Die wahren Friedensstörer

Zuletzt aktualisiert am 18. Oktober 2022.

Vor rund 350 Jahren schrieb Spinoza in seinem »Theologisch-politischen Traktat«: »Das sind die wahren Friedensstörer, die in einem freien Staat die Freiheit des Urteils, die nicht unterdrückt werden kann, aufheben wollen.« Unsere Gegenwart entwickelt sich hinter die von Spinoza 1670 errungene Position zurück. Der Abschied von der Freiheit wird als Zugewinn an Freiheit verkauft, Diskursverweigerung als Diskurskritik. –

Die wahren Friedensstörer

Screenshot Uni W/H

Am 21. und 22. Oktober sollte an der Universität Witten/Herdecke eine Tagung zum Thema »Die Würde des Menschen – (un)antastbar?« durchgeführt werden. Mitwirken sollten Prof. Dr. Ulrike Guérot und Prof. Dr. Stefan Homburg. Guérot steht aufgrund ihrer Position zum Ukrainekrieg auf der Abschussliste, Homburg wegen seiner Position zu »Corona«. Ein einflussreicher Blog und eine Lokalzeitung machten im Vorfeld Stimmung gegen die beiden Referenten, indem sie deren maßnahmenkritischen Äußerungen als Extrempositionen einer radikalen »Querdenkerszene« darstellten. Die Universitätsleitung, die mit ihrem Anschluss an die Cancel-Unkultur keineswegs allein unter den deutschen Hochschulen dasteht, nahm am 11. Oktober Abstand von der geplanten Veranstaltung. Die Begründung für die Absage legte der Universitätspräsident Prof. Dr. Martin Butzlaff in einem offenen Brief dar:

Universität Witten/Herdecke gibt der Querdenker-Szene keinen Raum

In einem offenen Brief erteilt die Universitätsleitung der Initiative »Das Ich im Wir« eine Absage für die umstrittene Tagung.

Nach einem intensiven Diskurs in den vergangenen Tagen hat die Leitung der Universität Witten/Herdecke (UW/H) einen offenen Brief veröffentlicht: Darin weist sie jede Nähe zur Querdenker-Szene entschieden zurück und unterstreicht ihren Anspruch an einen ausgewogenen wissenschaftsbasierten Diskurs. Zugleich distanziert sie sich von der in die Kritik geratenen Tagung der Initiative »Das Ich im Wir«. Den Veranstalter:innen sei es nicht gelungen, nach zahlreichen Referent:innenabsagen einen adäquaten Ersatz für die notwendige Perspektiven- und Meinungsvielfalt zu gewinnen.

»Damit haben wir einen Punkt erreicht, an dem die Universität unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit missbraucht werden kann, indem sie nachweislich widerlegten Aussagen eine unkritische Bühne bietet«, sagt Martin Butzlaff, Präsident der UW/H. »Dies können und wollen wir nicht tolerieren.«

Der offene Brief wurde heute, 11. Oktober, an die Universitätsgemeinschaft – bestehend aus Gremienmitgliedern, Studierenden, Mitarbeitenden und Alumni – versendet und über die externen Kanäle der UW/H geteilt:

In verschiedenen Medien und sozialen Netzwerken wurde zum Teil sehr kontrovers über die Tagung »Die Würde des Menschen – (un)antastbar?« berichtet, die von der Initiative »Das Ich im Wir« für den 21. und 22. Oktober in den Räumen der Universität Witten/Herdecke geplant worden war. Dabei wurde die UW/H inhaltlich auch mit der sogenannten Querdenkerszene in Verbindung gebracht. Wir möchten deshalb noch einmal klipp und klar zum Ausdruck bringen, was für jede akademische Institution unseres Landes eine Selbstverständlichkeit zu sein hat: Die Universität Witten/Herdecke distanziert sich in aller Entschiedenheit von den Meinungen, Positionen und Narrativen der Querdenkerszene.

In unserem Schreiben an die Universitätsgemeinschaft vom 6. Oktober hatten wir angesichts der oben angesprochenen Tagung auch für weitreichende Toleranz mit polarisierten und/oder kritischen wissenschaftlichen Positionen geworben. Aus unserer Sicht sind Hochschulen und Universitäten nicht nur die geeigneten – sondern auch die dafür geschaffenen Diskursorte!  

Gleichzeitig haben wir deutlich gemacht, dass die Toleranz für extreme Positionen nicht grenzenlos ist; und dass sich unsere Universität in der – immer wieder neu – schwierigen Frage eines Grenzverlaufes an drei klaren Kriterien orientiert: keine Verletzung geltenden Rechts, keine persönlichen Angriffe, kein Missbrauch der Universität unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit, um nachweislich widerlegten Aussagen eine Bühne zu geben.

Wir sehen den letzten Punkt nicht mehr erfüllt, da mehrere der eingeladenen wissenschaftlichen Expert:innen abgesagt bzw. sich von der Tagung distanziert haben und die Initiative »Das Ich im Wir« keinen adäquaten wissenschaftlichen Ersatz finden konnte. Die Veranstaltung ist damit aus unserer Sicht in einer ausgeprägten inhaltlichen Schieflage; ein angemessen kritischer wissenschaftlicher Diskurs von Expert:innen auf Augenhöhe ist nicht mehr gewährleistet.

Daher distanzieren wir uns von der Veranstaltung und erteilen eine Absage für die Nutzung der Räumlichkeiten auf dem Campus der UW/H.

Für Fortschritt braucht es gesellschaftlichen und universitären Diskurs. Wir müssen Standpunkte anhören, Positionen zulassen und Widersprüche respektieren. Und gleichzeitig: Eine grenzenlose Freiheit, in der für die wissenschaftlichen Methoden und Maßstäbe des Diskurses keine angemessene Verantwortung übernommen wird und klar widersprochene Positionen unter dem Schutzschild einer wissenschaftlichen Einrichtung öffentlichkeitswirksam erneuert werden, birgt die Gefahr, die Institution Universität zu beschädigen, und darf an dieser keinen Platz haben.


Noch am 6. bzw. 7. Oktober hatte die Hochschulleitung im oben erwähnten »Schreiben an die Universitätsgemeinschaft« erklärt:

Stellungnahme der Universitätsleitung zur Tagung »Das Ich im Wir«

Liebe Universitätsgemeinschaft, liebe Kolleg:innen,

viele von Ihnen werden die Diskussionen rund um die am 21./22. Oktober 2022 geplante Veranstaltung »Die Würde des Menschen – (un)antastbar?« der Initiativgruppe »Das Ich im Wir« verfolgt haben. Nach einem kritischen Artikel im »Volksverpetzer«-Blog erreichen uns nun viele Nachrichten, in denen die Sorge um den wissenschaftlichen Ruf unserer Universität angesichts eines Teiles der eingeladenen Referent:innen geäußert wird. Parallel dazu sind wir von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) um eine Stellungnahme gebeten worden, die morgen (Samstag, 08.10.2022) erscheinen wird.

Wir möchten die Universitätsgemeinschaft heute vorab sowohl über diese Kontroverse als auch über die Haltung der Universitätsleitung informieren und unseren Standpunkt in dieser Sache begründen.

Die Veranstalter beabsichtigen, die Perspektivenvielfalt in Wissenschaft und Gesellschaft, die übergreifende Frage nach der Würde des Menschen und die Evaluation von Corona-Maßnahmen und -Impfungen zu thematisieren. Ein Teil der Inhalte und einige Referent:innen werden die inhaltlichen Positionen vieler Mitglieder der UW/H voraussichtlich nicht widerspiegeln. Das gilt allerdings für eine Vielzahl von akademischen Veranstaltungen, die von unterschiedlichen Initiativen oder Organisationen sowohl an unserer Universität als auch an anderen Hochschulen und Universitäten ausgerichtet werden – und in denen wichtige Themen kontrovers diskutiert werden.

Der unglaublich engagierte Einsatz der gesamten UW/H in einer seit 30 Monaten denkbar fordernden Epi- und Pandemie steht außer Frage. In der ambulanten und stationären Krankenversorgung tausender Patient:innen wurde von unseren Pflegenden und (Zahn-)Ärzt:innen genauso Außergewöhnliches geleistet wie in der beherzten Umstellung der gesamten Lehre und im interdisziplinären Aufbau unserer Teststationen und unserer Impfstraßen, mit denen wir einen substanziellen Teil der Wittener Bevölkerung versorgen konnten.

Ganz besonders ist zu betonen, was parallel zu all den medizinisch-pflegerischen Versorgungsaufgaben von unseren klinischen Wissenschaftler:innen und Grundlagenforscher:innen der Fakultät für Gesundheit in eng getakteter nationaler und internationaler Kooperation an wichtigen Erkenntnisbeiträgen geleistet worden ist. Mit anderen, einfachen Worten:

Unsere Universität hat sich mit allem, was sie hat, gegen diese Pandemie gestellt!

Da erscheint es vielen als pure Provokation, dass an der UW/H eine Tagung organisiert wird, in der grundlegende Aspekte dieser gemeinsamen Arbeit – aller Voraussicht nach – in Zweifel gezogen werden. Und geradezu unerträglich kommt hinzu, dass diese Tagung in den Medien so dargestellt wird, als würde sie die Haltung der gesamten Universität widerspiegeln. Vielleicht ist es daher verständlich, dass mehrere Stimmen in der Universitätsgemeinschaft laut werden, die ein Verbot der Tagung einfordern.

Und doch leben wir in einer Gesellschaft, zu deren unabdingbarem Fundament die Meinungsfreiheit gehört; in einer Gesellschaft, die Universitäten hat, die den kritischen Diskurs fördern und die Perspektivenvielfalt ermöglichen. Mit Voltaire gesprochen: »Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.«

Wenn der Universität nun in größeren zeitlichen Abständen eine verschwörungstheoretische Nähe, eine Querdenker-Sympathie oder eine weltanschauliche Engstirnigkeit unterstellt werden – sollte uns das verunsichern? Nein! Wir haben keinen Grund, an unserer Unabhängigkeit, an unserem Erkenntnisdrang und an unseren weithin anerkannten wissenschaftlichen Beiträgen zur Lösung wichtiger Aufgaben in der Zivilgesellschaft zu zweifeln!

Eine solch kontroverse Tagung muss kritisch begleitet werden. Von einem Veranstaltungsverbot werden wir nur dann Gebrauch machen, wenn Recht verletzt wird, wenn persönlich angegriffen wird oder wenn die Universität unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit missbraucht wird, um nachweislich widerlegten Aussagen eine Bühne zu geben.

Wir setzen darauf, dass sich die an der Tagung beteiligten Wissenschaftler:innen und Kolleg:innen aus allen Bereichen unserer Universität an diesen Prämissen orientieren.

Es ist eine grundgesetzlich geschützte Aufgabe von Universitäten, den Wettstreit der Ideen und Perspektiven offen, lebendig und respektvoll auszutragen. Parallel dazu wollen wir mit aller Energie und wissenschaftlicher Methodenkompetenz daran mitwirken, dass das Erkenntnisfundament, auf dem unsere Perspektiven und inhaltlichen Positionen basieren, im Sinne der Aufklärung breiter, tragfähiger und belastbarer wird.

Ist diese Freiheit der Perspektiven und Meinungen grenzenlos? Nein. Aber sie sollte an keinem gesellschaftlichen Diskursort weiter gefasst sein als an unseren Hochschulen und Universitäten.

Martin Butzlaff, Jan Peter Nonnenkamp, Jan Ehlers, Dirk Jakobs, Petra Thürmann


Stefan Homburg reagierte mit dem Artikel »Cancel Culture in Witten-Herdecke«, der am 12.10. auf der Webseite achgut.com veröffentlicht wurde:

Cancel Culture in Witten-Herdecke

Eine öffentliche Diskussion an der Uni Witten-Herdecke über die Angemessenheit der Coronamaßnahmen ist nach einer Kampagne gegen Kritiker wie mich vom Universitätspräsidenten verboten worden. Die Erklärung dazu war unnötig und kaum durchdacht.

Vor einigen Wochen lud die Universität Witten-Herdecke Ulrike Guérot, mich und viele andere Redner ein, um über die Angemessenheit der Coronamaßnahmen wissenschaftlich zu diskutieren. Die Veranstaltung sollte öffentlich stattfinden und per Aufzeichnung in den sozialen Netzen verbreitet werden. Das klang spannend, weshalb ich gern zusagte, den Eröffnungsvortrag zu halten.

Während ich noch in der Vorbereitung steckte, erhielt ich die Nachricht, dass einige Referenten abgesagt hatten, was bei Tagungen mit vielen Eingeladenen aber nicht ungewöhnlich ist. Plötzlich startete indes auf einem Blog und in einem Lokalblatt eine Kampagne, die die Universität als Veranstalterin angriff und ihr vorwarf, Aussagen eine Bühne zu geben, die nachweislich widerlegt seien. Daraufhin hat Universitätspräsident Prof. Dr. Martin Butzlaff die Durchführung der Veranstaltung gestern verboten.

Welche angeblich widerlegten Aussagen das Verbot inhaltlich rechtfertigten, stand nirgendwo, am wenigsten in der Mitteilung des Präsidenten. Ich selbst vertrete seit März 2020 Folgendes: Zu den vier verbreiteten Coronaviren, die für einen Teil der Erkältungskrankheiten verantwortlich sind, ist unlängst ein fünftes mit ähnlichen Eigenschaften hinzugetreten: Gesunde Infizierte merken hiervon kaum etwas oder leiden einige Tage an einem grippalen Infekt. Für Ältere und Vorerkrankte kann eine Infektion mit SARS-CoV-2 jedoch gefährlich oder gar tödlich sein, ähnlich wie eine Infektion mit Rhino-, RS- oder Parainfluenzaviren.

Die Tatsachen, dass 2020 hunderttausende Mediziner in Kurzarbeit geschickt und zahlreiche Kliniken geschlossen wurden, dass das mittlere Sterbealter der positiv auf Corona Getesteten 83 Jahre beträgt und damit über dem mittleren Alter der übrigen Verstorbenen (81 Jahre) liegt sowie insbesondere der Umstand, dass im Jahre 2020 altersbereinigt eine Untersterblichkeit statt Übersterblichkeit bestand und Schweden laut WHO günstiger abschnitt als Deutschland, weisen alle in die Richtung eines Corona-Fehlalarms. Fast alle Länder haben hieraus inzwischen die Konsequenzen gezogen, die »Pandemie« für beendet erklärt und Freiheitsbeschränkungen aufgehoben. Man merkt es, sobald man die deutschen Außengrenzen passiert.

Angst vor soliden Zahlen und logischen Schlussfolgerungen

Zusammen mit Kollegen verfasste ich im Sommer 2020 zwei wissenschaftliche Artikel, die nach Begutachtungsverfahren in den renommierten Fachzeitschriften »Frontiers in Medicine« und »Futures« erschienen. Die Artikel belegen, dass es im Frühjahr 2020 keine Pandemie im ursprünglichen Wortsinn gab und Lockdowns nichts gebracht haben. Folglich vertrete ich die Ansicht, dass die beispiellosen Grundrechtseingriffe einschließlich Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit durch Impfpflichten für medizinische Einrichtungen und Soldaten unverhältnismäßig und abzulehnen sind. Global betrachtet, ist das zweifellos die Mehrheitsposition.

Deutschland indes steht immer noch unter dem Eindruck der Legende von Bergamo und hält eisern an den Narrativen eines ungewöhnlich gefährlichen Virus und einer Kliniküberlastung fest, die seit zwei Jahren ständig droht, sich aber nirgends in den amtlichen Zahlen zeigt. Da ich seit zwei Jahren Quellen wie das Statistische Bundesamt oder das RKI sowie die Leitmedien zitiere, sind die Informationen kaum angreifbar. In einem frühen Diffamierungsartikel formulierte der Tagesspiegel treffend: »Er nennt solide Zahlen und zieht Schlüsse, die nur schwer zu widerlegen sind – und gerade das macht ihn so gefährlich.«

Dass Präsident Butzlaff die Veranstaltung jetzt verboten hat, mag seiner Sorge um gewalttätige Aktionen der Antifa oder der Angst um Drittmittelprojekte geschuldet sein und ist insofern nachvollziehbar und auch nichts Neues. Dass er aber RKI-Daten und begutachtete wissenschaftliche Artikel als »extreme Positionen« einer »Querdenkerszene« brandmarkt, war unnötig und kaum durchdacht. Schließlich erscheint die Universität Witten-Herdecke der Öffentlichkeit jetzt nicht nur als diskursfeindlich, sondern auch als Gral von Ausgangssperren, Schulschließungen und Impfpflichten, die sie um jeden Preis verteidigen will.


Der Zweck des Staates ist die Freiheit

Vor rund 350 Jahren (1670) schrieb der Querdenker Baruch de Spinoza in seinem anonym erschienenen »Theologisch-politischen Traktat« angesichts der Verfolgung von religiösen und philosophischen Dissidenten in den Niederlanden:

Es sei ganz unmöglich, »dass der Geist unbedingt dem Rechte eines anderen verfällt; denn niemand kann sein natürliches Recht oder seine Fähigkeit, frei zu schließen und über alles zu urteilen, auf einen anderen übertragen, noch kann er zu einer solchen Übertragung gezwungen werden. Darum also wird eine Regierung als Gewaltherrschaft angesehen, wenn sie sich auf die Geister ausdehnt, und die höchste Majestät scheint den Untertanen ein Unrecht zuzufügen und sich ihr Recht anzumaßen, wenn sie vorschreiben will, was jeder als wahr anzunehmen und was er als falsch verwerfen soll …«

»Wenn also niemand die Freiheit aufgeben kann, zu urteilen und zu denken, wie er will, sondern ein jeder nach dem höchsten Recht der Natur Herr seiner Gedanken ist, so kann der Erfolg nur ein sehr unglücklicher sein, wenn man in einem Staat versuchen will, zu bewirken, dass die Menschen, so verschieden und entgegengesetzt auch ihre Gedanken sind, bloß nach der Vorschrift der höchsten Gewalten reden.«

Darum wird diejenige Regierung die gewalttätigste sein, unter der einem jeden die Freiheit, zu sagen und zu lehren, was er denkt, verweigert wird, und diejenige dagegen gemäßigt, die diese Freiheit jedem zugesteht.

»Es ist nicht der Zweck des Staates, die Menschen aus vernünftigen Wesen zu Tieren oder Automaten zu machen, sondern vielmehr zu bewirken, dass ihr Geist und ihr Körper ungefährdet seine Kräfte entfalten können, dass sie selbst frei ihre Vernunft gebrauchen und dass sie nicht mit Zorn, Hass und Hinterlist sich bekämpfen noch feindselig gegeneinander gesinnt sind. Der Zweck des Staates ist in Wahrheit die Freiheit.«

»Gesetzt aber, diese Freiheit könnte unterdrückt und die Menschen könnten so in Schranken gehalten werden, dass sie nicht zu mucken wagten ohne Erlaubnis der höchsten Gewalten, so wird es doch sicherlich niemals dahin kommen, dass sie auch bloß so denken, wie die höchsten Gewalten es wollen. Die notwendige Folge wäre also, dass die Menschen tagein, tagaus anders redeten, als sie dächten, und damit würden Treu und Glaube, die dem Staate doch so nötig sind, aufgehoben und die verächtlichste Heuchelei und Treulosigkeit großgezogen, die Quelle jedes Betrugs und der Verderb aller guten Sitten.«

»Die Menschen sind in der Regel so beschaffen, dass ihnen nichts so unerträglich ist, als wenn Ansichten, die sie für wahr halten, als Verbrechen gelten und wenn ihnen das, was sie zur Frömmigkeit in ihrem Verhalten gegen Gott und die Menschen bewegt, als Missetat angerechnet wird. Dann verabscheuen sie die Gesetze und erlauben sich alles gegen die Behörden, und sie halten es nicht für schimpflich, sondern für höchst ehrenvoll, um dieser Ursache willen Empörungen anzustiften und jeden möglichen Frevel zu versuchen. Da die menschliche Natur zweifellos so beschaffen ist, so treffen denn die Gesetze über die Meinungen nicht die Bösen, sondern die Edlen und dienen nicht, die Übelgesinnten im Zaum zu halten, sondern vielmehr die Anständigen zu erbittern, und lassen sich ohne große Gefahr für die Regierung nicht aufrechterhalten.«

Die wahren Friedensstörer

»Lässt sich ein größeres Unglück für einen Staat denken, als dass achtbare Männer, bloß weil sie eine abweichende Meinung haben und nicht zu heucheln verstehen, wie Verbrecher des Landes verwiesen werden? Was … kann verderblicher sein, als wenn Männer nicht wegen einer Freveltat, sondern nur weil sie freien Geistes sind, zu Feinden erklärt und zum Tode geführt werden …?«

Ja, das sind die wahren Friedensstörer, die in einem freien Staat die Freiheit des Urteils, die nicht unterdrückt werden kann, aufheben wollen.

»1. Es ist unmöglich, den Menschen die Freiheit zu nehmen, zu sagen, was sie denken.

2. Diese Freiheit kann unbeschadet des Rechts und der Autorität der höchsten Gewalten jedem zugestanden werden, und jeder kann diese Freiheit unbeschadet jenes Rechts bewahren, sofern er sich daraus nicht die Erlaubnis nimmt, etwas im Staat als Recht einzuführen oder den anerkannten Gesetzen entgegenzuhandeln.

3. Jeder kann diese Freiheit besitzen, unbeschadet des Friedens im Staat und es wird kein Missstand sich daraus ergeben, der nicht leicht abzustellen wäre.

4. Auch unbeschadet der Frömmigkeit kann jeder diese Freiheit besitzen.

5. Gesetze über spekulative Dinge sind völlig nutzlos.«

»Wo man sich umgekehrt bemüht, den Menschen diese Freiheit zu nehmen, und wo man die Meinungen Andersdenkender vor Gericht zieht anstatt ihre Handlungen, die allein doch gegen die guten Sitten und die Frömmigkeit verstoßen können[1], da wird an rechtschaffenen Leuten ein Exempel statuiert, das eher nach einem Martyrium aussieht und das die anderen mehr erbittert und zum Mitleid, ja zur Rache bewegt, als dass es sie abschreckt. Treu und Glaube und die guten Sitten werden vernichtet, Heuchler und Verräter großgezogen, und die Gegner triumphieren, weil man ihrem Hasse nachgegeben hat und weil es ihnen gelungen ist, die Inhaber der Regierungsgewalt zu Parteigängern der Lehre zu machen, als deren Ausleger sie gelten …«

(20. Kapitel, Philosophische Bibliothek, Bd. 93, Hamburg 1994, S. 299 ff.).


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Anmerkung:


  1. Denique ostendimus, hanc libertatem non tantum servata Reipublicae pace, pietate, et summarum potestatum jure posse, sed ad haec omnia conservandum, etiam debere concedi; nam ubi ex adverso eandem hominibus adimere laboratur, et discrepantium opiniones, non autem animi, qui soli peccare possunt, in judicium vocantur, ibi honestos exempla eduntur, quae potius martyria videntur, quaeque reliquos magis irritant, et ad misericordiam, si non ad vindictam plus movent, quam terrent; bonae deinde artes, et fides corrumpuntur, adulatores, et perfidi foventur, et adversarii triumphant, quod eorum irae concessum sit, quodque imperium tenentes suae doctrinae, cujus interpretes habentur …

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