinktiven Seelenlebens hatten, eine Art von Seelenleben, das schon in gewisser Beziehung näherstand dem tierischen Seelenleben als dem heutigen menschlichen. Aber es ist nur sehr einseitig das Menschenleben erfasst, wenn man etwa sagt: Ja, wenn man in diese alten Zeiten zurückgeht, so waren die Menschen tierähnlicher. Was hier auf der Erde herumwandelte, das war gewiss in der Seelenverfassung tierähnlicher, aber diese Tierleiber der Menschen wurden gebraucht von den geistig-seelischen Wesenheiten, die sich dafür sehr als Angehörige der übersinnlichen, vor allem der kosmischen Welten fühlten.
Und man kann sagen: Wenn man nur weit genug zurückgeht, etwa in das 5. vorchristliche Jahrtausend, so waren die Menschen so, dass sie tierische Leiber mehr als Instrumente benützten, denn dass sie sich in ihnen drinnenfühlten. Will man jene Menschen genau charakterisieren, so müsste man sagen: Wenn diese Menschen wach waren, so gingen sie allerdings wie die Tiere mit einem instinktiven Seelenleben herum, aber es schien hinein in dieses instinktive Seelenleben etwas wie Träume aus ihrem Schlafzustand, wie Wachträume. Und in diesen Wachträumen erkannten sie, wie sie heruntergestiegen waren, um die Tierleiber nur zu benützen. Dasjenige, was da wirklich innere menschliche Seelenverfassung war, das ging dann über als Kultusanschauung, als Kultushandlung in den Mithrasdienst, wo wir sehen, dass das Hauptsymbolum der Mithrasgott ist, der auf einem Stier reitet, oben der Sternenhimmel, dem er angehört, unten das Irdische, dem der Stier angehört. Dieses Symbolum ist eigentlich für diese alten Menschen kein Symbolum gewesen, sondern es ist die Anschauung der Wirklichkeit gewesen. Der Mensch fühlte etwa seine Seelenverfassung so, dass er sich sagte: Bin ich nachts außerhalb meines Leibes, so gehöre ich dem an, was die Kräfte des Kosmos, des Sternenhimmels sind, wache ich des Morgens auf, so bediene ich mich des tierischen Instinktes in einem tierischen Leibe.
Dann kam, man möchte sagen, in einer gewissen Weise eine Zeit der Dämmerung über die menschheitliche Entwickelung. Es war ein etwas dumpferes, stumpfes Menschheitsleben, in dem die kosmischen Träume mehr zurückgingen, in dem das instinktive Leben die Oberhand gewann.
Bewahrt wurde dasjenige, was früher menschliche Seelenverfassung war, durch die Mysterien, hauptsächlich durch die asiatischen Mysterien. Aber die allgemeine Menschheit, insofern sie nicht erfasst wurde durch die Mysterienweisheit, lebte ein mehr oder weniger dämmerhaftes, stumpfes Leben dahin im 4. bis zum Beginn des 3. Jahrtausends. Man kann sagen: Das allgemeine Leben war in dieser Zeit, im 4., im Beginn des 3. Jahrtausends vor dem Mysterium von Golgatha über die asiatische und die damals bekannte Welt hin ein dämmeriges Seelenleben, ein instinktives Seelenleben. Aber es waren die Mysterien da, in denen durch die wirksamen Zeremonien die geistigen Welten wirklich hereinwirkten. Und von da aus wurden dann die Menschen wiederum erleuchtet.
Inkarnation Luzifers im 3. Jahrtausend vor Christus – der erste der sich der Verstandesorgane bediente
Nun aber trug sich etwa im Beginn des 3. Jahrtausends etwas sehr Bedeutsames zu. Will man charakterisieren, woher dieses dämmerige, mehr instinktive Leben kam, so kann man sagen: Die geistig-seelische Wesenheit der Menschen konnte sich dazumal noch nicht der eigentlichen menschlichen Verstandesorgane bedienen. Diese Verstandesorgane waren schon da, sie waren ausgebildet in der physischen Wesenheit der Menschen, aber die seelisch-geistige Wesenheit konnte sich dieser Verstandesorgane nicht bedienen. So dass die Menschen noch nicht etwa durch ihr Denken, durch ihre Urteilskräfte irgend etwas an Erkenntnissen haben gewinnen können. Nur dasjenige haben sie gewinnen können, was ihnen aus den Mysterien heraus gegeben wurde.
Da trug sich eben etwa im Beginn des 3. Jahrtausends im Osten Asiens drüben ein bedeutsames Ereignis zu. Es wuchs heran, ohne dass man es wehrte, ein Kind aus einer der damaligen asiatischen vornehmen Familien in der Umgebung der Zeremoniendienste der Mysterien. Die Umstände boten sich so, dass dieses Kind eben teilnehmen durfte an den Zeremonien, wohl dadurch, dass die leitenden Mysterienpriester es als eine Inspiration empfanden, dass sie solch ein Kind einmal teilnehmen lassen sollten.
Und als der Mensch, der in diesem Kinde lebte, etwa vierzig Jahre alt geworden war, so ungefähr, da stellte sich etwas Merkwürdiges heraus. Da zeigte es sich – und es muss durchaus gesagt werden, dass die Mysterienpriester das Ereignis gewissermaßen prophetisch vorausgesehen haben –, dass dieser Mensch, den man heranwachsen ließ in einem der ostasiatischen Mysterien, gegen sein vierzigstes Jahr hin plötzlich den Sinn desjenigen, was früher nur durch Offenbarung in die Mysterien hereingekommen war, durch die menschliche Urteilskraft zu erfassen begann. Er war gewissermaßen der erste, der sich der Organe des menschlichen Verstandes, aber nur in Anlehnung an die Mysterien, bedienen durfte.
Wenn wir das, was die Priester der Mysterien über diese Angelegenheit sagten, in unsere heutige Sprache übersetzen, dann müssen wir sagen: In diesem Menschen war nicht mehr, nicht weniger als Luzifer selbst inkarniert.
Und das ist eine wichtige, eine bedeutsame Tatsache, dass es im 3. vorchristlichen Jahrtausend im Osten von Asien wirklich eine fleischliche Inkarnation Luzifers gegeben hat. Und von dieser fleischlichen Inkarnation Luzifers – denn diese Persönlichkeit lehrte dann – ging dasjenige aus, was man eigentlich als die vorchristliche, heidnische Kultur bezeichnet, was noch in der Gnosis der ersten christlichen Jahrhunderte lebte. Man darf durchaus nicht etwa bloß ein abfälliges Urteil über diese Luziferkultur sprechen. Denn dasjenige, was das Griechentum an Schönheit, selbst an philosophischer Einsicht hervorgebracht hat, was lebt ebenso in der alten griechischen Philosophie, in den Tragödien noch des Äschylos, all das wäre nicht möglich gewesen ohne diese luziferische Inkarnation.
Das Christentum wurde durch die luziferische Weisheit verstanden
Diese luziferische Inkarnation war, wie gesagt, auch noch im Süden von Europa, im Norden von Afrika, im Westen von Asien mächtig in den ersten christlichen Jahrhunderten. Und als das Mysterium von Golgatha sich zugetragen hatte auf der Erde, da war es im Wesentlichen die luziferische Weisheit, durch die das Mysterium von Golgatha begriffen werden konnte. Dasjenige, was als Gnosis zum Begreifen des Mysteriums von Golgatha sich zunächst anschickte, das war durchaus befruchtet von luziferischer Weisheit. So dass wir zunächst zu betonen haben: Es gab im Beginn des 3. Jahrtausends eine chinesische Luziferinkarnation. Es gab im Beginn unserer Zeitrechnung die Inkarnation des Christus. Und zunächst wurde sogar die Inkarnation des Christus begriffen dadurch, dass noch die Kraft der alten Luziferinkarnation da war, die eigentlich erst für die menschliche Einsicht, für die menschliche Eigenkraft verschwand im 4. nachchristlichen Jahrhundert. Aber sie hatte immerhin noch ihre Nachwirkungen, ihre Nachzügler.
Nun wird zu diesen beiden Inkarnationen, der luziferischen in alten Zeiten und der Inkarnation des Christus, die den eigentlichen Sinn der Erdenentwickelung abgibt, eine dritte kommen in einer nicht allzufernen Zeit. Und die Ereignisse der Gegenwart bewegen sich im Wesentlichen schon so, dass diese dritte Inkarnation vorbereitet wird. Wenn man auf die Inkarnation Luzifers im Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends hinweist, so muss man sagen: Durch ihn hat der Mensch die Fähigkeit bekommen, sich der Organe seines Verstandes, seiner Urteilskraft zu bedienen. Luzifer selber war es in einem menschlichen Leibe, der zuerst durch Urteilskraft aufgefasst hat dasjenige, was früher nur durch Offenbarung in den Menschen hat hereinkommen können: den Sinn der Mysterien.
Inkarnation Ahrimans bereitet sich vor
Was sich jetzt vorbereiten und ganz bestimmt auf der Erde eintreten wird in einer nicht allzufernen Zukunft, ist eine wirkliche Inkarnation Ahrimans.
Nun leben wir, wie Sie wissen, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in einem Zeitalter, in dem die Menschheit immer mehr und mehr zum Besitze der vollen Bewusstseinskraft kommen soll. Das muss gerade das Bedeutsame sein im Entgegengehen dieser Ahrimaninkarnation, dass die Menschen mit vollem Bewusstsein diesem Ereignisse entgegengehen.
Die Inkarnation des Luzifer ist gekommen eigentlich nur durchschaubar für die prophetische Kraft der Mysterienpriester. Sehr unbewusst trat auch für die Menschen dasjenige auf, was die Christus-Inkarnation durch das Ereignis von Golgatha war. Bewusst muss die Menschheit entgegenleben der Ahrimaninkarnation unter den Erschütterungen, die auf dem physischen Plan eintreten werden.
Unter den fortwährenden Kriegs- und anderen Nöten der nächsten Menschenzukunft wird der menschliche Geist gerade sehr erfinderisch werden auf dem Gebiete des physischen Lebens. Und durch dieses Erfinderischwerden auf dem Gebiete des physischen Lebens, das nicht in irgendeiner Weise abgewendet werden kann durch dieses oder jenes Verhalten – es wird eintreten wie eine Notwendigkeit –, durch dieses wird möglich werden eine solche menschliche leibliche Individualität, dass in ihr sich Ahriman wird verkörpern können.
Aber diese ahrimanische Macht bereitet von der geistigen Welt her ihre Inkarnation auf der Erde vor. Und sie sucht sie möglichst so vorzubereiten, dass sie – also diese Inkarnation des Ahriman in menschlicher Gestalt – die Menschen auf der Erde in stärkstem Maße wird verführen und versuchen können.
Ihr muss mit vollem Bewusstsein entgegen gegangen werden
Eine Aufgabe der Menschen für die nächste Zivilisationsentwickelung wird es sein, so voll bewusst der Ahrimaninkarnation entgegen zu leben, dass diese Ahrimaninkarnation der Menschheit gerade dient in bezug auf die Förderung einer höheren geistigen, einer spirituellen Entwickelung dadurch, dass man gewahr wird gerade an Ahriman, was der Mensch durch das bloße physische Leben erlangen oder, sagen wir, nicht erlangen kann. Aber bewusst müssen die Menschen entgegengehen dieser Ahrimaninkarnation und die Dinge so einrichten, dass sie immer bewusster und bewusster werden auf allen Gebieten, dass sie immer mehr und mehr sehen, welche Strömungen im Leben sich entgegenbewegen dieser Ahrimaninkarnation.
Deuten müssen die Menschen lernen aus geistiger Wissenschaft heraus das Leben, so dass sie erkennen die Strömungen, die der Ahrimaninkarnation entgegengehen, dass sie sie beherrschen lernen. Sie müssen wissen, dass Ahriman unter den Menschen auf der Erde leben wird, aber dass die Menschen ihm entgegentreten werden und selber bestimmen werden, was sie von ihm lernen mögen, was sie von ihm aufnehmen mögen. Das werden sie jedoch nicht können, wenn sie nicht von jetzt ab in die Hand nehmen gewisse geistige Strömungen oder auch ungeistige Strömungen, die sonst Ahriman benützt, um die Menschen möglichst im Unbewussten zu lassen über sein Kommen, so dass er einstmals auf der Erde würde erscheinen können und gewissermaßen die Menschen überfallen, versuchen, verführen, so dass sie die Erdenentwickelung verleugnen, dass die Erdenentwickelung nicht an ihr Ziel kommt. Gewisse geistige und ungeistige Strömungen muss man ihrem Wesen nach kennenlernen, wenn man den ganzen Vorgang, von dem ich sprach, eben verstehen will.
Seelen- und Geistesser
Sehen Sie denn nicht in der Gegenwart die Zahl der Menschen immer größer werden, die eigentlich nichts wissen will von einer Wissenschaft des Geistigen, von einer Erkenntnis des Geistigen? Sehen Sie denn nicht, wie zahlreich die Menschen werden, für die die alten religiösen Kräfte keine innere Impulsivität mehr haben? Die in die Kirche gehen oder nicht, darauf kommt es bei vielen Menschen der Gegenwart schon gar nicht mehr an. Aber die alten religiösen Wirkenskräfte haben für sie keine innerliche Bedeutung mehr. Sie entschließen sich aber auch nicht, dasjenige, was als neues Geistesleben hereinströmen kann in unsere Kultur, irgendwie zu berücksichtigen. Sie wehren sich dagegen, sie lehnen es ab, sie betrachten es als eine Torheit, als etwas ihnen Unbequemes, sie lassen sich nicht darauf ein.
Aber, sehen Sie, der Mensch ist so, wie er auf der Erde lebt, eine wirkliche Einheit. Man kann nicht sein Geistiges von seinem Physischen trennen. Beides wirkt als eine Einheit zusammen zwischen Geburt und Tod. Und wenn der Mensch durch seine seelischen Fähigkeiten kein Geistiges aufnimmt, so ist das Geistige trotzdem da. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts umfließt uns ja das Geistige. Es fließt in die Erdenentwickelung herein. Und man kann sagen: Das Geistige ist da, die Menschen wollen es nur nicht aufnehmen.
Aber wenn die Menschen auch nicht das Geistige aufnehmen, da ist es doch! Da ist es! Was wird denn aus diesem Geistigen? So paradox es erscheint – denn manches, was wahr ist und sehr wahr ist, erscheint den heutigen Menschen paradox –: Essen und trinken tun die Menschen, vielleicht diejenigen am allerliebsten, die das Spirituelle ablehnen. Bei solchen Menschen, die das Spirituelle ablehnen, dennoch aber essen und trinken, fließt das Geistige, ihnen unbewusst, in den Essens- und Verdauungsprozess hinein.
Das ist das Geheimnis jenes Weges in den Materialismus hinein, der etwa 1840 begonnen hat in seiner Stärke, oder sich vielmehr vorbereitet hat. Diejenigen Menschen, die Geistiges nicht aufnehmen durch ihre Seele, die nehmen heute doch Geistiges auf; indem sie essen und trinken, essen und trinken sie den Geist. Sie sind Seelen- und Geistesesser. Und auf diesem Wege geht der Geist, der hereinströmt in die Erdenentwickelung, in das luziferische Element hinein, wird Luzifer mitgeteilt. Die luziferische Kraft, die dann der ahrimanischen Kraft für ihre spätere Inkarnation helfen kann, wird dadurch immer stärker und stärker.
Das wird schon eine Erkenntnis der Menschen werden müssen, derjenigen Menschen, die sich darauf einlassen, dass die Menschen der Zukunft entweder bewusst Geist-Erkenntnis aufnehmen werden oder unbewusst den Geist verzehren und ihn dadurch den Luzifermächten überliefern werden.
Diese Strömung des Geist- und Seelenessens, die fördert Ahriman ganz besonders, weil er dadurch die Menschen immer mehr und mehr einlullen kann, so dass er dann durch seine Inkarnation unter die Menschen treten, sie überfallen kann, so dass sie ihm nicht bewusst entgegentreten.
Intellektualismus in Wissenschaft und sozialem Leben
Aber auch direkt kann Ahriman seiner Inkarnation vorarbeiten und tut es. Die heutigen Menschen führen auch gewiss ein Geistesleben, aber ein rein intellektuelles, das nicht auf die geistige Welt sich bezieht. Immer mehr und mehr verbreitet sich unter den Menschen dieses bloß intellektuelle Leben, welches zuerst namentlich in den Wissenschaften Platz ergriffen hat, jetzt aber auch im sozialen Leben zu allen möglichen sozialen Exzessen führt.
Welcher Art ist denn dieses intellektuelle Leben? Dieses intellektuelle Leben ist so wenig mit den wirklichen Interessen der Menschen verknüpft. Ich frage Sie: Wie viele lehrende Menschen sehen Sie heute in hohe und niedrige Lehranstalten hinein- und herausgehen, die eigentlich nicht aus innerem Enthusiasmus ihrer Wissenschaft dienen, sondern aus einem äußeren Berufe? Da ist nicht das unmittelbare Interesse der Seele verbunden mit dem, was getrieben wird. Es geht selbst bis in die Lernzeit herunter.
Denken Sie, wieviel gelernt wird auf den verschiedensten Stufen des Lebens, ohne dass ein wirklicher Enthusiasmus, ein wirkliches Interesse bei diesem Lernen ist, wie äußerlich das intellektuelle Leben für viele Menschen wird, die sich ihm hingeben. Und wie viele Menschen müssen heute allerlei Geistiges produzieren, das dann in Bibliotheken konserviert wird, das nicht lebendig ist als geistiges Leben.
All dies, was als intellektualistisches Geistesleben sich entwickelt, ohne dass menschliche Seelenwärme es durchglüht, ohne dass menschlicher Enthusiasmus dabei ist, fördert unmittelbar die Inkarnation Ahrimans in seinem eigenen Sinne. Das lullt die Menschen in der Weise ein, wie ich es charakterisiert habe, so dass es für Ahriman sehr günstig werden kann.
Nationalismus, Volks- und Stammeszusammenhänge, Volkschauvinismen
Daneben gibt es zahlreiche andere Strömungen im geistigen oder ungeistigen Leben, die Ahriman benützen kann, wenn sie die Menschen nicht in richtigem Sinne benützen. Sie haben in der letzten Zeit durch die Welt gehen hören, tönen hören – hören es noch immer –, dass aufgerichtet werden müssten nationale Staaten, nationale Reiche. Von »Freiheit der einzelnen Völker« hört man viel. Nun, die Zeit, in der nach den Bluts- und Stammeszusammenhängen Reiche gegründet werden sollen, die ist in der Menschheitsentwickelung vorüber.
Und wenn heute appelliert wird an Volks-, Stammes- und dergleichen Zusammenhänge, an Zusammenhänge, die nicht aus dem Intellekt oder aus dem Geist entspringen, dann wird Disharmonie unter der Menschheit gefördert. Und diese Disharmonie unter der Menschheit ist es dann, die ganz besonders die ahrimanische Macht benützen kann. Volkschauvinismen, allerlei verkehrte Patriotismen, die werden das Material sein, aus dem sich Ahriman das zurechtzimmert, was er gerade haben muss.
Parteiprogramme
Dann tritt aber noch etwas anderes hinzu. Wir sehen heute überall für dies oder jenes Parteien auftreten. Nun, in bezug auf diese Parteimeinungen und Parteiprogramme sehen die Menschen durchaus heute nicht klar und wollen nicht klarsehen. Man kann heute mit einem großen menschlichen Scharfsinn das Allerradikalste beweisen. Leninismus lässt sich sehr scharfsinnig beweisen, aber auch sein Gegenteil, und alles, was dazwischen liegt. Sie können heute jede menschliche Programmeinung streng beweisen. Nur hat derjenige, der die entgegengesetzte Programmeinung beweist, ebenso stark recht.
Dasjenige, was intellektualistischer Geist ist, wie er heute unter den Menschen herrscht, das reicht keineswegs aus, um irgend etwas in seiner inneren Lebensfähigkeit, in seinem inneren Lebenswert zu zeigen. Es beweist. Aber was bewiesen ist, das sollten wir durchaus noch nicht für etwas Lebenswertes, Lebenskräftiges halten. Daher stehen sich heute die Menschen, einander bekämpfend, in Parteien gegenüber, weil sich jede Parteimeinung mit demselben Rechte oder wenigstens die wesentlichsten Parteimeinungen mit dem gleichen Rechte beweisen lassen. Dasjenige, was unser Intellekt ist, bleibt an der oberen Schicht des Verstehens der Dinge, dringt nicht in diejenige Schicht hinunter, wo die Wahrheit wirklich liegt.
Das müsste auch nur tief und gründlich genug eingesehen werden. Die Menschen lieben es heute, gerade mit ihrem Verstände an der Oberfläche zu bleiben und nicht durch tiefere Geisteskräfte in weitere, dem Wesen der Dinge entsprechende Schichten des Seins vorzudringen. Obwohl man sich nur im äußeren Leben ein wenig umzusehen brauchte – schon das alleralleräußerste Leben zeigt oftmals, wie man durch das, was die Menschen heute lieben, getäuscht werden kann.
Statistik
Die Menschen lieben heute in der Wissenschaft die Zahl, sie lieben aber auch im sozialen Leben die Zahl. Sehen Sie einmal die sozialistische Wissenschaft an: sie besteht fast aus lauter Statistiken. Und aus Statistiken, das heißt aus Zahlen, werden die wichtigsten Dinge geschlossen, erschlossen. Nun, auch mit Zahlen lässt sich alles beweisen und alles glauben. Denn die Zahl ist nicht ein Mittel, etwas zu beweisen, sondern die Zahl ist gerade ein Mittel, die Menschen zu täuschen. Sobald man nicht von den Zahlen auf das Qualitative sieht, über die Zahl hinwegsieht und auf das Qualitative sieht, kann man durch die Zahl am meisten getäuscht werden.
Ein naheliegendes Beispiel ist dieses. Viel wird zum Beispiel oder wurde wenigstens über die Nationalität der Mazedonier gestritten. Vieles im politischen Leben der Balkanhalbinsel hing ab von den Statistiken, die da gemacht wurden. Nur hat man da die Zahlen, die so viel wert sind wie die Zahlen anderer Statistiken. Ob man also nun eine Weizen- und Roggenstatistik macht, oder ob man eine Statistik macht, wie viele Menschen griechischer, serbischer, bulgarischer Nationalität in Mazedonien leben: in bezug auf dasjenige, was die Statistik beweisen kann, ist das ja alles das gleiche. Da findet man eben die Zahlen, die für die Griechen, die Zahlen, die für die Bulgaren, für die Serben angeführt werden, und man kann aus diesen Zahlen die schönsten Schlüsse ziehen.
Aber man kann auch nachsehen in das Qualitative hinein. Da zeigt sich, dass zum Beispiel oftmals angeführt sind: der Vater als Grieche, ein Sohn als Bulgare, ein Sohn als Serbe. Wie das zugeht, das mögen Sie sich selber ausmalen. Aber diese Statistik, die wird dann zu Rate gezogen, während die Statistik in diesem Falle nur etwas ist, was zur Begründung der Parteizwecke aufgestellt ist. Denn selbstverständlich, wenn der Vater wirklich ein Grieche ist, so sind die beiden Söhne auch Griechen. Aber das ist nur ein Beispiel für vieles, was da gemacht wird, und was unter Menschen überhaupt gemacht wird mit Zahlen. Zahlen sind dasjenige, wodurch Ahriman am meisten erreichen kann, wenn die Zahlen als Beweismittel angeführt, als Beweismittel angesehen werden.
»Schlichter Glaube«, Evangelien
Ein weiteres Mittel, dessen Ahriman sich bedienen kann, ist eines, das wiederum, wenn man es ausspricht, wahrscheinlich nicht gleich als ein solches angesehen wird, dessen Charakteristik vielmehr paradox klingen wird. Sie wissen, wir haben versucht, innerhalb unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung die Evangelien geisteswissenschaftlich zu vertiefen. Aber diese Vertiefung der Evangelien in unserer Zeit, die notwendiger und immer notwendiger wird, wird ebenso abgelehnt von zahlreichen Menschen, wie die Geisteswissenschaft überhaupt abgelehnt wird. Die Menschen, die auf diesem Gebiete oftmals glauben – wenigstens sie betonen es – bescheiden zu sein, sind eigentlich die hochmütigsten. Immer mehr muss man es hören, dass die Leute sagen, man solle sich vertiefen in die einfache Schlichtheit des Evangeliums und solle nicht auf den komplizierten Wegen der Geisteswissenschaft zum Beispiel das Mysterium von Golgatha suchen. Die Menschen, die vorgeben, schlicht zu suchen in den Evangelien, sind gerade die hochmütigsten, denn sie verachten in ihrem Hochmut das ehrliche und aufrichtige Suchen durch geisteswissenschaftliche Erkenntnisse. Sie sind so hochmütig, dass sie glauben, ohne irgendwie sich anzustrengen, nur indem sie naiv sich in die Evangelien vertiefen, die höchsten Erkenntnisse der geistigen Welt einheimsen zu können. Was sich heute oftmals als bescheiden, als schlicht aufspielt, ist gerade das Aller-hochmütigste. In den Sekten, in den Konfessionen leben die hochmütigsten Menschen.
Sehen Sie, die Evangelien sind ja in einer Zeit entstanden, als die luziferische Weisheit noch da war. In den ersten Jahrhunderten der christlichen Entwickelung hat man die Evangelien ganz anders verstanden als später. Heute geben die Leute, die sich nicht geisteswissenschaftlich vertiefen können, bloß vor, die Evangelien zu verstehen. In Wirklichkeit haben sie nicht einmal mehr den ursprünglichen Sinn der Worte. Denn dasjenige, was in die verschiedenen Sprachen übersetzt ist, sind eben nicht in Wahrheit die Evangelien, sondern es ist etwas, was gar nicht mehr im Grunde erinnert an den ursprünglichen Sinn der Worte, in denen die Evangelien abgefasst waren. Heute kann man zur wirklichen Erkenntnis dessen, was als Christus-Wesen in die Erdenentwickelung eingegriffen hat, nur auf geisteswissenschaftlichem Wege kommen.
Wer sich heute in die Evangelien nur «schlicht», wie oftmals gesagt wird, vertiefen möchte oder es tut, der kommt nicht zu einem innerlichen Ergreifen der wirklichen Christus-Wesenheit, sondern lediglich zu einer Illusion oder, alleräußerst, zu einer Vision oder Halluzination dieser Christus-Wesenheit. Ein wirklicher Zusammenhang mit dem Christlichen ist heute nicht mehr durch das bloße Lesen der Evangelien zu erlangen, sondern nur eine Art von verfeinerter Halluzination des Christus.
Daher ist die theologische Anschauung so weit verbreitet, dass in dem Manne Jesus von Nazareth gar nicht der Christus enthalten war, sondern dass dieser eben auch nur eine historische Persönlichkeit, wie Sokrates oder wie Plato oder dergleichen war, nur vielleicht eine etwas höhere. »Der schlichte Mann aus Nazareth«, er ist ein Ideal sogar der Theologen. Und mit so etwas wie der Erscheinung vor Damaskus für Paulus wissen natürlich die wenigsten heutigen Theologen mehr etwas anzufangen, weil aus den Evangelien heraus ohne geisteswissenschaftliche Vertiefung es nur zu einer Halluzination des Christus kommen kann, nicht zu der Anschauung des wirklichen Christus. Deshalb wird auch dasjenige, was dem Paulus vor Damaskus erschienen ist, nur als eine Halluzination aufgefasst.
Konfessionen, Sekten
Es ist notwendig, dass die Evangelien heute nach Maßgabe der Geisteswissenschaft vertieft werden. Denn die Dumpfheit, welche diejenigen Menschen ergreift, die nur innerhalb der Konfessionen leben wollen, die wird gerade Ahriman am allermeisten benützen, um zu seinem Ziel zu kommen: die Menschen zu überfallen mit seiner Inkarnation. Und diejenigen, die glauben, am christlichsten zu sein, indem sie eine Fortentwickelung der Anschauung über das Christus-Mysterium ablehnen, sind in ihrem Hochmut gerade die, welche am allermeisten die Zwecke Ahrimans fördern. Die Konfessionen sind geradezu Förderungsgebiete, Förderungsböden für das ahrimanische Wesen. Es nützt nichts, sich über diese Dinge irgendwie durch Illusionen heute hinwegzusetzen. Geradeso wie die materialistische Gesinnung, die alles Geistige abweist und den Menschen nur zu dem machen will, was er isst und trinkt, gerade so wie diese materialistische Gesinnung die Zwecke Ahrimans fördert, so fördert die Zwecke Ahrimans – in seinem Sinne, nicht im Menschheitssinne – das starre Ablehnen alles Geistigen und das Bleiben bei dem wortwörtlichen, wie man oftmals sagt, schlichten Auffassen der Evangelien.
Sehen Sie, es ist ein Damm aufgerichtet worden, damit die einzelnen Evangelien nicht allzusehr den Menschen einengen, dadurch, dass das Ereignis von Golgatha von vier Seiten beschrieben ist in den Evangelien, die sich – wenigstens scheinbar – widersprechen. So dass die Menschen bewahrt werden vor einer zu wörtlichen Auffassung, wenn sie nur ein klein wenig nachdenken. In denjenigen Sekten aber, die ein Evangelium nur zugrunde legen – solche gibt es auch, und zwar zahlreiche -, macht sich geltend das Verführerische, das Dumpfmachende, das Halluzinatorische, das hervorgerufen wird durch die bloße Vertiefung in die Evangelien. Die Evangelien mussten in ihrer Zeit als Gegengewicht gegen die luziferische Gnosis gegeben werden. Aber werden sie so genommen, wie sie dazumal gegeben worden sind, so dienen sie nicht dem Menschheitsfortschritt, sondern sie dienen dem Zwecke Ahrimans. Irgend etwas ist nicht bloß im absoluten Sinne gut durch sich selbst, sondern immer ist es gut oder schlimm, je nachdem die Menschen es gebrauchen. Das Beste kann am schlimmsten sein, wenn die Menschen es nicht im richtigen Sinne gebrauchen. Wenn die Evangelien ein Höchstes sind, so können sie gerade am schlimmsten wirken, wenn die Menschen zu bequem sind, um zu einer wirklichen geisteswissenschaftlichen Interpretation dieser Evangelien vorzudringen.
Ahriman als Herausforderung der Erkenntnis
So ist vieles in den geistigen und ungeistigen Strömungen der Gegenwart, das nötig machen würde, dass die Menschen es genau ansehen und ihr Verhalten, namentlich das Verhalten ihrer Seele, entsprechend einrichten. Ob die Menschen so etwas durchschauen wollen, davon wird es abhängen, wie die Inkarnation des Ahriman die Menschen trifft, ob diese Inkarnation des Ahriman die Menschen dazu bringt, das Erdenziel ganz zu verlieren, oder ob diese Inkarnation Ahrimans die Menschen dazu bringt, gerade die ganz eingeschränkte Bedeutung des intellektuellen Lebens, des unspirituellen Lebens zu erkennen. Wenn die Menschen im richtigen Sinne, ich möchte sagen, dasjenige in die Hand nehmen, was ich Ihnen jetzt als zu Ahriman hinführende Strömungen charakterisiert habe, dann werden sie, einfach durch die Inkarnation des Ahriman im irdischen Leben, klar erkennen, was ahrimanisch auf der einen Seite ist und dadurch auch den polarischen Gegensatz, das Luziferische erkennen. Und dann werden die Menschen in die Lage kommen, gerade aus dem Gegensatz von Ahrimanischem und Luziferischem das zusammenfassende Dritte ins Seelenauge zu fassen. Bewusst müssen sich die Menschen durchringen zu dieser Trinität des Christlichen, des Ahrimanischen, des Luziferischen. Denn ohne dieses Bewusstsein werden die Menschen der Zukunft nicht so entgegenleben können, dass sie das Erdenziel wirklich erreichen.
Sehen Sie, die Dinge, die mit der Geisteswissenschaft zusammenhängen, sind wahrhaftig nur richtig zu verstehen, wenn man sie mit völligem Ernst nimmt. Denn Geisteswissenschaft ist ja nicht irgend etwas, was aus der Schrulle irgendeines sektiererischen Geistes heute unter die Menschheit treten will, sondern Geisteswissenschaft ist wahrhaftig etwas, was abgelesen wird von den Notwendigkeiten der Menschheitsentwickelung. Wer diese Notwendigkeiten der Menschheitsentwickelung einsieht, der kann nicht Geisteswissenschaft treiben, oder auch nicht treiben, sondern der muss sich sagen: Es muss alles physische und geistige Leben der Menschen durchglänzt und durchzogen werden von geisteswissenschaftlicher Auffassung.
Gaben Ahrimans
Geradeso also, wie es einstmals im Osten eine luziferische Inkarnation gab, dann, man möchte sagen, in der Mitte der Weltentwickelung die Christus-Inkarnation, so wird im Westen stattfinden eine ahrimanische Inkarnation.
Diese ahrimanische Inkarnation soll nicht etwa vermieden werden. Kommen muss sie, denn die Menschen müssen Ahriman, wenn ich so sagen will, Auge in Auge gegenübertreten.
Er wird diejenige Individualität sein, die den Menschen zeigen wird, zu welchem ungeheuren Scharfsinn der Mensch eben kommen kann, wenn er alles, was von den Erdenkräften aus den Scharfsinn fördern kann, zu Hilfe ruft.
In den Nöten, von denen ich gesprochen habe, die in der nächsten Zeit über die Menschen kommen werden, werden die Menschen sehr erfinderisch werden. Mancherlei wird entdeckt werden aus den Kräften und Substanzen der Welt heraus, das für den Menschen Nahrung abgeben wird. Aber was da gefunden wird, wird so gefunden, dass man zugleich erkennen wird, wie das Materielle zusammenhängt mit den Organen des Verstandes, nicht des Geistes, aber des Verstandes.
Man wird lernen, was man essen und trinken muss, um recht gescheit zu werden.
Man kann nicht geistig werden durch Essen und Trinken, aber man kann sehr gescheit, raffiniert gescheit werden dadurch.
Die Menschen kennen nur diese Dinge noch nicht, aber diese Dinge werden nicht etwa nur angestrebt, sondern sie ergeben sich ganz von selbst durch die Nöte, die auftreten werden in der nächsten Zeit. Und, ich möchte sagen, durch gewisse Verwendung dieser Dinge werden gewisse Geheimgesellschaften, die heute schon ihre Vorbereitungen dazu machen, die da sind, vorbereiten dasjenige, wodurch dann die ahrimanische Inkarnation in der richtigen Weise auf der Erde wird da sein können. Und sie soll da sein; denn der Mensch soll während der Erdenzeit auch erkennen, wieviel aus rein materiellen Prozessen hervorgehen kann. Aber der Mensch soll zugleich einsehen, dass er solche geistige oder ungeistige Strömungen, die zum Ahrimanismus hinführen, beherrschen lernen soll.
Nicht beweisen, erleben
Wenn wir einsehen, dass Parteiprogramme bewiesen werden können, aber auch die entgegengesetzten, dann werden wir uns sagen müssen: Also müssen wir aufsteigen zu einer solchen Seelenstimmung, in der wir nicht beweisen, sondern erleben. Denn, was erlebt wird, das ist etwas anderes, als was bloß verstandesmäßig bewiesen wird. Ebenso werden wir uns sagen: Es muss immer mehr und mehr geisteswissenschaftliche Vertiefung der Evangelien eintreten. Das heute noch wortwörtliche Hinnehmen der Evangelien ist eine Förderung der ahrimanischen Kultur. Schon aus äußerlichen Gründen kann eingesehen werden, dass für den heutigen Menschen das bloße wortwörtliche Nehmen der Evangelien nicht mehr gelten kann, denn Sie wissen ja, was für eine Zeit richtig ist, ist nicht für jede andere richtig. Das, was für eine Zeit richtig ist, ist, in einer späteren Zeit geübt, luziferisch oder ahrimanisch. Das Lesen der Evangelien hatte seine Zeit. Heute handelt es sich darum, anhand der Evangelien eine geistige Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha zu gewinnen.
Es ist gewiss heute für viele Menschen außerordentlich unbequem, diese Dinge einzusehen. Aber derjenige, der anthroposophisch interessiert sein will, sollte wirklich kennenlernen, wie die Schichten der Kultur sich allmählich nebeneinandergelagert haben, ein Chaos hervorgerufen haben, und wie wiederum Licht in dieses Chaos hineinkommen muss.
Man sollte heute schon den Versuch machen, irgendeinen modernen, sehr radikal modernen Menschen zu hören oder zu lesen über diese oder jene Frage des heutigen Lebens und daneben, sagen wir, über dieselbe Frage die Kanzelreden zu hören eines Priesters einer Konfession, der noch ganz drinnensteht, auch in der Denkweise, in der Form der Gedanken der alten Zeit. Da haben Sie dann wirklich zwei Welten vor sich, die Sie nur dann konfundieren, vermischen werden, wenn Sie es vermeiden, der Wahrheit gemäß auf diese Dinge wirklich einzugehen. Hören Sie heute über die soziale Frage einen modernen Sozialisten, und hören Sie dann gleich darauf, sagen wir, einen katholischen Kanzelredner über die soziale Frage: es ist sehr interessant, wie nebeneinanderleben zwei Schichten von Kultur, die die Worte in ganz anderem Sinne gebrauchen. Dasselbe Wort bedeutet für den einen etwas ganz anderes als für den anderen.
Ruf nach Offenbarung, nach Geist
Diese Dinge sollten in das Licht gerückt werden, das man bekommen kann, wenn man solche Betrachtungen ernst nimmt, wie wir sie heute gerade angestrebt haben. Schließlich kommen auch Menschen aus den positiven Religionsbekenntnissen zu einer Art, ich möchte sagen, von Sehnsucht nach geistiger Vertiefung. Es ist wirklich nicht eine unbedeutende Erscheinung, dass solch ein hervorragender Geist, aber positiver katholischer Geist, wie der Kardinal Newman bei seiner Einkleidung zum Kardinal in Rom gesagt hat: Er sehe kein anderes Heil für das Christentum als eine neue Offenbarung.
Ja, das hat der Kardinal Newman gesagt: Er sehe kein anderes Heil für das Christentum als eine neue Offenbarung. – Aber er hat natürlich nicht den Mut gehabt, irgendwie ernst zu nehmen eine neue geistige Offenbarung. Und so machen es die anderen auch. Sie können heute unzählige Schriften lesen über dasjenige, was der Menschheit not tut, sagen wir in bezug auf das soziale Leben. Jetzt ist wiederum eine Schrift erschienen: »Sozialismus« heißt sie, von Robert Wilbrandt [1875–1954; Sozialdemokrat, Kathedersozialist], dem Sohne des Dichters Wilbrandt [1837–1911; Adolf Wilbrandt, Direktor des Wiener Burgtheaters]. Da wird zum Beispiel die soziale Frage erörtert auf Grundlage guter Einzelerkenntnisse. Und zuletzt wird gesagt: Ohne den Geist geht es nicht, und gerade der Verlauf, den die Dinge nehmen, zeigt, dass der Geist notwendig ist.
Ja, wozu kommt aber ein solcher Mensch? Er kommt dazu, das Wort Geist auszusprechen, das Abstraktum Geist zu sagen. Aber er lehnt es ab, weist es weit von sich, irgend etwas anzunehmen, was wirklich den Geist erarbeiten will. Dazu ist notwendig, vor allen Dingen einmal einzusehen, dass das Wühlen in Abstraktionen, wenn es noch so sehr nach Geist schreit, noch nicht etwas Spirituelles ist, noch nicht etwas, was Geist ist. Man sollte nicht verwechseln die dumpfe, abstrakte Rederei von Geist mit dem wirklichen positiven Suchen nach dem Inhalt der geistigen Welt, wie es gerade auch durch die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft geschehen soll.
Geist ist nicht gleich Geist, Intelligenz als Spiegelbild
Von Geist reden heute viele Menschen. Sie aber, die Sie Geisteswissenschaft aufnehmen, sollten Menschen sein, die sich nicht betören lassen durch das bloße Geistgerede, sondern die einsehen sollten, dass ein Unterschied besteht zwischen diesem bloßen Geistgerede und den Schilderungen der geistigen Welt, wie sie versucht werden auf anthroposophischem Boden, wo die geistige Welt ebenso geschildert wird, wie die physisch-sinnliche Welt auf äußere Weise geschildert wird.
Auf diese Unterschiede sollten Sie sich einlassen, sollten sich immer wieder und wiederum vor die Seele rücken, wie gerade eine Ablenkung vom wirklichen Geistesstreben das abstrakte Geistgerede ist, und wie heute viele Menschen von Geist reden, die eigentlich damit nur immer weiter vom Geist abbringen. Denn das bloße intellektuelle Hinweisen auf den Geist, das führt nicht zum Geist.
Was ist denn Intelligenz? Was ist der Inhalt unserer menschlichen Intelligenz? Ich kann Ihnen das am besten sagen, wenn ich Ihnen folgendes Bild vor die Seele stelle. Denken Sie sich – es sind ja so viele Damen da, die werden das noch besser verstehen –, denken Sie sich, Sie stünden vor einem Spiegel, schauten hinein. Nehmen Sie dieses Bild, das Ihnen der Spiegel darbietet. Es ist ganz so, wie Sie selber sind, aber es ist doch gar nichts Wirkliches. Es entsteht durch das Spiegeln des Spiegels. Alles, was Sie als Intelligenz in Ihrer Seele haben, als Inhalt des Intellektuellen, ist nur ein Spiegelbild. Dadrinnen ist keine Wirklichkeit.
Und so wie das Spiegelbild von Ihnen nur durch den Spiegel hervorgerufen wird, so wird das, was sich als Intelligenz spiegelt, nur durch den physischen Apparat Ihres Leibes, durch das Gehirn hervorgerufen. Intelligent ist der Mensch nur durch seinen Leib. Und so wenig Sie sich selbst streicheln können, wenn Sie nach Ihrem Spiegelbild greifen, so wenig können Sie den Geist erfassen, wenn Sie bloß an das Intellektualistische sich wenden, denn darin ist nicht der Geist. Das, was erfasst wird, und sei es noch so scharfsinnig, durch die Intelligenz, enthält niemals den Geist, nur das Bild des Geistes. Sie können den Geist nicht erleben, wenn Sie bei der bloßen Intelligenz stehenbleiben.
Daher ist die Intelligenz so verführerisch, weil sie ein Bild gibt, jedoch ein Spiegelbild des Geistes, aber nicht den Geist. Man braucht sich dann nicht die Unbequemlichkeit zu machen, in den Geist sich hineinzuleben, weil man ihn ja hat – man meint wenigstens, ihn zu haben – im Spiegelbild; aber man kann sehr gut reden von dem Geist. Dieses zu unterscheiden, das bloße Bild des Geistes vom wirklichen Geiste, das ist die Aufgabe für jene Gesinnung, die nicht bloß theoretisiert im Geisteswissenschaftlichen, sondern in einer positiven Geistesanschauung wirklich drinnensteht.
Physische Dekadenz, geistiger Aufstieg
Das wollte ich heute zu Ihnen sprechen zur Bekräftigung des Ernstes, der durchdringen sollte unsere ganze Stellung zum anthroposophisch erfassten Geistesleben. Denn davon, wie die Menschheit der Gegenwart diese Stellung auffasst, wird die reale Entwickelung der Menschheit nach der Zukunft abhängen. Wird das, was ich heute charakterisiert habe, so genommen, wie es heute noch von den weitaus meisten Menschen der Erde genommen wird, dann wird Ahriman für die Menschen ein schlimmer Gast werden, wenn er kommt. Können die Menschen sich aufraffen, diese Dinge, die wir heute betrachtet haben, in ihr Bewusstsein aufzunehmen, sie zu lenken und zu leiten so, wie es sein soll für eine freie Stellung der Menschheit gegenüber der ahrimanischen Macht, dann wird die Menschheit durch Ahriman, wenn er auftritt, gerade das Richtige lernen, um einzusehen, wie allerdings die Erde in ihren Verfall hineinkommen muss, wie aber die Menschheit gerade dadurch sich hinaushebt über das irdische Dasein. Wenn der Mensch ein gewisses Alter im physischen Leben erlangt hat, dann verfällt sein physischer Leib, und er klagt nicht, wenn er vernünftig ist, dass dieser physische Leib verfällt, sondern er weiß, dass er mit seiner Seele einem Leben entgegengeht, das nicht parallel etwa ist dem Verfall dieses physischen Leibes.
In der Menschheit lebt etwas, was nicht zusammenhängt mit dem Verfall der physischen Erde, der schon eingetreten ist, sondern was gerade immer geistiger und geistiger wird dadurch, dass die Erde physisch in ihre Dekadenz kommt. Lernen wir es unbefangen sagen:
Jawohl, die Erde ist in der Dekadenz, auch das Menschenleben in bezug auf seine physische Erscheinung. Aber fassen wir gerade dadurch die Kraft, dasjenige in unsere Zivilisation hereinzubekommen, was als Unsterbliches der ganzen Erdenentwickelung aus der Menschheit heraus weiterleben muss, wenn die Erde ihrem Untergange entgegengeht.
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