Zuletzt aktualisiert am 24. September 2024.
Wenn wir mit dem Finger zeigen, wollen wir jemand anderen auf etwas hinweisen, das seiner Aufmerksamkeit entgangen ist. Oder wir deuten auf etwas hin, das uns selbst bemerkenswert erscheint, so bemerkenswert, dass wir unsere Freude oder Aufregung über unsere Beobachtung mit anderen teilen möchten.
Die Geste impliziert zweierlei: sie weist auf uns selbst als die Bemerkenden hin und schließt den anderen ein, dessen Aufmerksamkeit wir auf das von uns Bemerkte hinlenken wollen.
Der Fingerzeig zeichnet den Menschen als Beobachtenden und Begriffebildenden aus, denn wir sehen nicht nur, sondern wir erkennen das Gesehene auch als bedeutsam. Auf Bedeutungsloses weisen wir nicht hin, wir belästigen andere nicht mit Fingerzeigen, wenn wir selbst das Bemerkte nicht für bedeutsam halten. Das Zeigen auf etwas ist ein Aufweisen und ein Hinweisen, ihm geht Erkennen voraus und folgt ihm nach.
Der Fingerzeig ist ein sympathetischer Akt, ein Ausdruck unserer sozialen Veranlagung: wir laden den anderen dazu ein, unser Staunen und unsere Verwunderung zu teilen. Er ist aber auch die Einladung zu einem Gespräch: wir wünschen, indem wir den anderen durch ihn auf etwas hinweisen, mit ihm in Kommunikation über das Bedeutsame zu treten, das wir bemerkt haben. Schließlich laden wir ihn auch zur Syngnosis, zu einem gemeinsamen Erkenntnisprozess ein, der aus dem Staunen hervorgeht. Das Zeigen mit dem Finger ist ein elementarer philosophischer Prozess, der die Aussage des Aristoteles bestätigt, alles Erkennen fange mit dem Staunen an. Es ist ein gestisches Zeugnis unseres Menschseins, setzt es doch den ganzen Menschen voraus: seine leibliche Existenz, ohne die er in der sinnlichen Welt nicht zu sehen vermöchte, seine Seele, ohne die er nicht zu staunen und zu bewundern vermöchte und seinen Geist, ohne den er keine Bedeutungen zu erkennen vermöchte.
Nicht zufällig bedienen sich Eltern kleiner Kinder der mit verbalen Aufforderungen verbundenen Geste: Sieh dies! Sieh das! Schau eine Ente, schau der Schmetterling! Sie leiten ihre Kinder zum Wahrnehmen und Beobachten an, indem sie ihren Blick durch den Finger auf etwas lenken, sie regen sie durch die begleitenden sprachlichen Äußerungen zum Erkennen und Wiedererkennen an. Und sie teilen ihre Freude über das Gesehene und Erkannte, ihre Freude über die Wunder dieser Welt mit ihnen.
Mit dem Finger weisen wir aber auch auf Gefahren hin. Bedrohendes, das nicht unser unmittelbares Eingreifen mit beiden Händen erfordert, indem wir z.B. jemanden festhalten, der sich anschickt, in ein Auto zu laufen oder abzustürzen. Die Geste schärft die Aufmerksamkeit, sie will daran erinnern, dass nicht nur das Staunenerregende, sondern auch das Furchterregende, das unser Wohlergehen und unsere Existenz Gefährdende um uns ist. So eingesetzt, lädt sie nicht zur Bewunderung ein, sondern zur Achtsamkeit, sie dient dem Schutz des uns Anvertrauten oder beiläufig in Obhut genommenen (etwa, wenn wir einen Passanten auf die rote Ampel aufmerksam machen).
Mahner und Warner bedienen sich ihrer, die auf Gefahren hinweisen, die andere missachten oder übersehen. Mahnen und Warnen sollen schützen und bewahren. Sie sind Ausdruck eines gesteigerten Bewusstseins, der empfundenen Verantwortung für andere. Kassandra, die missachtete Seherin, und manche Propheten des Alten Testaments können wir uns mit mahnendem Zeigefinger vorstellen. Auch der mahnende Zeigefinger ist sympathetisch und setzt soziale Anteilnahme voraus. Das hat er mit allem Zeigen gemein. Wenn es niemanden gäbe, zu dem ich in Beziehung stehe, der mich als Zeigenden wahrnimmt und die Bedeutung des Zeigens erkennt, hätte das Zeigen keinen Sinn.
Auf eine weitere Bedeutung der Geste verweist ein Tabu: Man soll nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Seine Bedeutung erschließt sich durch moralische Merksätze wie: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen; oder: Du siehst den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Wer dennoch in diesem Sinn auf andere zeigt, will moralisch anklagen. Auch hier geht es um Aussonderung, ums Herausheben aus dem Einerlei. Der anklagende Zeigefinger will auf die Bedeutung einer Handlung hinweisen, die als besonders verwerflich betrachtet wird, auf Personen, die sich eine solche haben zuschulden kommen lassen und ist insofern mit dem einst verbreiteten Pranger verwandt. Die Geste signalisiert moralische Verurteilung: Seht ihn euch an, er hat es getan! Zeigt alle mit dem Finger auf ihn; er möge geächtet werden, er möge aus unserer Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
Die zitierten Merksätze erinnern uns jedoch auch an die Gefahren, die im moralischen Urteil lauern: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! Wer gibt uns das Recht, andere moralisch zu verurteilen, wenn wir selbst nicht besser sind? Wie können wir uns über sie erheben, wenn wir mit dem an ihnen verurteilten Makel selbst behaftet sind? Wenn wir den Geächteten wegen seiner Lügen verurteilen, aber selbst lügen. Den Betrüger an den Pranger stellen, aber indem wir anklagen, selbst der Versuchung erliegen, andere zu betrügen? Wer mit dem Finger auf andere zeigt, weil er sie moralisch anklagen will, sollte selbst unberührt von jenen Unvollkommenheiten sein, die er ihnen vorwirft, sonst fällt die Anklage auf ihn zurück. Während der eine ausgestreckte Finger auf die anderen zeigt, weisen drei weitere auf den Zeigenden zurück.
Von dieser Dialektik des Zeigens werden heute jene eingeholt, die dazu aufforderten, »die gesamte Republik« möge mit dem Finger auf die Ungeimpften und Maßnahmenkritiker zeigen, weil sie ihnen eine Schuld zuwiesen, die sie offensichtlich nicht auf sich geladen hatten. Ähnliches sollte jene ereilen, die bis heute »Hass und Hetze« verbreiten, um gegen »Hass und Hetze« vorzugehen. Sie müssen mit ihren eigenen Maßstäben gemessen werden, sie dürfen für sich keine Ausnahmeregeln beanspruchen. Tun sie es dennoch, ziehen sie den Vorwurf der Heuchelei und Bigotterie auf sich. Der Dieb, der ruft, haltet den Dieb, ist darum nicht weniger ein Dieb. Der Lügner, der sich mit den Lügen anderer rechtfertigt, vermag sich dadurch nicht zu exkulpieren.
Andere zu belügen und zu betrügen, um persönliche Vorteile zu erlangen, ist gewiss moralisch verwerflich, zuweilen auch strafrechtlich relevant; noch schlimmer aber ist es, wenn solchen Handlungen weitere Lügen und Betrügereien hinterhergeschoben werden, um sie zu bemänteln oder zu verschleiern. Nicht nur im privaten, auch im öffentlichen Leben ziehen sie den Verlust von Vertrauen nach sich, führen zu Beschuldigung und Anklage. Zuerst müssen sie aber als das erkannt werden, was sie sind: als Verstöße gegen die guten Sitten, mitunter als strafbare Handlungen. Diese Erkenntnisse verdanken wir dem wachen Bewusstsein oder der Empörung durch die Geschädigten. Das wache Bewusstsein führt zu Aufklärung, die Empörung folgt aus ihr. Der Zorn angesichts der Schädigung Gutgläubiger und Unschuldiger ist eine legitime menschliche Regung, ihn zu artikulieren, erfüllt eine kathartische Funktion, sowohl für den Einzelnen, als auch für die Gesellschaft, die im großen Maßstab zum Opfer von Lügen und Betrügereien geworden ist.
Wir blicken inzwischen auf bald drei Jahre eines moralischen Ausnahmezustandes zurück, in dem eine ganze Gesellschaft, ja die Menschheit, zum Opfer eines gigantischen Betrugs geworden ist. Eine Kabale aus Gesundheitsbehörden, Nichtregierungsorganisationen, Politikern und Vertretern der Pharmaindustrie hat in uns mit Hilfe der beispiellosen Propaganda gleichgeschalteter Medien den Glauben hervorgerufen, wir würden von einer vernichtenden Seuche, einer Jahrhundertpandemie heimgesucht und die einzige Rettung sei die Aufhebung unserer Grundrechte und die Anwendung einer unerprobten »Therapie«, der die gesamte Menschheit unterworfen werden müsse. Wer sich der grundstürzenden Umwälzung aller Erfahrungsmaßstäbe, aller wissenschaftlichen Evidenz, aller moralischen und ethischen Normen widersetzte, wurde als Feind der Menschheit markiert und von staatlichen Organen verfolgt, die sich zu willigen Vollstreckern gewissenloser Oligarchen erniedrigten.
Die Zeit der Verfolgung ist leider noch nicht beendet. Noch immer werden Ärzte wegen Zuwiderhandlungen gegen Unrechtsverordnungen verurteilt, die der Therapiefreiheit widersprechen, noch immer exekutieren Vertreter der Judikative Erlasse gegen Demonstranten oder »Maskenverweigerer«, die den Fundamenten einer offenen Gesellschaft Hohn sprechen.
Aber der Wind beginnt sich zu drehen. Immer mehr Betroffene befreien sich von den phobischen Zwangsvorstellungen, die das Panikorchester aus Medien und öffentlicher Verwaltung in ihnen hervorgerufen hat und besinnen sich auf ihr Gewissen und den gesunden Menschenverstand. Angesichts der Trendwende erhebt sich die Frage nach der Aufarbeitung, nach der Bewältigung des begangenen Unrechts. Wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, können wir nicht schweigend über den Horror der vergangenen Jahre hinweggehen, wir können die Opfer der experimentellen »Therapien«, die in die Hunderttausende gehen, nicht einfach ignorieren, oder sie mit dem Argument im Regen stehen lassen, sie seien an der erzwungenen Unterwerfung selbst schuld. Die Tyrannei der Pandemiejahre muss Konsequenzen haben, rechtliche und moralische, soziale und politische.
Es ist der Gipfel der Unverfrorenheit, wenn die »Täter«, die für das begangene Unrecht verantwortlich sind, von ihren Opfern verlangen, sie sollten das ihnen Angetane vergessen und ihren Schädigern vergeben. Vergebung ist ein freiwilliger Akt und setzt tätige Reue auf Seiten der Täter voraus. Warum sollte ich jemandem vergeben, der mich misshandelt hat und weiterhin von der Rechtmäßigkeit seines Handelns überzeugt ist oder seine Misshandlungen zu beschönigen versucht? Die Täter in Politik, Medien, Verwaltung und Justiz können ihre Verantwortung nicht auf andere abschieben, sie müssen sich zu ihren Irrtümern und Unrechtstaten bekennen und Abbitte leisten. Bevor das geschehen ist, muss über Versöhnung nicht geredet werden. Nicht zuletzt ist die Aufarbeitung erforderlich, um künftigem Unrecht vorzubeugen, das sich aus der Fortschreibung des begangenen Unrechts ergeben könnte.
Selbstverständlich muss die Aufarbeitung in geregelten Bahnen verlaufen. Wie sie aussehen könnte, müsste im öffentlichen Diskurs ausgehandelt werden. Erschwert wird sie dadurch, dass vermutlich manche der schuldbehafteten Akteure in sie involviert wären. Es liegt daher nahe, die Verantwortung für die Aufarbeitung in die Hände von Ermittlern und Opferanwälten zu übergeben, die sich bereits während der Zeit der Heimsuchung durch ihre moralische Integrität und den aus ihr folgenden Einsatz für die Geschädigten hervorgetan haben. Mir fielen dazu sofort Dutzende von Namen ein, etwa Jessica Hamed, Martin Haditsch, Wolfgang Wodarg, Andreas Sönnichsen, Stefan Homburg, Friedrich Pürner, Alexander Christ, Ulrich Vosgerau oder Hans-Jürgen Papier, die natürlich vorab vollumfänglich rehabilitiert werden müssten, soweit sie von Ächtung und Ausgrenzung betroffen waren.[1]
Zuerst muss die Öffentlichkeit sich jedoch einen Überblick über die Täterlandschaft verschaffen. Es gilt, die Erinnerung wachzuhalten und sie vor Kontaminierung durch eilfertig vorgebrachte Rechtfertigungserzählungen zu schützen. Eine herausragende Rolle kommt dabei dem Archiv zu. Das Netz vergisst nichts, heißt es. Auch wenn in den vergangenen Jahren die größten Anstrengungen unternommen wurden, durch eine flächendeckende Zensur die Stimme der Vernunft und des Gewissens zum Schweigen zu bringen, sind genug Zeugnisse übriggeblieben, die der Aufarbeitung als Grundlage dienen können.
Marcus Klöckner und Jens Wernicke haben es auf sich genommen, mit der Lampe der Aufklärung in das Herz der Finsternis zu leuchten. Aus ihrer höchstwahrscheinlich schmerzhaften Exkursion ist das Buch: »›Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen‹. Das Corona-Unrecht und seine *Täter« entstanden. Am 7. November 2022 erschienen, steht es bereits auf der Amazon- und SPIEGEL-Bestsellerliste und wird, während ich diese Rezension schreibe, schon in vierter Auflage vertrieben. Ulrike Guérot hat ein Vorwort beigesteuert.
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Nachweise der Zitate im hier besprochenen Buch bzw. auf https://ich-habe-mitgemacht.de/
Vorangestellt ist dem Exkursionsbericht ein Zitat des Psychotraumatologen Franz Ruppert:
»Zum Trauma-Täter wird jemand durch eine Tat, die einem anderen Menschen einen traumatisierenden Schaden zufügt. Dies kann auf der psychischen Ebene geschehen durch Lüge, Betrug, Demütigung, Beschämung, Entwürdigung und Erniedrigung. Auf der materiellen Ebene sind es vor allem Diebstahl und Raub, auf der körperlichen Ebene, physische Gewalt, Totschlag oder Mord […] Es kann sein, dass Trauma-Täter keinerlei Grenzen respektieren, weder rechtliche, noch moralische. Daher kommt es, dass Trauma-Täter Dinge tun, die dem gesunden Menschenverstand völlig fremd erscheinen [… ] Falls ihre schlimmen Taten nicht zu verleugnen sind, ist es das Hauptziel von Trauma-Tätern, sich als unschuldig darzustellen. Dazu ist es am besten, die Täter-Opfer-Umkehr zu versuchen, d.h. sich selbst als eigentliche Opfer darzustellen, Lügen über die Opfer zu verbreiten, sie zu beschuldigen und zu beschämen […] So werden die Opfer als die eigentlichen Täter bezichtigt, an den Pranger gestellt und blamiert. Die eigenen schlimmen Absichten werden in die Opfer hineinprojiziert […] Opfer, die sich gegen Gewalt wehren, werden als besonders böse und hinterhältig hingestellt. Sie müssen erst recht mit aller Härte bestraft werden.«
Guérot stellt in ihrem Vorwort klar, worum es geht: um eine »absolute Ausnahmesituation« der deutschen Gesellschaft und die »unerträgliche gruppenspezifische Ausgrenzung«, die während ihr stattgefunden hat. Es geht um die Beschimpfung, Stigmatisierung und Denunzierung all jener Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten und gegen die entsprechenden Maßnahmen protestiert und demonstriert haben.
Kurz nach den pompösen Feiern zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes (2019), schreibt sie, als es erstmalig darum ging, eine große, gesellschaftliche Krise zu meistern, habe die Gesellschaft, die gerade noch ihren Stolz auf die Verfassung zelebrierte, in größtem Stil versagt. Die vom Grundgesetz garantierte Menschenwürde sei in der Coronakrise auf staatliche Anordnung in unerträglicher Weise verletzt worden. Auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit habe man mit Füßen getreten.
Der eigene Körper, so Guérot, sei die absolute Grenze von Würde und Persönlichkeit. Niemand habe das Recht, auf den Körper anderer zuzugreifen. Nicht nur die staatliche Impfnötigung, auch schon die erzwungenen Tests, stellten inakzeptable Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit dar. Inzwischen habe sich erwiesen, dass »nichts von dem, was offiziell zu Corona erzählt wurde, evidenzbasiert war«: Die Impfung vermittelte keine Herdenimmunität, sie schütze weder vor schweren Verläufen noch vor dem Tod, ja sie sei auch keineswegs nebenwirkungsfrei. Die Studien, die angeblich ihre Effizienz bewiesen, waren mangelhaft oder teilweise gefälscht. Wer das in den vergangenen zwei Jahren monierte, wurde zum »Querdenker« und damit zu einem Feind der Gesellschaft erklärt. Inzwischen habe der Evaluierungsbericht der Bundesregierung offengelegt, dass die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen, von Masken über Lockdowns bis hin zur Impfung, nicht belegt werden könne.
In großem Stil habe eine panikgetriebene politische Mehrheit das Grundgesetz verformt und entkernt, und zwar »ohne Grund und ohne Minderheitenschutz«. Gegenwärtig setze sich das Unrecht fort, indem die schweren Impffolgen nicht ausreichend gewürdigt beziehungsweise tabuisiert würden. Erneut erführen die Betroffenen und ihre Angehörigen keine Solidarität seitens der Gesellschaft. Die Politik habe bis heute ein angemessenes Schuldeingeständnis vermieden, staatliche Behörden seien mehr an der Vertuschung als an der Aufklärung interessiert. Noch immer sei kein staatlicher Fonds für Impfopfer eingerichtet. Eine große schweigende Mehrheit setze nach wie vor auf Verdrängung. Guérot fordert parlamentarische Untersuchungsausschüsse, die Bestrafung der Verantwortlichen, die Rehabilitation der Ausgegrenzten und die Entschädigung der Opfer.
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert.
Im ersten Teil setzen sich die beiden Autoren mit der Frage auseinander, warum das begangene Unrecht nicht vergessen oder leichtfertig vergeben werden darf. Sie beschäftigen sich mit den psychologischen und soziologischen Bedingungen des Mitläufertums und dem systematisch erzeugten Klima der Spaltung, der Zwietracht und der Wut. Sie lassen die Protagonisten aus den verschiedenen Bereichen Revue passieren, in denen die Gesellschaft und ihre Eliten versagt haben: die Politik, die Justiz, die Medien. Viele werden namentlich erwähnt und mit ihren erschreckenden Äußerungen in Erinnerung gerufen.
Im zweiten Teil wird auf rund hundert Seiten mit Hilfe von Zitaten das moralische und kulturelle Versagen der Republik dokumentiert. Dabei greifen die Autoren auf die Vorarbeit des Archivs https://ich-habe-mitgemacht.de/ zurück, das den sprachlichen und gedanklichen »Terror gegen die Ungeimpften« in den Corona-Jahren dokumentiert.
»In der Corona-Krise«, schreiben die Autoren, »haben Politiker, Journalisten, Wissenschaftler, aber auch Bürger aus unserer Mitte die Werte des Grundgesetzes verraten […] Nichts rechtfertigt die Vergewaltigung unserer Verfassung. […] Alle Bürger waren einem Totalitarismus ausgesetzt, der sich über jedes gesunde Maß hinaus seinen Weg gebahnt hat« – eine etwas unglückliche Formulierung, denn für den Totalitarismus gibt es kein gesundes Maß!
Der Anschlag auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtete sich gegen alle Bürger, aber jene, »die der repressiven Politik entgegentraten«, wurden noch härter angegangen als diejenigen, die sich bereitwillig oder murrend unterworfen haben. »Der Umgang mit Bürgern, die es wagten, das Wort ›Grundrecht‹ auf der Straße auszusprechen, hatte etwas von einer Menschenjagd. Ebenso erging es Ungeimpften. Man hat gegen Ungeimpfte gehetzt, sie regelrecht bedroht. Ungeimpfte mussten in Angst leben.« Zustimmend zitieren sie den Philosophen Michael Andrick, die Bundesrepublik habe im Verlauf der Coronapolitik-Krise »ihre Fähigkeit zu punktuell totalitärem Handeln unter Beweis gestellt«. Die »boshafte Ausgrenzung, Abwertung und Diffamierung« von Menschen und Gruppen war aus ihrer Sicht »ein faschistischer Akt«.
Angesichts des »potenzierten Psychoterrors« gegen die Ungeimpften und Maßnahmenkritiker könne man von »Tätern« und »Mittätern« sprechen, wenn auch nicht unbedingt »in juristischem«, aber jedenfalls in »soziologischem und psychologischem« Sinn. »In der Pandemie kleideten manche Akteure ihr böses Handeln in das Gewand der Banalität. Die Ausgrenzung und Abwertung der Ungeimpften […] gingen ihnen so von den Lippen, als ginge es lediglich um die geringfügige Erhöhung kommunaler Abfallgebühren.«
Die von Klöckner und Wernicke auf hundert Seiten zusammengestellten Zitate zeugen in der Tat »von einer brutalen sprachlichen und gedanklichen Gewalt«. Der autoritär gewordene Staat scheute auch nicht davor zurück, die Grundrechte als Druckmittel einzusetzen, um die Bürger zur Impfung zu bewegen. Ihnen wurde der Entzug von Sozialleistungen und Renten angedroht, der Verlust ihrer Anstellung, saftige Bußgelder, manchmal sogar Erzwingungshaft. Diese Entwürdigung und Entrechtung, so die Autoren, müsse »ein Nachspiel haben – im demokratischen Sinn«. »Wenn diese Gesellschaft wieder zueinanderfinden soll, dann muss dringend und zwingend eine Aufarbeitung erfolgen. Es bedarf nicht nur eines Untersuchungsausschusses. Es bedarf eines Untersuchungsausschusses für jeden zentralen Bereich unserer Gesellschaft […] Ob Politik, Justiz, Medien: ihr Verhalten muss Gegenstand von offiziellen, anerkannten Untersuchungsausschüssen sein, denen auch die schärfsten Kritiker der Maßnahmen und der Impfung angehören. […] Parlament, Justiz und Medien sind zentrale Säulen unserer Demokratie. In der Pandemie sind alle Säulen regelrecht zerfallen.«
Die Diagnose der Autoren ist schonungslos. Wie auch soll eine Therapie möglich sein, wenn man die Symptome der Krankheit nicht sehen will und ihren Ursachen nicht auf den Grund geht? Und sie treten als Ankläger auf; zu Recht, wie ich meine. Wie einstmals Emile Zola, der in einer Krise der Französischen Republik seinen offenen Brief »J’accuse« verfasste, bedienen sie sich einer unmissverständlichen Sprache. Ich lasse ausgewählte Passagen folgen.
Einige Kernsätze zur Politik (Zitate aus dem Buch, teilweise gekürzt):
»Das Staatsoberhaupt bezichtigt … die Ungeimpften, alle Bürger im Land zu gefährden. Ein Alt-Bundespräsident beschimpft Mitbürger als ›Bekloppte‹. … In Deutschland sind über 18 Millionen Bürger nicht gegen Corona geimpft. Sollen das alles ›Bekloppte‹ sein? … Aber es kommt noch schlimmer. … Wir haben Politiker erlebt, … die einen regelrechten Gefallen an der Beschneidung der Grundrechte zu haben schienen. Ihre Politik hat eine ganze Gesellschaft in Geiselhaft gehalten.
Die Politik ging so weit, dass sie den Freiheitsbegriff … so umzudefinieren versuchte, dass er in ein Maßnahmenkonzept passte, das zumindest in Teilen als pervers zu bezeichnen ist. … Freiheit war plötzlich, das tun zu müssen, was der Gemeinschaft ›dient‹ … Der Anspruch auf individuelle Freiheit galt als rücksichtsloser Egoismus. … Der Staat setzte nicht auf Vernunft, Freiwilligkeit und Kooperationsbereitschaft. Er setzte auf Zwang. … Wenn ein Staat anfängt, … über Maßnahmen Bürger im Kernbereich ihrer Grundrechte voneinander zu separieren, dann fließt das Faschistische direkt von ihm in die Gesellschaft.«
Einige Kernsätze zur Justiz (Zitate aus dem Buch, teilweise gekürzt):
»Ein beachtlicher Teil der Richter hat, wenn es um die Corona-Maßnahmen geht, nicht mehr recht im Sinne des Rechts gesprochen, sondern im Sinne der Politik … Damit ist eine tragende Säule unserer Demokratie zerfallen. … Jessica Hamed führt aus: ›Keine der drei Gewalten, also Legislative, Judikative und Exekutive, wurde der Coronakrise bislang gerecht.‹ … Wenn alle drei Gewalten einer Krise nicht gerecht werden, dann kommt das für einen demokratischen Staat einer Bankrotterklärung gleich. Die Gewalten, deren Aufgabe es auch ist, sich gegenseitig zu kontrollieren, sind dieser Aufgabe nicht nachgekommen.«
Einige Kernsätze zu den Medien (Zitate aus dem Buch, teilweise gekürzt):
»Journalisten agierten als Hetzer. … Sie haben angesichts der schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Republik nicht etwa Alarm geschlagen. … Sie haben bei der Drangsalierung, Erniedrigung und Bedrohung der Ungeimpften mitgemacht … Die Durchsetzung der schweren Grundrechtseingriffe über einen langen Zeitraum hätte es ohne die realitätsverzerrenden Medien nicht gegeben … Die Berichterstattung war maximal alarmistisch … Medien haben die Politik mitunter regelrecht vor sich hergetrieben. Vielen Journalisten konnten die Maßnahmen gar nicht weit genug gehen. …
›Covidioten‹, ›Corona-Leugner‹, ›Aluhüte‹, ›Verschwörungstheoretiker‹ – das waren zentrale Kampfbegriffe, die Journalisten zur Delegitimierung des politischen Protests gewählt haben. … Wer den Sinn und Zweck des Tragens einer Maske hinterfragte, war ein Covidiot. Wer die Gefährlichkeit des Virus perspektivieren wollte, war ein Corona-Leugner. Wer auf Pandemieplan Spiele …, wer auf die Möglichkeit, dass das Virus aus einem Labor stammt, hinweisen wollte, war ein Verschwörungstheoretiker und ein Aluhut. … Alles, was in irgendeiner Art und Weise die Gefahr des Virus relativierte oder seine Herkunft nicht auf einen natürlichen Ursprung zurückführen würde, sollte niedergemacht werden. … Einige der schlimmsten Angriffe gegen Ungeimpfte gingen von Journalisten aus. … Medien haben dabei mitgemacht, auf die Gruppe der Ungeimpften verbal einzuprügeln. Und sie haben massiv zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen. … Die Medien haben als Institution in weiten Teilen versagt.«
Einige Kernsätze aus dem Kapitel über die Gesellschaft (Zitate aus dem Buch, teilweise gekürzt):
»Mit dieser Gesellschaft muss man auch ins Gericht gehen. … Eine demokratische Gesellschaft darf der Politik niemals unkritisch oder gar blind folgen. Wenn es an den Kern dessen geht, was unsere Demokratie ausmacht, unsere unveräußerlichen Grundrechte, dann muss sie wehrhaft sein. Einen so schweren Eingriff in die Grundrechte, wie etwa Ausgangsbeschränkungen darf sie nicht hinnehmen. …
Doch in der schwersten Grundrechtskrise seit Bestehen der Republik verfiel eine Vielzahl der Bürger in ein geradezu kindhaftes Verhalten. … Regeln, die noch vor kurzer Zeit undenkbar gewesen wären, wurden innerhalb kürzester Zeit internalisiert. Und sie erlaubten es einem Teil der Gesellschaft, seinen Hang zur Fetischisierung von Regeln mit Macht zu verbinden. … Eine freie offene Gesellschaft muss mit individuellen Entscheidungen ihrer Bürger klarkommen. Und sie braucht keine Mitbürger in Geschäften oder sonst wo, die sich aufführen wie Lageraufseher! …
Die Pandemiejahre haben gezeigt: Faschismus wäre in Deutschland jederzeit wieder möglich. … Die Gesellschaft mag gelernt haben, dass in diesem Land Hakenkreuze und sonstige nationalsozialistische Symbolik nichts mehr zu suchen haben, aber viel mehr hat sie nicht gelernt. Denn wer Faschismus lediglich an den historischen politischen, rechtsradikalen Bewegungen festmacht, hat Faschismus nicht verstanden. … Spätestens als die Hetzereien gegen Ungeimpfte und Maßnahmenkritiker … sich ihren Weg bahnten, hätte eine Gesellschaft, deren Faschismusdetektoren funktionieren, reagieren müssen … Bürger haben in großer Zahl jede noch so irrsinnige Übergriffigkeit des Staates akzeptiert. Sie haben immer wieder neue Maßnahmen, Regeln und auch Bußgelder hingenommen. …
Eine Gesellschaft, die verstanden hat, was unveräußerliche Grund- und Menschenrechte bedeuten, reagiert gemeinsam solidarisch auf Grundrechtsangriffe des Staates. … Wenn ein Staat eine Gruppe von Mitbürgern ausgrenzt, wenn er es wagt, sich an ihren Grundrechten zu vergreifen, dann ist die Gefahr groß, dass er immer übergriffiger wird.«
Einige Kernsätze aus dem Kapitel über die Eliten (Zitate aus dem Buch, teilweise gekürzt):
»Während ein Teil der Eliten mitgemacht und die Spaltung der Gesellschaft massiv forciert hat, hat die Mehrheit von Ihnen geschwiegen. … Vor allem Journalisten haben sich auf die Abweichler gestürzt und kein gutes Haar an ihnen gelassen. … Sie haben gehetzt und abgewertet bis weit über die Grenzen dessen, was im Rahmen einer an der Sache interessierten Kritik angebracht werden können. …
Es war nicht nur der Inhalt ihrer Worte. Es war auch die Art und Weise, wie sie gesprochen haben und aufgetreten sind. Keine Gnade. Kein Mitleid. Keine Empathie. Kein Verständnis. Sondern einfach nur der Wunsch, den ›Unwilligen‹ zu brechen, ihn so weit zu bringen, dass er sich einen hoch umstrittenen Impfstoff spritzen lässt. Sie haben sich regelrecht gesuhlt in ihrer Position, die Ihnen die Macht gegeben hat, sich über andere zu erheben und ihnen zu diktieren, sich einen Impfstoff gegen ihren Willen spritzen zu lassen.«
Im Großen und Ganzen kann ich mich dem Plädoyer der Autoren nur anschließen. Es ist Zeit für eine Rehabilitation und für umfassende Wiedergutmachung.
Nicht für die Täter, sondern für die Opfer.
Für die Opfer der Angstkampagnen, die an den psychischen Langzeitfolgen jahrelanger Indoktrination zu leiden haben, die Opfer der »Maßnahmen«, die Opfer von Unrechtsverordnungen, die Opfer des Maskenzwangs, die Impfopfer, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer experimentellen gentechnischen Behandlung gedrängt und genötigt wurden und nun unter den unerwünschten Wirkungen dieser Behandlung leiden, wozu lebenslange Behinderung gehört, für die Angehörigen all jener, die infolge einer solchen Behandlung gestorben sind, jene, die sich von ihren sterbenden Angehörigen nicht verabschieden durften, für die Kinder und Jugendlichen, die in Angst versetzt wurden, sie könnten ihre Großeltern töten, für die Berufstätigen im Gesundheits- und Pflegebereich, die ihre Jobs verloren, für die Bundeswehrsoldaten, die zur Impfung gezwungen wurden, für die Künstler und Unternehmer, die bankrott gingen, die Ärzte, die vor Gericht gestellt und denen die Approbation entzogen wurde, die Richter, die ihres Amtes enthoben wurden, die Publizisten, die durch Hetzkampagnen ins Abseits gestellt wurden, für all jene, denen unter falschen Vorwänden das Versammlungsrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf freie Berufsausübung, das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zum öffentlichen Leben entzogen wurde.
Vergeben können wir jenen, die nicht wissen, was sie tun. Für alle anderen gilt: Erst kommt das Eingeständnis der Schuld, dann die Wiedergutmachung, dann – möglicherweise – das Verzeihen und die Heilung.
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Anmerkung:
- Es dürfte nicht allzu schwerfallen, aus dem Netzwerk für Wissenschaftsfreiheit oder dem Netzwerk Kritischer Richter und Staatsanwälte Kandidaten für diese verantwortungsvolle Tätigkeit zu rekrutieren. ↑
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